Entscheidungsdatum
30.08.2019Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W196 2107623-1/9E
W196 2107626-1/10E
W196 2166773-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, 2.) XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, und 3.) XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2015, Zl. 1048867205-140315147 (ad 1.) und Zl. 1048867608-140315155 (ad 2.), sowie vom 19.07.2017, Zl. 1147116908-170380684 (ad 3.), nach mündlicher Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:
A)
1. Die Beschwerden werden hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 57 AsylG als unbegründet abgewiesen.
2. Den Beschwerden wird im Übrigen stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.
2.) XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 1 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" jeweils für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
1.) XXXX und 3.) XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 2 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" jeweils für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
3. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides betreffend den Drittbeschwerdeführer wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gelangten gemeinsam nach Österreich und stellten am 24.12.2014 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass er mit der Zweitbeschwerdeführerin standesamtlich verheiratet sei und in der Ukraine gelebt zu haben. Seine Eltern seien noch in Georgien und sein Bruder lebe ebenfalls in der Ukraine. Er sei legal mit seinem georgischen Reisepass, welcher im LKW geblieben sei, ausgereist. Zu seinen Fluchtgründen führte er an, dass das Haus der Schwiegermutter, bei welcher er mit seiner Ehefrau gelebt habe, durch die Kriegshandlungen von einer Rakete völlig zerstört worden sei. Im Fall der Rückkehr fürchte er um sein Leben und das seiner Frau. Er legte eine Kopie der am 25.04.2014 in XXXX ausgestellten Heiratsurkunde vor.
Die Zweitbeschwerdeführerin brachte anlässlich ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.12.2014 vor, aus XXXX zu stammen und dort die Schule besucht zu haben. Von Beruf sei sie Kellnerin. Sie sei mit einem in XXXX ausgestellten ukrainischen Reisepass ausgereist, welcher sich beim Schlepper befinde; der Inlandsreisepass sei zu Hause verblieben. Als Fluchtgrund brachte sie vor, dass ihr Haus im Dorf XXXX im Zuge von Kriegshandlungen zwischen ukrainischen Militärs und Separatisten von einer Granate getroffen und völlig zerstört worden sei. Sie hätten kein Dach mehr über dem Kopf gehabt und beschlossen, die Ukraine, wo sie seit März 2014 gelebt hätten, zu verlassen. Davor hätten sie 1 1/2 Jahre in XXXX in Georgien gelebt. Sie könnten nicht nach Hause, in der Ukraine herrsche Krieg, sie habe Angst um ihr Leben.
Am 07.04.2015 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass seine Muttersprache Georgisch sei, er aber auch Russisch spreche. Er sei gesund und habe keine Verwandten in Österreich. Er besuche keinen Deutschkurs, sie würden zu Hause lernen. Er besitze keinen Führerschein. Er habe seit 2012 in der Ukraine gelebt, mit einer Aufenthaltsbewilligung. Zu seinem in der Ukraine aufhältigen Bruder habe er momentan keinen Kontakt. Er sei in die Ukraine gefahren, um dort zu arbeiten und hätte bald die ukrainische Staatsbürgerschaft erhalten. Zu seinen in Georgien in XXXX aufhältigen Eltern habe er ebenfalls keinen Kontakt. Er habe in XXXX die Mittelschule absolviert und während seiner Lehre schon als Koch gearbeitet und seinen Lebensunterhalt damit bestritten. In Georgien habe er nichts, wo er wohnen könne. In der Ukraine habe er zunächst eine Aufenthaltsbewilligung zu Erwerbszwecken und später eine unbefristete gehabt. Er habe am 25.04.2014 standesamtlich geheiratet. In Georgien würden auch noch entfernte Verwandte leben, zu denen er ebenfalls keinen Kontakt habe. Er habe sich dort nie politisch betätigt. Er sei Georgier und orthodoxen Glaubens. Er sei nicht zum Militärdienst einberufen worden. Vor der Ausreise aus der Ukraine habe er diverse Bauarbeiten auf Baustellen verrichtet. Die Ukraine habe er wegen des Krieges verlassen müssen. Auf den Vorhalt der innerstaatlichen Fluchtalternative in einem anderen Teil der Ukraine gab er an, dass fast in der ganzen Ukraine Krieg herrsche. Er könne nicht nach Georgien zurückkehren, weil er dort nichts gehabt habe. Er sei lieber zu seinem Bruder in die Ukraine gefahren. Sie hätten die Ukraine verlassen, weil seine Frau dort ein Problem gehabt habe. Zu den ihm zur Kenntnis gebrachten Länderinformationen gab er keine Stellungnahme ab.