TE Bvwg Beschluss 2019/11/29 G307 2222472-2

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Veröffentlicht am 29.11.2019
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Entscheidungsdatum

29.11.2019

Norm

AVG §57 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2

Spruch

G307 2222472-2/10Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über den Antrag des XXXX, geb. am XXXX,

StA.: Afghanistan, vertreten durch die Diakonie, gemeinnützige Flüchtlingsgesellschaft mbH - ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien, auf

Erlassung einer einstweiligen Anordnung beschlossen:

A)

Dem an das Verwaltungsgericht gerichteten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung wird insoweit stattgegeben, als dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgetragen wird, die Abschiebung des in Schubhaft befindlichen Beschwerdeführers bis zur (negativen) Entscheidung in dem zu Ra 2019/14/0405 vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren auszusetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG :

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Oberösterreich, vom Antragsteller (im Folgenden: AS) persönlich übernommen am XXXX2019 um 15:20 Uhr, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den AS die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung angeordnet.

1.2. Aufgrund der gegen die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX2019 erhobenen Beschwerde führte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 29.10.2019 in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen die bekämpfte Anhaltung seit dem erwähnten Zeitpunkt als zulässig erachtet wurde.

1.3. Der - antragsgemäß erstellten - schriftlichen Ausfertigung folgte der am 11.11.2019 beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) eingebrachte Antrag auf Erlassung einer zumindest vorläufigen einstweiligen Anordnung, welcher am 14.11.2019 dort einlangte. Dieser Antrag wurde am selben Tag zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet und dieses mit der Entscheidung im gegenständlichen Fall betraut.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA sowie des Beschwerdevorbringens.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3. Zur Zuständigkeit

3.1. Der VwGH hat in seinem Beschluss vom 31.10.2019, Zahl Ra 2019/20/0470-4 (welchen er auch vorliegend ins Treffen geführt hat) unter anderem erwogen:

Nach ihrem Inhalt ergibt sich aus der Antragsbegründung, wonach zwischen dem Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe, der diesbezüglichen Entscheidung und der Ausfertigung und Einbringung der Revision durch eine rechtsanwaltliche Vertretung mehrere Wochen vergehen könnten, in denen die zu bekämpfende Entscheidung bereits vollstreckt werden könne, dass der Antrag erkennbar das Ziel verfolgt, dem BFA die Abschiebung des Antragstellers (mindestens) so lang zu verbieten, bis der Antragsteller mithilfe eines in weiterer Folge im Rahmen der bewilligten Verfahrenshilfe bestellten (oder bei Nichtgewährung der Verfahrenshilfe: selbst gewählten) Rechtsanwalts zur Einbringung einer Revision, verbunden mit einem Antrag, ihr aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, in der Lage ist.

10 Dies lässt erkennen, dass sich der Antrag nicht akzessorisch zum Verfahren über die Gewährung der Verfahrenshilfe verhält, sondern zum Verfahren über die beabsichtigte Revision, die beim Verwaltungsgericht einzubringen ist. Seinem Inhalt nach ist der Antrag so zu verstehen, dass bereits vor Revisionseinbringung die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Sicherung der über die Revision ergehenden Entscheidung begehrt wird.

11 Daher ist auch auf den vorliegenden Antrag die Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts und jener des Verwaltungsgerichthofes für Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz im Revisionssystem übertragbar. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof - sowohl für Anträge auf Erlassung einstweiliger Anordnungen als auch für Anträge auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung - die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts angenommen, bei dem die Revision einzubringen ist. Hinsichtlich auf Unionsrecht gestützter Anträge auf einstweilige Anordnung hat er dies u.a. damit begründet, dass zur Bestimmung der Zuständigkeit zur Erlassung darüber absprechender Beschlüsse im Revisionsverfahren von der "sachnächsten Zuständigkeit" auszugehen ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls bis zur Vorlage der Revision nicht berufen und somit unzuständig (vgl. VwGH 29.10.2014, Ro 2014/04/0069; 20.4.2017, Ra 2017/19/0113; 25.4.2017, Ra 2017/16/0039; 27.11.2018, Ra 2018/14/0139-142; 25.2.2019, Ra 2018/19/0611). Das Verwaltungsgericht ist sowohl bei einer ordentlichen Revision als auch im Falle einer außerordentlichen Revision bis zur Vorlage der Revision an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision (oder einen Antrag auf Erlassung einstweiliger Anordnungen) zuständig und zur Entscheidung verpflichtet.

12 Dem Argument, dass das Verwaltungsgericht "keine Kenntnis über den Inhalt des vorliegenden Antrags auf Verfahrenshilfe" habe, ist die Rechtsprechung des EuGH und (ihm folgend) des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, aus der sich ergibt, dass unionsrechtlich begründete Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, sowie den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung dem ersten Anschein nach rechtfertigende Sach- und Rechtsgründe anführen müssen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter darf diesen nur dann gewähren, wenn die Notwendigkeit der Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht (fumus boni iuris) und ferner dargetan ist, dass sie dringlich in dem Sinne ist, dass sie zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gut zu machenden Schadens für die Interessen des Antragstellers bereits vor der Entscheidung der Hauptsache erlassen werden und ihre Wirkungen entfalten muss (vgl. VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0056 mit Hinweis ua. auf EuGH 20.11.2017, C-441/17 R, Europäische Kommission gegen Republik Polen, Rz 28 ff). Das Unionsrecht verlangt somit nicht, dass das für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zuständige Gericht bereits vor Antragstellung Kenntnis über die relevanten Umstände hat, sondern es liegt am Antragsteller, dem zuständigen Gericht diese Kenntnis zu verschaffen. Im Übrigen ist bereits die Prämisse unzutreffend, dass der Verwaltungsgerichtshof im Stadium der Einbringung des Verfahrenshilfeantrags - abgesehen von dem bei ihm eingebrachten Antrag - umfassendere Kenntnis über das zugrundeliegende Verfahren hätte als das bereits zuvor mit dieser Rechtsangelegenheit befasste Verwaltungsgericht.

