TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/27 W277 2144062-1

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Veröffentlicht am 27.01.2020
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Entscheidungsdatum

27.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §54
FPG §55
FPG §58 Abs2

Spruch

W277 2144064-1/25E

W277 2144062-1/16E

W277 2144060-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.)

XXXX , geb. XXXX und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. der Russischen Föderation, vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zlen. 1.) XXXX ,

2.) XXXX und 3.) XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II der angefochtenen Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird den Beschwerden stattgegeben und festgestellt, dass die Rückkehrentscheidungen gegen XXXX und XXXX , auf Dauer unzulässig sind.

Gemäß §§ 54 iVm 55 und 58 Abs. 2 werden XXXX und XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" und XXXX die "Aufenthaltsberechtigung" jeweils für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Die Erstbeschwerdeführerin (in der Folge: BF1) ist die Mutter der mittlerweile volljährigen Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge: BF2) und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers (in der Folge: BF3). Die Beschwerdeführer (in der Folge: BF) sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Zugehörige der tschetschenischen Volksgruppe.

1.1. Am XXXX stellten die BF Anträge auf internationalen Schutz. Die BF1 und die BF2 wurden hierzu vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX erstbefragt.

1.2. Am XXXX wurden die BF1 und BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) niederschriftlich einvernommen. BF1 gab als gesetzliche Vertreterin von BF2 und BF3 an, dass diese keine eigenen Fluchtgründe hätten. BF2 bestätigte dies in Bezug auf ihre Person. Vorgelegt wurde ein Konvolut an Integrationsunterlagen.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA vom XXXX wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde den BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

3. Das BFA stellte den BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

4. Mit Schriftsatz vom XXXX erhoben die BF durch ihren Rechtsvertreter binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragten nach Wiederholung der Fluchtgründe die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Vorgelegt wurden Integrationsunterlagen.

5. Mit Eingaben der Rechtsvertretung der BF vom XXXX wurden weitere Integrationsunterlagen der BF zur Vorlage gebracht.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an welcher die BF und ihre Rechtsvertretung teilnahmen. Die BF wurden ausführlich zu ihrer Person und den Fluchtgründen befragt, es wurde ihnen Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten und ihnen mit der Ladung zugestellten Länderberichten Stellung zu nehmen. Die BF legten folgende Unterlagen vor: Eine Schulbesuchsbestätigung der BF2 vom XXXX (Beilage ./A), eine Bestätigung vom XXXX über eine XXXX teilnahme der BF2 (Beilage ./B), eine Bestätigung vom XXXX bezüglich der schulischen Leistungen der BF2 (Beilage ./C), vier Empfehlungsschreiben (Beilage ./D), Zeichnungen der BF2 (Beilage ./E), eine Schulbestätigung des BF3 (Beilage /.F) und ein XXXX als Reinigungskraft betreffend die BF1 (./G). Dem Antrag der BF1 zur Gewährung einer Frist bis XXXX zur Vorlage einer Bestätigung einer XXXX betreffend die Zusage einer beruflichen Aufnahme der BF2 nach Absolvierung der Schule und über eine Integrationsprüfung Niveau B1 der BF1 wurde stattgegeben.

7. Mit Schreiben vom XXXX teilte die BF1 mit, dass die BF die Integrationsprüfung Niveau B1 erfolgreich abgeschlossen, das vorzulegende Zertifikat jedoch auf dem Postweg verloren gegangen sei und die Bearbeitung des Nachforschungsauftrags voraussichtlich drei Wochen dauern würde.

8. Am XXXX ersuchte das BVwG den XXXX um Mitteilung bis XXXX , ob die BF1 eine Deutschprüfung abgelegt habe. Ebenso wurde die BF1 aufgefordert, ein Zertifikat bzw. eine Bestätigung des Versandbetriebes über den Verlust und ein Duplikat des Zertifikats bis XXXX vorzulegen. Weiters wurde die BF2 aufgefordert, eine Zusagebestätigung der XXXX bis zu jenem Datum vorzulegen.

9. Am XXXX teilte der Österreichische Integrationsfonds mit, dass die BF1 am XXXX die Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 erfolgreich absolviert hat.

10. Mit Vorlage vom XXXX übermittelten die BF das Zeugnis der Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 betreffend die BF1, eine Zusagebestätigung über die Aufnahme in eine Ausbildungsstelle als

XXXX betreffend die BF2, sowie eine aktuelle Schulbesuchsbestätigung betreffend den BF3.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Strafregisterabfrage durch. Es scheint keine Verurteilung auf.

