Entscheidungsdatum
03.07.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I403 2168816-2/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Mag. Brigitte TCHOUKWE TCHOUA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2019, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.07.2019, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass diese zu lauten haben:
"I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 11.04.2018 wird gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
II. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 11.04.2018 wird gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen."
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird als unbegründet abgewiesen.
III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben und gemäß § 9 BFA-Verfahrensgesetz festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
IV. Die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Zum vorangegangenen Verfahren:
Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsbürgerin, stellte am 13.07.2014 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.07.2014 sowie im Rahmen von zwei niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (fortan: BFA; belangte Behörde) am 16.07.2015 sowie am 28.06.2017 erklärte sie zu ihrem Fluchtgrund, dass sie mit 14 Jahren zu einer Ehe gezwungen worden sei. Sie habe ein Kind bekommen, ihren Mann zunächst verlassen, sei dann aber wiedergefunden und zu ihrem Mann zurückgebracht worden. Sie habe ein zweites Kind bekommen und immer wieder die Kirche besucht, obwohl sie gebürtige Muslimin sei. Im Jahr 2012 sei sie zum Christentum konvertiert. Daraufhin sei sie gefoltert und eingesperrt worden. Dann habe sie flüchten können und bei einer Freundin in XXXX gelebt. Ihre Familie habe sie dort aber auch wieder gefunden, dass Haus ihrer Freundin angegriffen, und ihre Freundin sowie deren Mutter getötet. Sie selbst sei wieder im Haus ihres Mannes eingesperrt worden. Im November 2013 sei ihr die Flucht gelungen und sei sie in eine Kirche in der Stadt XXXX gegangen. Einige Monate später habe der Pfarrer ihre Flucht organisiert. Im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria habe sie die Todesstrafe zu befürchten.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19.07.2017 wurde dieser Antrag vom 13.07.2014 gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Abschiebung nach Nigeria wurde für zulässig erklärt und eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt. Der Entscheidung des BFA wurde zu Grunde gelegt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Gänze unglaubhaft sei. Eine fristgerecht gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.01.2018, Zl. I403 2168816-1/12E nach Durchführung einer Verhandlung, zu der die Beschwerdeführerin unentschuldigt nicht erschien, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.
Zum gegenständlichen Verfahren:
Die Beschwerdeführerin stellte am 11.04.2018 den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Im Zuge ihrer am selben Tag stattfindenden Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab sie hierbei an, dass ihr Fluchtvorbringen aus dem ersten Asylverfahren nicht der Wahrheit entsprochen habe. Sie sei ein Opfer von Menschenhandel und werde nach wie vor von Schleppern und Kriminellen verfolgt, sodass es ihr nicht möglich sei, nach Nigeria zurückzukehren. Die Menschenhändler hätten die Beschwerdeführerin auch unter Druck gesetzt und dieser aufgetragen, im Rahmen ihres ersten Asylverfahrens falsche Angaben zu tätigen.
Am 17.05.2018 wurde die Beschwerdeführerin niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Hierbei räumte sie erneut ein, dass die in ihrem ersten Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründe erfunden gewesen seien und ihr das entsprechende Vorbringen von jener Person vorgegeben worden sei, welche sie nach Österreich gebracht habe. In Wahrheit sei sie unter falschen Versprechungen nach Europa gelockt und hier derart unter Druck gesetzt worden, dass sie schließlich gegen ihren Willen der Prostitution nachgegangen sei, bis sie ihren Lebensgefährten kennengelernt habe. Am 20.11.2018 wurde die Beschwerdeführerin ein weiteres Mal niederschriftlich durch das BFA einvernommen. Hierbei wiederholte sie im Wesentlichen ihr Fluchtvorbringen aus der vorangegangenen Einvernahme vom 17.05.2018. Zudem gab die Beschwerdeführerin an, am 30.10.2018 in Österreich ihren Lebensgefährten, den österreichischen Staatsangehörigen XXXX, wohnhaft im Bezirk XXXX in XXXX, geheiratet zu haben und brachte diesbezüglich eine Heiratsurkunde sowie einen Auszug aus dem Heiratsregister des Standesamtes XXXX in Vorlage.
Am 03.12.2018 übermittelte die Beschwerdeführerin ergänzend eine schriftliche Stellungnahme an das BFA, in welchem sie größtenteils aus einem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes im Hinblick auf systematisch organisierten Frauenhandel in Nigeria zitierte. Diverse medizinische Befunde (allerdings unauffälliger Natur) sowie die nigerianische Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin waren der Stellungnahme beigeschlossen.
Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 06.02.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 06.03.2019 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die Vertretung durch Frau Mag.a. Brigitte TCHOUKWE TCHOUA, MA vorgelegt. Es wurden unrichtige Feststellungen, die Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilungen seitens der belangten Behörde moniert. Die Beschwerdeführerin sei ein Opfer von Menschenhandel und ihrem diesbezüglich glaubwürdigen und gründlich substantiierten Vorbringen sei zu Unrecht die Glaubhaftigkeit versagt worden. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft zusprechen; allenfalls subsidiären Schutz gewähren; einen landeskundigen Sachverständigen beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Nigeria befasst; eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen; den Ehemann als Zeugen zur Beschwerdeverhandlung laden; allenfalls einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen; allenfalls feststellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist; allenfalls feststellen, dass die Abschiebung nach Nigeria unzulässig ist.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 12.03.2019 vorgelegt. Am 01.07.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung abgehalten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Nigerias, Angehörige der Volksgruppe der Benin und christlichen Glaubens. Ihre Identität steht fest.
Die Beschwerdeführerin stammt aus Benin City, wo sie bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2014 gelebt hat. Sie hat in Nigeria 6 Jahre die Grund- und 6 Jahre die Mittelschule besucht und im Anschluss 2 Jahre lang "XXXX" studiert, das Studium jedoch aus finanziellen Gründen nicht abgeschlossen. Zuletzt arbeitete sie als XXXX in Benin City.
