TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/5 I405 1256456-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2019
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Entscheidungsdatum

05.06.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §52
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 1256456-4/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. DAIGENEAULT, Rechtsanwalt in 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 15.11.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.03.2019 zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II.

des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird gemäß § 55 Abs. 2 und § 54 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 13.12.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Rahmen seiner Ersteinvernahme am 20.12.2004 damit begründete, dass er und seine Arbeitskollegen bei Schweißarbeiten von sechs bewaffneten Personen angegriffen worden sei; zwei Kollegen seien dabei getötet worden. Aus Angst sei er sofort in den Fluss gesprungen und auf das Schiff geschwommen, um so zu flüchten. Er wiederholte er seine Fluchtgründe bei seiner Zweiteinvernahme am XXXX.

2. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.12.2004 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Außerdem wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgung im Sinne des AsylG 1997 glaubhaft gemacht habe. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am

XXXX zugestellt.

3. Gegen diesen Bescheid vom XXXX erhob der Beschwerdeführer Berufung in vollem Umfang. Begründend wurde ausgeführt, dass gem. § 34 FrG Fremde mit Aufenthaltstitel nur bei Vorliegen eines Versagungsgrundes ausgewiesen werden dürfen und ein solcher Versagungsgrund beim Beschwerdeführer nicht gegeben sei, weshalb die Erlassung der Ausweisung rechtswidrig sei. Weiters stehe Art 3 EMRK seiner Ausweisung entgegen, da er in seinem Heimatstaat Gefahr liefe, Folter oder unmenschlicher Behandlung unterworfen zu werden.

4. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom XXXX wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX abgewiesen und begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesasylamt ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, ausführliche Feststellungen zur Situation in Nigeria getroffen und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesasylamt sei zusammengefasst aufgrund schlüssiger Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangt, dass das Vorbringen des Berufungswerbers auch wegen des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative weder asyl- noch refoulementschutzrelevant sei. Es werde in der Berufung nicht schlüssig dargetan, warum, entgegen der Argumentation im angefochtenen Bescheid, eine Verfolgung des Berufungswerbers glaubhaft sein sollte. Der unabhängige Bundesasylsenat schloss sich daher den nicht zu beanstandenden Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhob sie zum Inhalt seines Bescheides. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 31.01.2005 zugestellt.

5. In Erledigung der gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom XXXX erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (in Folge VwGH) vom XXXX der angefochtene Bescheid insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als damit die Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und insoweit als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Bemängelt wurde im Wesentlichen die altersmäßige Einschätzung der Person des Beschwerdeführers, welche zuvor im Verfahren ohne eine medizinische Überprüfung erfolgte.

6. Aufgrund des unbekannten Aufenthaltes des Beschwerdeführers wurde das Verfahren gem. § 24 Abs 2 AsylG 2005 vom Asylgerichtshof eingestellt und am 12.06.2012 wieder fortgesetzt.

7. Daraufhin wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.07.2012 die Beschwerde gem. § 63 Abs 5 AVG mangels rechtswirksamer Zustellung als unzulässig zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 23.07.2012 zugestellt.

8. Aus einem ZMR-Auszug vom 28.08.2012, welcher von der belangen Behörde erstellt wurde, geht hervor, dass der Beschwerdeführer zuletzt am 27.07.2012 im Bundesgebiet aufrecht gemeldet war.

9. Trotz des nachweislich unbekannten Aufenthaltes des Beschwerdeführers wurde er mit Ladungsbescheid des Bundesasylamtes vom 29.08.2012 aufgefordert, zwecks Einvernahme zu seinem Asylantrag am 18.09.2012 persönlich beim Bundesasylamt zu erscheinen; diese Ladung wurde dem Rechtsvertreter am 03.09.2012 zugestellt. Der Beschwerdeführer hat dem Ladungstermin keine Folge geleitstet.

10. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 13.12.2004 abgewiesen (Spruchpunkt I.), seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Begründend wurde ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe nicht festzustellen sind und eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Gründen nicht gegeben ist; dies im Hinblick darauf, dass die behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft gemacht werden konnten. Der Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 21.09.2012 zugestellt.

11. Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Asylgerichtshof, doch wurde das Verfahren in der Folge vom Asylgerichtshof am 15.10.2012 gem. § 24 Abs 2 AsylG 2005 eingestellt.

12. Nach Bekanntgabe einer aufrechten Meldeadresse durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wurde das Verfahren am 29.07.2014 vor dem nunmehr zuständigen Bundesverwaltungsgericht (in Folge BVwG) fortgesetzt.

