TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/23 I405 2163495-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2019
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Entscheidungsdatum

23.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs1 Z5
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §52
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 2163495-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria (alias Sierra Leone) vertreten durch EMBACHER, NEUGESCHWENDTNER, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 und 2, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 21.07.2013 unter dem Nationale Jidda MOHAMED, StA. Sierra Leone, einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Der BF begründete seine Flucht in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.07.2013 mit religiösen Motiven, nämlich damit, dass sein Vater Sektenführer einer Glaubensgemeinschaft gewesen sei; nachdem sein Vater gestorben sei, habe diese Gruppe den BF umbringen wollen.

3. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX, gem. § 27 Abs 1 Z 1 8. Fall und Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt. Zuletzt wurde der BF mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX, gem. § 27 Abs 1 Z 1 8. Fall und Abs 3 SMG, §§ 15, 269 Abs 1 1. Fall StGB sowie gem. §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB erneut zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, davon sechs Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Monaten, rechtskräftig verurteilt.

5. Am 26.08.2015 wurde der BF von der belangten Behörde einvernommen und gab er befragt zu seinen Fluchtgründen an, dass seine Mutter Christin und sein Vater Moslem gewesen seien und dass er und sein Bruder mit ihrer Mutter immer zur Kirche gegangen seien. Nach dem Tod seiner Mutter habe der Vater des BF diesem verboten in die Kirche zu gehen und habe er auch sein Schulgeld nicht mehr bezahlt, weshalb der BF nur bis zur fünften Klasse in die Schule gegangen sei. Der Vater des BF sei Mitglied in einer Sekte gewesen; als der Vater 2012 verstorben sei, sei dem BF und seinem Bruder gedroht worden, umgebracht zu werden, wenn sie dieser Sektengruppe nicht ebenfalls beitreten. Der Bruder des BF habe gesagt, dass sie der Sektengruppe nicht beitreten werden, weil dies gegen ihre Religion sei. Die Drohung sei wahrgemacht worden: Drei Männer mit Macheten seien zum BF nach Hause gekommen; einer davon habe auf den BF einstechen wollen, doch habe der BF dies abgewehrt, wobei seine Sehnen durchtrennt worden seien. Der BF und sein Bruder seien davongelaufen, jeder in eine andere Richtung. Der BF habe dann einen Mann getroffen, der ihm zur Flucht verholfen habe.

6. Mit Bescheidausfertigung des Arbeitsmarktservices XXXX vom 07.12.2015 wurde dem BF eine Beschäftigungsbewilligung für die Zeit vom 07.12.2015 bis 07.07.2019 für die berufliche Tätigkeit als Einzelhandelskaufmann - Lebensmittelhandel (Lehrling/Auszubildender) erteilt.

7. Bei seiner erneuten niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 09.05.2016 gab der BF im Wesentlichen übereinstimmend mit seinen Angaben am 26.08.2015 als Motiv für seine Flucht religiöse Gründe, nämlich die Mitgliedschaft seines Vaters in einer Sekte, an. So seien er und sein Bruder von der Sektengruppe zum Beitritt in die Sekte aufgefordert worden, was der BF und sein Bruder jedoch abgelehnt haben, woraufhin er und sein Bruder von drei Männern zuhause aufgesucht worden seien. Die Männer haben Waffen gehabt, unter anderem eine Machete, mit welcher auf den BF eingeschlagen worden sei, doch habe er den Schlag abwehren können und sei er hierbei am Handgelenkt verletzt worden.

8. Ein von Dr. Peter GOTTSCHLIGG durchgeführtes Gutachten zu den Sprachkompetenzen und den Landeskenntnissen des BF vom 09.05.2016 ergab zusammenfassend, dass eine Hauptsozialisierung des BF in Sierra Leone mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer Hauptsozialisierung des BF in Nigeria auszugehen sei. Positive Hinweise auf eine Haupt- oder Teilsozialisierung des BF außerhalb Nigerias gebe es keine.

9. Auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.04.2017 hielt er seine religiös begründeten Fluchtmotive aufrecht. Dem BF wurde das Ergebnis des eingeholten linguistischen Gutachtens vorgehalten. Der BF blieb jedoch bei seinen Angaben aus Sierra Leone zu stammen.

10. Erst im Zuge der schriftlichen Stellungnahme seines rechtsfreundlichen Vertreters vom 29.05.2017 revidierte der BF seine Angaben und erklärte, dass seine Mutter nigerianische Staatsangehörige und er in Nigeria geboren worden sei, wo er auch bis 2007 aufhältig gewesen sei. Danach sei er mit seinem Vater, der Staatsangehöriger von Sierra Leone sei, in dessen Heimatstaat gereist, von wo aus er schließlich geflohen sei.

11. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt V.).

12. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 22.06.2017 (bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag), mit welcher Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides moniert wurden. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, der BF wäre in Nigeria auf sich alleine gestellt und hätte weder eine Wohnmöglichkeit noch eine Existenzgrundlage bzw. jemanden, der ihm beim Aufbau einer neuen Existenzgrundlage behilflich wäre. Er käme in eine für ihn hoffnungslose Situation. Zudem verfüge er über äußerst intensive familiäre und private Bindungen zum Bundesgebiet. Insbesondere sei er seit eineinhalb Jahren rechtmäßig erwerbstätig und habe Anschluss zu österreichischen Familien gefunden. Sein Lebensunterhalt sei im Bundesgebiet gesichert. Eine Abschiebung nach Nigeria hätte für das weitere berufliche Fortkommen des BF katastrophale Auswirkungen. Aufgrund der umfassenden Integration des BF im Bundesgebiet sei auch nicht davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme fremdenrechtlich geboten sei. Des Weiteren wurde ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt mit der Begründung, dass die Abschiebung des BF nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK, insbesondere Art. 2, 3 und 8 der EMRK bedeuten würde.

13. Mit Schriftsatz vom 05.07.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 10.07.2017, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

14. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes (in Folge BVwG) vom XXXX, wurde dem Antrag vom 22.06.2017 entsprochen und der Beschwerde gem. § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

15. Das BVwG führte am 16.08.2017 im Beisein zweier Vertrauenspersonen des BF eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF als Partei einvernommen wurde.

16. Im Rahmen des Parteiengehörs und dem Auftrag des BVwG vom 04.06.2019 fristgerecht entsprechend, erstattete der BF mit Schreiben vom 17.06.2019, beim BVwG eingelangt am 19.06.2019, eine Stellungnahme zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (LIB) vom 12.04.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Er bekennt sich zum christlichen Glauben und gehört der Volksgruppe der Ika an. Seine Identität steht nicht fest.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Er stellte nach seiner unrechtmäßigen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 21.07.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich spätestens seit diesem Zeitpunkt in Österreich auf.

Der BF hat keinen Kontakt zu Familienangehörigen in Nigeria. In Österreich verfügt der BF über keine Verwandten, jedoch hat er eine Freundin - mit der er allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt lebt - und darüber hinaus auch freundschaftliche Beziehungen.

Der BF weist in Österreich zwei strafrechtliche Verurteilungen auf. Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX, XXXX, rechtskräftig mit XXXX, wegen §§ 27 Abs 1 Z 1 8. Fall und § 27 Abs 3 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit, verurteilt. Weiters wurde er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX, XXXX wegen §§ 27 Abs 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs 3 SMG, §§15, 269 Abs 1 1. Fall StGB und §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, hiervon sechs Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt. Aufgrund des Wohlverhaltens des BF in den letzten fünf Jahren sowie seiner beachtlichen Integration ist jedoch nicht mehr davon auszugehen, dass von ihm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht.

Der BF hat sich in all den Jahren seines Aufenthaltes sowohl in wirtschaftlicher, sprachlicher und sozialer Hinsicht in Österreich integriert. Der BF hat mehrere Deutschkurse besucht und verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2. Er hat den Pflichtschulabschluss absolviert.

Der BF hat am 09.12.2015 eine Lehre als Einzelhandelskaufmann mit dem Schwerpunkt Lebensmittelhandel in Österreich begonnen. Er bezieht keine Leistungen von der staatlichen Grundversorgung und ist selbsterhaltungsfähig.

Er war am Wiener Hilfswerk tätig. Er ist Mitglied der "XXXX" Kirche. Aufgrund seines dargestellten jahrelangen Aufenthaltes im Bundesgebiet verfügt der BF über einen dementsprechenden Freundes- und Bekanntenkreis.

1.2. Zum behaupteten Ausreisegrund aus dem Herkunftsstaat:

Glaubhafte Fluchtgründe konnte der BF nicht vorbringen. Auch vermochte er keine Gründe glaubhaft zu machen, die gegen eine Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat sprechen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF in seinem Herkunftsstaat Nigeria eine begründete Furch vor einer asylrelevanten Verfolgung drohte bzw. droht.

Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Nigeria der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr ausgesetzt wäre.

