Entscheidungsdatum
29.07.2019Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 10 Abs1 Z1Text
Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die Beschwerde des Herrn Mag. A. B. gegen den „Bescheid“ des (Plenums des) Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 12.12.2017 Zl. …, betreffend Anerkennung eines von der C. veranstalteten Universitätskurses als Ausbildungsveranstaltung für Rechtsanwaltsanwärter, den
BESCHLUSS:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG iVm § 31 Abs 1 VwGVG mangels tauglichen Anfechtungsgegenstands zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang:
Mit Antrag vom 5.7.2017 begehrte der Beschwerdeführer die Anerkennung des von C. veranstalteten Universitätskurses „D.“ im Zeitraum von 27.3.2017 bis 2.6.2017 (175 Stunden) im Ausmaß von 15 Halbtagen.
Der Beschwerdeführer legte seinem Antrag eine Teilnahmebestätigung bei sowie eine Bestätigung, aus der sich die Titel der Lehrveranstaltungen samt Referenten sowie die anwesenden Stunden ergeben, ferner einen Überblick über den Universitätskurs mit kurzer Beschreibung der einzelnen Module.
Mit Schreiben vom 11.7.2017 forderte die Abteilung E. des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien den Beschwerdeführer auf, binnen 14 Tagen näher genannte (weitere) Unterlagen vorzulegen (die gesamten Seminarunterlagen) sowie näher genannten Fragen (zu seiner Person) zu beantworten.
Mit Schreiben vom 25.7.2017 kam der Beschwerdeführer dieser Aufforderung nach, erstattete eine Äußerung, in der er die gestellten Fragen beantwortete, und legte eine modifizierte Teilnahmebestätigung, das Zeugnis über die erfolgreich absolvierte Rechtsanwaltsprüfung und Seminarunterlagen (bestehend aus insgesamt 15 Skripten) vor.
Mit Bescheid vom 5.9.2017 wies die Abteilung E. des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien den Antrag des Beschwerdeführers im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die universitären Lehrgänge ein anderes Ziel haben als Ausbildungsveranstaltungen für den Rechtsanwaltsberuf.
Mit Schriftsatz vom 20.9.2017 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht Vorstellung, in der er Argumente dafür vorbrachte, warum seiner Auffassung nach der Universitätskurs als Ausbildungsveranstaltung im Ausmaß von 15 Halbtagen anzuerkennen sei.
Mit Schreiben vom 14.11.2017 ersuchte die Abteilung E. des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien den Beschwerdeführer neuerlich, die Seminarunterlagen zum Seminar „D.“ zu übermitteln; diesem Ersuchen kann der Beschwerdeführer fristgerecht nach.
Mit mit 12.12.2017 datiertem und am 21.3.2018 aus- und abgefertigtem Bescheid wies der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) den Antrag des Beschwerdeführers vom 5.7.2017 ab.
Mit Schriftsatz vom 18.4.2018 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid des Ausschusses der Rechtanwaltskammer Wien (Plenum) fristgerecht Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.
Mit Note vom 18.6.2018 legte der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) die Beschwerde samt den bezughabenden Akt (der zur Zahl ... protokolliert ist) dem Verwaltungsgericht vor.
II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
1. Dem im Verwaltungsakt erliegenden (von einer allfälligen Akteneinsicht freilich auszunehmenden) Beschlussprotokoll der am 12.12.2017 stattgefundenen Sitzung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenunm) ist zu entnehmen, dass die „Vorstellungsreferentin“ zunächst die Vorstellung des Beschwerdeführers referierte, sodann den Antrag stellte, der Vorstellung keine Folge zu geben, und angab, die Begründung in Hinblick auf (im Bescheid dann zitierte) VwGH-Erkenntnisse abzuändern; die wesentliche Begründung dieser VwGH-Erkenntnisse ist im Protokoll zusammengefasst ausgeführt. Abschließend erfolgt ein Vermerk der Genehmigung durch den Ausschuss.
Dass Sachverhaltsmomente von der „Vorstellungsreferentin“ vorgetragen und von der Beschlussfassung im Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) erfasst wären, ist dem Beschlussprotokoll vom 12.12.2017 nicht zu entnehmen.
