TE Dok 2020/3/11 W-4/19-DK/2019

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Veröffentlicht am 11.03.2020
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §45 Abs1
BDG 1979 §53 Abs1

Schlagworte

Sexuelle Belästigung, minderjähriger Lehrling, Verstoß Fürsorgepflicht, Anzeigepflicht

Text

D I S Z I P L I N A R E R K E N N T N I S

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen hat durch MR Mag. Friedrich Paul als Senatsvorsitzenden sowie MR Mag. Felix Kollmann und ADir Veronika Schmidt als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates IV nach der am 3. März 2020 in Anwesenheit der Disziplinaranwältin MR Mag. Ursula Bachmair, MBA, und des Beschuldigten NN, vertreten durch RA Dr. Martin Riedl, durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

NN

ehem. Verkaufsleiter in x,

Vertrieb Filialen

ist

s c h u l d i g

 

dem dringenden Verdacht der sexuellen Belästigung eines minderjährigen weiblichen Lehrlings in der Postfiliale X, für deren Betreuung er zuständig war, nicht nachgegangen zu sein.

 

Er hat dadurch gegen die Pflicht des Beamten,

in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§ 43 Abs. 2 leg.cit.),

als Vorgesetzter darauf zu achten, dass seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben in gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen, sie anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, insbesondere aber aufgetretene Fehler und Missstände abzustellen (§ 45 Abs 1 leg.cit) und

den in Ausübung des Dienstes bekannt gewordenen begründeten Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, die den Wirkungsbereich der Dienststelle betrifft, der er angehört, unverzüglich dem Leiter seiner Dienststelle zu melden (§ 53 Abs. 1 leg.cit)

verstoßen und sich dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 133 leg.cit. schuldig gemacht.

Es wird daher über ihn gemäß § 91 in Verbindung mit § 133 und § 134 Z 2 BDG 1979 die

Disziplinarstrafe der

Geldstrafe

in der Höhe von € 3.000,-

verhängt.

Gemäß § 127 Abs. 2 BDG 1979 wird die Abstattung der Geldstrafe in 30 gleichen Monatsraten bewilligt.

Verfahrenskosten sind keine angefallen.

B e g r ü n d u n g

NN steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen. Er war vom 01. Juli 2015 bis zu seiner Ruhestandsversetzung mit xx.xx.2019 als Verkaufsleiter in X eingesetzt. Seit einer Gebietsänderung im Mai 2018 war er auch für die Postfiliale X zuständig und dadurch direkter Vorgesetzter der Knotenleiterin W. und des damals in der Filiale X eingesetzten weiblichen Lehrlings Frau K.

Im Zeitraum Juni bis Oktober 2018 wurden unter anderem Frau W., der Lehrlingsbeauftragte der Postfiliale X Herr G., die allgemeine Lehrlingsbeauftragte Frau S., das VPA-Mitglied Herr K. und der Verkaufsleiter NN vom dringenden Verdacht der sexuellen Belästigung des damals noch minderjährigen Lehrmädchens Frau K. durch den Beamten G. während des Zeitraumes Jänner bis März 2018 in der Postfiliale X verständigt.

Die Dienstbehörde erlangte als Disziplinarbehörde erstmals mittels E-Mail vom 05. Dezember 2018 von den Vorfällen Kenntnis.

Dem erhobenen Sachverhalt liegen als Beweismittel zugrunde die Einvernahmeprotokolle von Frau W. und Herrn G. jeweils vom 28. November 2018, das Gedächtnisprotokoll eines Gesprächs mit Frau S. vom 30. November 2018, das Gedächtnisprotokoll von Herrn G. (ohne Datum), die mit NN aufgenommene Niederschrift vom 06. März 2019, die mit Frau S. aufgenommene Niederschrift vom 25. April 2019 sowie die Disziplinaranzeige vom 14. Mai 2019, jeweils zum Verdacht einer sexuellen Belästigung von Frau K. durch Herrn G.

Demnach wurde NN im Juli 2018 von Frau W. informiert, dass Frau K. gerüchteweise in der Filiale sexuell belästigt worden sei. Frau W. hatte zu diesem Zeitpunkt schon ein Gespräch mit dem als Täter beschuldigten Beamten G. geführt, teilte den Namen jedoch NN nicht mit. NN beschränkte sich nach Erhalt dieser Information darauf, mit der für Lehrlinge zuständigen Frau S. auf einer Veranstaltung bzw. in einem Telefonat über diesen Vorfall zu sprechen.