13. Mit Beschluss des BVwG vom 25.06.2015 wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gem. § 28 Abs 2 VwGVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenswesen und Asyl (in Folge BFA) zurückverwiesen.

14. Mit Ladung vom 14.06.2017, dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zugestellt am 19.06.2017, wurde der Beschwerdeführer ersucht, am 04.07.2017 im BFA, Regionaldirektion Wien, zu erscheinen. Der Beschwerdeführer hat der Ladung keine Folge geleistet. Auch dem Ladungsbescheid vom 04.07.2017 kam der Beschwerdeführer nicht nach.

15. Die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das BFA konnte erst am 08.11.2017 durchgeführt werden. Im Zuge der Befragung zu seinen Fluchtründen gab der Beschwerdeführer an, nicht mehr zu wissen, in welcher Local Government Area es gewesen sei; er sei ein bis zwei Wochen in diesem Dorf gewesen. Die Leute haben ihn in diese Sache initiieren wollen. Er wisse nicht mehr, ob es in der Früh oder in der Nacht gewesen sei; es seien Leute gewalttätig in das Haus gekommen, eine Person habe den Beschwerdeführer zu deren Platz mitgenommen. Es sei jemand getötet worden. Der Beschwerdeführer habe noch aus dem Fenster fliehen können. Die ganze Reise sei so gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich dann in der Nähe des Meeres gefunden; er sei verfolgt worden. Er sei dann zu einem Schiff geschwommen, wo er sich versteckt habe.

16. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe nicht (Spruchpunkt IV.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Der Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 22.11.2017 zugestellt.

17. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 19.12.2017 (bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag), verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Die Beschwerde richtet sich gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung der belangten Behörde; zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde ausgeführt, dass deren Aberkennung keinesfalls nachvollziehbar oder geboten sei.

18. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX wurde der Beschwerde gem. § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung mit der Begründung zuerkannt, dass im vorliegenden Fall eine Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde innerhalb der relativ kurzen Frist des § 18 Abs 5 BFA-VG nicht getroffen werden könne. Der Beschwerdeführer mache ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen (Art 3 und 8 EMRK) geltend. Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um "vertretbare Behauptungen" handle.

19. Mit Schriftsatz vom 20.12.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 22.12.2017, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

20. Am 13.03.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer als Partei und Sylvia OSARIEMEN als Zeugin einvernommen wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Ischan an. Seine Identität steht nicht fest.

Er ist mit XXXX, verheiratet, welche in Österreich zum Daueraufenthalt berechtigt ist. Gemeinsam mit seiner Frau hat er das Kind XXXX in Österreich, welches über den Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" verfügt.

Seit 23.08.2017 lebt der Beschwerdeführer mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind im gemeinsamen Haushalt. Er hilft seiner Frau bei der Hausarbeit und der Kinderbetreuung.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich. Er hält sich seit (mindestens) 13.12.2004 in Österreich auf, jedoch nicht durchgängig, da er immer wieder nach Spanien ausreiste, wo er aufgrund einer mittlerweile geschiedenen Ehe mit einer spanischen Staatsbürgerin über eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers verfügte.

Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seiner Mutter, vier Brüdern und zwei Schwestern, lebt in Nigeria. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über seine zum Daueraufenthalt berechtigte Ehefrau sowie das gemeinsame Kind, welches über die Rot-Weiß-Rot-Karte Plus verfügt. Darüber hinaus hat er keine Verwandten und keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen in Österreich.

Der Beschwerdeführer besuchte 6 Jahre lang die Schule und arbeitete anschließend in einer Bierproduktionsfirma. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Nigeria hat er eine Chance auch hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Die Ehefrau des Beschwerdeführers geht einer unselbständigen Arbeit nach, befindet sich aber derzeit in Karenz und erhält kein momentan kein Gehalt.

Der Beschwerdeführer hat die Sprachprüfung Deutsch A1 absolviert, die Prüfung A2 hat er nicht bestanden. Er ist Kirchenmitglied und besucht als solches regelmäßig den Gottesdienst. Darüber hinaus weist der Beschwerdeführer in Österreich jedoch keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von einem Kult verfolgt wird.

Es ist dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.

Es konnte des Weiteren nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) nach Nigeria entgegenstehen würden.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 15.11.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10 % der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria und der Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2019.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und vor dem erkennenden Gericht (Protokolle vom 08.11.2017 und 13.03.2019). Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen.