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab anlässlich ihrer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, dass ihre Muttersprache Russisch sei, Ukrainisch verstehe sie nur. Sie sei gesund. In Österreich habe sie keine Verwandten und sie würden im Internet Deutsch lernen. Als Dokument legte sie die Kopie einer Heiratsurkunde vor. Sie habe in der Ukraine bis zur Ausreise mit ihrer Mutter in einem Ort XXXX bei der Stadt XXXX in einem Haus gewohnt. Das Haus sei um den 17.12.2014 zerstört worden. Von ihrem Vater hätte ihre Mutter getrennt gelebt. Derzeit lebe ihre Mutter bei ihrer Arbeitskollegin. In der Schule seien nur zwei Gegenstände (ukrainische Literatur und Geschichte) auf Ukrainisch unterrichtet worden, alles andere sei auf Russisch unterrichtet worden. Sie hätten sich drei Monate in Georgien bei den Eltern ihres Mannes aufgehalten, um Dokumente zu besorgen. Sie sei Ukrainerin orthodoxen Glaubens und habe sich nie politisch betätigt. Sie habe auch keine Probleme wegen ihrer Religion in der Ukraine gehabt. Sie habe Angst um ihr Leben gehabt, als der Krieg begonnen habe. Ihnen werde in anderen Teilen der Ukraine nicht geholfen, wenn sie Russisch sprächen. Die Leute würden glauben, dass sie Terroristen seien. Dies habe sie gehört und auch in den Zeitungen gelesen, dass man um Hilfe ansuchen solle, aber niemand helfe wirklich. Selbst in der Westukraine könne man jederzeit Opfer von Anschlägen werden. Es könne überall eine Bombe losgehen und viele Leute töten. Es werde dort nach wie vor gekämpft. Sie stehe mit ihrer Mutter in telefonischem Kontakt. Aus den Länderberichten gehe hervor, dass in der Westukraine eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe. Behauptete Probleme wegen ihrer russischen Sprache könnten damit nicht bestätigt werden. Die Zweitbeschwerdeführerin behauptete, dass die in der Ukraine in Aussicht gestellten Gelder trotz entsprechender Fernsehberichte nicht ausbezahlt würden.
Mit den im Spruch angeführten Bescheiden vom 20.04.2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 24.12.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien den Erstbeschwerdeführer betreffend und in Bezug auf die Ukraine hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Unter Spruchpunkt III. wurde ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die jeweiligen Herkunftsstaaten gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen fest, dass die Beschwerdeführer Staatsangehörige Georgiens und der Ukraine seien. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftslandes folgerte die Behörde im Fall des Erstbeschwerdeführers, dass eine Verfolgung im Herkunftsstaat nicht festzustellen gewesen sei. Er sei zur Arbeitsaufnahme in die Ukraine gereist und habe diese wegen des Krieges gemeinsam mit seiner Ehefrau verlassen. In Georgien würden noch seine Eltern und ein Bruder leben und er sei in der Lage, sich auch dort auf Grund seiner Berufsausbildung und Arbeitsfähigkeit seinen Lebensunterhalt zu sichern. Bezüglich der Zweitbeschwerdeführerin wurde festgestellt, dass sie auf Grund der Kriegssituation in der Ostukraine eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Westukraine hätte in Anspruch nehmen können. Ihre Mutter lebe nach wie vor im Heimatland und sei es ihr infolge ihrer Berufsausbildung und Arbeitsfähigkeit möglich, sich ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeitsleistung zu sichern. Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer wurde ausgeführt, dass sie in der Ukraine standesamtlich geheiratet hätten und im gemeinsamen Haushalt leben würden. Ihr Aufenthalt in Österreich sei nur ein vorübergehender. Sie würden Grundversorgung beziehen, keine Deutschkurse besuchen und keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Sie hätten weder soziale noch familiäre Kontakte in Österreich, jedoch im jeweiligen Herkunftsstaat.
