TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/13 G314 2226243-1

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Veröffentlicht am 13.12.2019
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Entscheidungsdatum

13.12.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch

G314 2226243-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des albanischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 02.11.2019, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Einreiseverbots, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und das Absehen von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise beschlossen und zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids

wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Im Übrigen wird der Beschwerde teilweise Folge gegeben und Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen".

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Bei einer polizeilichen Kontrolle des Beschwerdeführers (BF) am XXXX.2019 wurde eine Überschreitung des visumfreien Aufenthalts festgestellt. Nach seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde ihm mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Albanien zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgesehen (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Am XXXX.2019 wurde der BF nach Albanien abgeschoben.

Gegen die Spruchpunkte IV., V. und VI. des Bescheids richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, diese zu beheben und festzustellen, dass dem BF eine Frist für die freiwillige Ausreise hätte eingeräumt werden müssen, in eventu, die Dauer des Einreiseverbots zu verkürzen. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die aufschiebende Wirkung zu Unrecht aberkannt worden sei, weil sie nur mit der Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer begründet worden sei. Ihm hätte eine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt werden müssen. Er sei nicht mittellos, weil er regelmäßig Geld von seinem Bankkonto abgehoben habe und von seiner Freundin unterstützt werde. Die Behörde habe keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose durchgeführt. Er sei unbescholten; ihm würden (abgesehen von der Überschreitung des visumfreien Aufenthalts) keine Verwaltungsübertretungen zur Last fallen. Er habe sich kooperativ verhalten. Ein dreijähriges Einreiseverbot sei unverhältnismäßig.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.

Feststellungen:

Der BF kam am XXXX im albanischen Ort XXXX zur Welt. Er ist albanischer Staatsangehöriger und spricht Albanisch. In seinem Herkunftsstaat besuchte er die Schule, die er mit der Reifeprüfung abschloss, begann anschließend ein Universitätsstudium und war als Topograf erwerbstätig.

Der BF hat einen am 27.12.2018 ausgestellten und bis 26.12.2028 gültigen (biometrischen) albanischen Reisepass, mit dem er am 27.01.2019 über Ungarn in das Schengen-Gebiet einreiste, das er dann bis zu seiner Abschiebung nicht mehr verließ. Er hielt sich vorwiegend in Deutschland auf, verbrachte aber im Februar 2019 ungefähr eine Woche in Österreich und kehrte kurz vor dem XXXX.2019 in das österreichische Bundesgebiet zurück. Er hatte vor, jedenfalls bis Jänner 2020 in Österreich oder Deutschland bleiben, wo er hoffte, einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Bislang hat er einen solchen noch nicht einmal beantragt.

Bei seiner Einreise hatte er ungefähr EUR 900 bei sich. Als er am XXXX.2019 aufgegriffen wurde, hatte er noch EUR 180. Weitere finanzielle Mittel können nicht festgestellt werden.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er ist ledig und kinderlos. Er hat keinen österreichischen Aufenthaltstitel. In strafrechtlicher Hinsicht ist er unbescholten. Er war in Österreich - abgesehen von der Zeit seiner Anhaltung im Polizeianhaltezentrum vor der Abschiebung am XXXX.2019 - nie mit Wohnsitz gemeldet.

In Österreich hat der BF Freunde. Seine hier lebende Freundin, bei der er sich während seiner Aufenthalte im Bundesgebiet aufhielt, unterstützt ihn finanziell. Er hat hier aber keine familiären oder sonstigen sozialen Bindungen und ist weder sprachlich noch beruflich noch gesellschaftlich integriert. Er hat einen Onkel in Italien und mehrere Cousins in Deutschland; weitere familiäre oder sonstige private Bindungen in anderen Vertragsstaaten bestehen nicht.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor. Die Angaben des BF bei der Einvernahme vor dem BFA waren grundsätzlich schlüssig und plausibel und können der Entscheidung daher zugrunde gelegt werden.

Die Identität des BF wird durch seine Angaben dazu, die mit der vorliegenden Kopie aus seinem Reisepass übereinstimmen, belegt. Aus dem Grenzkontrollstempel darin ergibt sich, dass er am 27.01.2019 nach Ungarn einreiste. Sein anschließender Aufenthalt in Deutschland bzw. Österreich wird anhand seiner Schilderung vor dem BFA festgestellt, deren Richtigkeit durch das Fehlen weiterer Grenzkontrollstempel im Reisepass untermauert wird.