Dass der Beschwerdeführer verheiratet und Vater eines mj. Kindes ist, ergibt sich aus der Heiratsurkunde des Standesamtes Wien-Landstraße, Zahl XXXX, vom 22.08.2017 sowie aus der Geburtsurkunde des Standesamtes Wien-Ottakring, Zahl XXXX, vom 22.06.2017. Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers in Österreich zum Daueraufenthalt berechtigt ist, geht sowohl aus der Kopie der Daueraufenthaltskarte, ausgestellt vom Amt der Wiener Landesregierung - MA 35, gültig bis 18.07.2027, hervor als auch aus einem IZR-Auszug vom 12.03.2019. Dass das mj. Kind des Beschwerdeführers über den Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" verfügt, geht aus einer IZR-Abfrage vom 12.03.2019 hervor. Aus der schlüssigen Zeugenaussage geht hervor, dass der Beschwerdeführer den Haushalt und die Kinderbetreuung gemeinsam mit seiner Ehefrau erledigt (Protokoll vom 13.03.2019, S. 14).

Die Feststellung zum gemeinsamen Haushalt und Wohnsitz des Beschwerdeführers, seiner Frau und des gemeinsamen mj. Kindes geht aus der ZMR-Abfrage vom 03.06.2019 hervor.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich außer seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seiner Einvernahme durch erkennende Richterin (Protokoll vom 13.03.2019, S. 10).

Die Feststellung zur abgelegten Sprachprüfung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem ÖSD Zertifikat vom 16.10.2017; aus einer schriftlichen Mitteilung vom 03.05.2019 geht hervor, dass der Beschwerdeführer die Prüfung A2 nicht bestanden hat. Aus der vorgelegten Bestätigung der Gemeinschaft "XXXX" vom 10.03.2019 ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer Kirchenmitglied ist und regelmäßig den Gottesdienst besucht.

Mangels weiterer Unterlagen konnten keine Feststellungen zu einer weiterreichenden Integration des Beschwerdeführers getroffen werden.

Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt in Spanien und der Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers ergibt sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers sowohl vor der belangten Behörde als auch vor dem erkennenden Gericht (Protokolle vom 08.11.2017 und 13.03.2019, S. 9) sowie aus der Kopie der Karte "Extranjeros Espana, Regimen Comunitario", gültig bis 06.06.2023.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 03.06.2019.

Die Feststellung zu seinem gegenwärtigen Bezug der Grundversorgung ergibt sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 03.06.2019 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers einer Arbeit nachgeht, aber derzeit in Karenz ist, geht aus der diesbezüglichen Karenzbestätigung des Arbeitgebers der Ehefrau vom 03.01.2018 hervor; hieraus ist auch ersichtlich, dass seine Ehefrau bis zum 12.06.2019 in Karenz ist.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Bei seiner Ersteinvernahme am 20.12.2004 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, dass er und seine Arbeitskollegen bei Schweißarbeiten von sechs bewaffneten Personen angegriffen worden seien; zwei Kollegen seien dabei getötet worden. Aus Angst sei er sofort in den Fluss gesprungen und auf das Schiff geschwommen, um so zu flüchten.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 08.11.2017 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtründen hingegen an, nicht mehr zu wissen, in welcher "Local Government Area" es gewesen sei; er sei ein bis zwei Wochen in diesem Dorf gewesen. Die Leute haben ihn in diese Sache initiieren wollen. Er wisse nicht mehr, ob es in der Früh oder in der Nacht gewesen sei; es seien Leute gewalttätig in das Haus gekommen, eine Person habe den Beschwerdeführer zu deren Platz mitgenommen. Es sei jemand getötet worden. Der Beschwerdeführer habe noch aus dem Fenster fliehen können. Die ganze Reise sei so gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich dann in der Nähe des Meeres gefunden; er sei verfolgt worden. Er sei dann zu einem Schiff geschwommen, wo er sich versteckt habe.

Im Zuge seiner Befragung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.03.2019 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, nachdem er die Guinness Firma verlassen habe, sei er nach Owerri nach Delta State gezogen. Dort habe es eine Gruppe von Leuten bzw. einen geheimen Kult gegeben. Wenn man dort leben wolle, müsse man diesem Kult angehören. Es gebe in dieser Gegend auch viel Öl. Der Beschwerdeführer habe dort mit einem Mann namens O. zusammengewohnt. Eines nachts sei jemand zu ihnen gekommen und habe gesagt, sie müssen diesem Kult beitreten, andernfalls sie umgebracht würden. Der Beschwerdeführer sei dann durch das Fenster gesprungen; er sei überzeugt, dass der andere Mann umgebracht worden sei. Der Beschwerdeführer sei gerannt bis er an ein Wasser gekommen sei, wo er hineingesprungen und zu einem großen Schiff geschwommen sei.