In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I., dass die Beschwerdeführer keine Verfolgung aus Gründen der GFK geltend gemacht hätten. Als innerstaatliche Fluchtalternative vor den Kriegshandlungen in der Ostukraine stehe der Zweitbeschwerdeführerin die Westukraine zur Verfügung. Auch im Familienverfahren gemäß § 34 AsylG lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht vor. Demzufolge sei auch nicht von einer Gefährdung der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den jeweiligen Herkunftsstaat auszugehen. Auch nach den Länderberichten sei die Lage in Georgien bzw. in der Westukraine nicht derart, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer realen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Für sonstige Abschiebungshindernisse lägen keine Anhaltspunkte vor. Nach den Länderberichten unternehme die Ukraine Anstrengungen, um den Lebensbedingungen der intern Vertriebenen gerecht zu werden, und sei in Georgien die Grundversorgung für die Bevölkerung gesichert. Es sei den Beschwerdeführern zumutbar, ihren Lebensmittelpunkt auf die Dauer der Gefechte in der Ostukraine in der Westukraine bzw. in Georgien zu begründen (zu Spruchpunkt II.). Zu den Spruchpunkten III. wurde ausgeführt, dass im Fall der Beschwerdeführer keine Ansatzpunkte für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vorliegen würden, und jeweils eine Rückkehrentscheidung gegen sie erlassen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dabei gaben die Beschwerdeführer insbesondere an, dass die Zweitbeschwerdeführerin nach ihren Angaben auf Grund der Tatsache, dass sie Russisch spreche, seit dem Ausbruch des Konflikts in der Ukraine diskriminiert werde, das Bundesamt jedoch nach einem mangelhaften Ermittlungsverfahren nicht von einer Verfolgungsgefahr ausgegangen sei. Sie werde in anderen Landesteilen wie eine Terroristin behandelt und sei daher sehr wohl von Verfolgung nach der GFK bedroht. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe für sie auf Grund der ihr unterstellten prorussischen Haltung nicht offen. Auch habe die Behörde nicht ermittelt, ob sie im Hinblick auf den zu beachtenden Art. 8 EMRK tatsächlich bei ihrem Ehegatten in Georgien leben könne. Außerdem besitze sie kein Reisedokument, weshalb sie dort auch kein Aufenthaltsrecht erlangen könne. Für den Erstbeschwerdeführer wurde vorgebracht, dass eine Rückkehr in die Ukraine zur Fortsetzung seines Familienlebens aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht möglich sei. Durch die Ausweisung der Beschwerdeführer in verschiedene Staaten werde Art. 8 EMRK verletzt. Dem Erstbeschwerdeführer wäre auf Grund der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage im Herkunftsstaat subsidiärer Schutz zuzuerkennen gewesen. Eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers sowie der aktuellen Situation der Ukraine sei unterblieben. Obwohl die Beschwerdeführer erst kurz in Österreich aufhältig seien, seien sie sehr motiviert, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde ua. beantragt.
Am XXXX wurde der Drittbeschwerdeführer im Bundesgebiet geboren und die Zweitbeschwerdeführerin stellte für ihn als gesetzliche Vertreterin am 28.03.2017 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren. Eigene Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen wurden dabei für ihn nicht geltend gemacht.
Mit Bescheid vom 19.07.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Drittbeschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 28.03.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Unter Spruchpunkt III. wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Drittbeschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass seine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).
Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass seine gesetzliche Vertreterin für ihn keine eigenen Verfolgungsgründe geltend gemacht habe. Eine Furcht vor Verfolgung habe seine Mutter selbst nicht glaubhaft machen können. Hinweise auf eine Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe hätten sich nicht ergeben. Auch im Familienverfahren gemäß § 34 AsylG komme die Zuerkennung von Asyl nicht in Betracht. Da ferner eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung im Fall der Rückkehr nicht habe festgestellt werden können, lägen auch die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz nicht vor, auch nicht im Wege des Familienverfahrens.
Mit der dagegen erhobenen vollumfänglichen Beschwerde wurde auf das Vorbringen im Asylverfahren seiner Eltern verwiesen und ua. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Zu der am 04.06.2019 beim Bundesverwaltungsgericht stattgefundenen mündlichen Verhandlung sind die Beschwerdeführer mit ihrem nunmehr bevollmächtigten Vertreter erschienen. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil. Dabei konnte sich die Zweitbeschwerdeführerin sehr gut auf Deutsch verständigen und wurde die Vorlage von Integrationsunterlagen, insbesondere eines Deutschzertifikats für den Erstbeschwerdeführer in Aussicht gestellt.
Mit am 16.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schriftsatz vom "14.08.2018" wurden seitens des bevollmächtigten Vertreters folgende Unterlagen für die Beschwerdeführer in Kopie in Vorlage gebracht:
* Unterstützungsschreiben vom 01.06.2019 von XXXX ;
* Unterstützungsschreiben vom 02.06.2019 von Dr. med.dent. XXXX ;
* Unterstützungsschreiben undatiert von XXXX und XXXX ;
* Freundschaftsbestätigung vom 31.05.2019 der Familie XXXX ;
* Unterstützungsschreiben vom 02.06.2019 von XXXX .
