TE Lvwg Erkenntnis 2020/1/24 LVwG-AV-1368/001-2019

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Veröffentlicht am 24.01.2020
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Entscheidungsdatum

24.01.2020

Norm

BAO §4
BAO §238 Abs1
BauO NÖ 2014 §38 Abs1
BauO NÖ 2014 §38 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Lindner als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn A und Frau B, vertreten durch Rechtsanwalt C, ***, ***, gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 9. Oktober 2019, mit welchem die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 26. Juli 2019 betreffend Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe abgewiesen worden war, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** dahingehend abgeändert, dass in Stattgebung der gegen den erstinstanzlichen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** erhobenen Berufung dieser ersatzlos behoben wird.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Sachverhalt:

1.1.

Herr A und Frau B (in der Folge: Beschwerdeführer) sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer des Grundstückes Nr. ***, EZ ***, KG ***, mit der topographischen Anschrift ***, ***.

1.2.

Mit Bescheid vom 16. Juli 2019, Zl. GZ: ***, erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde *** den Beschwerdeführern die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses, eines Nebengebäudes (Garage), eines Gartenhauses, eines Carports sowie von straßenseitigen Einfriedungen auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, *** (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt I. wurde dieses Grundstück gemäß § 23 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 NÖ BauO 2014 zum Bauplatz erklärt.

1.3.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 26. Juli 2019, GZ: ***, wurde den Beschwerdeführern aus dem Anlass der Bauplatzerklärung gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ Bauordnung 2014 eine Aufschließungsabgabe für das Grundstück Nr. ***, KG *** in der Höhe von € 15.610,29 vorgeschrieben.

Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführer wurde mit dem Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 9. Oktober 2019 keine Folge gegeben und die Abgabenvorschreibung bestätigt. Begründend wurde ausgeführt, dass es zwar richtig sei, dass im Grundbuch eine Anmerkung über einen Aufschließungsbeitrag vorliege. Bei näherer Prüfung ergebe sich jedoch, dass gemäß Punkt 7. des Vertrages zwischen der Stadtgemeinde *** und den damaligen Eigentümern der Grundstücke des gegenständlichen Aufschließungsgebietes, welcher auch das Grundstück der Beschwerdeführer betreffe, sich die Stadtgemeinde *** verpflichtet habe, die für die übernommenen Bauplätze gemäß § 14 der NÖ Bauordnung (Anmerkung: seinerzeitige Rechtslage) einzuhebenden Aufschließungsbeiträge erst dann vorzuschreiben, wenn für das betreffende Grundstück um eine Baubewilligung angesucht wurde. Weiters sei ausdrücklich festgestellt worden, dass diesen Aufschließungsbeiträgen die von der Stadtgemeinde *** im Zeitpunkt der erteilten Baubewilligung beschlossenen geltenden Einheitssätze zu Grunde zu legen seien. Da für die gegenständliche Liegenschaft noch nie um eine baubehördliche Bewilligung angesucht worden und auch keinerlei Zahlungseingang seit dem Jahre 1974 für die gegenständliche Liegenschaft aktenmäßig erfasst sei, bestehe die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe zu Recht.

1.4. Beschwerdevorbringen:

Mit Schriftsatz vom 4. November 2019 brachten die Beschwerdeführer durch ihren ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** ein und stellten den Antrag auf Aufhebung des Abgabenbescheides.

Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Behörde den Bescheid vom 14.02.1974, ***, mit dem den damaligen Grundeigentümern im Rahmen des Parzellierungsvorhabens der Siedlung „***“ Aufschließungsbeiträge vorgeschrieben worden seien, unerwähnt lasse. Unter Hinweis auf diesen Bescheid sei der im A2 Blatt des Grundbuches angemerkte Betrag von ATS 33.401,00 im Zusammenhang mit dem Grundstück Nr. *** als Aufschließungsabgabe vorgeschrieben worden. Im A2 Blatt des Grundbuches würden nur dann Anmerkungen hinsichtlich der Aufschließungsabgabe getätigt, wenn diese auch tatsächlich bezahlt worden seien. Es ergäbe keinen Sinn, dass die Stadtgemeinde *** im Jahre 1974, ohne dass eine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben worden sei, beim zuständigen Grundbuchsgericht eine Ersichtlichmachung diesbezüglich erwirkt habe. Das Grundbuchsgericht wiederum nehme nur nach vorheriger Bekanntgabe durch die Gemeinde über die Bezahlung der Aufschließungsabgabe Eintragungen vor.