Von August 2014 bis Anfang 2017 arbeitete die Beschwerdeführerin als XXXX. Von Jänner 2017 bis Dezember 2018 bezog sie periodische Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Seither wird die Beschwerdeführerin von ihrem Ehemann finanziell unterstützt.
Seit 30.10.2018 ist sie mit dem österreichischen Staatsbürger XXXX, wohnhaft im Bezirk XXXX in XXXX, verheiratet. Die Beziehung begann Anfang 2017. Aufgrund der Wohnsitzauflage und Meldeverpflichtung der Beschwerdeführerin besteht kein gemeinsamer Haushalt, ein solcher ist aber geplant, sobald es rechtlich möglich ist. Der Ehemann der Beschwerdeführerin verfügt als XXXX über ein gesichertes Einkommen.
Die übrige Familie der Beschwerdeführerin, insbesondere ihre Mutter, ihr im Jahr 2000 geborener und somit volljähriger Sohn sowie ihre Schwester, lebt nach wie vor in Benin City. Die Beschwerdeführerin steht in Kontakt zu ihrer Familie in Nigeria.
Die Beschwerdeführerin spricht Deutsch auf B1-Niveau und hat eine Integrationsprüfung absolviert. Sie engagiert sich bei der XXXX und ist strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin verließ Nigeria am 12.07.2014 und stellte am 13.07.2014 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der rechtskräftig abgewiesen wurde. Sie verblieb trotz Erlassung der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.01.2018 bestätigten Rückkehrentscheidung im Bundesgebiet und stellte am 11.04.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, wobei sie sich dabei auf Ereignisse stützt, welche zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes am 12.01.2018 bereits eingetreten waren. Sowohl die Verbringung der Beschwerdeführerin unter Vospiegelung falscher Tatsachen wie auch die telefonische Bedrohung der Beschwerdeführerin und ihrer in Nigeria lebenden Schwester fanden vor bzw. während des ersten Asylverfahrens statt.
Die Situation in Bezug auf etwaige Rückkehrbefürchtungen der Beschwerdeführerin hat sich ebenfalls nicht geändert, seit das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.01.2018 in Rechtskraft erwachsen ist. Die Beschwerdeführerin leidet auch jetzt nicht an einer lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung. Sie ist - ebenso wie im Vorverfahren - als erwerbsfähig anzusehen. Auch in Bezug auf die allgemeine Situation in Nigeria sind keine entscheidungswesentlichen Änderungen eingetreten.
1.3. Zum Menschenhandel in Nigeria:
Der organisierte Menschenhandel bleibt eines der dringlichsten menschenrechtlichen Probleme in Nigeria. Nigeria ist eine Drehscheibe des Menschenhandels und eines der fünf größten Herkunftsländer von Opfern des Menschenhandels in der EU (Quelle: Auswärtiges Amt). Aus keinem anderen Drittstaat kommen derart viele Opfer von Menschenhandel nach Europa (Quelle: EASO, Country Guidance). Allerdings findet innerhalb der Grenzen Nigerias noch ein viel umfangreicherer Handel mit Menschen, unter anderem zu Zwecken der Prostitution, statt; häufig stellt dieser interne Menschenhandel den ersten Schritt zum grenzüberschreitenden Menschenhandel dar (Quelle: EASO Sexhandel).
Nigerianische Mädchen und Frauen sind somit Opfer von Menschenhandel innerhalb Nigerias und nach Europa, vor allem aber nach Italien, Spanien, Österreich und Russland (Quelle: US DoS Report).
Menschenhändler haben im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 ihre Aktivitäten verstärkt. Sie missbrauchen häufig das Asylsystem, insbesondere um den Aufenthalt und eine Mobilität in der EU zu ermöglichen. IOM berichtet von einem Anstieg von nigerianischen Frauen, die über Libyen in die EU reisen; bei 80% könne davon ausgegangen werden, dass sie Opfer sexueller Ausbeutung werden (Quelle: EASO, Targeting).
Profile der Opfer von Menschenhandel
Die meisten Opfer von Menschenhandel stammen aus Edo State, insbesondere Benin City und nahegelegenen Dörfern, und gehören zur Volksgruppe Edo/Bini (Quellen: EASO Country Guidance und EASO, Sexhandel). Ein schwacher wirtschaftlicher Hintergrund, eine geringe Bildung, ein geringes Alter, Kinderlosigkeit und schwierige familiäre Verhältnisse können das Risiko erhöhen, Opfer von Menschenhandel zu werden (Quelle: EASO, Targeting).
Methoden und Netzwerke der Menschenhändler
Nach Angaben von Europol bestehen nigerianische Menschenhändlerbanden häufig aus Zellen. Auf diese Weise können sie sehr effizient arbeiten, denn sie agieren unabhängig, können sich aber auf ein umfangreiches Netz persönlicher Kontakte stützen. Frauen (Madams) spielen in diesen Gruppen eine sehr wichtige Rolle und überwachen den Prozess des Menschenhandels von der Rekrutierung bis zur Ausbeutung sehr genau. Typischerweise haben die Madams zuvor als Prostituierte gearbeitet, teilweise auch als Opfer von Menschenhandel, und sich dann bis zur Rolle einer Madam, welche oftmals den Menschenhändlerorganisationen vorsteht, hochgearbeitet.
Madams sind sowohl in Nigeria wie im Zielland anzutreffen (Quelle: EASO, Sexhandel).