Im August fragte NN bei dem Lehrlingsausbildner Herrn G. nach, ob er direkte Beobachtungen der Vorfälle gemacht hätte. Bei diesem Gespräch soll NN laut Gedächtnisprotokoll von Herrn G. folgende Aussage getätigt haben: „Wenn keiner etwas gesehen hat, die Kamera nichts gespeichert hat und sich der Vorfall im Februar zugetragen hat, dann soll die Kleine scheißen gehen.“

Im Zuge der Befragung am 06. März 2019 in der Unternehmenszentrale gab NN an, dass er im Juli 2018 von Frau W. über das Gerücht einer sexuellen Belästigung betreffend Frau K. informiert worden sei und mit Frau S. sowie Herrn G. auch darüber gesprochen habe. Frau S. habe ihm sinngemäß mitgeteilt, dass man bei Gerüchten nichts machen könne und Herr G. habe ihm ebenfalls dazu nichts sagen können. Zu dem laut Herrn G. von NN stammenden Satz „Wenn keiner etwas gesehen hat, die Kamera nichts gespeichert hat und sich der Vorfall im Februar zugetragen hat, dann soll die Kleine scheißen gehen“ gab er an, dass er keine solche Wortwahl pflege und die Aussage auch inhaltlich nicht stimme.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2020 bekannte sich NN schuldig, bestritt aber erneut die angeblich gegenüber Herrn G. geäußerte Aussage, dass Frau K. scheißen gehen solle, wenn keiner etwas gesehen und die Kamera nichts gespeichert habe. Er wäre von Herrn Gruber menschlich enttäuscht. Wenn er jetzt nochmals mit einer solchen Information konfrontiert wäre, würde er unverzüglich den Erhebungsdienst einschalten damit die Angelegenheit lückenlos aufgeklärt wird.

Der Senat hat dazu erwogen:

In rechtlicher Hinsicht ist festzuhalten, dass der Dienstgeber auch zur Fürsorge gegen sexuelle Belästigungen der Mitarbeiterinnen am Arbeitsplatz verpflichtet ist (VwGH vom 21.09.2005, 2002/09/0135). Gemäß § 45 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz (BDG) 1979 hat ein Vorgesetzter im Rahmen der Fürsorgepflicht aufgetretene Missstände abzustellen, da sich die Fürsorge für die Mitarbeiter/innen als besondere Aufgabe aus der Vorgesetztenstellung ergibt. Zu den Dienstpflichten eines Vorgesetzten gemäß § 43 Abs. 1 i.V.m. § 45 Abs 1 leg.cit. gehört auch, die ihm unterstellten Beamten dahingehend zu beobachten, ob diese sich pflichtgemäß verhalten. Um diese Leitungsaufgabe korrekt zu erfüllen, muss der Vorgesetzte einem ordnungs- oder pflichtwidrigen Verhalten von Beamten mit Vorhalten, Belehrungen, Weisungen, Ermahnungen bis hin zur Erstattung einer Disziplinaranzeige begegnen.

Der Verdacht der sexuellen Belästigung eines minderjährigen weiblichen Lehrlings und somit der Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung durch einen Mitarbeiter im eigenen Verantwortungsbereich hätte jedenfalls sofortiger und genauer Nachforschungen durch die davon informierten Vorgesetzten bedurft.

Die von NN im Rahmen seiner Funktion als Verkaufsleiter äußerst oberflächlich durchgeführten Nachfragen waren jedenfalls nicht ausreichend, um seine Fürsorgepflicht gegenüber Frau K. zu erfüllen. Da die Knotenleiterin W. in ihrer Funktion als direkte Vorgesetzte von Frau K. ebenfalls nicht ausreichend tätig wurde, wäre die Aufgabe der Erforschung des Sachverhaltes oder zumindest ein ausdrückliches Einwirken auf Frau W. zur eingehenden Sachverhaltsaufklärung durch NN geboten gewesen.

Auf die Strafgerichtsanhängigkeit des Falles wird verwiesen.

Zur Strafbemessung:

Gemäß § 93 Abs 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken.