Die Argumentation der Behörde, dass es eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen den damaligen Grundstückseigentümern und der Stadtgemeinde *** gäbe, dass die Aufschließungsabgabe erst dann einzuheben sei, wenn für das betreffende Grundstück um eine Baubewilligung angesucht werde, gehe ins Leere. Diese Vereinbarung sei nicht von Belang, zumal mit der Mitteilung an das Grundbuchsgericht der Umstand, dass die Aufschließungsabgabe bezahlt worden sei, dokumentiert sei. Das Grundstück sei auch tatsächlich aufgeschlossen, die entsprechenden Kanal- und Wasseranschlüsse vorhanden.

Der Sohn des ursprünglichen Eigentümers könne bestätigen, dass sein Vater der Gemeinde im Jahre 1974 die vorgeschriebene Aufschließungsabgabe bezahlt habe. Nach dem Grundsatz der Einmaligkeit der Aufschließungsabgabe sei der Anspruch auf Einhebung der Aufschließungsabgabe für das gegenständliche Grundstück konsumiert.

1.5.

Mit Schreiben vom 27. November 2019 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt (samt Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) vor.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung BAO:

§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 238. (1) Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209a gilt sinngemäß. (vormals – bis 31.12.2009 - § 185 Abs. 1 NÖ Abgabenordnung 1977 mit identem Inhalt)

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

2.2. NÖ Bauordnung 2014:

Bauplatz, Bauverbot

§ 11. (1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das

1. hiezu erklärt wurde oder

2. durch eine vor dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder

3. durch eine nach dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte oder angezeigte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder

4. seit dem 1. Jänner 1989 ununterbrochen als Bauland gewidmet und am 1. Jänner 1989 mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z 1, § 17 Z 8 und § 23 Abs. 3 vorletzter Satz, bebaut war, oder

5. durch eine nach § 15 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, BGBl. Nr. 3/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 190/2013, durchgeführte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß.

Aufschließungsabgabe

§ 38. (1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2

         1.       ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder

         2.       eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z 2, 3 und 5 erteilt wird.

Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist.

Die Aufschließungsabgabe nach Z 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3 vorletzter Satz bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude im Sinn des § 23 Abs. 3 erster Satz oder eine großvolumige Anlage errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben.

(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012.

?Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet:

A = BL x BKK x ES

Bei der Vorschreibung ist jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung oder Erteilung der Baubewilligung (Abs. 1) geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden.

(4) Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates:

Bauplatzfläche = BF BL = ?BF

(5) Der Bauklassenkoeffizient beträgt:

in der Bauklasse I  1,00 und

bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse  um je 0,25 mehr,

in Industriegebieten ohne Bauklassenfestlegung  2,00

bei einer Geschoßflächenzahl

- bis zu 0,8  1,5

- bis zu 1,1  1,75

- bis zu 1,5  2,0

- bis zu 2,0   2,5 und

- über 2,0   3,5

Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, ist der Bauklassenkoeffizient

von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht.

Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25 sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.

(6) Der Einheitssatz ist die Summe der durchschnittlichen Herstellungskosten

- einer 3,00 m breiten Fahrbahnhälfte,

- eines 1,25 m breiten Gehsteiges,

- der Oberflächenentwässerung und der Beleuchtung der Fahrbahnhälfte und des Gehsteiges

pro Laufmeter.

Dabei ist für die Fahrbahn eine mittelschwere Befestigung einschließlich Unterbau und für Fahrbahn und Gehsteig eine dauernd staubfreie Ausführung vorzusehen. Der Einheitssatz ist mit Verordnung des Gemeinderates festzusetzen.

