TE Lvwg Erkenntnis 2020/1/16 LVwG-AV-1263/001-2019

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Veröffentlicht am 16.01.2020
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Entscheidungsdatum

16.01.2020

Norm

KFG 1967 §48a Abs1
KFG 1967 §48a Abs2 litd

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Weber als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau A gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 05.11.2019, Zl. ***, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.01.2020

zu Recht:

I.

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und dem Antrag der Beschwerdeführerin auf neuerliche Zuweisung des Wunschkennzeichens „***“ stattgegeben.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133

Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Am 05.11.2019 beantragte die Beschwerdeführerin vor Ablauf der 15-jährigen Zuweisungsfrist die Verlängerung ihres Wunschkennzeichens „***“.

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 05.11.2019, Zl. ***, wurde dieser Antrag um neuerliche Verlängerung des Rechtes zur Führung des Wunschkennzeichens „***“ wegen Anstößigkeit der Buchstabenkombination „***“ gemäß § 48a Abs 2 lit. d KFG 1967 abgewiesen. Begründend führte die Behörde aus, dass die Buchstabenkombination „***“ in rechtsextremen Kreisen laut Liste des Mauthausen Komitees als Code für „***“ verwendet werde. Die Geschäftszahl des Erlasses des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend anstößige oder lächerliche Wunschkennzeichen laute BMVIT-179.493/0011-IV-ST4/2015. In diesem sei die Buchstabenkombination „***“ explizit unter den Kombinationen angeführt, die jedenfalls als anstößig anzusehen seien. Entsprechend dem § 3 Verbotsgesetz 1947 sei es jedermann untersagt, sich, sei es auch außerhalb dieser Organisationen, für die NSDAP oder ihre Ziele irgendwie zu betätigen. Es werde daher im Sinne des oben angeführten Erlasses die gewählte Buchstabenkombination als anstößig im Sinne einer möglichen Verbindung zu einer verbotenen Organisation gesehen und könne daher die Verlängerung des Wunschkennzeichens nicht erfolgen.

2.   Zum Beschwerdeverfahren:

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12.11.2019 fristgerecht eine begründete Beschwerde und führte aus, das Kennzeichen „***“ vor 30 Jahren anstandslos zugesprochen bekommen zu haben. In diesen 30 Jahren habe sie noch niemand der Anstößigkeit ihrer Wunschnummer (die sich auf ihre Wohnadresse und die Initialen ihres Gatten beziehe und nicht auf die besagte Person und dessen Geburtstag) verdächtigt. Die Behörde wolle ihr das Kennzeichen aberkennen und zur gleichen Zeit würden 1.000e Fahrzeuge durch Österreich mit amtlich zugewiesenen Kennzeichen mit der Buchstabenkombination „***“ fahren. Seien die amtlichen Kennzeichen mit „***“ nicht anstößig, wo sei da der Unterschied? Das Mauthausen Komitee, das gegen alle Diskriminierungen vorgehe, diskriminiere sie. Sie verlange gleiches Recht für alle. Wenn die Behörde ihr Kennzeichen vernichten wolle, müsse sie auch alle amtlich zugewiesenen Kennzeichen der Anstößigkeit bezichtigen und vernichten. Ihre Wunschnummer gebe es schon länger als die amtlich Zugewiesenen. Sie hoffe nur, dass ihr Mann nicht der Wiederbetätigung bezichtigt werde, wenn er sich mit „***“ initialisiere. Man müsse schon einschlägig vorbelastet sein, um solche Gedanken zu schüren. Sie hoffe, dass ihrer Beschwerde stattgegeben werde und sie ihr Kennzeichen „***“ weiterverwenden dürfe.

3.   Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 10.01.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Beschwerdeführerin sowie des Zeugen B durch.

Die Beschwerdeführerin führte aus, das gegenständliche Wunschkennzeichen „***“ bereits seit 30 Jahren zu haben, nämlich seit Februar 1990. Sie habe ihren Ehegatten B 1985 kennengelernt und im Jahre 1987 geheiratet. Mit diesem wohne sie nach wie vor im gleichen Haus in ***. Bevor in ihrem Ort Straßenbezeichnungen eingeführt worden seien, habe jedes Haus eine bestimmte Hausnummer gehabt, ihr Haus die Nr. ***. Ihr Mann sei früher als „***“ bezeichnet worden und werde auch heute noch so bezeichnet. Aus dieser Kombination habe sich schließlich das Wunschkennzeichen „***“ ergeben. Dieses setze sich somit aus den Initialen ihres Mannes und der ehemaligen Hausnummer *** zusammen. Vor ebenfalls nunmehr 30 Jahren hätten sie dem Vater ihres Mannes, ihrem Schwiegervater, zum Geburtstag ebenfalls ein Wunschkennzeichen geschenkt mit dem Kennzeichen „***“. Es sei somit das gleiche Kennzeichen, nur hätten sie die Initialen tauschen müssen. Sie wäre niemals auf die Idee gekommen, dass ihr Kennzeichen anstößig sein bzw. irgendetwas mit rechtsextremen Kreisen zu tun haben könne.

