TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/27 95/13/0170

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Veröffentlicht am 27.05.1998
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des NS in I, vertreten durch Dr. Günther Maleczek, Rechtsanwalt in Schwaz, Winterstellergasse 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. Mai 1995, Zl. GA 7 - 963/2/95, betreffend Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem am 19. Oktober 1992 beim Finanzamt für den I. Bezirk in Wien eingelangten Anbringen brachte der Beschwerdeführer vor, daß sein Unternehmen, die S.-Computervertriebsgesellschaft m. b.H. in Gefolge einer zum Jahresende 1989 erfolgten Kündigung des Vertriebsvertrages durch das Zulieferunternehmen und des in den Jahren 1990 und 1991 in der Branche herrschenden Preiskampfes im Jahre 1991 und 1992 derart hohe Verluste erlitten habe, daß, nachdem eine Verbesserung der Situation nicht zu erwarten sei, gemeinsam mit dem Hauptgläubiger, einer näher genannten Bank, der Beschluß gefaßt worden sei, einen stillen Ausgleich durchzuführen. Mit der Durchführung dieses Ausgleichs sei der Rechtsvertreter des Unternehmens beauftragt worden; den Gläubigern seien 20 % angeboten worden, wobei der Vergleich mit den Gläubigern zum großen Teil abgeschlossen und die Quote allen Gläubigern ausbezahlt worden sei. Das Ruhen des Gewerbebetriebes werde mit Wirkung vom 29. Februar 1992 angezeigt werden. Der Beschwerdeführer ersuche nun das Finanzamt um Nachsicht und Annahme des stillen Ausgleiches von 20 % mit Stundung bis zur Erledigung. Er gab als offenen Saldo den Betrag von S 234.882,-- und die 20 %-Quote mit S 46.976,-- an. Angeschlossen war diesem Anbringen des Beschwerdeführers eine vom Beschwerdeführer als "Liste der ausgeglichenen Beträge" bezeichnete Aufstellung der Gäubiger, der ihnen geschuldeten Beträge, der ihnen bezahlten Beträge und des auf die geschuldeten Beträge durch die betroffenen Zahlungen getilgten Prozentsatzes der Forderungen. Von den 39 in dieser Aufstellung als mit ihren Forderungen berücksichtigt angeführten Gläubigern wurden nach dieser Aufstellung 22 der Forderungen zu 100 % getilgt, eine Forderung in Höhe von S 921.247,22 mit einem Betrag von S 599.830,82 und damit zu 65 %, eine Forderung zu 44 %, eine zu 40 %, eine zu 25 %, neun Forderungen zu 20 %, eine Forderung zu 17 %, eine zu 5 % und zwei weitere Forderungen zu "0 %"; hinsichtlich zweier Bankenforderungen wird lediglich deren Saldo angeführt.

Mit Bescheid vom 2. Februar 1994 wies das Finanzamt das der S.-Computervertriebsgesellschaft m.b.H. zugerechnete Nachsichtsansuchen mit der Begründung ab, daß ein stiller Ausgleich zum einen einen allgemeinen quotenmäßigen Verzicht aller Gläubiger erfordere; daß auch die beiden Banken zu einem entsprechenden Forderungsverzicht bereit gewesen seien und jene Unternehmen, deren Quote mit "0 %" angegeben worden war, auf ihre Forderungen verzichtet hätten, lasse sich den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen. Zum anderen sei das Ruhen des Betriebes zum 29. Februar 1992 mitgeteilt worden, was auch zur Abweisung des Nachsichtsansuchens zu führen habe, weil sich bei einem eingestellten Betrieb die Frage der Existenzgefährdung nicht mehr stelle.

In einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde vorgebracht, daß der offene Saldo bei der einen Bank durch die Zahlung eines Dritten abgedeckt worden sei, und daß die andere Bank den gesamten Saldo ruhend gestellt und durch die Finanzierung des zweiten Unternehmens des Beschwerdeführers die Zahlung der Quote an das Finanzamt Wien erst ermöglicht habe. Mit den zwei vom Finanzamt angeführten Unternehmen seien Vereinbarungen getroffen worden. Das Finanzamt Innsbruck habe die auch bei ihm begehrte Abgabennachsicht antragsgemäß gewährt. Die Existenzgefährdung betreffe das andere Unternehmen des Beschwerdeführers, welches die bisher bezahlte Quote finanziert habe, aber aus bestehenden Gewinnen nicht in der Lage sei, die Abgabenschuld in voller Höhe zu bezahlen. Angeschlossen war der Berufung die Ausfertigung eines Bescheides des Finanzamtes Innsbruckes über eine für einen Abgabenbetrag von S 195.703,-- gewährte Abgabennachsicht. Ebenso war angeschlossen eine schriftliche Vereinbarung mit einem der in der erwähnten Aufstellung aufscheinenden und als mit "0 %" seiner Forderung als befriedigt angeführten Unternehmen, welche Vereinbarung die Verpflichtung der Gesellschaft des Beschwerdeführers zur Rückgabe aller noch lagernden Geräte und zur Zahlung einer Quote von 20 % auf die danach noch offenbleibende Forderung enthält.

Mit Bescheid vom 29. April 1994 wurde die Berufung der S.-Computervertriebsgesellschaft m.b.H. gegen die Abweisung der begehrten Abgabennachsicht mit der Begründung abgewiesen, daß die als Hauptgläubiger anzusehende Bank den gesamten Saldo zwar ruhend gestellt, die Forderung aber nicht nachgelassen habe. Ein gleichmäßiger Forderungsverzicht sämtlicher wesentlicher Gläubiger liege nicht vor. Ebensowenig liege die Absicht der Gesellschaft vor, den Betrieb fortzuführen, wobei es auf Härten für Dritte, nämlich das andere Unternehmen des Beschwerdeführers, nicht ankomme. Daß das Finanzamt Innsbruck eine Nachsicht gewährt habe, sei ohne Bedeutung.

Mit Bescheid vom 19. Jänner 1995 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der S.-Computervertriebsgesellschaft m.b.H. im Gesamtbetrag von S 307.423,80 (S 287.949,80 für Gewerbesteuer 1990, S 6.750,-- für Säumniszuschläge 1992/1994 und S 12.724,-- für Stundungszinsen 1992/1993) zur Haftung herangezogen. Das Finanzamt wies auf die Stellung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer und auf die Bestimmung des § 80 Abs. 1 BAO sowie auf den Umstand hin, daß Vollstreckungsmaßnahmen gegen die S.-Computervertriebsgesellschaft m.b.H. erfolglos verlaufen seien.

In seiner gegen den Haftungsbescheid erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer ein Verschulden und eine Ursächlichkeit eines ihm zuzurechnenden Verhaltens an der Uneinbringlichkeit der Abgaben. Der Beschwerdeführer habe in seiner Eigenschaft als verantwortungsbewußter Geschäftsführer die geschäftliche Tätigkeit der Gesellschaft einstellen müssen, gleichzeitig aber sämtlichen Gläubigern einen 20 %igen außergerichtlichen Ausgleich angeboten, der von allen Gläubigern auch angenommen worden sei. Eine solche 20 %ige Quote habe der Beschwerdeführer auch an das Finanzamt Wien bezahlt; aus Anlaß seines am 13. Oktober 1992 gestellten Nachsichtsansuchens sei ihm erklärt worden, daß er mit einer Nachsicht des Restbetrages werde rechnen können, wenn die 20 %ige Quote bezahlt werde. Trotz erfolgter Zahlung sei ein negativer, im Instanzenzug in der Folge bestätigter Bescheid ergangen. Der Beschwerdeführer habe durch die Bezahlung der 20 %igen Quote dem Erfordernis der Gleichbehandlung entsprochen, sodaß ein Verschulden seinerseits nicht festgestellt werden könne. Eine Pflichtverletzung müsse kausal für die Uneinbringlichkeit sein, was diesfalls nicht der Fall sei, weil der Beschwerdeführer alles getan habe, um seine Gläubiger in gleicher Weise zu befriedigen. Mit der Bezahlung des 20 %igen außergerichtlichen Ausgleiches seien sämtliche Vermögensmittel der Gesellschaft verbraucht, wobei darauf hingewiesen werde, daß für die Bezahlung dieser Verbindlichkeiten der Gesellschaft bereits private Gelder teilweise herangezogen worden seien. Es liege daher keine Ursächlichkeit und keine Pflichtverletzung vor, weil der Beschwerdeführer bereits aus privaten Mitteln zugeschossen habe. Das Finanzamt Innsbruck habe nach Bezahlung der 20 %igen Quote die Nachsicht gewährt. Selbst wenn trotz gleichgelagerten Sachverhaltes wie beim Finanzamt Innsbruck die Nachsicht aus Formalgründen nicht gewährt werden sollte, lägen zumindestens sämtliche Voraussetzungen dafür vor, keinen Haftungsbescheid zu erlassen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 18. April 1995 wies das Finanzamt die Berufung des Beschwerdeführers ab und führte dazu aus, daß es nach der Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers Verluste erst in den Jahren 1991 und 1992 gegeben habe, während die Ertragslage im Jahr 1990 noch positiv gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe mit Gewerbesteuerforderungen rechnen müssen, für die er aber nicht rechtzeitig Sorge getragen habe, weil im Jahr 1990 alle erwirtschafteten Mittel in Maßnahmen zum Aufbau einer neuen Marke in Österreich investiert worden seien. Der vom Beschwerdeführer behaupteten Gleichbehandlung aller Gläubiger stehe der Inhalt der seinem Nachsichtsansuchen beigelegten Aufstellung entgegen, aus der sich ergebe, daß zahlreiche Verbindlichkeiten zur Gänze, einige im Ausmaß von 20 %, einzelne zu 25, 40, 44 und sogar zu 65 % getilgt worden seien; dem Gleichbehandlungsgebot sei so nicht entsprochen worden. Ein stiller Ausgleich sei mit dem Finanzamt nicht vereinbart worden. Da der Abgabengläubiger gegenüber einer Vielzahl von anderen Gläubigern schlechter gestellt wurde und dies auch ursächlich für die Uneinbringlichkeit der Nachforderungen gewesen sei, sei der Beschwerdeführer mit Recht zur Haftung herangezogen worden.