Der bekämpfte Bescheid enthält in seiner Begründung (über) drei Seiten Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere zum Universitätskurs „D.“. Es sind die Module dieses Kurses wiedergegeben, die sich nicht in der Beschreibung von deren Inhalt erschöpfen, sondern auch sachverhaltsmäßige Wertungen enthalten, wie beispielsweise „Irgendein Bezug zu den Bereichen des Zivil-, Straf- oder öffentlichen Rechts ist aus der Beschreibung nicht erkennbar.“ in bezug auf Modul A4; „Der Kurs befasst sich den Unterlagen zufolge nicht mit allfälligen damit zusammenhängenden Rechtsfragen, sondern primär mit betriebswirtschaftlicher Bilanzanalyse.“ in bezug auf Modul A5 oder „Den Seminarunterlagen zufolge handelt es sich dabei um die Vermittlung vom einfachsten Grundlagenwissen im Bereich des Gesellschaftsrechts. Das Eingehen auf besondere Rechtsfragen des Rechtsbereiches ist nicht erkennbar. Dieses Modul scheint auf Teilnehmer mit keinen oder nur geringen Rechtskenntnissen ausgerichtet zu sein.“ in bezug auf Modul A7.
2. Diese Feststellungen ergeben sich aus dem vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) dem Verwaltungsgericht Wien vorgelegten Verwaltungsakt.
3. a) Erledigungen eines Kollegialorgans (wie des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien) bedürfen eines Beschlusses desselben (vgl. z.B. VfSlg 1976/7837). Üblicherweise erfolgt die Willensbildung einer Kollegialbehörde durch den Gesamtakt einer sich an die gemeinsame Erörterung der zu entscheidenden Angelegenheiten anschließenden Abstimmung (VfSlg 1956/3086). Die Willensbildung durch eine Kollegialbehörde umfasst freilich nicht nur den Spruch, sondern auch den Inhalt und damit die wesentliche Begründung einer Erledigung (vgl. z.B. VwGH 20.3.1984, 83/05/0137)
Zu dieser wesentlichen Begründung einer Erledigung zählt auch jener Sachverhalt, der ihr zugrunde liegt (z.B. VwGH 27.4. 2015, 2012/11/0082).
b) Die an den Beschwerdeführer ergangene Erledigung vom 12.12.2017 enthält eine Begründung, die zahlreiche Sachverhaltsmomente umfasst (Inhalt der einzelnen Module des anzurechnen beantragten Studienlehrganges, aber auch sachverhaltsmäßige Ableitungen, die erst die Subsumtion ermöglichen). Gerade die von der Vorstellungsreferentin in der Sitzung am 12.12.2017 vorgetragene (neue) Begründung setzt diese Sachverhaltsmomente voraus (nicht zuletzt auch deshalb, weil sie sich auch nicht im Bescheid der Abteilung E. des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 5.9.2017, weil dieser ja anders begründet war, finden).
Es ist nicht ersichtlich, dass diese Begründungsmomente (angenommener Sachverhalt) von der Willensbildung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien umfasst gewesen wären.
Dass in der Ausschusssitzung am 12.12.2017 auch nicht mehr beschlossen wurde, als im Beschlussprotokoll wiedergegeben, ist nicht zuletzt dadurch indiziert, dass die Ausfertigung (erst) am 21.3.2018 erfolgte und damit über 3 Monate nach der Beschlussfassung (diese Zeit benötigte offensichtlich die „Vorstellungsreferentin“, um den „Bescheid“ zu formulieren).
c) Schließlich sei auf Folgendes hingewiesen: Will die in § 26 RAO vorgesehene Konstruktion („Instanzenzug“ zwischen Abteilung und Plenum: VfGH 29 6.1976, G 39/75, V 34-41/75 = VfSlg 7837; „nicht aufsteigendes Rechtsmittel“: VwGH 27.01.2016, Ro 2015/03/0044) im Lichte des Art 130 Abs. 1 B-VG (in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 2012/51) zulässig sein (vgl. den beim VfGH zu G 151/2019 protokollierten Gerichtsantrag; der VwGH [27.01.2016, Ro 2015/03/0044] hegte keine Bedenken), so hat der Bescheid der Abteilung des Ausschusses eine „Provisorialentscheidung – etwa Strafverfügung oder Mandatsbescheid –“ zu sein, „welche durch einen Widerspruch der Parteien außer Kraft tritt und wodurch das ordentliche Verwaltungs(straf)verfahren eingeleitet wird“ (AB 1771 BlgNR 24. GP, S. 8).
Ein wesentliches Kriterium für das Erkennen eines Mandatsbescheids nach § 57 AVG ist das Fehlen eines Ermittlungsverfahrens vor Bescheiderlassung (z.B. VwGH 23.10.2015, Ra 2015/02/0029). Voraussetzung für die Entscheidung durch eine Abteilung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer ist nach § 26 Abs. 2 RAO, dass „dies ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens möglich ist.“ Der VwGH vergleicht folglich auch die in § 26 Abs. 5 RAO normierte Vorstellung mit der Vorstellung gegen Mandatsbescheide nach § 57 AVG. Die Vorstellung (nach § 26 Abs. 5 RAO) dient somit dazu, zunächst den Sachverhalt unter Wahrung des Parteiengehörs zu ermitteln und sodann bescheidmäßig neu zu entscheiden. Prozessgegenstand des Verfahrens über die Vorstellung ist der Bescheid der Abteilung des Ausschusses; dabei ist auszusprechen, ob die Entscheidung der Abteilung aufrecht bleibt oder ob sie behoben (beseitigt) oder abgeändert wird (siehe zu all dem VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0044).