II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der BF

1.1.1. Die BF1 ist eine russische Staatsangehörige und gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an. Sie ist in XXXX , Republik Tschetschenien geboren und ist dort aufgewachsen. Von XXXX bis XXXX lebte sie in XXXX , Föderationskreis XXXX , und von XXXX bis zur Ausreise in XXXX , Republik XXXX . Sie ist muslimischen Glaubens.

Die BF1 ist volljährig, im erwerbsfähigen Alter und spricht Russisch und Tschetschenisch. Sie hat im Herkunftsstaat von XXXX die Grundschule besucht, als XXXX gearbeitet und mit dieser beruflichen Tätigkeit für den Unterhalt der Familie gesorgt.

Die Mutter und der Bruder der BF leben in einer Eigentumswohnung in XXXX , Föderationskreis XXXX . Der Bruder der BF1 geht einem Erwerb nach, ihre Mutter bezieht eine Alterspension. Weiters leben Tanten und Onkel der BF1 in der Russischen Föderation. Eine Tante lebt in XXXX , Föderationskreis XXXX .

Die BF1 hat regelmäßigen Kontakt zu ihrer Mutter und ihrem Bruder.

Die BF1 hat im Herkunftsstaat traditionell geheiratet. Der Aufenthaltsort des Ehemannes ist unbekannt. Die Geschwister und die Mutter des Ehemanns leben in XXXX , Republik Tschetschenien. Die BF1 hat keinen Kontakt zu ihrem Ehemann und seiner Familie.

1.1.2. Die BF2 ist die mittlerweile volljährige Tochter, der BF3 ist der minderjährige Sohn der BF1. Die BF2 und der BF3 haben keinen Kontakt zu ihrem Vater.

1.1.3. Die BF leiden an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung und sind strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der BF

Die BF sind keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Russische Föderation ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation

Aus dem ins Verfahren eingeführten, mit der Ladung zugestellten und im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 30.09.2019 (in der Folge: LIB) zitierten Länderberichten zur Lage in der Russischen Föderation ergibt sich Folgendes:

1.3.1. Rechtsschutz / Justizwesen - Tschetschenien und Dagestan

Das russische föderale Recht gilt für die gesamte Russische Föderation, einschließlich Tschetscheniens und Dagestans. Neben dem russischen föderalen Recht spielen sowohl Adat als auch Scharia eine wichtige Rolle in Tschetschenien. Republiksoberhaupt Ramzan Kadyrow unterstreicht die Bedeutung, die der Einhaltung des russischen Rechts zukommt, verweist zugleich aber auch auf den Stellenwert des Islams und der tschetschenischen Tradition.

Die formale Qualität der Arbeit der Judikative ist vergleichbar mit anderen Teilen der Russischen Föderation, jedoch wird ihre Unabhängigkeit stärker angegriffen als anderswo, da Kadyrow und andere lokale Beamte Druck auf Richter ausüben (EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection).

Bestimmte Gruppen genießen keinen effektiven Rechtsschutz, hierzu gehören auch Frauen, welche mit den Wertvorstellungen ihrer Familie in Konflikt geraten (AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation).

1.3.2. Sicherheitsbehörden

Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten geteilt. Zivile Behörden halten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte aufrecht. Obwohl es Mechanismen zur Untersuchung von Misshandlungen gibt, werden Misshandlungsvorwürfe gegen Polizeibeamte nur selten untersucht und bestraft. Straffreiheit ist weit verbreitet (US DOS - United States Department of State (13.3.2018): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2018 - Russland).

Nach überzeugenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden insbesondere sozial Schwache und Obdachlose, Betrunkene, Ausländer und Personen "fremdländischen" Aussehens Opfer von Misshandlungen durch die Polizei und Untersuchungsbehörden. Nur ein geringer Teil der Täter wird disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt. Die im Februar 2011 in Kraft getretene Polizeireform hat bislang nicht zu spürbaren Verbesserungen in diesem Bereich geführt (AA 13.2.2019).

