Entscheidungsdatum
25.11.2019Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
G313 2209603-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Rumänien, vertreten durch Rae Mag. Klaus AINEDTER, AINEDTER & AINEDTER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.05.2019 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass in Spruchpunkt I. die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf ein (1) Jahr herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 11.10.2018, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.), und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 16.11.2018 vorgelegt.
4. Am 14.05.2019 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, mit dem BF, seinem Rechtsvertreter und der Lebensgefährtin des BF als Zeugin eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Rumänien.
1.2. Er wurde im Bundesgebiet rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar mit
? Urteil von November 2017 wegen Beitrags zu Suchtgifthandel zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon Freiheitsstrafe von 13 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, wobei am 04.12.2015 der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe vollzogen wurde.
1.2.1. Dieser strafrechtlichen Verurteilung lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:
Der BF und ein weiterer strafrechtlich gesondert verfolgter Täter haben im Bundesgebiet an verschiedenen Orten
? vorschriftswidrig Suchtgift als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in einer die Grenzmenge (§28b SMG) übersteigenden Menge, zur Aus- und Einfuhr beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), und zwar der BF kurz vor und am 2.4.2013 zur Tatausführung der Aus- und Einfuhr einer Menge von 6.400 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 4,6 % THCA und 0,4 % Delta-9-THC (mindestens 294,4 Gramm THCA und 25,6 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz) durch den unmittelbaren Täter (...) von Holland über Deutschland nach Österreich, indem er ihn zuerst als Suchtgiftkurier dem (...) empfahl und dann in dessen Namen die Schmuggelfahrt durchregelmäßige Kontrollanrufe selbst überwachte;
? vorschriftswidrig Suchtgift, in einer die Grenzmenge (§28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, als Mitgliede einer kriminellen Vereinigung besessen, und zwar am 19.05.2015 15,65 Gramm netto Kokain, beinhaltend 10,24 Gramm Cocain und 172 Stück Ecstasy, beinhaltend 16,52 Gramm MDMA-Base;
? vorschriftswidrig Suchtgift zum ausschließlich persönlichen Gebrauch besessen, und zwar seit einem konkret nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Sommer 2013 bis 19.5.2015 zumindest 50 Gramm Kokain, beinhaltend Cocain.
Der strafrechtlich gesondert verfolgte Mittäter des BF hat zudem
? vorschriftswidrig Suchtgift als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in einer das 15-fache der Grenzmenge (§28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er zwischen Anfang Mai 2013 und 19. Mai 2015 in einer Mehrzahl an Angriffen zumindest 1.132,8 Gramm Kokain mit einem Reinhaltsgehalt von 25% Cocain, sohin zumindest 283,2 Gramm Cocain-Base in Reinsubstanz (sohin die 18,88-fache der Grenzmenge) an den BF, zwei bekannte und mehrere weitere unbekannte Abnehmer teils unentgeltlich, teils entgeltlich weitergab.
1.2.2. Bei der Strafbemessung wurde das Geständnis des BF und die Sicherstellung des Suchtgiftes mildernd und die einschlägige Vorstrafe des BF erschwerend gewertet.
1.3. Der BF wurde nach eigenen Angaben vor dem Strafgericht und vor dem BFA bereits in Deutschland strafrechtlich verurteilt und hat seine diesbezügliche Haftstrafe bereits verbüßt.
1.4. Er hält sich jedenfalls seit Februar 2012 im Bundesgebiet auf und weist abgesehen von einer dreitägigen Meldeunterbrechung seither eine durchgehende behördliche Meldung im Bundesgebiet auf.
1.4.1. Bezüglich der im Zentralen Melderegister aufscheinenden Meldeunterbrechung ist festzuhalten, dass der BF mit Strafbescheid des zuständigen Magistrats vom 23.10.2017, rechtskräftig per 11.1.2017, wegen Übertretung nach dem Meldegesetz bestraft wurde.