(7) Frühere Leistungen für den Ausbau der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Beleuchtung einer an den Bauplatz grenzenden Straße sind auf die Aufschließungsabgabe anzurechnen, wenn sie erbracht wurden

1. als Geldleistung auf Grund einer Vereinbarung mit der Gemeinde oder

2. als Arbeits- oder Materialleistung mit Zustimmung der Gemeinde.

Mit Verordnung des Gemeindesrates dürfen für einzelne Leistungen nach Z. 2 Pauschalsätze in Prozenten der Aufschließungsabgabe festgelegt werden.

Eine Geldleistung nach Z.1 ist auf der Grundlage des Baukostenindex der Bundesanstalt „Statistik Österreich“ zum Zeitpunkt der Vorschreibung zu valorisieren.

(9) Die Gemeinde hat die Entrichtung der Aufschließungsabgabe dem Grundbuchsgericht bekanntzugeben, das diese Tatsache im Gutsbestandsblatt ersichtlich zu machen hat.

2.3. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerde ist begründet.

3.1.1.

Das Beschwerdevorbringen lässt sich auf die Frage reduzieren, ob die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe überhaupt erfolgen durfte, da nach Ansicht der Beschwerdeführer der Grundsatz der Einmaligkeit der Aufschließungsabgabe einer nunmehrigen Vorschreibung entgegenstehe, da bereits im Jahr 1974 der damalige Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft aus Anlass eines Parzellierungsverfahrens zur Tragung der Aufschließungskosten verpflichtet worden sei, welche Kosten von dem Voreigentümer an verfahrensgegenständlicher Liegenschaft entrichtet worden seien.

3.1.2.

Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH vom 25. Juni 2014, Zl. 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.

3.1.3.

Strittig ist, ob im Beschwerdefall der Vorschreibung der Aufschließungsabgabe der Grundsatz der Einmaligkeit im Sinne des § 38 Abs. 3 NÖ BauO 2014 entgegensteht. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass ein bereits früher entstandener Abgabenanspruch der Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe entgegensteht, selbst wenn diese Abgabe nicht entrichtet wurde und der Abgabenanspruch nunmehr verjährt ist (z.B. VwGH vom 16.12.2015, 2013/17/0257 u.a.). Dies finde auch im Falle von Aufschließungsbeiträgen, die aufgrund eines anders lautenden Abgabentatbestandes früherer Bauordnungen entstanden sind, Anwendung; Abgaben gelten auch dann als „vorgeschrieben und entrichtet“, wenn früher entstandene Abgabenansprüche wegen des Eintritts von Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. VwGH vom 20.1.2016, Zl. 2013/17/0786 zu einem inhaltlich gleich gelagerten Sachverhalt).

Im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bewirkt die erforderliche Berücksichtigung einer allenfalls eingetretenen Verjährung des Abgabenanspruches, dass auf diese jedenfalls Bedacht zu nehmen ist, gleichgültig, ob die Abgabenpflicht seinerzeit aufgrund der Verwirklichung desselben Tatbestandes, der aktuell die Abgabepflicht auslöste oder aufgrund eines anderen Tatbestandes früherer Bauordnungen eingetreten ist (vgl. VwGH vom 16.12.2015, Zl. 2013/17/0257; 8.1.2005, Zl. 2002/17/0334). Im Gegenstand hatte daher das erkennende Gericht zu prüfen, ob eine in der Vergangenheit liegende Verwirklichung eines Abgabentatbestandes vorliegt.

3.1.4.