Die Menschenhändler geben teilweise vor, Arbeitsstellen in Europa vermitteln zu können, etwa als Friseurin oder Kindermädchen. Dennoch ist vielen Mädchen bewusst, dass sie in Europa der Prostitution nachgehen werden; zugleich sehen sich viele etwa aufgrund ihrer Rolle als älteste Tochter faktisch gezwungen, zum Einkommen der Familie beizutragen. Einige Opfer nehmen selbst Kontakt zu den Menschenhändlern auf, in der Hoffnung die Armut der Familie auf diesem Weg beenden zu können (Quelle: EASO, Targeting). Es wurde in den nigerianischen Medien immer mehr über diese Thematik und auch über von Europa abgeschobene Frauen berichtet, daher "weiß jeder, was läuft" (Quelle: EASO, Sexhandel). Viele der Frauen werden aber, selbst wenn ihnen bereits vor Abreise bewusst ist, dass sie der Prostitution nachgehen werden müssen, über die tatsächlichen Verdienstmöglichkeiten, die Arbeitsbedingungen und die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes getäuscht (Quelle: EASO, Sexhandel).
Teil des Modus Operandi der Menschenhändler ist insbesondere die Verwendung traditoneller Riten, die in Nigeria "Juju" genannt werden. Nach Informationen der Nigerian National Agency for Prohibition of Traffic in Persons (NAPTIP) unterziehen sich rund 90% der Mädchen und Frauen, die nach Europa gebracht werden, einer solchen Behandlung (zitiiert nach UK Home Office). Diese Zeremonie findet bei einem religiösen Schrein statt, um den Vertrag zwischen den Menschenhändlern und dem (späteren) Opfer zu besiegeln. Der dort geleistete Schwur dürfe nicht gebrochen werden, sonst würde es zu Unglück, Krankheit oder Schlimmerem führen (Quelle: EASO, Targeting). Mit dem Schwur sollen die Opfer davon abgehalten werden, die Identität der Schleuser oder sonstige Einzelheiten zu offenbaren. Ein Juju-Schwur wirkt als eine Art psychologische Kontrolle, da die Angst vor den Folgen eines Bruchs des Schwurs, also vor der Bestrafung durch die Götter, extrem groß ist. Allerdings glauben nicht alle Frauen an die Macht von Juju (EASO, Sexhandel). Am 9. März 2018 wurde vom Oba (König) von Benin ein Fluch gegen alle Menschenhändler und jene Priester, die sie mit Juju-Schwuren unterstützen, verhängt und erklärt, dass alle Schwüre ungültig seien (Quelle: EASO, Targeting).
Versprochen wird eine Reise nach Europa für 50.000 bis 70.000 Naira (etwa 250 Euro), nach der Ankunft in Europa werden die Schulden dann mit 50.000 bis 70.000 Euro angegeben und wird gefordert, die Summe durch Prostitution zu verdienen (Quelle: EASO, Targeting).
In einigen Fällen unterstützen die Familien der Opfer die Menschenhändler, da sie sich dadurch einen finanziellen Vorteil erhoffen. Frauen und Mädchen werden daher von ihrer Familie teilweise darin bestärkt, das Land zu verlassen (Quelle: EASO, Country Guidance).
Die vorherrschende und gängige Route dürfte es sein, die Opfer innerhalb Nigerias in Kleinbussen zu befördern (über den Bundesstaat Kano), dann über die Grenze zum Niger im Auto, zu Fuß oder auf dem Motorrad und im LKW bis nach Agadez. Ab Agadez begeben sich die Frauen auf eine gefährliche Reise durch die Sahara Richtung Libyen (meist Zuwarah, Sabha oder Tripolis). Von dort werden die Opfer auf Booten über das Meer nach Italien oder Malta gebracht. Eine andere Route führt nach Spanien. Im Verlauf dieser Reise über Land werden die Frauen von einem "Verbindungshaus" (auch als "Ghetto" bezeichnet) zum nächsten entlang der Route befördert, dort eingesperrt und in Dörfern und Städten entlang der Route regelmäßig sexuell ausgebeutet (EASO, Sexhandel).
Staatlicher Schutz
Die Gesetzgebung in Bezug auf Menschenhandel hat sich in Nigeria stark verbessert (Quelle: US DoS Report) und es gibt sowohl Initiativen zur Prävention wie auch einen verstärkten Fokus auf die Verfolgung der Täter. Dennoch ist die Umsetzung in einigen Landesteilen mangelhaft; eine effektive Umsetzung der Gesetze wird durch unzureichende Ressourcen und Kompetenzkonflikte zwischen Zentral- und Bundesstaaten behindert (Quelle: EASO, Country Guidance). Der besonders betroffene Bundesstaat Edo State hat 2018 ein Gesetz gegen den Menschenhandel verabschiedet, das höhere Strafen für Schleuser vorsieht (Quelle: Auswärtiges Amt). Der Gouverneur des Edo State hat zudem eine "Edo State Task Force" ins Leben gerufen, um den Menschenhandel nach Europa zu bekämpfen (Quelle: US DoS Report).
Gefahren für den Fall einer Rückkehr nach Nigeria
Die wenigsten Opfer von Menschenhandel kehren freiwillig nach Nigeria zurück, obwohl ihnen dies die Möglichkeit bieten würde, sich für ein Programm der unterstützten freiwilligen Rückkehr von IOM zu entscheiden. Die meisten abgeschobenen Frauen werden daher bei ihrer Rückkehr von den Behörden nicht als Opfer von Menschenhandel identifiziert (EASO, Sexhandel).