Die zivilen Behörden auf nationaler Ebene haben bestenfalls eine begrenzte Kontrolle über die Sicherheitskräfte in der Republik Tschetschenien, die nur dem Chef der Republik, Kadyrow, unterstellt sind (US DOS 13.3.2019). Vor allem tschetschenische Sicherheitsbehörden können Menschenrechtsverletzungen straffrei begehen (HRW - Human Rights Watch (7.2018): Human Rights Watch Submission to the United Nations Committee Against Torture on Russia, vgl. AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation). Bei der tschetschenischen Polizei grassieren Korruption und Missbrauch, weshalb die Menschen bei ihr nicht um Schutz ansuchen. Die Mitarbeiter des Untersuchungskomitees (SK) sind auch überwiegend Tschetschenen und stammen aus einem Pool von Bewerbern, die höher gebildet sind als die der Polizei. Einige Angehörige des Untersuchungskomitees versuchen, Beschwerden über tschetschenische Strafverfolgungsbeamte zu untersuchen, sind jedoch "ohnmächtig, wenn sie es mit der tschetschenischen OMON [Spezialeinheit der Polizei] oder anderen, Kadyrow nahestehenden "unantastbaren Polizeieinheiten" zu tun haben" (EASO 3.2017).

1.3.3. Relevante Bevölkerungsgruppen - Frauen im Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien

Die Situation von Frauen im Nordkaukasus unterscheidet sich zum Teil von der in anderen Regionen Russlands. Fälle von Ehrenmorden, häuslicher Gewalt, Entführungen und Zwangsverheiratungen sind laut NGOs nach wie vor ein Problem in Tschetschenien (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation, vgl. AA 13.2.2019). Verlässliche Statistiken dazu gibt es kaum. Die Gewalt gegen Frauen bleibt in der Region ein Thema, dem von Seiten der Regional- und Zentralbehörden zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Erschwert wird die Situation durch die Ko-Existenz dreier Rechtssysteme in der Region - dem russischen Recht, dem Gewohnheitsrecht ("Adat") und der Scharia. Gerichtsentscheidungen werden häufig nicht umgesetzt, lokale Behörden richten sich mehr nach "Traditionen" als nach den russischen Rechtsvorschriften. Insbesondere der Fokus auf traditionelle Werte und Moralvorstellungen, die in der Republik Tschetschenien unter Ramzan Kadyrow propagiert werden, schränkt die Rolle der Frau in der Gesellschaft ein. Das Komitee zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau sprach im Rahmen seiner Empfehlungen an die Russische Föderation in diesem Zusammenhang von einer "Kultur des Schweigens und der Straflosigkeit" (ÖB Moskau 12.2018). Außerdem weist sie auf eine Form der Polygamie hin, die zwar offiziell nicht zulässig, aber durch die Parallelität von staatlich anerkannter und inoffizieller islamischer Ehe faktisch möglich ist (AA 13.2.2019).

Die Behandlung von Frauen, wie sie heute existiert, soll aber nie eine Tradition in Tschetschenien gewesen sein. Frauen sind sowohl unter islamischem Recht als auch im Adat hochgeschätzt (EASO - European Asylum Support Office (9.2014): Bericht zu Frauen, Ehe, Scheidung und Sorgerecht in Tschetschenien (Islamisierung; häusliche Gewalt; Vergewaltigung; Brautentführung; Waisenhäuser)). Allerdings ist die Realität in Tschetschenien, dass Gewalt gegen Frauen weit verbreitet und die Situation im Allgemeinen für Frauen schwierig ist. Auch die Religion ist ein Rückschlag für die Frauen und stellt sie in eine den Männern untergeordnete Position (EASO 9.2014, vgl. Welt.de (14.2.2017): Immer ein echter Mann zu sein - das ist eine Last).

Häusliche Gewalt, die überall in Russland ein großes Problem darstellt, gehört in den nordkaukasischen Republiken zum Alltag (Welt.de 14.2.2017). Zivilgesellschaftliche Initiativen widmen sich jedoch der Unterstützung nordkaukasischer Frauen (ÖB Moskau 12.2018).

1.3.4. Bewegungsfreiheit

In der Russischen Föderation herrscht Bewegungsfreiheit sowohl innerhalb des Landes als auch bei Auslandsreisen, ebenso bei Emigration und Repatriierung (US DOS 13.3.2019).

1.3.5. Grundversorgung - Nordkaukasus

Die nordkaukasischen Republiken stechen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden noch immer zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2019a):

Russland, Geschichte und Staat; vgl. ÖB Moskau 12.2018), obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind. Dennoch hat sich die Lage im Nordkaukasus verbessert, wenngleich es verfrüht erscheint, von einer nachhaltigen Stabilisierung zu sprechen. Vor allem die wirtschaftliche Situation in Tschetschenien hat sich aufgrund massiver Transferzahlungen aus dem föderalen Budget in den letzten Jahren einigermaßen stabilisiert. Wenngleich die föderalen Transferzahlungen wichtig bleiben, konnten in den vergangenen Jahren dank des massiven Engagements der Föderalen Behörden, insbesondere des Nordkaukasus-Ministeriums, signifikante Fortschritte bei der sozio-ökonomischen Entwicklung der Region erzielt werden (ÖB Moskau 12.2018).

Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkrieges dank großer Zuschüsse aus dem russischen föderalen Budget deutlich verbessert. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens, Grozny, ist wieder aufgebaut. Problematisch sind allerdings weiterhin die Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Armut und Perspektivlosigkeit von Teilen der Bevölkerung. Die Bevölkerungspyramide ähnelt derjenigen eines klassischen Entwicklungslandes mit hohen Geburtenraten und niedrigem Durchschnittsalter, und unterscheidet sich damit stark von der gesamtrussischen Altersstruktur (AA 13.2.2019).

1.3.6. Sozialbeihilfen

Die Russische Föderation hat ein reguläres Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Rentensystem. Leistungen hängen von der spezifischen Situation der Personen ab; eine finanzielle Beteiligung der Profitierenden ist nicht notwendig. Alle Leistungen stehen auch Rückkehrern offen (IOM - International Organisation of Migration (2018): Länderinformationsblatt Russische Föderation).

1.3.7. Rückkehr

Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands großen wirtschaftlichen Probleme sowie die damit einhergehende Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus. Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können. Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen weite Teile der russischen Bevölkerung und können somit nicht als spezifisches Problem von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich für Frauen aus dem Nordkaukasus, zu deren Bewältigung zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützend tätig sind. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. die nordkaukasischen Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt. Aus informierten Kreisen mit direktem Praxisbezug war zu erfahren, dass Rückkehrer gewöhnlich nicht mit Diskriminierung seitens der Behörden konfrontiert sind (ÖB Moskau 12.2018).

Es besteht keine allgemeine Gefährdung für die körperliche Unversehrtheit von Rückkehrern in den Nordkaukasus. Vereinzelt gibt es Fälle von Tschetschenen, die im Ausland einen negativen Asylbescheid erhalten haben, in ihre Heimat zurückgekehrt sind und nach ihrer Ankunft unrechtmäßig verfolgt worden sind. Das unabhängige Informationsportal Caucasian Knot schreibt in einem Bericht vom April 2016 von einigen wenigen Fällen, in denen Tschetschenen, denen im Ausland kein Asyl gewährt worden ist, nach ihrer Abschiebung drangsaliert worden wären (ÖB Moskau 12.2018). Die Stellung eines Asylantrags im Ausland führt aber nicht prinzipiell zu einer Verfolgung. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Polizei gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA 13.2.2019).

1.4. Zur Situation der BF im Falle einer Rückkehr

1.4.1. Den BF ist eine Rückkehr in die Russische Föderation - etwa XXXX - zumutbar, zumal sie ebendort über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen und von einer Unterstützung durch die Familie auszugehen ist.

1.4.2. Im Falle einer Rückkehr würden sie in keine existenzgefährdende Notlage geraten bzw. es würde ihnen nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen werden. Sie laufen folglich nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten. Es ist davon auszugehen, dass sie Unterstützung durch ihre Familie und Verwandten in der Russischen Föderation erhalten werden.

1.4.3. Im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat sind die BF nicht in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht.

1.4.4. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

1.5. Zur Situation der BF in Österreich

1.5.1. Die BF sind im XXXX illegal in das Bundesgebiet eingereist. Sie leben im Familienverband in einem gemeinsamen Haushalt. Sie haben keine sonstigen familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet.

1.5.2. Die BF1 trägt seit ihrer Einreise dafür Sorge, dass sie selbst und ihre Kinder, die BF2 und der BF3, sich in die österreichische Gesellschaft eingliedern. Sie hat sehr gute Deutschkenntnisse und zuletzt eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 absolviert.

Die BF1 ist in ihrer Gemeinschaft ehrenamtlich aktiv, indem sie regelmäßige Arbeiten im Altersheim und in der Kirche leistet. Eine selbstständige Bestreitung ihres Lebensunterhalts und ihrer Kinder ist anzunehmen, zumal sie einen XXXX für die XXXX bei einer XXXX mit einem monatlichen Nettolohn in der Höhe von XXXX Euro vorgelegt hat und ebenso die Aussicht auf eine Anstellung im Seniorenheim besteht. Die BF1 hat einen Freundes- und Bekanntenkreis, welcher sich für ihren Verbleib im Bundesgebiet einsetzt und diese als unverzichtbares Mitglied in der Gemeinschaft ansieht.

