Entscheidungsdatum
28.11.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W274 2203366-1/11E
Gekürzte Ausfertigung gemäß § 29 Abs 5 VwGVG
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. 29.5.1985, iranischer Staatsbürger, XXXX , vertreten durch DI Gustav JOBSTMANN, Zehentstraße 48/16/3, 7202 Bad Sauerbrunn, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom 19.7.2018, Zl. 1121606502/180447026/BMI-BFA_WIEN_RD, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gem. § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Die Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Der Beschwerdeführer (BF) kam am 7.2.2017 mit einem Studentenvisum nach Österreich.
Er begehrte am 11.5.2018 vor der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug der Landespolizeidirektion Wien internationalen Schutz mit der Begründung, er gehöre zur Minderheit der "Gonbadi Dervishes". Diese werde von den Behörden nicht erlaubt. Er sei auch Maler und habe politische Bilder gemalt. Er werde vom iranischen Regime verfolgt.
Vor dem BFA fand eine Vernehmung des BF am 26.6.2018 statt.
Am 6.11.2019 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, in der der BF als Partei befragt und Urkunden vorgelegt wurden.
Dabei kam hervor, dass der BF in eine Familie geboren ist, in der die Eltern dem Derwisch-Orden nahestehen bzw. dessen Werte leben und an den BF weitergaben. Bereits der Vater hatte berufliche Nachteile deshalb zu erleiden. Der BF begann bereits im Iran nach bzw. während eines Architekturstudiums Deutsch zu lernen und interessierte sich für eine Studienmöglichkeit Richtung Architektur bzw. Malerei in Österreich. Es gelang ihm, Anfang 2017 mit einem Studentenvisum nach Österreich zu kommen. Hier gelang es ihm bislang nicht, eines seiner erwünschten Studien aufzunehmen. Er besuchte Deutschkurse bis B1, wobei er diese Prüfung nicht bestand. Der BF hat bereits taugliche Kommunikations-kenntnisse auf Deutsch. Er war nie in Grundversorgung und bezieht seinen Unterhalt aus selbständiger Tätigkeit (Rikscha-Fahrer und Straßenmalerei). Er ist ledig, kinderlos und in Österreich unbescholten.
Ab Februar 2018 kam es zu "Derwisch-Protesten" in mehreren Wellen im Iran, die auch zu Todesopfern auf Seiten der Polizei sowie Derwisch führten sowie zu Verhaftungen und
Verfolgungen. Generell sind Angehörige der Derwisch bzw. Sufi im Iran Repressionen und
Diskriminierung unterworfen. Zwischen Mai und Dezember 2018 wurden im Iran zumindest
208 Derwische zu Haft und anderen Strafen verurteilt (LIB Seite 55). Es wird von langen
Wartezeiten auf Prozesse, Gefängnisstrafen sowie mangelnder Strafverfolgung in
Zusammenhang mit Tötungen von Derwischen berichtet, dies unter dem Titel Handlung gegen die nationale Sicherheit und Beleidigung des obersten Führers.
Es ist glaubhaft, dass auch der Schwager sowie der Bruder des BF in der Zeit nach Beginn dieser Proteste verhaftet wurden und der BF in seiner Abwesenheit bei seinen Eltern gesucht wurde. Nach Bekanntwerden dieser Umstände stellte der BF den Asylantrag.
Zwar konnte der BF seine persönliche Involviertheit in die Verfolgung der Derwische in der
ersten Hälfte 2018 nicht beweisen. Er schilderte die vor dem BFA geschilderten Umstände im
Wesentlichen gleichlautend und war auch in der Lage, auf Nachfrage plausible Erklärungen zu geben. Die vorgelegten Fotos haben insofern relevanten Erklärungswert, als dort mehrfach bei unterschiedlichen Gelegenheiten der Vater des BF mit hochrangigen Angehörigen der Derwisch gezeigt wird. Die erklärenden Angaben des BF erschienen vor dem Hintergrund des anzunehmenden Wissenstandes glaubhaft. Dem Gericht ist es weder möglich, die Authentizität des Schreibens Beilage ./C (des Vaters des BF auf Farsi) noch das Zutreffen des Inhalts im Sinne eines Beweises zu prüfen. Der BF machte durchaus konkrete Angaben über besondere Lebensweisen der Derwische, zB den Aufnahmeritus bzw. besondere Grußformen. In Ansehung der Angaben vor Polizei, BFA und Gericht, der mehrfachen vorgelegten Urkunden und Fotos und dazu ergangener detaillierter Nachfragen, kamen keine offensichtlichen Widerspräche hervor, weshalb von einer Glaubhaftigkeit des Tatsachenkerns der geschilderten Asylgründe auszugehen war.
Ob tatsächlich vom BF gemalte Bilder regimekritischen Inhalts (insbesondere eine Malerei von Ajatollah Khamenei mit im Bart erhängten Frauen) für den BF gefährdend ins Netz gelangt sind, ließ sich anhand der diesbezüglich wenig konkreten Angaben des BF nicht beurteilen.
Vor dem Hintergrund der glaubhaften Verfolgungssituation von Derwischen im Iran,
insbesondere ab 2018, ist es glaubhaft, dass der BF spätestens ab Mai 2015 nach den obigen Feststellungen auf Grund gegründeter Furcht vor Verfolgung wegen Religion Asyl beantragte, weshalb ihm dieser Asylgrund zukommt.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass es sich um eine
Einzelfallbeurteilung handelt und analog zur Rechtsprechung zur Verfolgung nicht geborener
Christen im Iran auch bei der hier verfolgten Minderheit bei persönlicher Verfolgung ein Asylgrund vorliegt.
Eine Ausfertigung des Erkenntnisses wurde innerhalb der Frist des § 29 Abs. 4 VwGVG nicht beantragt. Die Ausfertigung konnte daher gemäß § 29 Abs 5 VwGVG in gekürzter Form erfolgen.
Schlagworte
Asylgewährung, gekürzte AusfertigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2203366.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.03.2020