Der BF schilderte seine Ausbildung und Erwerbstätigkeit in Albanien vor dem BFA. Die Feststellungen, er habe gehofft, einen deutschen Aufenthaltstitel zu erhalten, bislang aber keinen beantragt, und er habe vorgehabt, bis Anfang 2020 in Österreich oder Deutschland zu bleiben, beruhen auf seiner Aussage vor dem BFA.

Die Barmittel des BF werden anhand seiner Angaben vor dem BFA festgestellt. Er gab zwar an, eine Bankomatkarte zu haben, mit der er immer Geld abhebe, wenn er es brauche, machte aber keine Angaben zur Herkunft seiner finanziellen Mittel, sodass keine gesicherte Grundlage für eine entsprechende Feststellung besteht. Für finanzielle Mittel, die über EUR 180 in bar hinausgehen, liegen keine objektiven Beweise vor. Es ist unklar, ob der BF mit der Bankomatkarte über ein Bankguthaben verfügt oder ob er durch die Bankomatbehebungen Schulden macht, zumal er sich seit Anfang 2019 im Schengengebiet aufhält, wo er nicht legal arbeiten kann, und daher keine Möglichkeit hatte, weitere Mittel legal zu erwerben. Auf die Unterstützung durch seine Freundin besteht kein Rechtsanspruch, sodass solcherart erworbene Mittel nicht entscheidungswesentlich sind und keine entsprechende Feststellung getroffen wird.

Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte für Sorgepflichten, gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des BF ergeben; vor dem BFA bezeichnete er sich als ledig und gesund. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels wird vom BF nicht behauptet und lässt sich weder den Verwaltungsakten noch dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) entnehmen. Seine strafgerichtliche Unbescholtenheit in Österreich geht aus dem Strafregister hervor; Anhaltspunkte für strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten bestehen nicht. Abgesehen von der Hauptwohnsitzmeldung im Polizeianhaltezentrum XXXX ab XXXX.2019 bestehen laut dem Zentralen Melderegister (ZMR) keine Wohnsitzmeldungen des BF in Österreich.

Die Feststellungen zu den Anknüpfungen des BF in Österreich und anderen Vertragsstaaten basieren auf seinen Angaben vor dem BFA. Es sind keine Hinweise auf eine Integration oder ein Abhängigkeitsverhältnis zu hier lebenden Personen zutage getreten, zumal auch der Beschwerde keine weiteren relevanten privaten oder familiären Bindungen des BF in Österreich oder anderen Vertragsstaaten zu entnehmen sind.

Rechtliche Beurteilung:

Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen

Bescheids:

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Gemäß § 55 Abs 4 FPG hat das BFA von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs 2 BFA-VG aberkannt wurde.

Da keine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung erhoben wurde und diese somit rechtskräftig ist, kommt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht in Betracht, ebensowenig die nachträgliche Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Da der BF nach dem Ablauf der zulässigen visumfreien Aufenthaltsdauer im Schengengebiet blieb und sich ohne Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet aufhielt, ist die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG unabhängig davon auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG liegen nicht vor. Daran anknüpfend ist gemäß § 55 Abs 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen. Daher ist Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids nicht zu beanstanden.

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte VI. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des oder der Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Zu den Voraussetzungen für den visumfreien Aufenthalt des BF im Schengengebiet gehört gemäß Art 6 Abs 1 lit a, c, d und e der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex [SGK]; vgl. § 2 Abs 4 Z 22a FPG) und Art 5 Abs 1 lit a, c, d und e Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ; vgl. § 2 Abs 4 Z 6 FPG) unter anderem, dass er den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen kann, über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben, und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellt.

Gemäß Art 6 Abs 4 SGK werden die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts nach der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts und unter Zugrundelegung der Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung in dem betreffenden Mitgliedstaat nach Maßgabe eines mittleren Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte bewertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage multipliziert werden. Die Feststellung ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts kann anhand von Bargeld, Reiseschecks und Kreditkarten erfolgen, die sich im Besitz des Drittstaatsangehörigen befinden. Sofern in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen, können auch Verpflichtungserklärungen und - im Falle des Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen bei einem Gastgeber - Bürgschaften von Gastgebern im Sinne des nationalen Rechts Nachweise für das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellen.

Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Einschätzung des BFA, der BF habe das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht nachgewiesen, ist nicht zu beanstanden, zumal er bei der Festnahme nur EUR 180 bei sich hatte und keine Bescheinigungsmittel für weitere finanzielle Mittel vorlegte. Insbesondere wurden keine Nachweise für ein Bankguthaben oder die behauptete Unterstützung durch seine Freundin vorgelegt. Ebensowenig ist erkennbar, dass die Mittel des BF nicht aus illegalen Quellen stammen, zumal er sich ungefähr zehn Monate lang im Schengengebiet aufhielt, wo er keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hat. Da kein Unterhaltsanspruch des BF gegen seine Freundin besteht, hat er keinen Rechtsanspruch auf ihre finanzielle Unterstützung, zumal keine Verpflichtungserklärung vorgelegt wurde. Außerdem lassen sich weder der Beschwerde noch den Verwaltungsakten Informationen zu ihrer Einkommens- und Vermögenslage entnehmen lassen, sodass offenbleibt, ob sie überhaupt in der Lage war, den BF maßgeblich finanziell zu unterstützen. Da er noch bis Jänner 2020 in Österreich oder Deutschland bleiben wollte, sind EUR 180 für die Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung während der beabsichtigten Aufenthaltsdauer und für die Rückreise nach Albanien nicht als ausreichend anzusehen sind, zumal er keine Möglichkeit hatte, weitere Unterhaltsmittel auf legalem Weg zu erwerben.

Aus der Mittellosigkeit des BF resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs 2 FPG gerechtfertigt ist (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309). Da dem BF neben dem Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel auch zur Last fällt, dass er die zulässige visumfreie Aufenthaltsdauer von 90 Tagen in 180 Tagen massiv überschritt und sich 286 Tage durchgehend im Schengengebiet aufhielt, geht von ihm eine signifikante Gefährdung öffentlicher Interessen aus, zumal bei seinen Aufenthalten in Österreich auch keine Wohnsitzmeldung bestand. Dem BFA ist somit darin beizupflichten, dass für ihn keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden kann und trotz der bereits erfolgten Abschiebung eine erhebliche Wiederholungsgefahr besteht.

Private oder familiäre Interessen des BF stehen der Verhängung eines bis zu fünfjährigen Einreiseverbots nicht entgegen. Es bestehen keine signifikanten privaten, sozialen, beruflichen oder gesellschaftlichen Anknüpfungen in Österreich oder anderen Vertragsstaaten. Er hat auch noch starke Bindungen zu seinem Heimatstaat Albanien, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte, die Schule absolvierte und als Topograph erwerbstätig war. Als gesundem, alleinstehendem jungem Mann mit einer abgeschlossenen Ausbildung wird es ihm möglich sein, sich nach der Rückkehr nach Albanien dort auch wieder eine Existenzgrundlage zu schaffen. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF vermag weder sein Interesse an einem Verbleib zu verstärken noch das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthalts und der Missachtung melderechtlicher Vorschriften sind ihm Verstöße gegen die öffentliche Ordnung iSd § 9 Abs 2 Z 7 BFA-VG anzulasten. Den Behörden zurechenbare überlange Verfahrensverzögerungen liegen nicht vor.

Im Ergebnis sind somit die Voraussetzungen für die Erlassung eines maximal fünfjährigen Einreiseverbots erfüllt, zumal der BF den Kontakt zu seinen in Italien und Deutschland lebenden Angehörigen durch Kommunikationsmittel wie Internet oder Telefon sowie bei Besuchen in Albanien oder in anderen Staaten, für die das Einreiseverbot nicht gilt, pflegen kann. Die Dauer des Einreiseverbots ist aber - in teilweiser Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids - auf zwei Jahre zu reduzieren, was dem Fehlverhalten des strafgerichtlich unbescholtenen BF entspricht, zumal nur ein Tatbestand des § 53 Abs 2 FPG erfüllt ist. Dadurch bleibt auch eine Steigerung der Sanktion bei einem neuerlichen, allenfalls schwerwiegenderen Fehlverhalten möglich.

Zum Entfall einer Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt eine Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG, zumal davon keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist.

Zu Spruchteil C):

Die Revision ist nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte. Die Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots können jeweils nur im Einzelfall vorgenommen werden (siehe VwGH 17.09.2019, Ra 2019/18/0358)

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, Einreiseverbot, Herabsetzung,
Interessenabwägung, Milderungsgründe, öffentliche Interessen,
Unbescholtenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2226243.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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