13 Der Antragsteller hat den vorliegenden Antrag ausdrücklich an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet und damit die Erlassung der einstweiligen Anordnung durch den Verwaltungsgerichtshof begehrt. Für deren Erlassung ist der Verwaltungsgerichtshof aus den obigen Erwägungen jedoch unzuständig. Diese Unzuständigkeit führt zur Zurückweisung des vorliegenden Antrages, weil die Frage der Zuständigkeit in einer Konstellation, wie sie hier vorliegt, in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht geklärt wurde und nicht offenkundig ist (vgl. VwGH 29.10.2014, Ro 2014/04/0069, mwN).

14 Der Antrag ist daher schon von vornherein im Sinn des § 34 Abs. 1 VwGG als nicht zur Behandlung durch den Verwaltungsgerichtshof geeignet und daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat (vgl. zur Zuständigkeit des Senates nochmals Ro 2014/04/0069, mwN) ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (vgl. VwGH 20.12.2016, Fr 2016/21/0020; 27.11.2018, Ra 2018/14/0139-0142; 25.2.2019, Ra 2018/19/0611).

3.2. Die hier anzuwendenden Bestimmungen der Grundrechtecharta der Europäischen Union lauten:

Gemäß Art. 6 hat jede Person das Recht auf Freiheit und Sicherheit.

Gemäß Art 19 Abs. 2 GRC darf niemand darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.

Gemäß Art 47 hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.

Der AS befindet sich aktuell in Schubhaft. Am 25.10.2019 erhob der AS durch die Diakonie, gemeinnützige Flüchtlingsgesellschaft - ARGE Rechtsberatung Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft seit dem XXXX2019. Diese Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 29.10.2019, Zahl G307-2222472-2/7E unter anderem als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der AS stellte am 23.05.2019 neuerlich einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Gegen den darauf ergangenen Bescheid, mit welchem dieser Antrag wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurde, erhob der AS an das Bundesverwaltungsgericht Beschwerde. Mit Erkenntnis vom 01.07.2019, Zahl W192 2220447-1/2E, wies das BVwG diese Beschwerde in allen Spruchpunkten als unbegründet ab. Dagegen erhob der AS außerordentliche Revision an den VwGH, welcher wiederum mit Beschluss vom 16.10.2019, Zahl Ra 2019/14/0405-7 der dortigen Revision aufschiebende Wirkung zuerkannte. Das zu dieser Zahl vor dem dortigen Gerichtshof geführte Verfahren ist noch im Laufen. Dessen Ausgang ist jedoch ungewiss und bedeutete die Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung mittelbar eine "Vorwegnahme" in Bezug auf die im Revisionsverfahren zum Asylantrag seitens des VwGH dann zu ergehende Entscheidung (sollte dieser das Erkenntnis des BVwG Zahl W192 2220447-1/2E, aufheben).

Über die Zulässigkeit der Anhaltung in Schubhaft wurde seitens des BVwG bereits entgegen dem dortigen Beschwerdeantrag des Antragstellers entschieden. Deren Aufhebung kam daher - vermittelt durch den gegenständlichen Antrag - nicht in Betracht. Damit widerspräche das beschließende Gericht vorliegend seiner eigenen Entscheidung. Wie dem Antragsinhalt zu entnehmen ist, zielt das vorliegende Begehren (auch) auf die Verhinderung der Abschiebung ab, zumal die Schubhaft hier auf deren Effektuierung abzielt.

Die Effektuierung der Abschiebung hätte vorliegend auch zur Folge, dass der BF im Falle einer positiven Entscheidung des vom VwGH zu Ra 2019/14/0405 geführten Verfahrens seiner aus dem dortigen Verfahren resultierenden Rechte beraubt würde.

Im Übrigen ergibt sich dem Wortlaut des § 61 Abs. 1a iVm § 61 Abs. 3 VwGG unmissverständlich, dass es im Fall der Erhebung außerordentlicher Revisionen der Antrag auf Verfahrenshilfe (dem auch die Prozesskostenhilfe unterzuordnen ist), direkt beim VwGH gestellt werden muss. Eine dahingehende Entscheidung war dem BVwG daher verwehrt.

Die im Spruch erlassene Anordnung erging deshalb nur vorläufig, weil - wie bereits erwähnt - noch nicht feststeht, wie der VwGH im Rahmen des bei ihm zu Ra 2019/14/0405-7 geführten Verfahrens entscheiden wird.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass dem Antrag stattzugeben war.

Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aussetzung der Entscheidung, Schubhaft, Verwaltungsgerichtshof

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G307.2222472.2.01

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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