Der Zeuge B führte aus, die Beschwerdeführerin 1985 kennengelernt zu haben und mit dieser seit 1987 verheiratet zu sein. Er wohne seit Geburt in *** im gleichen Haus, nunmehr ***. Dort betreibe er gemeinsam mit seiner Gattin einen Heurigenbetrieb. Früher, als es noch keine Straßenbezeichnungen gegeben habe, habe ihr Haus die Nr. *** gehabt. Straßenbezeichnungen seien vor etwa 20 Jahren in *** eingeführt worden. Er sei früher als „***“ bzw. lediglich als „***“ bezeichnet worden, teilweise auch heute noch. Das gegenständliche Wunschkennzeichen habe seine Frau seit Februar 1990, somit seit 30 Jahren. Dieses setze sich somit aus seinen Initialen und der Hausnummer zustande. Zulassungsbesitzerin sei seine Gattin vor 30 Jahren in erster Linie aus Versicherungsgründen geworden, die Firmenfahrzeuge seien auf seinen Namen angemeldet. Zu diesem Verfahren führe er ergänzend aus, dass sie seinem Vater vor knapp 30 Jahren ebenfalls ein Wunschkennzeichen „***“ geschenkt hätten. Es sei somit das selbe Kennzeichen nur mit umgedrehten Initialen. Er wäre bis heute niemals auf die Idee gekommen, dass das Kennzeichen anstößig sein bzw. mit rechtsextremen Kreisen zu tun haben könne.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erachtet es das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich als zweifelsfrei erwiesen, dass das bereits vor 30 Jahren beantragte Wunschkennzeichen „***“ auf den Initialen des Ehegatten der Beschwerdeführerin sowie auf der ehemaligen Hausnummer *** gründet.

4.   Rechtliche Erwägungen:

§ 48a Abs 1 KFG lautet:

„Die nicht behördenbezogenen Teile eines Kennzeichens (Vormerkzeichen) können nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen frei gewählt werden (Wunschkennzeichen).“

§ 48a Abs 2 lit. d KFG lautet:

„Auf schriftlichen Antrag ist ein Wunschkennzeichen zuzuweisen oder zu reservieren, wenn es nicht eine lächerliche oder anstößige Buchstabenkombination oder Buchstaben-Ziffernkombination enthält oder in Kombination mit der Behördenbezeichnung eine lächerliche oder anstößige Buchstaben- oder Buchstaben-Ziffernkombination ergibt.“

Dieser § 48a Abs 2 lit. d KFG wurde im Zuge einer Novelle des Kraftfahrgesetzes, BGBl Nr. 72/2015, geändert und die Frage der Beurteilung der Zulässigkeit eines Wunschkennzeichens neu geregelt, wobei in den Erläuterungen dazu Folgendes ausgeführt wurde:

„Die derzeitige Regelung betreffend die Anstößigkeit oder Lächerlichkeit eines Wunschkennzeichens bezieht sich lediglich auf die Buchstabenkombination und nicht auch auf die Behördenbezeichnung bzw. die Ziffern. Aktuelle Fälle zeigen, dass es in Verbindung der Behördenbezeichnung mit der gewählten Buchstabenkombination anstößige oder lächerliche Kennzeichen geben kann. Weiters gibt es Ziffernkombinationen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden. Daher wird die Regelung erweitert und soll auch Kombinationen ausgewählter Buchstabenkombination und Behördenbezeichnung sowie Kombinationen aus Buchstaben und Ziffern umfassen.“

Mit dem Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23.07.2015, GZ: BMVIT-179.493/0011/IV-ST4/2015, betreffend anstößige oder lächerliche Wunschkennzeichen wurde unter Punkt 3 wie folgt ausgeführt:

„Die in diesem Punkt genannten Kombinationen sind jedenfalls anstößig iSd § 48a Abs 2 lit. d KFG. Es handelt sich um keine abschließende Aufzählung. Für alle genannten Kombinationen gilt, dass sie auch dann anstößig sind, wenn sie sich erst unter Einbeziehung der Behördenbezeichnung ergeben.

3.3. Weiters auch die folgenden Buchstaben- bzw. Ziffernkombinationen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden (Liste laut Mauthausen Komitee): u.a. auch „***“ (***).“

Das erkennende Gericht stellt fest, dass einem Erlass (als eine generelle Weisung an untergeordnete Behörden) Rechtsnormqualität nicht zukommt. Ein derartiger Erlass gehört somit nicht zu den von einem Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des ihm vorgelegten Falles anzuwendenden Rechtsnormen (vgl. VwGH vom 27.09.2018, Ro 2018/10/0031, VwGH vom 04.04.2019, Ra 2017/11/0302). Der oben angeführte Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23.07.2015 ist daher für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nicht als Rechtsnorm anzuwenden.

Wie bereits oben ausgeführt hat das durchgeführte Ermittlungsverfahren zweifelsfrei ergeben, dass das bereits vor 30 Jahren beantragte Wunschkennzeichen „***“ auf den Initialen des Ehegatten der Beschwerdeführerin sowie auf der ehemaligen Hausnummer *** gründet.

Das erkennende Gericht kann gegenständlich in keinster Weise feststellen, warum von einem Durchschnittsbetrachter, auf welchen nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes abzustellen ist, das beantragte Wunschkennzeichen „***“ als lächerlich oder anstößig wahrgenommen werden könnte (vgl. LVwG NÖ vom 28.10.2019, LVwG-AV-711/001-2019, LVwG Vorarlberg vom 04.11.2016, LVwG-418-1/2016-R8). Nicht nur dass, wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt, zahlreiche amtliche Kennzeichen mit der Buchstabenkombination „***“ ausgegeben wurden bzw. werden, liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass die Beschwerdeführerin mit dem neuerlichen Antrag einen anstößigen oder lächerlichen Zweck verfolgen wollte.

Es war daher der Beschwerde Folge zu geben und dem Antrag der Beschwerdeführerin stattzugeben.

5.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Wunschkennzeichen; Anstößigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1263.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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