1.3. Zur Lage in Nigeria wird festgestellt:

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10 % der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 16.08.2017.

2.2. Zur Person des BF:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staatsangehörigkeit, zur Religionszugehörigkeit sowie zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden und im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellungen zu den persönlichen und familiären Verhältnissen, zu den Lebensumständen in Österreich und in Nigeria sowie zur Integration des BF in Österreich beruhen auf den Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 16.08.2017 und den vorgelegten Unterlagen. Die Absolvierung seines Pflichtschulabschlusses, geht aus dem Zeugnis des BF über die Pflichtschulabschluss-Prüfung der Neuen Mittelschule mit naturkundlich-technischem Schwerpunkt, Wien, vom 10.02.2016, hervor. Die Feststellung zu seiner Lehre als Einzelhandelskaufmann beruht auf dem Lehrvertrag vom 01.03.2016. Aus dem vorgelegten ÖSD Zertifikat vom 15.02.2016 geht hervor, dass der BF die Sprachprüfung auf Niveau B2 bestanden hat; außerdem konnte sich die erkennende Richterin in der Verhandlung vom 16.08.2017 einen persönlichen Eindruck von den guten Deutschkenntnissen des BF machen. Die Feststellung, wonach er am Wiener Hilfswerk tätig war, beruht auf dem vorgelegten Freiwilligen-Ausweis vom 19.03.2015 und aus der Bestätigung vom 19.08.2015 geht hervor, dass der BF Mitglied der "XXXX" Kirche ist.

Da der BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellung über die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 28.06.2019.

Dass der BF keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, sondern seinen Lebensunterhalt mit seinem Lehrlingsgehalt und der Unterstützung seiner Pflegemutter bestreitet, ergibt sich einerseits aus einem aktuellen GVS-Auszug und andererseits aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF vor dem erkennenden Gericht am 16.08.2017.

2.3. Zu den Fluchtgründen des BF:

Vorab ist zunächst anzumerken, dass aufgrund der Unglaubwürdigkeit der behaupteten Herkunft aus Sierra Leone auch den auf Sierra Leone bezogenen Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zugesprochen werden kann. Unbeschadet dessen machte der BF im Zuge seiner Befragung vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht unplausible und widersprüchliche Angaben, sodass - wie darzulegen sein wird - von der Konstruiertheit seines gesamten Fluchtvorbringens auszugehen war. Im Einzelnen ist jedoch noch wie folgt auszuführen:

Der BF begründet seine Flucht mit religiösen Motiven. So gab er sowohl im Rahmen seiner Ersteinvernahme vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.07.2013 als auch in den weiteren niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde (Protokolle vom 26.08.2015 und 09.05.2016) folgendes an:

Sein Vater sei Sektenführer einer Glaubensgemeinschaft gewesen. Nach dem Tod seines Vaters habe diese Gruppe versucht, den BF umzubringen. Grund hierfür sei gewesen, dass der BF und sein Bruder dieser Sekte hätten beitreten sollen, was diese allerdings abgelehnt haben. So seien drei Männer mit Macheten zum BF nach Hause gekommen; einer davon habe auf den BF einstechen wollen, doch habe der BF dies abgewehrt, wobei seine Sehnen durchtrennt worden seien. Der BF und sein Bruder seien davongelaufen, jeder in eine andere Richtung. Der BF habe dann einen Mann getroffen, der ihm zur Flucht verholfen habe.

In seiner Einvernahme vor dem erkennenden Gericht am 16.08.2017 gab er wiederholt seinen religiösen Fluchtgrund an. Er hielt sich jedoch vage und war auch nicht in der Lage, die konkrete Bedrohungssituation durch die Männer, die zu ihm nach Hause gekommen seien, detailreich zu schildern. So musst die erkennende Richterin den BF mehrmals nach Details befragen, bekam jedoch stets knappe Antworten (Protokoll vom 16.08.2017, S. 8 f.). Hinzu kommt eine Widersprüchlichkeit, nämlich, wenn der BF zuerst angibt, dass er sich zum Zeitpunkt, als besagte Männer zu ihm nach Hause gekommen seien, im Haus, jedoch "nicht direkt in einem Raum, sondern in einem Durchgang" befand und gleich darauf angibt: "Sie sind gekommen, es gibt keinen Zaun, sie waren vor dem Haus, ich war auch vor dem Haus, so habe ich meinen Bruder gerufen." (Protokoll vom 16.08.2017, S. 9).