Betreffend den Erstbeschwerdeführer:
* Undatierte Beschäftigungszusage des Vermieters für den Fall der Erteilung einer Arbeitsbewilligung an den Beschwerdeführer;
* Anmeldebestätigung zum Deutschkurs A1/A2 an der Volkshochschule, beginnend am 16.09.2019;
* Schreiben vom 05.08.2019 zum negativen Prüfungsergebnis der Integrationsprüfung A2 am 20.07.2019;
* Schreiben vom 02.07.2019 zum negativen Prüfungsergebnis der Integrationsprüfung A2 am 15.06.2019;
* Bestätigung der Caritas vom 09.08.2019 über die einmal wöchentliche ehrenamtliche Beschäftigung im Bereich der Gartengestaltung im Ausmaß von 6 Stunden seit dem 22.07.2017;
Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin:
* Zeugnis des ÖIF zur bestandenen Integrationsprüfung Niveau A2 vom 15.02.2019;
* Teilnahmebestätigung vom 27.06.2016 an der Deutsch-Kommunikationsgruppe der Caritas von August 2015 bis Juni 2016;
* Beschäftigungsvorvertrag vom 02.06.2019 mit einem Eiscafe -gültig für ein Jahr- im Fall der Erteilung einer Aufenthaltskarte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Erstbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführer sind Staatsangehörige von Georgien, die Zweitbeschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Ukraine und somit alle Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie führen die im Spruch genannten Namen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und die Eltern des minderjährigen Drittbeschwerdeführers. Vor ihrer Ausreise und illegalen Einreise nach Österreich lebten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin in der Ukraine. Sie stellten am 24.12.2014 Anträge auf internationalen Schutz. Der Drittbeschwerdeführer wurde am XXXX im österreichischen Bundesgebiet geboren und stellte seine Mutter am 28.03.2017 den verfahrensgegenständlichen Antrag. Seit ihrer Antragstellung halten sich die Beschwerdeführer in Österreich auf. Für alle drei Beschwerdeführer liegt ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG vor.
Der Erstbeschwerdeführer brachte in Bezug auf Georgien keine Fluchtgründe vor. Er hat sich zu Arbeitszwecken in die Ukraine begeben und war zuletzt als Familienangehöriger dort dauernd aufenthaltsberechtigt.
Die Zweitbeschwerdeführerin machte geltend, dass das Haus ihrer Mutter in der Ostukraine, in welchem sie gemeinsam mit dieser und dem Erstbeschwerdeführer gelebt hatte, im Dezember 2014 im Zuge von Kriegshandlungen zerstört worden sei.
Die Beschwerdeführer haben mit ihren Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht.
Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden die Angaben der Beschwerdeführer insbesondere der Zweitbeschwerdeführerin - zur behaupteten Gefährdungssituation in Bezug auf die Ukraine. Insbesondere wird festgestellt, dass der Zweitbeschwerdeführerin eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Westukraine offen steht.
Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien bzw. in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.
Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Rückkehr in ihren jeweiligen Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Die Beschwerdeführer waren in der Ukraine durchaus in der Lage sich ihren Lebensunterhalt -durch die berufliche Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers als Bauarbeiter und die Tätigkeit der Zweitbeschwerdeführerin als Kellnerin - zu sichern.
Die Beschwerdeführer sind gesund.
Die unbescholtenen Beschwerdeführer halten sich seit annähernd fünf Jahren im Bundesgebiet auf. Die Beschwerdeführer leben in einem gemeinsamen Haushalt. Sie beziehen Leistungen aus der Grundversorgung. Die Beschwerdeführer sind herausragend sozial vernetzt und ehrenamtlich tätig, versuchen aus Eigenem Deutsch zu lernen und sind ständig bemüht, sich zu integrieren, wie durch eine Anzahl von Empfehlungsschreiben bewiesen wird. Der Erstbeschwerdeführer verfügt bereits über eine bedingte Arbeitsplatzzusage seines Vermieters. Er ist darüber hinaus seit dem 22.07.2019 auch einmal wöchentlich ehrenamtlich im Bereich der Gartengestaltung bei der Caritas tätig. Die Integrationsprüfung bestehend aus Deutschkenntnissen sowie Werte- und Orientierungswissen hat er bisher noch nicht bestanden und sich deshalb ab September 2019 zu einem Sprachkurs Niveau A1/A2 angemeldet. Die Zweitbeschwerdeführerin hat die Integrationsprüfung (Werte- und Orientierungswissen und Deutschkenntnisse) am 15.02.2019 bereits bestanden und verfügt schon über eine Sprachkompetenz auf dem Niveau A2, welche sie ua. durch die Teilnahme an der Deutsch -Kommunikationsgruppe der Caritas von August 2015 bis Juni 2016 erwerben konnte. Außerdem verfügt sie bereits über einen bedingten und befristeten Arbeitsvorvertrag als Kellnerin in einem Eiscafe. Die Beschwerdeführer sind oft bei Freunden und Nachbarn bzw. zu gemeinsamen Unternehmungen eingeladen und revanchieren sich dafür durch Hilfestellungen im Haushalt (bei Reparaturen, Übersiedlungen, Beaufsichtigen von Kindern, Hundesitten, kleinen handwerklichen Tätigkeiten) und bereiten auch gerne und oft Spezialitäten für Feste und Einladungen zu. Auch der zweieinhalbjährige Drittbeschwerdeführer hat bereits eine intensive Freundschaft in Österreich geknüpft.