Zunächst ist zu bemerken, dass § 26 RAO – anders als der Ausschussbericht (AB 1771 BlgNR 24. GP, S. 8) für nach Art 130 Abs 1 B-VG zulässige (remonstrative) Rechtsmittel – nicht vorsieht, dass der Bescheid einer Abteilung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer mit Ergreifen einer Vorstellung außer Kraft tritt (VwGH 27.01.2016, Ro 2015/03/0044). Auch sprach (im konkreten Fall) das Plenum des Ausschusses nicht iSd obigen Ausführungen über den Bescheid der Abteilung des Ausschusses ab.
Entscheidender erscheint jedoch Folgendes: Nach dem nach Art 130 Abs. 1 B-VG zulässigen Rechtsmittelsystem haben die Sachverhaltsermittlungen erst in dem über Vorstellung eingeleiteten (ordentlichen) Verfahren gepflogen zu werden; so legt auch § 26 Abs. 2 RAO fest, dass in einem Verfahren vor einer Abteilung des Ausschusses ein Ermittlungsverfahren gar nicht durchzuführen ist. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall die einzigen Ermittlungen (vgl. die Aufforderung vom 7.7.2017 zur Beibringung von Unterlagen und zur Beantwortung an den Beschwerdeführer gerichteter Fragen) von der Abteilung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vorgenommen wurden (und daher in Wahrheit eine Entscheidung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens offenbar gar nicht möglich war), ist es Voraussetzung und Pflicht des nach Erhebung der Vorstellung zur Entscheidung berufenen Plenums des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien, den relevanten Sachverhalt (unter Wahrung des Parteiengehörs) zu ermitteln. Umso mehr erscheint es geboten, diese Ermittlungsergebnisse (die ja allein den Sachverhalt betreffen) auch Gegenstand der Beschlussfassung werden zu lassen; wenn der Gesetzgeber vorsieht, dass erstmals der Sachverhalt vom Plenum des Ausschusses ermittelt zu werden hat, desto essentieller erscheint die Beschlussfassung durch das Plenum des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien auch über die wesentlichen derart ermittelten Sachverhaltsmomente. Es können daher auch nicht – was im vorliegenden Fall wegen der Änderung der Begründung ohnehin nicht möglich gewesen wäre – allfällige diesbezügliche Feststellungen des Bescheides der Abteilung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien schlicht in den Bescheid des Plenums übernommen werden. Dies stünde mit dem aus Art. 130 Abs. 1 B-VG für zulässige (remonstrative) Rechtsmittel entwickelten Konzept in Widerspruch.
d) Da die an den Beschwerdeführer ergangene Erledigung vom 12.12.2017 wie dargelegt nicht von einer entsprechenden Willensbildung getragen ist, kann sie ungeachtet der Bezeichnung “Bescheid“ auf der Ausfertigung nicht als Bescheid qualifiziert werden (vgl. VwGH 27.04.2015, 2012/11/0082). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
e) Das erkennende Verwaltungsgericht erlaubt sich noch folgenden Hinweis: Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH haben Ausfertigungen von Entscheidungen eines Kollegialorgans (wie des belangten Plenums des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien) einen Hinweis auf den zugrunde liegenden Beschluss zu enthalten; fehlt ein derartiger Hinweis, werden sie allein dem Vorsitzenden zugerechnet und sind somit mit Unzuständigkeit belastet (vgl. nur Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 [2019] Rz 192/3 mwN aus der Rsp. des VwGH). Ein derartiger eindeutiger Hinweis auf die Beschlussfassung findet sich (häufig) im Einleitungssatz des Spruchs, im Kopf, in der Begründung oder auch in der Fertigung (vgl. VwGH 16.02.1999, 97/08/0621). Es kann im vorliegenden Fall (aber wegen der vorstehenden Ausführungen) dahingestellt bleiben, ob diesem Erfordernis im konkreten Fall die Fertigung „Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum)“ genügt (andere Hinweise finden sich im Bescheid nicht). Demgegenüber beinhalt der im Verwaltungsakt erliegende Referentenentwurf (ON 14) noch im Einleitungssatz diesen erforderlichen Hinweis auf die Beschlussfassung im Plenum des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien.
4. Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bescheid; Kollegialorgan; Willensbildung; GenehmigungAnmerkung
VwGH v. 25.2.2020, Ra 2019/03/0127; AufhebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.172.092.8141.2018Zuletzt aktualisiert am
18.03.2020