Dem unbedenklichen Akteninhalt des verfahrensgegenständlichen Abgabenaktes ist zu entnehmen, dass am 4.2.1974 ein Vertrag zwischen der Stadtgemeinde *** und den damaligen Eigentümern diverser Grundstücke abgeschlossen wurde zum Zwecke der Parzellierung ihrer Liegenschaften im Sinne des Teilungsplanes des D vom 22.10.1973, GZ. ***, sowie Aufschließung zu Wohnzwecken und Bildung von Bauparzellen. Unter Punkt 3. wurde geregelt, dass die Stadtgemeinde *** und die namentlich genannten Eigentümer diese Grundstücke wechselseitig derart übergeben und übernehmen, dass das auf Grund des Teilungsplanes neu geschaffene Grundstück *** zu verschiedenen Anteilen in das Miteigentum der oben genannten übergehe. Unter Punkt 4. wurde das Procedere hinsichtlich der Schaffung von öffentlichen Verkehrsflächen geregelt. Unter Punkt 5. wurde ausgeführt, dass nach erfolgter Schaffung der öffentlichen Verkehrsflächen das Miteigentumsverhältnis an dem Grundstück *** aufgelöst und die im Teilungsplan dargestellten Grundstücke mehrheitlich von der Stadtgemeinde ***, einige von den namentlich genannten Eigentümern der ursprünglichen Grundstücke, in das Eigentum übernommen werden. (Das Grundstück Nr. *** wurde Herrn E zugeschrieben.) Unter Punkt 6. wurde zum Ausgleich dieser Auflösung des Miteigentumsverhältnisses die Verpflichtung zur Zahlung diverser Beträge verpflichtet.

Punkt 7. lautet:

„Die Stadtgemeinde *** verpflichtet sich hiemit den übrigen Vertragsteilen gegenüber, die für die übernommenen Bauplätze gemäß § 14 der NÖ Bauordnung einzuhebenden Aufschließungsbeiträge erst dann vorzuschreiben, wenn für das betreffende Grundstück um eine Baubewilligung angesucht wurde.

Es wird ausdrücklich festgestellt, daß diesen Aufschließungsbeiträgen die von der Stadtgemeinde *** im Zeitpunkt der erteilten Baubewilligung beschlossenen geltenden Einheitssätze zugrundezulegen sind.“

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 14.2.1974, ***, wurde der Stadtgemeinde *** und namentlich genannten mitparzellierenden Grundeigentümern auf Grund ihrer Beitrittserklärungen vom 18.12.1973 zum Parzellierungsvorhaben Siedlung „***“ gemäß § 11 NÖ Bauordnung die Bewilligung zur Vereinigung diverser Parzellen zur neuen Parzelle *** und zur Teilung derselben gemäß dem Teilungsplan vom 22.10.1973, GZ. *** auf diverse Bauplätze (Anmerkung: darunter ***) erteilt.

Unter Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 14 Abs. 1 NÖ Bauordnung von den Abteilungswerbern für die durch die Teilung geschaffenen Bauplätze folgende Aufschließungsbeiträge nach Maßgabe der im Parzellierungsvertrag vereinbarten Fälligkeiten an die Stadtgemeinde *** zu entrichten sind:

….

Bauplatz Parz.Nr. Fläche m² Aufschließungskosten

***                  714            33.401.--

Daraus ergibt sich, dass im vorliegenden Fall bereits die Grundabteilung im Jahre 1930 zur Erfüllung eines Abgabentatbestandes im Zusammenhang mit der Vorschreibung von Aufschließungsbeiträgen sowie folgerichtig zur Vorschreibung von Aufschließungsbeiträgen geführt hatte und dieser früher entstandene Abgabenanspruch der nunmehrigen – neuerlichen – Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe entgegensteht, selbst wenn diese Abgabe nicht entrichtet worden wäre und der Abgabenanspruch nunmehr verjährt ist.

Aufgrund § 207 BAO ist – unabhängig von der Fragestellung, ob und inwieweit die anlässlich der Grundabteilung vorgeschriebenen Aufschließungsbeiträge tatsächlich entrichtet worden sind – hinsichtlich des Rechtes auf Festsetzung der gegenständlichen Aufschließungsabgabe jedenfalls Verjährung eingetreten und kann der damals entstandene Abgabenanspruch nunmehr (sowie bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 26. Juli 2019) nicht mehr neuerlich geltend gemacht werden. Aufgrund der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung gilt in Anbetracht des vorliegenden Sachverhaltes die streitgegenständliche Aufschließungsabgabe als „vorgeschrieben und entrichtet“, sodass sich die bekämpfte Abgabenvorschreibung als rechtswidrig erweist.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.2.

Zu Spruchpunkt 2. - Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.

Schlagworte

Finanzrecht; Aufschließungsabgabe; Abgabenanspruch; Entstehung; Verjährung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1368.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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