Länderfeststellungen zu den Herkunftsstaaten der Beschwerdeführer:
Betreffend Georgien:
1.2. Zur Lage in Georgien:
KI vom 11.12.2018, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage
Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei "Georgischer Traum", setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor. Gemeinsam mit dem unterlegenen Kandidaten Vashadze und dem im Exil lebenden Ex-Präsidenten Saakashvili forderten sie vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).
Quellen:
* CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl:
Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 11.12.2018
* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin,
https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 11.12.2018
* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 11.12.2018
* Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen -
derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 11.12.2018
KI vom 25.6.2018, Regierungsumbildung (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage).
Am 13.6.2018 erklärte Premierminister Giorgi Kvirikashvili seinen Rücktritt. Als Grund wurden Meinungsverschiedenheiten mit dem Parteivorsitzenden Ivanishvili genannt, der am 11.5.2018 das Amt des Parteivorsitzenden des "Georgischen Traums" von Kvirikashvili übernommen hatte und damit in die Politik Georgiens zurückgekehrt war. Begleitet war Kvirikashvilis Rücktritt zudem von Massenprotesten (RFE/RL 20.1.2018, vgl. civil.ge 20.6.2018). Das georgische Parlament hat am 20.6.2018 den bisherigen Finanzminister Mamuka Bakhtadze zum neuen Premierminister von Georgien gewählt und das von ihm vorgeschlagene Kabinett als Übergangsregierung bestätigt. Die parlamentarische Opposition blieb der Abstimmung geschlossen fern. Aus den eigenen Reihen erhielt Bakhtadze sechs Gegenstimmen, bei 99 Ja-Stimmen. Bakhtadze kündigte an, dass das neue Kabinett geschlossen an einem Neuzuschnitt einiger Ressorts und damit auch einer Verringerung der Zahl der Ministerien arbeiten werde (GA 21.6.2018, vgl. RFE/RL 20.6.2018). Überdies betonte Bakhtadze, dass er die Bestrebungen nach einer Mitgliedschaft sowohl in der NATO als auch der EU fortsetzen werde (RFE/RL 20.6.2018).
Quellen:
* Civil.ge (20.6.2018): Bakhtadze's Cabinet Wins Confidence, https://civil.ge/archives/244788, Zugriff 25.6.2018
* GA - Georgien aktuell (21.6.2018): Mamuka Bakhtadze zum Premierminister von Georgien gewählt, http://georgien-aktuell.info/de/politik/article/13762-premierminister, Zugriff 25.6.2018
* RFE/RL - Radion Free Europe/Radio Liberty (20.1.2018): Georgian Parliament Approves Bakhtadze As Prime Minister, https://www.rferl.org/a/georgia-parliament-approves-bakhtadze-as-prime-minister/29307191.html, Zugriff 25.6.2018
1. Politische Lage
Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).
Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).
Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).
Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).
Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).
Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).
Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).
Quellen:
* Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 26.3.2018
* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 26.3.2018
* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,
http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 26.3.2018
* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017):
Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017,
http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians
In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 26.3.2018
* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,
http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 26.3.2018
* Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,
http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 26.3.2018
2. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).
Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sowie Einbrüche kommen vor, und sind gelegentlich von Gewalt begleitet. Übergriffe gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, können vorkommen (AA 6.6.2018a, vgl. EDA 6.6.2018).
Bei einem Anti-Terroreinsatz in Tiflis sind am 22.11.2017 ein Polizist und drei mutmaßliche Terroristen getötet worden. Mehrere mutmaßliche Anhänger einer terroristischen Gruppe hatten sich der Festnahme widersetzt, indem sie das Feuer mit automatischen Waffen eröffneten und Handgranaten auf die Anti-Terror-Einheit warfen (Standard 23.11.2017). Einer der getöteten Terroristen war offenbar Achmed Tschatajew, ein tschetschenischer Befehlshaber des sog. Islamischen Staates (IS), der den georgischen Behörden bekannt war. Tschatajew stand seit 2015 auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auch von Russland und der Türkei wegen der Organisation des tödlichen Bombenanschlags auf den Flughafen von Istanbul im Juli 2016 gesucht. Die Prognose, dass sich die terroristische Bedrohung in Georgien auf die einheimischen und zurückkehrenden Kämpfer verlagert hat, wurde durch die Operation in Tiflis drastisch bestätigt (Jamestown 29.11.2017, GA 1.12.2017):
Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien und die EU-Beobachtermission (EUMM), die zu Stabilität und Frieden beitragen. Georgien hat sich weiterhin den internationalen Gesprächen in Genf verschrieben. Der sog. "Incident Prevention Mechanisms (IPRM)", der 2009 geschaffen wurden, um Risiko- und Sicherheitsfragen zu erörtern, die die Gemeinden in Abchasiens bzw. Südossetiens betreffen, und die EUMM-Hotline arbeiten weiterhin effizient als wesentliche Instrumente, um lokale Sicherheitsfragen anzugehen und, um die weitere Vertrauensbildung zwischen den Sicherheitsakteuren zu fördern (EC 9.11.2017).