1.5.3. Die BF2 ist die mittlerweile volljährige Tochter der BF1, die auch weiterhin im Familienverband und im gemeinsamen Haushalt mit der BF1 und dem BF3 lebt. Sie spricht mühelos und flüssig Deutsch und besuchte Deutschkurse bis zum Niveau B1.2. Sie besuchte eine XXXX und befindet sich nun XXXX Jahr einer XXXX . Sie absolvierte Praktika im XXXX und wird bei erfolgreichem Abschluss der Schule im XXXX über Berufsabschlüsse als XXXX verfügen. Sie absolvierte weiters ein Praktikum im Bereich XXXX und beginnt demnächst in einer XXXX die Ausbildung zur Zahntechnikerin. Auch besuchte sie einen XXXX für SchülerInnen. Die BF2 hat einen Freundeskreis im Bundesgebiet, mit dem sie ihre Freizeit verbringt und fortgeht. Sie geht ihren Hobbies und Interessen nach, singt in einem XXXX und besucht einen Zeichenunterricht. Im XXXX besuchte sie den XXXX im Rahmen des Universitätslehrganges " XXXX " an der XXXX . Sie ist Mitglied in diesem XXXX .

1.5.4. Der BF3 geht im Bundesgebiet aktuell in eine XXXX XXXX . Er betätigt sich sportlich in einem Fußballverein und hat auch dort Freundschaften und Bekanntschaften geknüpft.

1.5.5. Bei den BF liegt eine außerordentliche Integration mit hohem Steigerungspotenzial vor.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person der BF

2.1.1. Die Identität der BF konnte mangels Vorlage glaubhafter Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich der Namen und der Geburtsdaten Verfahrensidentität vorliegt.

2.1.2. Die Feststellungen zur Staats-, Volkgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF gründen sich auf die insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG bzw. den Kenntnissen der russischen und tschetschenischen Sprachen der BF.

2.1.3. Die Feststellungen über den Geburts- und die Aufenthaltsorte der BF1 aus ihren glaubhaften Angaben (Niederschrift der mündlichen Verhandlung (in der Folge: NSV) S. 10). Es haben sich keine Hinweise ergeben an ihrer schulischen Ausbildung an einer Grundschule in XXXX von XXXX sowie ihrer Erwerbstätigkeit als XXXX zu zweifeln (Aktenseite (in der Folge: AS) 1f). Ihre Angabe betreffend eine universitäre Ausbildung kann mangels Vorlage von Unterlagen nicht festgestellt werden (AS1 sowie NSV, S.10).

2.1.4. Die Feststellungen den Aufenthalt der Mutter und des Bruders, die Erwerbstätigkeit des Bruders und den Alterspensionsbezug der Mutter betreffend (NSV S. 11f), sowie zum Aufenthalt der Onkel und Tanten, folgen gleichfalls den glaubhaften Angaben der BF1 (AS 77, NSV S. 13). Ebenso gab die BF1 in der mündlichen Verhandlung glaubhaft an, mit ihrer Mutter und ihrem Bruder regelmäßig in fernmündlichem Kontakt zu stehen (NSV S. 12).

2.1.5. Die BF1 ist nach eigenen Angaben mit XXXX , traditionell verheiratet (AS 1). Soweit die BF1 in der mündlichen Verhandlung vorbrachte, "automatisch" geschieden zu sein, weil sie fünf Jahre lang seit ihrer Ausreise nicht in Tschetschenien gewesen sei (NSV S. 12), stellt sich dies als bloße Spekulation dar, weshalb eine Scheidung nicht festgestellt werden kann. Die Feststellung, dass der aktuelle Aufenthaltsort des Ehemannes den BF nicht bekannt ist, folgt aus den glaubhaften Angaben der BF1 und BF2, wonach diese nicht wissen, wo er sich aktuell befindet (AS 76f, NSV S. 12 sowie 27). Die Feststellungen zum Aufenthaltsort der Geschwister und der Mutter ihres Ehemannes und zum mangelnden Kontakt ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben der BF1 (NSV S. 13).