1.5. Der BF hat in Österreich seine Lebensgefährtin und einen minderjährigen Sohn. Er holt seinen im August 2012 geborenen, nunmehr sieben Jahre alten Sohn, der im Bundesgebiet die Volksschule besucht, nachweislich regelmäßig zwischen 16 und 17 Uhr von der Kinderbetreuungseinrichtung, in welcher dieser nach Besuch der Volksschule betreut wird, ab, und sorgt sich um ihn, während seine Lebensgefährtin arbeitet. Abgesehen vom BF passen auch seine Schwiegereltern bzw. Eltern seiner Lebensgefährtin, die in derselben Gasse wohnhaft sind wie sie, auf den Sohn des BF auf.
Der BF lebte mit seiner Lebensgefährtin und ihrem Sohn - auch während unterschiedlichen Wohnsitzmeldungen - im Bundesgebiet großteils und mit ihnen und seinen Eltern auch nunmehr in gemeinsamem Haushalt zusammen. In der mündlichen Verhandlung am 14.05.2019 gab der BF glaubhaft davon, dass es sich hinsichtlich der nunmehr insgesamt fünf in einer 50 m² großen Wohnung zusammenlebenden Personen nur um eine Übergangslösung handelt.
Nach Verbüßung seiner Haft im Jahr 2015 ist der BF in eine Wohnung gezogen, in welcher er eine Zeitlang mit seinen Eltern zusammengewohnt hat, ebenso wie in der Wohnung danach, die der BF später in Büroräumlichkeiten für seine Firma umfunktioniert hat.
1.6. Im Zeitraum von August 2018 bis Februar 2018 war der BF gewerblich selbstständig erwerbstätig:
? Der BF gründete im Jahr 2013 eine Firma und meldete 2015 /2016 unter derselben Firma das zweite Gewerbe für die Baubranche an. Die Firma des BF ist im Jahr 2017 in Konkurs gegangen.
Im Zeitraum von 01.09.2013 bis 30.09.2015 haben sich Beitragsschulden des BF angehäuft.
Der BF bezahlte während seiner Haft von Mai 2015 bis Dezember 2015 keine Beitragsschulden und danach nur das Allernotwendigste.
Seit April 2018 arbeitet der BF in der im März 2018 gegründeten Baufirma seiner Eltern. Der BF muss aus seinem Erwerbseinkommen nunmehr drei- bis fünf Jahre lang EUR 240,- monatlich zahlen. Sein Schuldenstand betrug zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 14.05.2019 EUR 40.000,-.
1.7. Auch die Lebensgefährtin des BF ist im Bundesgebiet erwerbstätig, und zwar bereits seit dem Jahr 2000, und steht auch nunmehr in einem laufenden Beschäftigungsverhältnis.
1.8. Dem BF wurde am 09.08.2017 eine Anmeldebescheinigung als Selbstständiger erteilt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des nunmehr vorliegenden Gerichtsaktes.
2.2. Zu den Feststellungen:
2.2.1. Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.
2.2.2. Die Feststellungen zu den behördlichen Meldungen des BF im Bundesgebiet seit Februar 2012 beruhen auf einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Dass sich der BF jedenfalls seit erster Wohnsitzmeldung im Februar 2012 im Bundesgebiet aufhält, ergab sich aus dem diesbezüglichen Akteninhalt.
Dass der BF mit Strafbescheid vom 23.10.2017, rechtskräftig per 11.11.2017, wegen Übertretung nach dem Meldegesetz, bestraft wurde, ergab sich aus der diesbezüglichen vom Magistrat an das BFA gerichteten Mitteilung (AS 103).
2.2.3. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF ergaben sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt. Dass der BF mit seiner Lebensgefährtin und ihrem minderjährigen Sohn im Bundesgebiet - auch während unterschiedlichen Wohnsitzmeldungen - großteils in gemeinsamem Haushalt zusammengewohnt hat und mit ihnen und seinen Eltern auch nunmehr in gemeinsamem Haushalt zusammenlebt, ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen des BF in seiner mündlichen Verhandlung am 14.05.2019 (VH-Niederschrift, S. 4, 5) in Zusammenschau mit den BF und seine Lebensgefährtin betreffenden Zentralmelderegisterauszügen.