Dennoch kann auch für Nigeria nicht festgestellt werden, dass Frauen und Mädchen generell dem Risiko unterliegen, Opfer von Frauenhandel zu werden. Es kann ebenfalls nicht generell davon ausgegangen werden, dass ein Opfer von Frauenhandel, das nach Nigeria zurückkehrt, automatisch einer Verfolgung der Menschenhändler unterliegt, welche sie ursprünglich nach Europa verbracht hatten. Dies ist abhängig von der individuellen Situation (UK Home Office). Zu berücksichtigen sind die Höhe der noch offenen "Schulden", ob das Opfer gegen die Täter ausgesagt hat, die Kenntnisse der Täter über die Familie des Opfers, Alter, Familienstand, finanzielle Mittel, soziales Netzwerk, die Involvierung der Familie in den
Menschenhandel, ... (Quelle: EASO, Country Guidance)
Manche Opfer von Menschenhandel fürchten eine Vergeltung durch die Menschenhändler oder "Madams", insbesondere wenn es noch offene "Schulden" gibt. Die Gefahr einer möglichen Vergeltung liegt eher in einem "Re-Trafficking" denn in körperlicher Gewalt. Allerdings gibt es auch vereinzelte Beispiele von Entführungen, körperlicher Gewalt, Einschüchterung, Brandlegung oder der Tötung von Familienmitgliedern. Einige Opfer von Menschenhandel weigern sich auch, gegen die Täter auszusagen aus Angst vor Rache. Viele Opfer von Menschenhandel finden sich in einer Menschenhandelssituation wieder; einige aus eigenem Willen, andere werden durch Menschenhändler dazu gezwungen oder durch ihre Familie dazu gedrängt (Quelle: EASO, Country Guidance).
Das Risiko für ein Re-Trafficking steigt insbesondere, wenn die "Schulden" noch nicht bezahlt sind oder die Frauen ohne Vermögen nach Nigeria zurückkehren. Die Mitglieder der Volksgruppe Edo akzeptieren Prostitution generell nicht; wenn Frauen mit einem gewissen Wohlstand aus Europa zurückkehren, müssen sie dennoch nicht verbergen, woher das Geld stammt (Quelle: EASO, Sexhandel). Die Gefahr einer sozialen Stigmatisierung ist dagegen besonders hoch, wenn die Frauen oder Mädchen ohne Erspartes oder mit gesundheitlichen Problemen zurückkehren. (Quelle: EASO, Country Guidance)
Manche, aber nicht alle Frauen bekommen im Fall einer erzwungenen Rückkehr bei offenen "Schulden" Probleme mit den Menschenhändlern. NAPTIP (siehe unten) kann sie dabei unterstützen, rechtlich gegen die Menschenhändler vorzugehen, doch hängt dies von der Bereitschaft der Opfer zur Aussage bei der Polizei ab.
In den großen Städten des Südens ist es für alleinstehende Frauen einfacher sich eine Existenz aufzubauen als im Norden. Frauen mit einer höheren Bildung haben bessere Voraussetzungen (Quelle: EASO, KeySocioEconomic).
NAPTIP und NGOs
Die National Agency for Prohibiton of Trafficking in Persons (NAPTIP) ist die zentrale staatliche Agentur im Kampf gegen Menschenhandel. In den letzten Jahren wurden die Ressourcen stark erhöht, doch sind die Mittel noch immer nicht ausreichend (Quelle: US DoS Report). Aktuell sind mehr als 1000 Mitarbeiter bei NAPTIP beschäftigt (UK Home Office). NAPTIP hat seit ihrer Gründung 2003 359 Verurteilungen von Schleppern erreicht (Quelle: Auswärtiges Amt; Stand 11.09.2018) sowie nach eigenen Angaben seit 2012 bis heute 13.007 Opfern von Menschenhandel assistiert (Quelle: Auswärtiges Amt). Anderen Berichten zufolge wurde 5000 Opfern von Menschenhandel durch NAPTIP geholfen (Quelle: EASO, Actors).
NAPTIP bietet auch Unterstützung für Opfer von Menschenhandel an.; dies reicht von Schutzzentren, Beratung, Zugang zum Rechtssystem bis zur Unterstützung bei der Reintegration (Quelle: EASO, Actors). Neben dem Hauptquartier in Abuja gibt es neun Zentren, die das gesamte Staatsgebiet abdecken sollen: Lagos, Benin, Enugu, Uyo, Sokoto, Kano, Maiduguri, Osogbo and Makurdi. In all diesen Zentren gibt es "transit shelters", in welchen 315 Opfer von Menschenhandel bis zu sechs Wochen untergebracht und medizinisch und psychologisch betreut werden (Quelle: US DoS Report). Daneben bekommen die Opfer von Menschenhandel auch berufliche Ausbildungen (Quelle: EASO, KeySocioEconomic). Auch wenn NAPTIP sich nur um Opfer von Menschenhandel kümmern sollte, werden auch immer andere Verbrechensopfer an die Behörde verwiesen, was die Kapazitäten verringert (Quelle: EASO, KeySocioEconomic).
Sollte eine längere Betreuung notwendig sein, werden die Mädchen und Frauen an NGOs vermittelt (2017 war das etwa bei 302 Opfern der Fall - Quelle: US DoS Report). So führt etwa das Frauenministerium zwei Schutzzentren, welche Opfer von Menschenhandel von NAPTIP zugewiesen bekommen; daneben gibt es in Bakhita Village, Lagos (The African Network Against Human Trafficking - ANAHT), in Benin City (The Nigerian Conference of Women Religious), in Abuja (The Women Trafficking and Child Labour Eradication Foundation - WOTCLEF) und in XXXX, Plateau State (Grace Gardens) Schutzzentren (Quelle: EASO, KeySocioEconomic). Es gibt einige NGO¿s, die im Kampf gegen Menschenhandel aktiv sind; diese sind in der Dachorganisation "Network of Civil Society Organization Against Child Trafficking, Abuse and Labour" (NACTAL) vereint (Quelle: EASO, KeySocioEconomic).