2.1.6. Die Feststellungen zur BF2 und dem BF3 ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

2.1.7. Dass die Beschwerdeführer an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten leiden, stützt sich auf die glaubhaften Angaben der BF1 und der BF2 im Rahmen der mündlichen Verhandlung (NSV S. 8, 19 und 25). Es hat sich aufgrund des Gesamteindruckes der BF in der Verhandlung auch kein Hinweis ergeben daran zu zweifeln, weshalb keine Veranlassung bestand von Amts wegen eine Begutachtung des Gesundheitszustands vorzunehmen.

2.1.8. Dass die BF1 und die BF2 strafgerichtlich unbescholten sind, ergibt sich aus einem Auszug aus dem österreichischen Strafregister. Der BF3 ist strafunmündig.

2.2. Zum Fluchtvorbringen

2.2.1. Die Feststellung, dass die BF keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat der Russischen Föderation ausgesetzt sind, ergibt sich dem unglaubhaften Fluchtvorbringen.

2.2.2. Wie auch von der belangten Behörde festgestellt, waren die Angaben der BF1 betreffend der im Krieg zerstörten Eigentumswohnung in der XXXX glaubhaft (AS 287 sowie NSV S. 14). Allein daraus ergeben sich jedoch keine Hinweise auf eine staatliche Verfolgung der BF, zumal diese Probleme bereits über Jahre hinweg bestanden und die BF1 allein aus diesem Grund auch keine Verfolgung vorbrachte.

2.2.3. Nicht glaubhaft war hingegen, dass eine andere Person die Entschädigungsleistung für diese Wohnung erhalten habe, da das Vorbringen der BF1 insoweit vage, widersprüchlich und nicht nachvollziehbar war.

2.2.3.1. Zunächst verwickelte sich die BF in chronologische Widersprüche betreffend den Zeitpunkt der von ihr im Herkunftsland erstatteten Anzeige bezüglich die Kompensationszahlung.

So brachte die BF1 in der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX vor, im XXXX wegen der nicht ausbezahlten finanziellen Entschädigung eine Anzeige erstattet zu haben (AS 9). In der Einvernahme durch das BFA am XXXX gab die BF1 an, dass sie zur Auszahlung der Entschädigung Unterlagen eingereicht habe, ihr aber gesagt worden sei, dass eine andere Person ihre Entschädigung erhalten habe. Die BF1 habe Name und Adresse dieser Person erhalten (AS 78). Auf Nachfrage durch das BFA erklärte die BF1, dass sie im XXXX die Unterlagen für die Kompensationszahlung eingereicht habe (AS 80). Weiters brachte die BF1 vor, dass ihr Bruder jenen Mann, der die Zahlung fälschlich erhalten habe, aufgesucht habe. Danach sei ca. XXXX vergangen, bis die BF1 im XXXX eine Anzeige gegen den Mann erstattet habe (AS 79). Wenn die BF1 im XXXX die Unterlagen für die Kompensationszahlung eingereicht habe, später ihr Bruder jenen Mann, der die Zahlung erhalten habe, besucht habe, und nach diesem Besuch noch ca. XXXX bis zur Erstattung der Anzeige vergangen sei, ist es jedoch nicht möglich, dass die Anzeige im XXXX erstattet worden sei.

2.2.3.2. Weiters konnte die BF1 weder in der Einvernahme durch das BFA noch in der mündlichen Verhandlung die Person benennen, die statt ihr die Zahlung erhalten habe und gegen die sie Anzeige erstattet habe (AS 80, NSV S. 14). Auf Vorhalt, dass dies nicht glaubhaft sei, relativierte die BF1 in der mündlichen Verhandlung, dass sie die Anzeige nicht gegen jene Person gerichtet habe. Sie habe nur geschrieben, dass ihre Kompensationszahlung einer anderen Person ausgezahlt worden sei und dass sie darum bitte, dies zu klären (NSV S. 15). Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass sich die BF1 nicht an den Namen jener Person erinnern könne, zumal sie in dieser Angelegenheit mehrmals bei den Behörden gewesen sei (AS 78f) und es sich nicht um eine Nichtigkeit, sondern um die Auszahlung eines nicht unerheblichen Geldbetrags (AS 78) gehandelt habe. Ebenso ist nicht nachvollziehbar und absolut lebensfremd, dass die BF1 zwar zunächst die Identität der Person, die die Kompensationszahlung erhalten habe, erfahren habe, jene Person dann aber nicht in der Anzeige oder dem Anschreiben an die Behörden genannt hätte, zumal die BF1 noch in der Einvernahme durch das BFA selbst angab, dass die Anzeige sehr professionell geschrieben worden sei (AS 81) und später auch herausgekommen sei, dass jener Mann die Unterlagen gefälscht habe (AS 79).