Dass der BF seinen minderjährigen Sohn regelmäßig zwischen 16 und 17 Uhr von einem Kinderbetreuungsverein, in welchem dieser nach Besuch der Volksschule betreut wird, abholt, ergab sich aus einer vorgelegten diesbezüglichen Bestätigung des Kinderbetreuungsvereins (AS 118).
2.2.4. Dass dem BF am 09.08.2017 unbefristet eine Anmeldebescheinigung als Selbstständiger erteilt wurde, ergab sich aus einem Fremdenregisterauszug.
2.2.5. Die Feststellung zur rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des BF im Bundesgebiet von November 2017 beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug, die näheren Feststellungen zu den dieser Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen beruhen auf dem diesbezüglichen Inhalt des Strafrechtsurteils im Akt (AS 58ff).
Der BF gab sowohl vor dem Strafgericht als auch vor dem BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme am 11.06.2015 an, bereits in Deutschland einmal wegen Betrugs strafrechtlich verurteilt worden zu sein (AS 8) und seine Haftstrafe daraus bereits verbüßt zu haben.
Das österreichische Strafgericht legte dem Strafrechtsurteil von November 2017 diese Vorverurteilung aus Deutschland als erschwerend berücksichtigten Strafbemessungsgrund zugrunde.
2.2.6. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des BF im Bundesgebiet ergab sich aus einem AJ WEB - Auskunftsverfahrensauszug, die näheren Feststellungen zur gewerblich selbstständigen Erwerbstätigkeit bei verschiedenen Firmen und seinen aus dieser selbstständigen Tätigkeit erwachsenen Schulden ergaben sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt, darunter den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung am 14.05.2019 dazu (AS 5ff). Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit der Lebensgefährtin des BF beruhen ebenso auf einem AJ WEB - Auskunftsverfahrensauszug.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Anzuwendendes Recht:
3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:
"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
(...)."
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
3.1.2. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren bzw. die Feststellungen im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ergab Folgendes:
Mit im Spruch angeführtem Bescheid wurde gegen den BF ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 1 und 2 FPG erlassen.
Der BF, rumänischer Staatsbürger, hält sich seit Februar 2012, demnach seit weniger als zehn Jahre im Bundesgebiet auf, weshalb nicht der erhöhte Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG, sondern der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG zur Anwendung gelangt.
Der BF wurde im Bundesgebiet im November 2017 wegen Beitragshandlungen zum Suchtgifthandel im Rahmen einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 18, Monaten, davon fünf Monaten unbedingt und 13 Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.
Hinsichtlich dieser strafrechtlichen Verurteilung des BF weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).
Der strafrechtlichen Verurteilung des BF von November 2017 lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:
Der BF hat
? vorschriftswidrig als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in einer die grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge zur Aus- und Einfuhr beigetragen, und zwar kurz vor und am 02.04.2013 zur Tatausführung der Aus- und Einfuhr einer Menge von 6.400 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 4,6 % THCA und 0,4% Delta-9-THC (mindestens 294,4 Gramm THCA und 25,6 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz) durch den unmittelbaren Täter von Holland über Deutschland nach Österreich, indem er ihn zuerst als Suchtgiftkurier einer bestimmten Person empfahl und dann in dessen Namen die Schmuggelfahrt durch regelmäßige Kontrollanrufe selbst überwachte;
zusammen mit einer weiteren gesondert strafrechtlich verfolgten Person
? vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, als Mitglied einer kriminellen Vereinigung besessen, und zwar am 19.05.2015 15,65 Gramm netto Kokain, beinhaltend 10,24 Gramm Cocain und 172 Stück Ecstasy, beinhaltend 16,52 Gramm MDMA-Base;
? vorschriftswidrig Suchtgift zum ausschließlich persönlichen Gebrauch besessen, und zwar seit einem konkret nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Sommer 2013 bis 19.05.2015 zumindest 50 Gramm Kokain, beinhaltend Cocain.