Quellen:
"EASO Country Guidance" - European Asylum Support Office: Country
Guidance: Nigeria; Guidance note and common analysis, Februar 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf (Zugriff am 29. März 2019)
"Auswärtiges Amt" (Deutschland): AA-Bericht Nigeria, 10. Dezember 2018
https://www.ecoi.net/en/file/local/1456143/4598_1547113065_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-oktober-2018-10-12-2018.pdf (Zugriff am 29. März 2019)
"EASO, Actors" - European Asylum Support Office: Nigeria; Actors of Protection, November 2018
https://www.ecoi.net/en/file/local/2001364/2018_EASO_COI_Nigeria_ActorsofProtection.pdf (Zugriff am 29. März 2019)
"US DoS Report" - US Department of State, Trafficking in Persons Report 2018, https://www.state.gov/j/tip/rls/tiprpt/2018/ (Zugriff am 02.04.2019).
"UK Home Office" - United Kingdom Home Office, Country Policy and Information Note - Nigeria: Trafficking of women, November 2016, https://www.refworld.org/docid/5833112f4.html (Zugriff am 02.04.2019).
"EASO, Sexhandel" - European Asylum Support Office: Nigeria:
Sexhandel mit Frauen, Oktober 2015.
"EASO, KeySocioEconomic" - European Asylum Support Office: Nigeria; Key socio-economic indicators, November 2018
https://www.ecoi.net/en/file/local/2001365/2018_EASO_COI_Nigeria_KeySocioEconomic.pdf (Zugriff am 29. März 2019)
"EASO, Targeting" - European Asylum Support Office: Nigeria; Targeting of individuals, November 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001375/2018_EASO_COI_Nigeria_TargetingIndividuals.pdf (Zugriff am 29. März 2019)
2. Beweiswürdigung:
Zu A)
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Einsicht wurde zudem genommen in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu GZ. I403 2168816-1 und damit zum Beschwerdeverfahren des vorangegangenen Asylverfahrens. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrer Herkunft, ihrer Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu ihrer Konfession gründen sich auf die glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund ihrer im Original vorgelegten nigerianischen Geburtsurkunde sowie ihrer vorgelegten österreichischen Heiratsurkunde und einem Auszug aus dem Heiratseintrag fest.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin am XXXX2018 den österreichischen Staatsbürger XXXX heiratete, ergibt sich aus einer vorgelegten Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX vom XXXX2018, sowie aus dem vorgelegten Auszug aus dem Heiratseintrag des Standesamtes XXXX vom XXXX2018. Die Feststellung, dass kein gemeinsamer Wohnsitz besteht, ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin sowie aus einer Abfrage im Zentralen Melderegister der Republik Österreich vom 14.03.2019. In der mündlichen Verhandlung ist kein Hinweis aufgetaucht, dass es sich dabei um eine Aufenthaltsehe handeln würde, sondern wurde vielmehr der Eindruck einer engen Beziehung geweckt. Soweit die Beschwerdeführerin angab, sie habe einen Heiratsantrag erhalten und ihr als Zeuge befragter Ehemann meinte, die Eheschließung sei eher von der Beschwerdeführerin ausgegangen, kann darin kein eindeutiger Widerspruch erkannt werden. Es wurde auch ein Konvolut an Fotos vorgelegt, welche die Beschwerdeführerin und ihren Ehemann gemeinsam zeigen, unter anderem bei den Hochzeitsfeierlichkeiten. Die Feststellung, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin als XXXX über ein gesichertes Einkommen verfügt, ergibt sich aus seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung als Zeuge.
Die Beschwerdeführerin machte vor dem BFA gesundheitliche Beeinträchtigungen in Form von Schmerzen in der Brust sowie orthopädischen Problemen mit dem rechten Bein sowie der linken Hüfte geltend. Aus vorgelegten medizinischen Unterlagen eines Diagnosezentrums vom 15.03.2017 sowie eines Facharztes für Gynäkologie vom 19.12.2017 ergaben sich im Hinblick auf ihre Brust unauffällige bzw. gutartige, gynäkologische Befunde. Hinsichtlich ihrer orthopädischen Probleme brachte die Beschwerdeführerin den Befund einer Voll-Digitalröntgenuntersuchung eines Facharztes für Radiologie vom 19.09.2018 in Vorlage. Aus dem Befund ergeben sich diverse Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule der Beschwerdeführerin. Zusammengefasst sind aus der Aktenlage keinerlei Hinweise auf eine dauerhafte bzw. behandlungsbedürftige gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar, ebenso keine Minderung der Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin, welche ihre Arbeitsfähigkeit im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem BFA am 20.11.2018 selbst ausdrücklich bejahte und in der mündlichen Verhandlung am 01.07.2019 angab, gesund zu sein.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin Deutsch auf B1-Niveau spricht, ergibt sich aufgrund eines vorgelegten ÖSD-Zertifikates vom 12.07.2018. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine Integrationsprüfung abgelegt hat, ergibt sich aus dem vorgelegten Zeugnis vom 04.12.2018. Ihr ehrenamtliches Engagement ergibt sich aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin von Jänner 2017 bis Dezember 2018 periodische Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezog, ergeben sich aus einer Abfrage in der Applikation Betreuungsinformation (Grundversorgung).
2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin:
In ihrem ersten, rechtskräftig negativ entschiedenen Asylverfahren hatte die Beschwerdeführerin vorgebracht, mit 14 Jahren zwangsverheiratet worden zu sein und in den folgenden Jahren durch ihren Ehemann missbraucht und gequält worden zu sein. Unter anderem seien auch ihre Freundin sowie deren Mutter getötet worden, als sie sich dort versteckt habe. Dieses Vorbringen wurde sowohl vom BFA wie auch vom Bundesverwaltungsgericht als unglaubhaft befunden und wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen. Im gegenständlichen, zweiten Asylverfahren wurde dies durch die Beschwerdeführerin bestätigt, welche angab, sie habe dieses Vorbringen im Auftrag des Menschenhändlers, der sie nach Österreich gebracht habe, erstattet.