2.2.3.3. Ebensowenig ist nachvollziehbar, dass die BF1 in der Einvernahme durch das BFA den Standort der Behörde, bei der sie die Unterlagen zum Erhalt der Entschädigungszahlung abgegeben habe, nicht nennen konnte. So gab sie lediglich an, dass die Behörde im Zentrum von XXXX sei - mehr wisse sie nicht (AS 80f). Erst in der mündlichen Verhandlung konnte die BF1 die Straße nennen, an der die Behörde liege (NSV S. 14). Dennoch ist nicht ersichtlich, warum die BF1 diese Angabe nicht schon in der Einvernahme machen konnte und auch im Beschwerdeschriftsatz vom XXXX ihre Angaben nicht konkretisierte (AS 345ff).

2.2.3.4. Die BF1 konnte auch nicht nachvollziehbar angeben, weshalb sie all diese Dinge, alleine regeln habe müssen. Vor dem Hintergrund der Angaben der BF1 in der Einvernahme durch das BFA, dass ihr Ehemann die ihr zustehende Wohnung ebenso gewollt habe (AS 86), erscheint es -selbst wenn nach ihren eigenen Angaben kein XXXX Verhältnis zu ihm unterstellt werden würde (AS 81) - nicht nachvollziehbar, weshalb dieser sie nicht unterstützt hat. Ebenso ist es nicht nachvollziehbar, weshalb der Bruder der BF kaum in diese Angelegenheit eingebunden war.

2.2.4. Das Vorbringen der BF1 zur behaupteten Vergewaltigung war nicht glaubhaft (AS 9, 81). Obgleich nicht verkannt wird, dass es sich bei der Wiedergabe einer Vergewaltigung um einen äußerst sensiblen Bereich handelt, konnte die BF1 das diesbezügliche Vorbringen -auch in einer Gesamtbetrachtung ihrer Angaben im behördlichen Verfahren- nicht nachvollziehbar schildern. Zudem gab sie in der mündlichen Verhandlung zunächst an, vor jenem Polizisten, welcher sie vergewaltigt habe, geflohen zu sein (NSV S. 15). Unmittelbar darauf gab sie aber konträr dazu an, nicht vor dem Polizisten geflohen, sondern vor ihrem Ehemann geflüchtet zu sein (NSV S. 16). Die Angaben waren insgesamt vage und es war erkennbar, dass die BF nicht von einer selbst wahrgenommenen Situation berichtete. Vor diesem Hintergrund geht auch das auf der behaupteten Vergewaltigung aufbauende Vorbringen der BF1, von ihrem Mann bzw. dessen Angehörigen deswegen bedroht worden zu sein ins Leere.

Selbst bei Wahrunterstellung einer staatgefundenen Vergewaltigung waren die Angaben der BF1 betreffend die Drohungen durch die Familie nicht glaubhaft. So gab die BF1 detailarm an, dass ihre Schwägerinnen ihr gesagt hätten, dass sie eine "schlechte Frau" sei und sie ihr die Kinder wegnehmen würden. Zudem habe die BF1 kein Kopftuch getragen und nicht die Lebensweise einer tschetschenischen Frau geführt (NSV S. 17). Allerdings trug die BF1 ihren eigenen Angaben zufolge bereits über Jahre im Herkunftsstaat kein Kopftuch (AS 83), weshalb insoweit eine neu entstandene Bedrohungslage nicht glaubhaft ist. In der mündlichen Verhandlung konkret befragt, wo und wann sie bedroht worden sei, versuchte sie der Antwort auszuweichen (NSV S. 17). Auch im Übrigen blieb das Vorbringen der BF1 insoweit nur vage und wurden von ihr XXXX geschildert.

Zu ihrem Vorbringen, dass auch ihr Ehemann ein "Problem" mit ihrem behaupteten Vergewaltiger gehabt habe, konnte die BF keine konkreten und nachvollziehbaren Angaben machen. So gab sie in der Einvernahme durch das BFA lediglich an, dass ihr Ehemann, nachdem er von der Vergewaltigung erfahren habe, mit einem blauen Fleck nachhause gekommen, ihr aber nicht erzählt habe, was passiert sei (AS 79). In der mündlichen Verhandlung gab sie diesbezüglich ebenso äußerst vage an: "Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen meinem Mann und ihm." (NSV S. 16). Daraufhin sei ihr Mann verschwunden und die BF1 habe nie wieder von ihm gehört. Aus diesem ausgesprochen vagen Vorbringen, das auf reinen Mutmaßungen der BF1 basiert, kann aber nicht glaubhaft geschlossen werden, dass ihr Mann tatsächlich Probleme gehabt habe.