Die negative Feststellung zu potentieller Verfolgungsgefahr und drohender menschenrechtswidriger Behandlung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft ist. Der Beschwerdeführer machte im Zuge seines Vorbringens vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht vage, unplausible und widersprüchliche Angaben, wie im Folgenden ausgeführt wird:

Die Fluchtgeschichte, die der Beschwerdeführer am 20.12.2004 vorbrachte, steht in krassem Widerspruch zu seiner Fluchtgeschichte vom 08.11.2017. So gab er bei seiner Ersteinvernahme im Jahr 2004 an, bei Schweißarbeiten überfallen worden zu sein, wohingegen er vor der belangten Behörde vorbrachte, nachts in seinem Haus attackiert worden zu sein. Weiters wusste er bei seiner Befragung am 08.11.2017 nicht mehr, ob die Leute, die ihn bedroht haben, tagsüber oder nachts erschienen sind, wohingegen er vor der erkennenden Richterin ganz genau angeben konnte, dass der Überfall nachts stattfand. Wenn der Beschwerdeführer hierzu angibt, dass er damals bei der Befragung vor dem BFA durcheinander und neu hier gewesen sei, so ist dies keine logische Erklärung, da der Beschwerdeführer zu dem Zeitpunkt, nämlich am 08.11.2017 bereits seit 13 Jahren in Österreich gelebt hat; auch mit "vielleicht haben sie mein Englisch nicht verstanden", kann der Beschwerdeführer den Widerspruch nicht auflösen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer vor dem BVwG aussagt, "jemand" sei zu ihm ins Haus gekommen und etwas später auf Nachfrage angibt, "es können 5 gewesen sein" (Protokoll vom 13.03.2019, S. 5f.). Die Aussagen des Beschwerdeführers sind insgesamt sehr widersprüchlich und unschlüssig. Außerdem schildert er den fluchtauslösenden Moment sehr detailarm und emotionslos und widerspricht seine Aussage "...ich hab schon so viel vergessen von damals" (Protokoll vom 13.03.2019, S. 7) der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach anzunehmen ist, dass man sich an so einschneidende Erlebnisse, die einen dazu bewegen, das eignen Land zu verlassen, auch nach einem Zeitraum von 13 Jahren noch genau erinnern kann.

Es ist für die erkennende Richterin auch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht weiß, wie der Kult, dem er seinen Angaben zufolge hätte beitreten sollen, heißt, obwohl dieser Kult in dem Dorf, wo der Beschwerdeführer lebte, scheinbar sehr präsent und mächtig war (Protokoll vom 13.03.2019, S. 6).

Auch wenn der Beschwerdeführer auf Nachfrage der erkennenden Richterin angibt, dass sich die Familie des getöteten O. an ihm rächen wollen würde, weswegen er in Gefahr sei, ist dies als gesteigertes Vorbringen zu werten, da er diese Gefahr erst gegen Ende seiner Befragung über seine Fluchtgründe geltend macht (Protokoll vom 13.03.2019, S. 8).

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer bei seiner Asylantragsstellung falsche Angaben zu seiner Identität machte, weshalb sich der Beschwerdeführer als persönlich unglaubwürdig erweist.

Aufgrund der dargestellten Ungereimtheiten und Widersprüche im Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem behaupteten Fluchtgrund gelangt daher die erkennende Richterin somit zusammenfassend zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer die von ihm geschilderten Ereignisse tatsächlich nicht erlebt hat und seinem Vorbringen somit insgesamt die Glaubwürdigkeit zu versagen war.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

-

AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

-

FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria - Ge-sellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017

-

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

-

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

-

UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Ni-geria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017

-

USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/344128/487671_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

Trotz der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass der BF die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte. Eine sonstige aktuelle zu berücksichtigende Verfolgungsgefahr wird vom Beschwerdeführer nicht dargelegt und ergibt sich auch nicht aus Umständen, die von Amts wegen zu berücksichtigen wären.

Insgesamt sind somit die eingangs beschriebenen Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfind

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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