Der zusammen mit dem BF strafrechtlich verurteilte Mittäter hat zudem vorschriftswidrig Suchtgift als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge im Zeitraum von Anfang Mai 2013 und 19.05.2015 in einer Mehrzahl von Angriffen zumindest 1.132,8 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 25% Cocain, sohin zumindest 283,2 Gramm Cocain-Base in Reinsubstanz (sohin die 18,88-fache Grenzmenge) an unbekannte und bekannte Personen, darunter auch dem BF, teils unentgeltlich, teils entgeltlich weitergegeben.
Daraus und aus dem Verurteilungspunkt im Strafrechtsurteil, wonach der BF und sein Mittäter im Zeitraum von Sommer 2013 bis 19.05.2015 zumindest 50 Gramm Kokain, beinhaltend Cocain, vorschriftswidrig Suchtgift zum ausschließlich persönlichen Gebrauch besessen hat, geht hervor, dass der BF selbst Suchtgift konsumiert hat.
Strafrechtlich verurteilt wurde der BF jedenfalls wegen Beitragshandlungen zum Suchtgifthandel nach § 12 dritter Fall StGB, 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall und §28a Abs. 2 Z. 2 StGB.
Der mit "Suchtgifthandel" betitelte § 28a lautet auszugsweise wie folgt:
"Suchtgifthandel
§ 28a. (1) Wer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen anbietet, überlässt oder verschafft, ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu bestrafen, wer die Straftat nach Abs. 1
1. gewerbsmäßig begeht und schon einmal wegen einer Straftat nach Abs. 1 verurteilt worden ist,
2. als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begeht oder
(...)."
Die im Falle der Ein- und Ausfuhr von Suchtgift nach § 28a Abs. 1 SMG angedrohte Höchststrafe von fünf Jahren ist in § 28a Abs. 2 SMG für den qualifizierten Fall des Suchtgifthandels als Mitglied einer kriminellen Vereinigung auf eine Höchststrafe von zehn Jahren, somit auf das Doppelte des für das Grunddelikt vorgesehenen Strafausmaßes, angehoben. Damit wurde offenbar die hohe Gefährlichkeit des für die Gesundheit der Menschen ohnehin gefährlichen Suchtgifthandels bei Begehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung hervorgehoben.
Fest steht, dass der BF seine der Verurteilung von November 2017 zugrunde liegenden strafbaren Handlungen im Zeitraum von April 2013 bis Mai 2015 begangen hat, und diese somit zu einem Zeitpunkt begonnen hat, als sein im August 2012 geborener Sohn erst rund acht Monate alt war. Der BF hat seine kriminellen Aktivitäten in Zusammenhang mit Suchtgift seinen väterlichen Pflichten offenbar vorgezogen und im Bewusstsein begangen, dass die strafbaren Handlungen strafrechtliche Konsequenzen und haftbedingt eine längere Trennung des BF von seinem Sohn nach sich ziehen kann.
Der BF hat zudem, wie aus dem Strafrechtsurteil von November 2017 hervorgehend, im Zeitraum von Sommer 2013 bis 19.05.2015 und demnach innerhalb eines Zeitraums, innerhalb welchen sich sein Sohn im Säuglings- und Kleinkindalter befunden hat, vorschriftswidrig Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen und dadurch eine große Gefahr für seinen Sohn dargestellt, hat sich doch sein Sohn zu dieser Zeit in einem Alter befunden, in welchem er dabei war, seine nähere Umgebung im familiären Umfeld zu ertasten und erfassen, und hätte seinem Sohn dabei auch Suchtgift in die Hände geraten können, was unerdenkliche Folgen nach sich gezogen hätte.