Anfang März 2018 wiederholte Premierminister Giorgi Kvirikashvili Georgiens Interesse, bei den internationalen Gesprächen in Genf konkrete Fortschritte zu erzielen. Hierzu erklärte er sich auch bereit, in einen direkten Dialog mit Vertretern der separatistischen Regionen Abchasien und Südssetien zu treten (Jamestown 26.3.2018, vgl. Civil.ge 9.3.2018).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (6.6.2018a): Landesspezifische Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/georgien-node/georgiensicherheit/201918#content_0, Zugriff 6.6.2018
* Civil.ge (9.3.2018): Prime Minister Appeals to Russian Authorities, Offers Direct Dialogue with Sokhumi, Tskhinvali, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30935&search, Zugriff 12.4.2018
* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.6.2018): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 6.6.2018
* GA - Georgien aktuell (1.12.2017): Anti-Terror-Einsatz: getötete Terroristen offenbar illegal ins Land gekommen, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13430-illegal, Zugriff 9.4.2018
* Jamestown (26.3.2018): Georgian Government Insists on Direct Talk With Moscow-Backed Separatists, https://jamestown.org/program/georgian-government-insists-direct-talk-moscow-backed-separatists/, Zugriff 12.4.2018
* Jamestown (29.11.2017): Special Operation in Tbilisi Highlights Risk of Terrorism by Returning Fighters in Georgia, https://jamestown.org/program/special-operation-tbilisi-highlights-risk-terrorism-returning-fighters-georgia/, Zugriff 9.4.2018
* Der Standard (23.11.2017): Vier Tote bei Anti-Terror-Einsatz in Tiflis,
https://derstandard.at/2000068329714/Vier-Tote-bei-Anti-Terror-Einsatz-in-Tiflis, Zugriff 9.4.2018
2.1. Regionale Problemzone: Abchasien
Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich - unterstützt von Russland - als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in denen sich ein de-facto politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur zu sehr geringem Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 jedoch nicht mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/megrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Passdokumenten und damit Freizügigkeit, Ausübung des Stimmrechts bei de facto-Präsidentschaftswahlen 2014, Besetzung öffentlicher Stellen, Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge, Ermöglichung von "Grenz"-Übertritten nach Georgien, Arbeitserlaubnis). Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen. Von Abchasien aus war es bislang gängige Praxis, dass Kinder ethnischer Georgier die Administrative Boundary Line (ABL) zum Schulbesuch auf dem georgischen Hauptterritorium regelmäßig überqueren konnten. Nach der Schließung von mittlerweile drei der fünf offiziellen Übergangsstellen verlängert sich der tägliche Schulweg aber so sehr (z.T. ca. 100 km einfach), dass diese Möglichkeit inzwischen kaum noch genutzt wird (AA 11.12.2017).
Die abchasische Regierung ist finanziell von Russland abhängig, das eine militärische Präsenz auf dem Territorium unterhält und zu den wenigen Staaten gehört, die die Unabhängigkeit Abchasiens anerkennen. Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf, und die meisten Einwohner sind Berichten zufolge gegen eine formelle Annexion durch Russland. Während die lokalen Rundfunkmedien weitgehend von der Regierung kontrolliert werden, gibt es einige unabhängige Print- und Online-Medien. Die Versammlungsfreiheit wird in der Regel respektiert. Zu den anhaltenden Problemen gehören ein zutiefst mangelhaftes Strafrechtssystem und die Diskriminierung von ethnischen Georgiern (FH 1.2017).
Die abchasischen Behörden inhaftieren weiterhin Personen, die die "Grenze" illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter entlang der Verwaltungsgrenze zwischen Abchasien und Georgien setzen normalerweise die Regeln der abchasischen Machthaber um, indem sie Individuen abstrafen und wieder freilassen. Es gab Berichte über willkürliche Verhaftungen von ethnischen Georgiern in den abtrünnigen Gebieten. Ihnen wurden weder die Gründe für die Haft noch für das Vorführen vor den Staatsanwalt mitgeteilt. In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992-93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 20.4.2018).