Das Disziplinarrecht hat also den Zweck, Beeinträchtigungen des Vertrauensverhältnisses, die durch Fehlverhalten der Beamten entstehen, zu beseitigen bzw. zu vermeiden.

Einerseits soll beim Beamten ein konstruktiver Gesinnungswandel (Einsicht) erreicht werden, der ihn davon abhält, künftig weitere Dienstpflichtverletzungen zu begehen (Spezialprävention), andererseits muss mit dem Strafmittel auch ein Signal an andere Beamte gesetzt werden, diese von der Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, beziehungsweise ihr normgerechtes Verhalten zu bestätigen (Generalprävention).

In spezialpräventiver Hinsicht ist festzuhalten, dass durch den bereits eingetretenen Gesinnungswandel und die Ruhestandsversetzung mit 31. Mai 2019 keine Strafe zu verhängen war.

Andererseits wurde durch die Dienstrechts-Novelle 2008 im zweiten Satz des ?§ 93 Abs. 1 BDG die Zielsetzung, 'der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken', als zusätzliches Strafbemessungskriterium in das Gesetz eingefügt. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage kommt der spezialpräventiven Erforderlichkeit der Strafe bei der Bemessung daher nicht mehr eine derart wesentliche Bedeutung wie bisher zu und sind Gründe der Generalprävention wie solche der Spezialprävention für die Bemessung der Strafe gleichrangig zu berücksichtigen. Ist eine Disziplinarstrafe in einem bestimmten Ausmaß geboten, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, dann haben gegebenenfalls spezialpräventive Überlegungen, die eine solche Disziplinarstrafe nicht als erforderlich erscheinen lassen würden, demgegenüber zurückzutreten (BVwG
W 146 2119466-1, 20.2.2017).

Bei der Strafbemessung wirkte mildernd, das reumütige Geständnis, die bisherige disziplinäre Unbescholtenheit, dass der Beschuldigte durch die von ihm ausgehenden Kontaktnahmen zu den mit Lehrlingsfragen befassten MitarbeiterInnen Frau S. und Herr G. nicht völlig untätig geblieben ist und dass der Beschuldigte die Postfiliale erst kurz vor dem Ruchbarwerden des Belästigungsfalles übernommen hat.

Erschwerend wurde gewertet, dass ein schon von Gesetz wegen schutzbefohlener Lehrling im Stich gelassen wurde und dass durch die Untätigkeit der fachlich befassten Postmitarbeiter/innen, so auch des Beschuldigten, noch im September desselben Jahres ein weiterer Lehrling der Postfiliale X zugewiesen und damit einer potenziellen Gefahr ausgesetzt wurde. Die dabei allen befassten Mitarbeiter/innen vorzuwerfenden dienststrafrechtlichen bzw. disziplinären Verfehlungen wiegen bei dem Beschuldigten schwerer, da ihm im Dienstweg in seiner Vorgesetztenrolle der Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung von der Knotenfilialleiterin angezeigt wurde. Die darauf folgenden Nachlässigkeiten des Vorgesetzten können in einem so sensiblen Bereich nicht hingenommen werden. Es ist vielmehr ein klares Zeichen zu setzen, dass Führungskräfte ihre Verantwortung gegenüber schwächeren und damit schutzbefohlenen Mitarbeitern/innen nachzukommen haben.

Im Hinblick auf die vorliegenden Milderungs- und Erschwerungsgründe ging der erkennende Senat im gegenständlichen Fall davon aus, dass die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von EUR 3.000,--, abstattbar in 30 Monatsraten schuld- und tatangemessen ist. Dieses Strafausmaß ist gerade noch als ausreichend anzusehen, um künftig andere Bedienstete von gleichartigen Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

Bei der Strafbemessung wurden auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten berücksichtigt. Seinen Angaben zu Folge stehen einem Gesamtmonatsnetto- einkommen von ca. EUR 2.033 aktuell monatliche Belastungen in Höhe von ca. 400 Euro an Fixkosten gegenüber. Sorgepflichten oder sonstige Verbindlichkeiten bestehen keine.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Durch den von dem Beschuldigten bzw. von der Verteidigung und der Disziplinaranwältin erklärten Rechtsmittelverzicht ist Rechtskraft des Erkenntnisses eingetreten.

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2020
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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