Hervorzuheben ist in Zusammenhang mit den vom BF begangenen Suchtgiftdelikten jedenfalls die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, weshalb das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiegt, als das gegenläufige private Interesse des Fremden (vgl. VwGH 14.01.1993, 92/18/0475). In diesem Sinne hat auch der EGMR Suchtgift drastisch als "Geißel der Menschheit" bezeichnet; der Oberste Gerichtshof verwendete die Diktion "gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor" (vgl. OGH 27.4.1995, 12 Os 31, 32/95), der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betonte die verheerende Wirkung von Drogen auf das gesellschaftliche Leben (vgl. EGMR 23.6.2008,1638/03, Maslov gegen Österreich [GK]) und schließlich streicht der VwGH die der Suchmittelkriminalität inhärenten, besonders ausgeprägten Wiederholungsgefahr hervor (vgl. VwGH 29.09.1994, 94/18/0370; VwGH 22.05.2007, 2006/21/0115). In Hinblick auf die "verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen" brachte auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für das restriktive Vorgehen der Mitgliedstaaten gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck (vgl. EGMR, 19.02.1998, Dalia gegen Frankreich, Nr. 154/1996/773/974; EGMR vom 30.11.1999, Baghli gegen Frankreich, Nr. 34374/97).
Gerade Suchtgiftdelinquenzen stellen ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist, und an deren Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556, mwN).
Für die gegenständliche Entscheidung relevant ist nunmehr vor allem das Verhalten des BF nach Entlassung aus seiner Haft, in welcher er sich von Mai 2015 bis Dezember 2015 befunden hat.
In seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof regelmäßig betont, dass ein Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe zuletzt VwGH 25.1.2018, Ra 2018/21/0004, Rn. 8); für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich (vgl. VwGH 26.4.2018, Ra 2018/21/0027; VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0193, Rn. 12).
Fest steht jedenfalls, dass der BF nach Verbüßung seines unbedingten Teils seiner Haftstrafe von Mai bis Dezember 2015 nicht mehr straffällig geworden ist. Dabei ist jedoch nicht außer Acht zulassen, dass seine offizielle kriminelle Enthaltsamkeit auch daran liegen kann, dass die dreijährige Probezeit des bedingten Strafteils aus seiner strafrechtlichen Verurteilung noch offen ist und dem BF bereits mit schriftlicher "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" durch das BFA vom 29.12.2017 die behördlich beabsichtigte weitere Vorgehensweise, gegen den BF ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, eine ihm drohende Außerlandesbringung bewusst gemacht wurde, bzw. spätestens mit Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides tatsächlich bewusst worden ist.
Fest steht, dass der BF seiner bereits im August 2012 begonnenen gewerblich selbstständigen Erwerbstätigkeit in der Baubranche bis Februar 2018 weiter nachgegangen ist und nunmehr seit April 2018 in der von seinen Eltern im März 2018 gegründeten Baufirma unselbstständig erwerbstätig ist.
Der BF sorgt sich um seinen minderjährigen nunmehr sieben Jahre alten Sohn, wenn seine Lebensgefährtin bei der Arbeit ist und holt ihn auch nachweislich regelmäßig zwischen 16 und 17 Uhr von einer Kinderbetreuungsstätte, in welcher dieser nach Besuch der Volksschule betreut wird, ab. Daraus ist ersichtlich, dass der BF nunmehr jedenfalls seinen väterlichen Pflichten nachkommt. Es ist jedenfalls von einem zwischen dem BF, seiner Lebensgefährtin und ihrem Sohn, die in gemeinsamem Haushalt zusammenleben, bestehenden Familienleben iSv Art. 8 EMRK auszugehen.
Eine weitere nähere Beziehung besteht offenbar auch zu den Eltern des BF, in deren Firma der BF arbeitet, und zu den in derselben Gasse wohnenden Eltern der Lebensgefährtin des BF, die zusätzliche Unterstützung bei der Kindesbetreuung bieten. Der BF und seine Lebensgefährtin sind bei der Kindesbetreuung somit nicht auf sich allein gestellt.
Fest steht, dass der BF während seines seit Februar 2012 nunmehr insgesamt mehr als siebenjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet - auch über seine von August 2012 bis Februar 2018 nachgegangene gewerblich selbstständige Erwerbstätigkeit und seine unselbstständige Erwerbstätigkeit in der Firma seiner Eltern seit April 2018 in der Baubranche - zahlreiche Sozialkontakte knüpfen konnte.