Im gegenständlichen Verfahren brachte die Beschwerdeführerin erstmals vor, Opfer von Menschenhandel geworden zu sein. Sie habe in einem XXXX in Benin City gearbeitet, jedoch habe sie finanzielle Probleme gehabt. Der Schulbesuch ihres Sohnes sei schwer für sie zu finanzieren gewesen. Im XXXX, in welchem die Beschwerdeführerin gearbeitet habe, sei ein Mann namens "XXXX" zu Gast gewesen. Dieser habe sich mit der Beschwerdeführerin unterhalten und ihr gesagt, er könne ihr helfen nach Europa zu gehen, um dort etwa als Reinigungskraft, Gartenarbeiterin oder Babysitterin Geld zu verdienen. Jedoch müsse die Beschwerdeführerin "XXXX" bezahlen, sobald sie in Europa wäre. "XXXX" habe ausdrücklich gesagt, dass sich die Beschwerdeführerin nicht prostituieren müsse, wenn sie das nicht wolle. Die Beschwerdeführerin habe in weiterer Folge ihr Interesse bekundet und "XXXX" zweimal zu je einem anderen Schrein begleitet, um zu schwören, dass sie nicht mit dem Geld, welches sie in Europa verdienen werde, weglaufen würde. Am Tag, an dem sie Nigeria verlassen habe, hätte sie einen Schuldschein über 45.000 Euro zugunsten von "XXXX" unterfertigt. In weiterer Folge sei sie mit französischen Papieren, welche "XXXX" ihr besorgt habe, nach Frankreich geflogen. Dort habe sie eine Telefonnummer angerufen, welche ihr "XXXX" gegeben habe und sei in weiterer Folge von einem Mann abgeholt worden, welcher die Beschwerdeführerin nach Wien verbracht habe. Nachdem die Beschwerdeführerin ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe und im Flüchtlingslager XXXX aufhältig gewesen sei, habe "XXXX" sie angerufen und gesagt, dass er sein Geld haben wolle und die Beschwerdeführerin anfangen solle zu arbeiten. Nachdem die Beschwerdeführerin jedoch keinen Job als Reinigungskraft oder Babysitterin finden habe können, habe "XXXX" sie aufgefordert, als Prostituierte zu arbeiten. "XXXX" habe die Beschwerdeführerin in weiterer Folge fast täglich angerufen und gesagt, wenn sie ihm das Geld nicht gebe, werde dies ihr Sohn in Nigeria mit dem Leben bezahlen. Die Beschwerdeführerin sei dann selbstständig nach XXXX gefahren und habe von August 2014 bis Anfang 2017, als sie ihren nunmehrigen Ehemann kennengelernt habe, in diversen Etablissements als Prostituierte gearbeitet und "XXXX" Geld überwiesen. Die letzte Zahlung an "XXXX" habe sie im März 2017 geleistet, den letzten Anruf von "XXXX" habe sie im Dezember 2017 erhalten, danach habe die Beschwerdeführerin ihre Telefonnummer geändert. Nunmehr würde "XXXX" immer wieder die Schwester der Beschwerdeführerin anrufen und diese fragen, wann er sein Geld endlich bekomme. Gegenüber der Beschwerdeführerin habe "XXXX" noch geäußert, dass er ihr Schaden zufügen könne, da er ihr Haare, Blut und Fingernägel habe. Im Vorverfahren habe die Beschwerdeführerin all dies nicht erzählt, da sie Angst aufgrund ihres abgelegten Schwures gehabt hätte oder dass "XXXX" ihrem Sohn in Benin City etwas antun könne. Deshalb habe sie auch von einer polizeilichen Anzeige abgesehen. Auch habe "XXXX" die Behörden Nigerias auf seiner Seite, da er nach wie vor im Besitz des von der Beschwerdeführerin ausgestellten Schuldscheines sei.
Das BFA befand diese Angaben der Beschwerdeführerin als nicht glaubhaft, da keine Gründe ersichtlich seien, warum es ihr nicht bereits möglich gewesen wäre, im Rahmen der am 20.11.2017 abgehaltenen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu ihrem ersten Asylverfahren ihr nachträglich abgeändertes Fluchtvorbringen darzulegen, da sie zu diesem Zeitpunkt ihre Tätigkeit als Prostituierte bereits beendet und ihre Zahlungen an "XXXX" eingestellt habe. Diesbezüglich wird allerdings vom BFA verkannt, dass die Beschwerdeführerin zu dieser Verhandlung gar nicht erschien; laut ihrer Angabe in der mündlichen Verhandlung am 01.07.2019 sei sie von ihrem damaligen Rechtsvertreter gar nicht über die Anberaumung der Verhandlung informiert worden. Zudem ist es entgegen der Ansicht des BFA sehr wohl schlüssig und nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin, wie soviele Opfer von Menschenhandel, sich erst zu einem späten Zeitpunkt dazu überwinden konnte, die Umstände ihrer Ausreise offenzulegen.
In vielen Punkten entspricht die Schilderung der Beschwerdeführerin dem typischen Leidensweg eines Opfers von Frauenhandel, wie er in unterschiedlichen Quellen beschrieben wird: Im EASO-Bericht zu "Nigeria: Sexhandel mit Frauen" (Oktober 2015) wurde versucht, ein Profil von Frauen, die Opfer von Menschenhandel zu sexuellen Zwecken werden, zu entwickeln. Danach stammt die überwiegende Mehrheit der Opfer von Menschenhandel aus Benin City; in der Regel stammen die Frauen aus wirtschaftlich schwachen Familien. Dies trifft auch auf die Beschwerdeführerin zu, die als alleinerziehende Mutter eines Sohnes unter Geldproblemen litt. Auch wenn viele Opfer durch Frauen (sogenannte "Madams") angeworben werden, ist es doch jedenfalls typisch, dass die Beschwerdeführerin über den realen Wert der Geldsumme, welche sie nach ihrer Ankunft in Europa zurückzahlen sollte (im Falle der Beschwerdeführerin 45.000 Euro), im Unklaren gelassen wurde und dass sie sich einem sogenannten "Juju"-Ritual unterziehen musste, bei dem sie schwören musste, das Geld zurückzuzahlen.