In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Beschwerdeführer vor, daß es schon zutreffen könne, daß nicht alle Gläubiger in gleicher Weise "genau auf den Schilling" 20 % ihrer Forderung erhalten hätten. Hier sei in wirtschaftlicher Betrachtungsweise aber nicht vom Prozentsatz der bezahlten Forderung, sondern vom absoluten Betrag auszugehen. Bei einem außergerichtlichen Ausgleich finde kein formelles Verfahren statt, sondern handle es sich um eine Summe von Einzelvergleichen. Gerade bei geringfügigen Forderungen die Sache daran scheitern zu lassen, daß der einzelne Gläubiger etwas mehr bekomme, wäre unwirtschaftlich, weil sonst wegen eines absolut gesehen geringfügigen Betrages der Schuldnachlaß nicht zustande käme. Beim außergerichtlichen Ausgleich könne nicht mit demselben Maßstab wie beim gerichtlichen Ausgleich gemessen werden, wo kraft Gesetzes eine Besserstellung einzelner Gläubiger selbst dann verboten sei, wenn diese Besserstellung betragsmäßig nicht sonderlich ins Gewicht falle. Der Beschwerdeführer habe die Angelegenheit mit dem zuständigen Referenten besprochen, wobei ihm erklärt worden sei, daß er mit der Nachsicht des Restbetrages werde rechnen können, wenn eine 20 %ige Quote bezahlt werde. Wenngleich auf eine Nachsicht kein Rechtsanspruch bestehe, sei doch aus dem Umstand dieser Zahlung abzuleiten, daß eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger vorliege, wofür auch der Umstand spreche, daß an das Finanzamt ein relativ hoher Betrag bezahlt worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers teilweise dahin statt, daß die Haftung von S 307.423,80 auf S 198.084,80 (S 180.754,80 für Gewerbesteuer 1990, S 4.606,-- für Säumniszuschlag 1992 und S 12.724,-- für Stundungszinsen 1993) eingeschränkt wurde, während sie die Berufung im übrigen als unbegründet abwies. Die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft und die Stellung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer und damit zum Kreis der in § 80 BAO genannten Vertreter zählende Person stehe außer Streit, führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus. Dem vom Beschwerdeführer angestrebten außergerichtlichen Ausgleich habe die Abgabenbehörde nicht zugestimmt. Aus den im Zuge des vom Beschwerdeführer angestrebten Ausgleiches vorgelegten Unterlagen sei ersichtlich, daß der Beschwerdeführer einige Gläubiger vollständig befriedigt habe (darunter auch seinen Steuerberater). Auf die aushaftende Abgabenverbindlichkeit habe der Beschwerdeführer hingegen lediglich eine Quote von 20 % entrichtet, damit aber dem Gleichbehandlungsgebot zuwidergehandelt. Da der Beschwerdeführer glaubwürdig vorgetragen habe, daß mit der Bezahlung des "Ausgleiches" die Vermögensmittel der Gesellschaft verbraucht gewesen seien, könne der Beschwerdeführer nicht mehr zur Haftung hinsichtlich nach dem 17. September 1993 fällig gewordener und vom angestrebten Ausgleich somit nicht erfaßter Abgabenschuldigkeiten herangezogen werden. Im übrigen aber hafte der Beschwerdeführer für die im Spruch eingeschränkt genannten Abgabenschuldigkeiten.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde trägt der Beschwerdeführer vor, daß mit dem ihm gemachten Vorwurf, die Forderungen einzelner Gläubiger voll befriedigt zu haben, übersehen werde, daß ein Konkurs eine Quote von nicht einmal 5 % ergeben hätte, woraus zu schließen sei, daß mit einer Bezahlung von mehr als 5 % an Quote eine gleichmäßige Verwendung der Gesellschaftsmittel bereits erfolgt sei. Alles, was darüber hinaus bezahlt worden sei, sei nur deshalb möglich gewesen, weil der Beschwerdeführer seine privaten Ersparnisse und Gelder von Verwandten zur Erfüllung dieses außergerichtlichen Ausgleiches verwendet habe. Eine gewisse Ungleichbehandlung von Gläubigern liege im Wesen eines außergerichtlichen Ausgleiches derart, daß die kleineren Gläubiger in der Regel besser als große Gläubiger bedient zu werden pflegen. Lohne es sich wegen relativ geringfügiger Beträge doch nicht, eine umfangreiche Korrespondenz zu führen, um die