Die Behörden in Abchasien lehnen weiterhin die Rückkehr von ethnischen georgischen Binnenvertriebenen an Orte ihrer Herkunft oder ihres gewöhnlichen Aufenthalts mit Ausnahme der Distrikte Gali, Ochamchira und Tkvarcheli ab. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) hat die Behörden wiederholt um Zusicherungen in Bezug auf die Rechte der Rückkehrer hinsichtlich des Daueraufenthalts, Freizügigkeit, Geburtenregistrierung und Eigentumsrechte gebeten. Generell haben die Vereinten Nationen gefordert, den Zugang der Rückkehrer zu politischen Rechten, gleichen Schutz vor dem Gesetz, soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung, Arbeit und Beschäftigung, Bildung, Gedanken-, Gewissens- und Meinungsfreiheit und kulturelles Leben zu gewährleisten. Im Dezember 2016 wurde das "Gesetz über die Rechtsstellung von Ausländern in Abchasien" geändert, um die Einführung einer "Aufenthaltserlaubnis für Ausländer" zu ermöglichen, die den in Abchasien lebenden ethnischen Georgiern die Ausübung ihrer Rechte erleichtern würde (UN-GA 3.5.2017).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
* FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/abkhazia, Zugriff 13.4.2018
* UN_GA - UN General Assembly (3.5.2017): Status of internally displaced persons and refugees from Abkhazia, Georgia and the Tskhinvali region/South Ossetia, Georgia [A/71/899], https://www.ecoi.net/en/file/local/1402817/1226_1499079794_n1712489.pdf, Zugriff 13.4.2018
* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html, Zugriff 6.6.2018
2.2. Regionale Problemzone: Südossetien
Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig (90% seines Budgets für 2016), und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus. Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, die auch die Aktivitäten der Zivilgesellschaft einschränken oder genau überwachen. Die Justiz unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 1.2017).
Russische Streitkräfte und De-facto-Behörden in Südossetien haben die Bewegungsfreiheit über die De-facto-Grenze weiter eingeschränkt und Dutzende von Menschen wegen "illegalen" Grenzübertritts kurzzeitig festgenommen und bestraft. Die zunehmende Umzäunung entlang der Verwaltungsgrenzen beeinträchtigte weiterhin die Rechte der Anwohner, einschließlich des Rechts auf Arbeit, Nahrung und einen angemessenen Lebensstandard, da der Zugang zu ihren Obstgärten, Weiden und Ackerland verloren ging (AI 22.2.2018).
In Südossetien leben kaum noch ethnische Georgier. Das Recht auf Rückkehr der Vertriebenen wird von den dortigen de facto-Behörden verwehrt. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen. Als Ausnahme ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori (Südossetien) lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 11.12.2017).
Die südossetischen Behörden haben gegenüber UN-Vertretern ihre Offenheit für die Rückkehr von Binnenvertriebenen nach Südossetien bekundet, allerdings hauptsächlich in den Bezirk Akhalgori und unter der Voraussetzung, dass sich die Personen nur dort aufhalten werden. Besuche im Bezirk Akhalgori scheinen für die Vertriebenen und ihre Angehörigen möglich zu sein. Die zuständigen südossetischen Behörden haben rund 4.300 neue Grenzübertrittsdokumente ("propusk") ausgestellt, die neben rund 1.000 südossetischen sogenannten "Pässen" auch das Überschreiten der Verwaltungsgrenze ermöglichen (UN-GA 3.5.2017).
Bei den Präsidentschaftswahlen in Südossetien am 9.4.2017 gewann der bisherige Parlamentsvorsitzende, Anatoly Bibilov mit 54,8% Prozent (PEC 12.4.2017). Der bisherige Amtsinhaber, Leonid Tibilov, der seitens Moskau unterstützt wurde, erhielt nur 30% (RFE/RL 11.4.2017; vgl. EN 12.4.2017). Analysten sahen nebst der schlechten Wirtschaftslage die Parteinahme des Kremls und die wachsende Präsenz russischer Offizieller im südossetischen Staatsapparat als Hauptursache für die Niederlage Tibilovs (EN 12.4.2017). Gleichwohl verfolgt der Sieger Bibilov im Unterschied zu Tibilov, der seine Politik der Interessenslage Russlands anpasste, eine möglichst schnelle Aufnahme in den russischen Staatsverband und folglich die Vereinigung mit Nordossetien. Hierfür schlug er bereits ein Referendum bis Ende 2017 vor (RFE/RL 11.4.2017). Die Europäische Union und USA verurteilten die Wahlen als unzulässig (EN 12.4.2017).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 13.4.2018
* EN - EurasiaNet.org (12.4.2017): South Ossetia: Voters Opt Against the Kremlin Favorite, http://www.eurasianet.org/node/83221, Zugriff 13.4.2018
* FH - Freedom House (1.2017): FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - South Ossetia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/south-ossetia, Zugriff 13.4.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (11.4.2017): South Ossetia's Bibilov Wins Election, Puts Moscow In A Bind, http://www.rferl.org/a/south-ossetia-bibilov-victory-presidential-election/28424108.html, Zugriff 13.4.2018
* PEC - [südossetische Nachrichtenagentur]: Anatoly Bibilov won the presidential election with 54.8% of votes - the CEC, http://cominf.org/en/node/1166511548, Zugriff 13.4.2018
* UN_GA - UN General Assembly (3.5.2017): Status of internally displaced persons and refugees from Abkhazia, Georgia and the Tskhinvali region/South Ossetia, Georgia [A/71/899], https://www.ecoi.net/en/file/local/1402817/1226_1499079794_n1712489.pdf, Zugriff 13.4.2018
3. Rechtsschutz / Justizwesen
Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung, die in der Vergangenheit systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Die dritte Reformwelle vom Dezember 2016 garantiert vor allem die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Demgegenüber neigen Politiker und andere prominente Interessenvertreter aus Wirtschaft und Medien dazu, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen pauschal politische Motive bzw. Korruption zu unterstellen. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess. Die Praxis lang andauernder Untersuchungshaft wurde im Fall Ugulava, des ehemaligen Bürgermeisters von Tiflis vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt und verfassungskonform beschränkt (AA 11.12.2017).