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes wurde - im Laufe des gegenständlichen Verfahrens - das Vorbringen kongruent, plausibel und nachvollziehbar geschildert und hat sich dies auch im Laufe der mündlichen Verhandlung am 01.07.2019 bestätigt. Es ist daher durchaus glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (nämlich dass es einfach und erlaubt sei, sich als Asylwerberin eine Tätigkeit außerhalb der Prostitution zu verschaffen) von Nigeria nach Österreich verbracht und unter Ausübung von Druck (dass ihr oder ihrem Sohn etwas geschehen würde, wenn sie nicht 45.000 Euro bezahlen würde), bekräftigt durch Voodoo-Rituale, dazu genötigt wurde, der Prostitution nachzugehen.
Ob sich die Beschwerdeführerin bei ihrer Ausreise bewusst war, dass sie zum Zwecke der Prostitution nach Europa verbracht wurde, kann nicht abschließend festgestellt werden; laut EASO-Bericht ist vielen Frauen durchaus klar, dass geplant ist, sie als Prostituierte arbeiten zu lassen, allerdings werden ihnen zumeist die Arbeitsbedingungen und die tatsächliche Höhe der Schulden und die damit verbundene Unfreiheit nicht bewusst sein bzw. gab die Beschwerdeführerin ja in der Verhandlung an, diesbezüglich Befürchtungen gehegt zu haben, die aber von "XXXX" zerstreut worden seien.
Das Vorbringen als solches erscheint dem Bundesverwaltungsgericht daher durchaus glaubhaft, doch ist unabhängig davon festzustellen, dass dieser Sachverhalt während des ersten Asylverfahrens bereits bekannt war.
Dennoch ist zu prüfen, ob eine Gefährdung der Beschwerdeführerin vorliegen würde, wenn sie nach Nigeria zurückkehren würde. Sie berichtete durchaus nachvollziehbar, dass sie "XXXX" vor ihrer Ausreise ihre Adresse und die Telefonnummer ihrer Schwester geben musste. Dass dieser daher ihre Schwester kontaktierte, nachdem die Beschwerdeführerin selbst aufgrund eines Wechsels des Telefons für ihn nicht mehr erreichbar war, erscheint durchaus nachvollziehbar. Dass die Beschwerdeführerin bedroht werden könnte, wenn sie an ihrer alten Adresse oder bei ihrer Schwester Unterkunft nimmt, erscheint ebenso plausibel. Allerdings könnte sich die Beschwerdeführerin eine andere Unterkunft in Benin City suchen und wäre dann nicht davon auszugehen, dass "XXXX" sie finden würde. Benin City ist eine Millionenstadt und "XXXX" lebt in Lagos und besucht die Stadt nur gelegentlich. Allerdings wäre der Aufbau einer neuen Existenz für die Beschwerdeführerin dadurch erschwert, dass ihr das Stigma anhaften würde, welches allen Frauen, die allein und ohne entsprechendes Vermögen nach Nigeria zurückkehren, anhaftet. Die Beschwerdeführerin sprach im Rahmen der Verhandlung auch davon, dass man bei der Volksgruppe der Benin davon ausgehe, dass jede Frau, die ohne familiäre Anbindung nach Europa kommt, dort der Prostitution nachgeht, und dass diese dann bei ihrer Rückkehr von der Gesellschaft ausgegrenzt werden.
Bei der erwachsenen und gesunden Beschwerdeführerin besteht daher kein unmittelbares Risiko einer erneuten Rekrutierung oder von Vergeltungsmaßnahmen, doch besteht die Gefahr einer Stigmatisierung und damit einer erschwerten Reintegration und einem erschwerten Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt.
Im gegenständlichen Fall ist kein Strafverfahren anhängig, da die Beschwerdeführerin bislang keine Anzeige bei der Polizei erstattete. Es ist aufgrund der von der Beschwerdeführerin getätigten Aussagen auch nicht davon auszugehen, dass bezüglich "XXXX" eine inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist.
2.4. Zu den Länderfeststellungen
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).
Die Beschwerdeführerin trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz (Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides):
"Das Verwaltungsgericht hat in jenem Falle dass der Sachentscheidung der Verwaltungsbehörde res iudicata entgegenstand, keine prozessuale, sondern eine meritorische und (grundsätzlich auch) reformatorische Entscheidung in Form eines Erkenntnisses zu treffen. Der § 28 VwGVG gebietet dem Verwaltungsgericht die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages zum Inhalt seiner Sachentscheidung zu machen, wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hervorkommt, dass es schon bei Bescheiderlassung durch die belangte Behörde an einer Prozessvoraussetzung mangelte" (VfGH 18.06.2014; Zl. G5/2014).
Eben dies, nämlich das Fehlen einer Prozessvoraussetzung im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die belangte Behörde, ist im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die Behörde wäre gehalten gewesen, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz betreffend die Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw. des Status des subsidiär Schutzberechtigten als Vergleichsentscheidung das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.01.2018 heranzuziehen.
Wie bereits dargelegt wurde, bezog sich die Beschwerdeführerin zur individuellen Begründung ihres gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz ausschließlich auf Umstände, die bereits zum Zeitpunkt vorhergehender Asylverfahren bestanden haben. Sie erklärte Opfer von Menschenhandel zu sein und in Nigeria eine Verfolgung durch "XXXX", der 2014 ihre Ausreise organisierte, zu befürchten. Damit wurde kein neu entstandener Fluchtgrund vorgebracht. Ebenso wenig wurde eine Änderung in der Person der Beschwerdeführerin (hinsichtlich von Aspekten des Art. 2 oder 3 EMRK, etwa in Bezug auf den Gesundheitszustand) oder in Bezug auf die Lage in Nigeria vorgebracht.
Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben. Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden.
Das BFA hatte den Folgeantrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 11.04.2018 mit Bescheid vom 06.02.2019 einer inhaltlichen Prüfung zugeführt und abgewiesen. Einer neuerlichen Sachentscheidung stand aber die Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.01.2018 entgegen.
Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).
Es ist aus der Aktenlage klar ersichtlich, dass eine mögliche Verfolgung der Beschwerdeführerin als Opfer von Menschenhandel - sofern eine solche bestehen sollte - jedenfalls schon vor Beendigung des vorangegangenen Verfahrens existent gewesen und seither diesbezüglich keine Veränderung des Sachverhalts eingetreten ist.
Die belangte Behörde hätte daher keine inhaltliche Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz treffen dürfen, sondern den Antrag hinsichtlich der Frage der Gewährung des Status des Asylberechtigten zurückweisen müssen.
Entsprechend hatte auch der Verfassungsgerichtshof in einem Fall, in welchem ein Antragsteller erst im Folgeverfahren seine Homosexualität vorgebracht hatte, erklärt, dass der Asylgerichtshof denkmöglich davon ausgegangen war, dass es sich beim Fluchtvorbringen zur Homosexualität um kein neues, nach Abschluss des ersten Asylverfahrens entstandenes Vorbringen handle (VfGH, 16.09.2013, U1268/2013).
Auch in Bezug auf die Frage des subsidiären Schutzes ist keine entscheidungswesentliche Änderung eingetreten, weder in der Person der Beschwerdeführerin noch in der Lage in NIgeria. Auch eine relevante Änderung der rechtlichen Lage ist nicht eingetreten.
Da somit weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der Beschwerdeführerin gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens möglich erscheinen lassen würde, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann. Die Beschwerde gegen die angefochtenen Spruchpunkte I. und II. war sohin mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, dass der Antrag zurückzuweisen gewesen wäre.
3.2. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Unter Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel erforderlich ist. Nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 57 AsylG 2005 ist Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ein bereits begonnenes Strafverfahren. Die Beschwerdeführerin hat keine Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind daher zum aktuellen Zeitpunkt jedenfalls nicht gegeben. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war der Beschwerdeführerin daher nicht zuzuerkennen.
Die Beschwerde war daher hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
3.3. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids):
Mangels anderer gesetzlicher Anordnung ist die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Erforderlichkeit der Verbindung einer ab- oder zurückweisenden Entscheidung der Asylbehörden mit einer Ausweisung (bzw. Rückkehrentscheidung), unabhängig davon, ob zum Entscheidungszeitpunkt bereits eine rechtskräftige Ausweisung (bzw. Rückkehrentscheidung) vorliegt, auf die ab 1. Jänner 2014 geltende Rechtslage übertragbar (VwGH, 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Im gegenständlichen Fall verfügt die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Ehe über ein Familienleben in Österreich. Seit XXXX2018 ist sie mit dem österreichischen Staatsbürger XXXX, wohnhaft im Bezirk XXXX in XXXX, verheiratet. Die Beziehung begann Anfang 2017. Aufgrund der Wohnsitzauflage und Meldeverpflichtung der Beschwerdeführerin besteht kein gemeinsamer Haushalt, ein solcher ist aber geplant, sobald es rechtlich möglich ist. Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist als österreichischer Staatsbürger naturgemäß im Bundesgebiet dauerhaft aufenthaltsberechtigt. Eine Weiterführung des Familienlebens mit dem Genannten in Nigeria wäre nur erschwert möglich und im gegenständlichen Fall auch unverhältnismäßig bzw. unzumutbar, da der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin als österreichischer Staatsbürger in Österreich seit seiner Geburt verwurzelt ist und sich hier auch eine erfolgreiche selbständige Tätigkeit als XXXX aufgebaut hat. Eine Trennung von einem österreichischen Ehepartner alleine wegen eines unrechtmäßigen Aufenthaltes ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht verhältnismäßig; eine solche Trennung hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner rezenten Judikatur im Ergebnis nur dann für gerechtfertigt erachtet, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" (vgl. etwa VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0199, Rn. 12, mwN).
Allerdings war nach dem Verwaltungsgerichtshof bei einer kurzen Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet (so etwa bei einem Aufenthalt von zwei Jahren) dem Umstand, dass die Ehe zu einer Zeit geschlossen wurde, während der der Aufenthaltsstatus als unsicher anzusehen war und somit für die Ehepartner kein ausreichender Grund zur Annahme bestand, der/die Fremde werde dauerhaft in Österreich bleiben dürfen, eine höhere Bedeutung beizumessen (VwGH, 10.11.2010, 2008/22/0177 oder VwGH, 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).
Aus der Eheschließung alleine ergibt sich daher noch nicht automatisch eine Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung, sondern ist das in Österreich geführte Privatleben und die Aufenthaltsdauer dazu in Bezug zu setzen. Die Beschwerdeführerin hält sich seit fünf Jahren in Österreich auf; allerdings hat sie in diesem Zeitraum zwei Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Im Vergleich zu Sachverhalten, in denen durch das Stellen unberechtigter Folgeanträge nur der Aufenthalt in Österreich verlängert werden soll und das Asylsystem zu wesensfremden Zwecken missbraucht wird, muss im Fall der Beschwerdeführerin allerdings berücksichtigt werden, dass die im ersten Verfahren getätigten Falschangaben auf den Druck des Menschenhändlers zurückzuführen sind und die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren glaubhafte Angaben machte.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187; 06.09.2017, Ra 2017/20/0209; 30.08.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072; 20.06.2017, Ra 2017/22/0037, jeweils mwN). Die Beschwerdeführerin hat genau einen fünfjährigen Aufenthalt aufzuweisen, so dass sich daraus für sich genommen noch keine maßgeb