TE OGH 2020/1/16 5Ob216/19d

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Veröffentlicht am 16.01.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin F*****, vertreten durch Dr. Eike Bernd Lindinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB *****, als Antragsgegner, darunter 5. Mag. R***** und 9. Dkfm U*****, beide vertreten durch Dr. Peter Schmautzer und Mag. Stefan Lichtenegger, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Fünftantragsgegners und der Neuntantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. September 2019, GZ 40 R 147/19t-31, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Frage, ob eine (geplante) allgemeine Teile in Anspruch nehmende Änderung eines Wohnungseigentumsobjekts dem wichtigen Interesse des änderungswilligen Wohnungseigentümers iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG dient, liegt bereits umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs vor. Für das Vorliegen eines wichtigen Interesses kommt es besonders darauf an, ob die beabsichtigte Änderung dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts ermöglichen soll (5 Ob 169/18s mwN; RIS-Justiz RS0083341 [T18]; RS0083345 [T16]). Zweckmäßigkeitserwägungen und eine Steigerung des Verkehrswerts des Objekts genügen hingegen für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht (RS0083341 [T2, T4]; RS0083345 [T1]; RS0110977).

2. Die Antragstellerin plant zusätzlich zu einer bereits bestehenden Klimaanlage die Montage von Split-Klimageräten an der Fassade des Lichthofs. Die bereits im Innenhof montierten älteren Klimaboxen, welche die hofseitig gelegenen Büroräumlichkeiten kühlen, und die in den straßenseitigen Räumlichkeiten verwendeten mobilen Klimaboxen verhindern nicht, dass an heißen Sommertagen die Temperatur in den Büros ca 30 Grad erreicht.

3. Die Beurteilung der Genehmigungsunfähigkeit einer § 16 Abs 2 WEG zu unterstellenden Änderung unter dem Gesichtspunkt des wichtigen Interesses hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (5 Ob 169/18s). Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt nicht auf, dass das Rekursgericht bei der Genehmigung der geplanten Änderung insbesondere unter dem Aspekt des ArbeitnehmerInnenschutzes iSd § 28 Abs 1 Z 1 Arbeitsstättenverordnung, BGBl II 1998/368, den ihm zustehenden Ermessensspielraum überschritten hat.

4. Nach ihrem § 1 Abs 1 gelten die Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung – mit einer hier nicht interessierenden Ausnahme – für Arbeitsstätten iSd § 19 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG). § 19 Z 1 ASchG definiert als Arbeitsstätten ua auch Teile von Gebäuden oder sonstige bauliche Anlagen, in denen Arbeitsplätze eingerichtet sind oder zu denen Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Arbeit Zugang haben (Arbeitsstätten in Gebäuden). Warum in einem Wohnungseigentumsobjekt gelegene Büroräumlichkeiten, in denen Arbeitnehmerinnen ihrer Arbeitstätigkeit nachgehen, keine Arbeitsstätten im Sinn dieser Definition sein sollten, zeigt der Revisionsrekurs nicht auf. Der dritte Abschnitt der Verordnung (Anforderungen an Arbeitsräume), einschließlich des geforderten Raumklimas (§ 28) gilt für Räume, in denen mindestens ein ständiger Arbeitsplatz eingerichtet ist (§ 1 Abs 4 Arbeitsstättenverordnung). Aus der im Revisionsrekurs zitierten Bestimmung des § 1 Abs 3 Arbeitsstättenverordnung ist nicht abzuleiten, dass die vom Rekursgericht herangezogene ArbeitnehmerInnenschutzbestimmung hier überhaupt nicht anzuwenden ist.

5. Das konkrete Ausmaß der Inanspruchnahme allgemeiner Liegenschaftsanteile und deren Verhältnismäßigkeit zur Wichtigkeit des Interesses des änderungswilligen Wohnungseigentümers ist nach der Rechtsprechung ein weiteres Beurteilungskriterium (5 Ob 169/18s mwN). Die Innenhoffassade wird durch den Austausch der alten Außenklimageräte durch modernere, alle Büroräumlichkeiten kühlende Geräte nicht derart in Anspruch genommen, dass es das Interesse eines Wohnungseigentümers an der Schaffung akzeptabler Arbeitsbedingungen für seine ArbeitnehmerInnen und/oder der Einhaltung von ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften völlig in den Hintergrund treten lässt.

Textnummer

E127515

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00216.19D.0116.000

Im RIS seit

14.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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