Im Dezember 2016 wurde ein Paket von Gesetzesänderungen zur Justizreform verabschiedet. Die Änderungen betrafen insbesondere die Veröffentlichung aller Entscheidungen, die schrittweise Einführung der elektronischen Zufallszuweisung von Fällen sowie das Auswahlverfahren der Richterkandidaten und das Disziplinarverfahren (Schaffung der Institution des Untersuchungsinspektors). Die Änderungen betrafen jedoch nicht andere, seit langem bestehende Punkte, einschließlich der Anwendung der Probezeit. Eine erste umfassende Justizstrategie und ihr fünfjähriger Aktionsplan wurden vom Hohen Rat der Justiz im Mai 2017 angenommen. Dieser sieht spezifische Maßnahmen und Indikatoren in den Kapiteln Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht, Qualität und Effizienz sowie Zugang zur Justiz vor. In Bezug auf den Zugang zur Justiz sind die vom Hohen Rat der Justiz (HCoJ) eingeführten Verfahren zur Ernennung von Richtern und Gerichtspräsidenten sowie die Disziplinarverfahren allerdings nicht vollständig transparent und rechenschaftspflichtig. Die neue Verfassung führte die Ernennung von Richtern des Obersten Gerichtshofs durch das Parlament auf Vorschlag des Obersten Gerichtshofs sowie die Ernennung von Richtern auf Lebenszeit ein. Im Januar 2017 wurden die Geschworenenprozesse, die 2010 beim Stadtgericht von Tiflis eingeführt wurden, auf andere Regionen Georgiens und auf weitere Arten von Vergehen ausgeweitet. Anfang 2017 wurden die Strafverfolgungsstrategie, der neue Ethikkodex und ein Beurteilungssystem für Staatsanwälte verabschiedet (EC 9.11.2018).
Die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Justiz ist nach wie vor ein erhebliches Problem, ebenso wie der Mangel an Transparenz und Professionalität bei den Verfahren. Im Jahr 2017 äußerten sich Oppositionelle und andere besorgt darüber, dass die politische Einmischung ein wesentlicher Faktor in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gewesen sei, so die Rückgabe des TV Senders "Rustavi 2" an seinen ehemaligen Miteigentümer, der mit der Regierungspartei Georgischen Traum verbunden ist. Das Urteil wurde allerdings später vom Europäischen Gericht für Menschenrechte aufgehoben (FH 1.2018, vgl. AI 22.2.2018).
Ende Mai 2018 musste der Generalstaatsanwalt Georgiens vor dem Hintergrund von Protesten zurückgetreten, in denen tausende Demonstranten ihre Empörung über ein, ihrer Meinung nach, unfaires Gerichtsurteil im Mordfall von zwei Schülern in Tiflis zum Ausdruck brachten (CK 5.6.2018). Die Demonstranten glaubten, dass andere als die beiden Beschuldigten für den Tod verantwortlich waren und der Strafe entkamen, weil ihre Verwandten in der Generalstaatsanwaltschaft arbeiteten (RFE/RL 4.6.2018). Führende NGOs des Landes haben sich geweigert, sich an der Ernennung eines neuen Generalstaatsanwaltes unter der Leitung von Justizministerin Teya Tsulukiani zu beteiligen, sondern haben im Gegenteil deren Rücktritt gefordert (CK 5.6.2018, vgl. JAMnews 6.6.2018). Das Parlament hat am 31.5.2018 als Reaktion auf die Entlassung der Beschuldigten durch das Gericht in Tiflis eine Untersuchungskommission zum Mordfall eingerichtet (civil.ge 6.6.2018). Die Demonstrationen haben die Ansicht mancher Georgier über Korruption und eine Atmosphäre der Straflosigkeit in der herrschenden Elite des Landes widergespiegelt (RFE/RL 4.6.2018).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 17.4.2018
* Caucasian Knot (5.6.2018): Activists demand resignation of Georgia's MoJ head, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43375/, Zugriff 7.6.2018
* Civil.ge (6.6.2018): Parliament Approves Teen Murder Probe Commission, https://civil.ge/archives/243789, Zugriff 7.6.2018
* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 17.4.2018
* JAMnews (6.6.2018): Georgian NGOs demand resignation of Minister of Justice, htt