Der BF konnte auch nicht plausibel darlegen, wieso er und sein Bruder der religiösen Gruppe hätten beitreten müssen oder wie er sich vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2012 dem Beitritt dieser Gruppe widersetzen konnte; er begründete dies lediglich damit, damals noch sehr klein gewesen zu sein und dass sein älterer Bruder immer für ihn sprach (Protokoll vom 16.08.2017, S. 9). Für die erkennende Richterin ist nicht nachvollziehbar, wie der ältere Bruder es geschafft haben soll, den Beitritt zur Gruppe fünf Jahre lang hinauszuzögern, wenn dann plötzlich lebensbedrohliche Mittel eingesetzt werden, um den BF und seinen Bruder zum Beitritt zu bewegen.

In der Zusammenschau kommt das erkennende Gericht zum Schluss, dass es dem Fluchtvorbringen des BF an Glaubwürdigkeit mangelt und ist ihm daher insgesamt die persönliche Glaubwürdigkeit zu versagen.

Mangels jeglichen Anhaltspunktes im Vorbringen des BF und aufgrund der Ergebnisse des Verfahrens einschließlich des Länderinformationsblattes für Nigeria besteht kein Zweifel, dass der BF in Nigeria keiner realen Gefahr der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung oder Behandlung, der Todesstrafe ausgesetzt sein wird. Es wird ihm auch weder durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt eine Gefahr bestehen, in seinem Herkunftsstaat Nigeria in seiner körperlichen Integrität verletzt zu werden. Da der BF - wie sich das Bundesverwaltungsgericht persönlich vom BF überzeugen konnte - jung, gesund, kräftig und arbeitsfähig ist und Nigeria kein Land ist, in dem gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, dem Untergang geweiht ist, kann auch nicht festgestellt werden, dass ihm im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch eine reale Gefahr drohen würde, in seiner Existenz bedroht zu werden.

In Zusammenschau des soeben dargelegten war dem BF sohin insgesamt die Glaubwürdigkeit zu versagen.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Feststellungen zu Sierra Leone waren der vorliegenden Entscheidung formell nicht zugrundezulegen, da die Staatsangehörigkeit des BF nicht festgestellt werden konnte

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Nigeria beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

-

AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

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FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

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Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der BF trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

Trotz der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2. Zur Abweisung hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 Nr. L 304/12 [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99/20/0128; VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.06.1995, Zl. 94/19/0183, stellt klar, dass eine allgemein schlechte wirtschaftliche Lage keinen Verfolgungsgrund im Sinne der GFK darstellt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 274 ZPO zu verstehen (VwGH 15.03.2001, 2001/16/0136; 25.06.2003, 2000/04/0092). Ausgehend von § 274 Absatz 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (siehe dazu VwGH 25.06.2003, 2000/04/0092 unter Hinweis auf OGH 23.03.1999, 4 Ob 26/99y, in ÖBl 1999, 240; sowie OGH 23.09.1997, 4 Ob 251/97h, in ÖBl 1998, 225), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung offenkundig abweicht. Mit der Glaubhaftmachung ist aber auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl dazu VwGH 24.02.1993, 92/03/0011; 01.10.1997, 96/09/0007; 25.06.2003, 2000/04/0092; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG 2. Teilband [2005], § 45 Rz 3 mit Hinweisen auf die Judikatur).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Nach der Judikatur ist die Wahrscheinlichkeit dann gegeben, wenn die für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Erscheinungen, wenn auch noch so geringfügig, gegenüber den im entgegen gesetzten Sinn verwertbaren Erscheinungen überwiegen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 355 mit Hinweisen auf die Judikatur). Hat die Partei ein Ereignis glaubhaft zu machen, trifft die Partei die "Beweislast", dh. kann das Ereignis durch die - von der Partei anzubietenden - Beweise (im Sinne von Bescheinigungsmitteln) nicht glaubhaft gemacht werden, so ist ihr Antrag abzuweisen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 623 mit Hinweisen auf die Judikatur und das Schrifttum; vgl. AsylGH 15.12.2008, E2 244.479-0/2008).

3.2.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass der BF die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte. Eine sonstige aktuell zu berücksichtigende Verfolgungsgefahr wird vom BF nicht dargelegt und ergibt sich auch nicht aus Umständen, die von Amts wegen zu berücksichtigen wären.

Insgesamt sind somit die eingangs beschriebenen Voraussetzungen für eine Asylgewährung im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht erfüllt und war die Beschwerde sohin gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2055 als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zur Abweisung hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 leg. cit. offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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