Zustimmung zu erlangen. Wenn von dritter Seite oder aus privatem Geld des Beschwerdeführers Gelder zur Erfüllung des außergerichtlichen Ausgleiches zugeschossen worden seien, dann sei dies im Hinblick auf den jeweiligen konkreten Einzelgläubiger erfolgt, dessen Zustimmung eben davon abhängig gewesen sei, daß im Einzelfall auch mehr als die 20 %ige Quote bezahlt würde. Die Vollzahlung von Forderungen sei auf Grund besonderer Verhältnisse notwendig gewesen. Es hätten die privaten Darlehensgeber ihre finanzielle Unterstützung des Beschwerdeführers nämlich auch davon abhängig gemacht, daß eine ordnungsgemäße Abwicklung erfolge, wozu die Mitwirkung des Steuerberaters erforderlich und dessen Begehren nach Bezahlung von 100 % daher auch sachlich gerechtfertigt gewesen sei. Der außergerichtliche Ausgleich müsse mit einem gerichtlich durchgeführten Insolvenzverfahren verglichen werden. Da die Mittel der Gesellschaft zur Zahlung einer 20 %igen Quote nicht ausgereicht hätten, hätten durch die Vorgangsweise des Beschwerdeführers die Gläubiger insgesamt wesentlich mehr erhalten, als sie bei Durchführung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens hätten erwarten können. Die den Hauptgläubiger darstellende Bank habe auch die 20 %ige Quote bisher nicht erhalten, weil eine Regelung vereinbart worden sei, welche eine zehnjährige Abtragung der Verbindlichkeit (reduziert auf 20 %) vorsehe und erst für ca. ein Jahr die Raten bezahlt worden seien. In Betrachtung all dieser Umstände könne von einer Benachteiligung des Abgabengläubigers nicht die Rede sein; wenn von privater Seite bereits dazugeschossen werde, fehle es sowohl an der Kausalität als auch an der Schuld. Hätte die Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, dann wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, die Einzelheiten der Abwicklung des außergerichtlichen Ausgleiches im Detail unter Beweis zu stellen. Das mit dem Vertreter der Abgabenbehörde geführte Gespräch des Beschwerdeführers habe im übrigen diesem den Eindruck vermittelt, daß sein seinerzeitiger Nachsichtsantrag positiv behandelt werden würde, wenn die 20 %ige Quote zuvor bezahlt würde. Daß sich dies nunmehr als unrichtig herausgestellt habe, verstoße gegen Treu und Glauben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Im Beschwerdefall ist weder die Uneinbringlichkeit der in Haftung gezogenen Abgaben bei der Gesellschaft noch die Vertreterstellung des Beschwerdeführers im maßgebenden Zeitraum strittig, sondern vielmehr die Frage, ob eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Beschwerdeführer zur Uneinbringlichkeit der Abgaben geführt hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft den Geschäftsführer in einem Fall wie dem vorliegenden die besondere Verpflichtung, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Ebenso hat der Geschäftsführer darzutun, daß er die Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat. Kommt der Geschäftsführer dieser Verpflichtung - sofern sein Vorbringen Anlaß hiezu bietet, nach entsprechender Aufforderung zur Präzisierung und Beweisantretung - nicht nach, kann die Behörde davon ausgehen, daß er seiner Pflicht zur Abgabenentrichtung schuldhaft nicht nachgekommen ist. Hat der Geschäftsführer ohne eine rechtmäßige Grundlage für eine vorrangige Befriedigung Gesellschaftsschulden aus Gesellschaftsmitteln befriedigt, die Abgabenschulden jedoch unberichtigt gelassen oder bei der Aufteilung der vorhandenen Mittel benachteiligt, dann haftet der Geschäftsführer für die bei der Gesellschaft uneinbringlich gewordenen Abgaben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Mai 1997, 96/15/0003, vom 23. Jänner 1997, 96/15/0107, vom 26. März 1996, 92/14/0088, und vom 3. November 1994, 93/15/0010, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Der angefochtene Bescheid steht mit den in der dargestellten Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätzen im Einklang. Das Beschwerdevorbringen zeigt eine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit nicht tauglich auf:

Das auf den Konkursfall Bezug nehmende Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Gesellschaftsmittel im Konkursfall nicht einmal zu einer Bezahlung einer Quote in Höhe von 5 % der Forderungen ausgereicht hätten, muß unbeachtlich bleiben, weil der Beschwerdeführer damit einen Sachverhalt vorträgt, für den sich in seinem Sachvorbringen im Verwaltungsverfahren kein Anhaltspunkt findet, und mit dem er deshalb gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) verstößt. Ebenso verstößt der Beschwerdeführer mit jenem Vorbringen gegen das Neuerungsverbot, mit welchem er die über einer Quote von 20 % gelegene Befriedigung anderer Forderungen mit Zahlungen von dritter Seite oder aus Privatvermögen des Beschwerdeführers erklären will. Im Verwaltungsverfahren hatte der Beschwerdeführer demgegenüber nämlich nur darauf hingewiesen, daß zur Bezahlung "des 20 %igen außergerichtlichen Ausgleiches" bereits private Gelder teilweise herangezogen worden seien. Ein Konnex privater Gelder zur Befriedigung solcher Forderungen, die in einem höheren Umfang als zu 20 % getilgt worden waren, findet sich im Sachvorbringen des Beschwerdeführers vor den Abgabenbehörden nicht.

Daß die Bank, welche als Hauptgläubiger anzusehen war, die 20 %ige Quote noch nicht erhalten habe, ist ebenso ein Vorbringen, welches vor dem Verwaltungsgerichtshof erstmals erstattet wird.

Die Schlußfolgerung des Beschwerdeführers, unter Berücksichtigung "all dieser Umstände" könne von einer Benachteiligung des Abgabengläubigers nicht die Rede sein, verlangt damit vom Verwaltungsgerichtshof eine Berücksichtigung von Sachverhalten, die der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen hatte. Derlei muß dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt bleiben.

Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf einer Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht ist unberechtigt. Die belangte Behörde ist in ihrer rechtlichen Beurteilung von jenem Sachverhalt ausgegangen, der sich aus dem Sachvorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren unter Einschluß der von ihm vorgelegten Urkunden ergab. Schon in der Berufungsvorentscheidung wurde dem Beschwerdeführer durch das Finanzamt in unmißverständlicher Weise vor Augen geführt, daß sich aus der seinem Nachsichtsansuchen angeschlossenen "Liste der ausgeglichenen Beträge" eine eklatante Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes dem Abgabengläubiger gegenüber ergebe. Dem hat der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht mehr entgegengesetzt als allgemein gehaltene Ausführungen über den Unterschied zwischen dem gerichtlichen und dem außergerichtlichen Ausgleich und die Klage darüber, daß er beim Finanzamt Wien anders als beim Finanzamt Innsbruck die erhoffte Abgabennachsicht nicht bekommen hatte. Wenn der Beschwerdeführer in diesem seinem Schriftsatz den Sachverhalt durch Formulierungen derart beschrieb, daß einzelne Gläubiger "etwas mehr als die auf den Groschen genaue Quote" bekommen haben könnten, dann stellte eine solche Dartellung eine grobe Verharmlosung jenes Sachverhaltes dar, der sich aus der vom Beschwerdeführer dem Nachsichtsantrag angeschlossenen Aufstellung ergab, und den das Finanzamt zum Anlaß schon für die abweisliche Berufungsvorentscheidung genommen hatte. Nicht nur die volle Befriedigung der Honorarforderung des Steuerberaters, sondern auch die mit 65 % erheblich über der behaupteten Quote von 20 % gelegene Befriedigung einer Forderung von über S 900.000,-- mußte die Behauptung des Beschwerdeführers über eine Gleichbehandlung des Abgabengläubigers mit anderen Gläubigern in gravierender Weise widerlegen. Das Finanzamt hat dem Beschwerdeführer dies in seiner Berufungsvorentscheidung deutlich gemacht. Am Beschwerdeführer wäre es gelegen, den durch die von ihm selbst vorgelegte Aufstellung geschaffenen Beweis einer gravierenden Schlechterstellung des Abgabengläubigers durch taugliche Argumente zu entkräften. Hat er dies trotz der sich durch den Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gebotenen Gelegenheit nicht getan, dann kann er der belangten Behörde eine Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht nicht mit Erfolg vorwerfen.

Der wiederkehrende Hinweis des Beschwerdeführers auf die Unterschiede zwischen einem gerichtlichen und einem außergerichtlichen Ausgleich kann seiner Beschwerde deswegen zu keinem Erfolg verhelfen, weil die den Geschäftsführer einer Gesellschaft, deren Abgaben uneinbringlich geworden sind, treffende Haftung durch eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ausgelöst wird, die dann vorliegt, wenn der Abgabengläubiger schlechter als andere Gläubiger behandelt worden ist. Diesen dem Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsverfahrens auf der Basis der von ihm selbst vorgelegten Unterlage mit Recht gemachten Vorwurf konnte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren aber trotz gebotener Gelegenheit nicht entkräften. Die Kausalität des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens für die Uneinbringlichkeit der in Haftung gezogenen Abgabenforderungen ist evident. Hat sich der Beschwerdeführer durch die gänzliche oder überproportionale Befriedigung anderer Forderungen doch selbst der Möglichkeit begeben, die Abgabenforderungen pflichtgemäß zu bedienen.

Ob das vom Beschwerdeführer dargestellte Vorgehen der Abgabenbehörde im Nachsichtsverfahren gegen Treu und Glauben verstoßen hätte, wie der Beschwerdeführer meint, bleibe dahingestellt. Den im Instanzenzug ergangenen Bescheid über die Abweisung des Nachsichtsansuchens der Gesellschaft hat der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Gesellschaft unbekämpft belassen, weil ihm, wie er in der Beschwerdeschrift anführt, eine Bekämpfung wenig aussichtsreich erschien. Daß es dem Beschwerdeführer für seine Gesellschaft beim Finanzamt Innsbruck gelungen war, dessen ungeachtet eine Nachsicht offener Abgabenforderungen zu erhalten, ist kein Umstand, der geeignet sein konnte, eine Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Nachsicht vor dem Finanzamt Wien oder gar eine Rechtswidrigkeit des hier allein zu prüfenden Haftungsbescheides zu indizieren. Auch von Organwaltern der Abgabenbehörde allenfalls geweckte Hoffnungen auf die Erwirkung einer Abgabennachsicht für die Gesellschaft auch in Wien bildeten keinen rechtlichen Grund, welcher der behördlichen Beurteilung im hier angefochtenen Bescheid, den Beschwerdeführer zufolge nachteiliger Ungleichbehandlung des Abgabengläubigers zur Haftung heranzuziehen, entgegengestanden wäre.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995130170.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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