Fest steht jedenfalls, dass der BF sich im Zeitraum seiner strafbaren Handlungen von April 2013 bis Mai 2015 vorwiegend in einem kriminellen Umfeld aufhielt und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung aktiv war. Eine weitere kriminelle Aktivität oder ein weiteres Aufhalten in einem kriminellen Umfeld ist nach Haftentlassung im Dezember 2015 jedenfalls nicht zu Tage getreten.
Fest stehen somit vom BF im Bundesgebiet begangene strafbare Handlungen von April 2013 bis Mai 2015 und Verwaltungsübertretungen, hat der BF doch nach seiner Einreise und Wohnsitzmeldung im Februar 2012 nicht fristgerecht um eine den BF zu einem mehr als dreimonatigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigenden Anmeldebescheinigung angesucht, und außerdem auch eine Übertretung nach dem Meldegesetz begangen, welche im November 2017 zu einer rechtskräftigen Strafe geführt hat.
Aufgrund der vom BF im langen Zeitraum von April 2013 bis Mai 2015 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangenen strafbaren Handlungen in Zusammenhang mit Suchtgift, die im November 2017 zu einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung geführt haben, der Tatsachen, dass der BF zu Beginn seines Aufenthalts nicht fristgerecht um eine Anmeldebescheinigung angesucht und im Bundesgebiet auch eine verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogene Übertretung nach dem Meldegesetz begangen hat und aufgrund der großen Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten und der noch offenen Probezeit des bedingten Strafteiles aus strafrechtlicher Verurteilung von November 2017 war in Gesamtbetrachtung von keiner positiven Zukunftsprognose und einer vom BF für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet ausgehenden erheblichen Gefahr iSv § 67 Abs. 1 S. 2 FPG auszugehen.
Bei der Bemessung der Einreiseverbotsdauer konnten seine durch seine langjährige gewerblich selbstständige und seine seit April 2018 in der Firma seiner Eltern nachgegangene unselbstständige Erwerbstätigkeit und vor allem seine nahe Beziehung zu seiner Lebensgefährtin und ihrem gemeinsamen nunmehr sieben Jahre alten Sohn, den der BF, wenn seine Lebensgefährtin arbeitet, regelmäßig von der Ganztagskinderbetreuungsstätte abholen kommt und um welchen er sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin sorgt, zugunsten des BF berücksichtigt werden. Es wird im gegenständlichen Fall eine Einrieseverbotsdauer von einem Jahr für gerechtfertigt und auch für hoch genug gehalten, um den BF zu einem positiven Gesinnungswandel bewegen zu können. Der BF hat laut seinen Angaben vor dem Strafgericht ein Appartement in Rumänien hat und gab in der mündlichen Verhandlung am 14.05.2019 glaubhaft an, das derzeitige Zusammenleben zu fünft in einer Wohnung sei nur eine Übergangslösung, beabsichtigten der BF und seine Eltern doch, ihr gesamtes Hab und Gut in Rumänien zu verkaufen. Dies weist jedenfalls auf eine Wohnmöglichkeit in Rumänien hin. Der BF wird während der einjährigen Einreiseverbotsdauer die Beziehung zu seinen Familienangehörigen (Eltern, Lebensgefährtin, Sohn und Eltern der Schwiegereltern) jedenfalls über moderne Kommunikationsmittel und Besuche ihrerseits aufrecht halten können. Dies wird für die verhängte Einreiseverbotsdauer auch für zumutbar gehalten.
Der Beschwerde wird daher teilweise stattgegeben und das Aufenthaltsverbot auf ein Jahr herabgesetzt.
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Da eine sofortige Ausreise des BF nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit für unbedingt erforderlich gehalten wurde, konnte dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt werden.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, Herabsetzung, Interessenabwägung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G313.2209603.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.03.2020