2.2.5. Insgesamt war die BF1 nicht in der Lage, den Eindruck zu vermitteln, über tatsächlich erlebte Geschehnisse zu schildern.

Andere Fluchtgründen wurden von den BF weder im behördlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vorgebracht und sind auch vor dem Hintergrund der ins Verfahren eingebrachten Länderberichte nicht hervorgekommen.

Dass die BF2 und der BF3 keine eigenen Fluchtgründe haben, ergibt sich aus den Angaben der BF1 im Verfahren (AS 226, NSV S. 20), dies wurde von der BF2 bestätigt (AS 71 im Akt der BF2, NSV S.27).

2.3. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem im LIB wiedergegebenen und zitierten Länderberichten. Diese gründen sich auf den jeweils angeführten Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das BVwG kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal ihnen nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Die konkret den Feststellungen zugrundeliegenden Quellen wurden unter II.1.3. zitiert.

2.4. Zur Rückkehrsituation der BF

2.4.1. In XXXX leben der berufstätige Bruder und die Mutter der BF, welche eine Alterspension bezieht. Beide leben in der Eigentumswohnung des Bruders (NSV S. 11f). Weitere Verwandtschaft besteht in XXXX (AS 77, NSV S. 13), die Geschwister und Mutter ihres Ehemanns leben in XXXX (NSV S. 13), weshalb von einer hinreichenden Möglichkeit der Unterstützung im Falle der Rückkehr der BF auszugehen ist. Darüber hinaus verfügt die BF1 über schulische Bildung und war im Herkunftsland bereits erwerbstätig (AS 1f). Ebenso ist die BF2 mittlerweile im erwerbsfähigen Alter und kein Grund ersichtlich, weshalb sie nicht zum Erhalt der BF beitragen könnte, zumal sie in Österreich eine berufsbildende Ausbildung genoss.

2.4.2. Dass im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat die BF in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären, ist - zumal aufgrund der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens - anhand der Länderberichte nicht objektivierbar.

2.4.3. Sonstige außergewöhnliche Gründe, die einer Rückkehr entgegenstehen, haben die BF nicht angegeben und sind auch vor dem Hintergrund der zitierten Länderberichte nicht hervorgekommen.

2.5. Zur Situation der BF in Österreich

2.5.1. Die Feststellungen über die illegale Einreise der BF ergibt sich aus den Angaben der BF1 in der Erstbefragung (AS 6f zur BF1) und der Mitteilung des XXXX über das Nichtvorliegen eines Visums (AS 45 zur BF1). Dass die BF im gemeinsamen Haushalt leben ist einem aktuellen Auszug aus dem Melderegister zu entnehmen. Die Feststellung, dass die BF keine sonstigen familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet haben, folgt aus den Angaben der BF1 in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 18f).

2.5.2. Die Feststellungen zur gefestigten Integration der BF ergeben sich aus den in Vorlage gebrachten Unterlagen hinsichtlich ihrer Integration.

Hinsichtlich der BF1 waren dies insbesondere folgende Unterlagen:

Das Zeugnis zur absolvierten Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) auf dem Niveau B1 (OZ 15 zur BF2), der XXXX vom XXXX (Beilage ./G), die Bestätigung über ihre mögliche Anstellung im Seniorenpflegeheim vom XXXX (OZ 12 zur BF1), die Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen (AS 91, 93, 95 und 97, OZ 6, OZ 10, OZ 13 zur BF1), sowie die Bestätigungen der ehrenamtlichen Arbeit in der Kirche vom XXXX und vom XXXX (OZ 6 und OZ 13 zur BF1) und im Seniorenpflegeheim vom XXXX (OZ 11 zur BF1).

Hinsichtlich der BF2 waren dies insbesondere folgende Unterlagen:

Die Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen (AS 77 und 79 zur BF2), die Jahreszeugnisse der XXXX (AS 81, 85, 87, 89, 91, 93 zur BF2), die Bestätigungen der schulischen Leistung vom XXXX und XXXX (Beilagen ./A und ./C), die Zusage einer Ausbildungsstelle als XXXX vom XXXX (OZ 15 zur BF2), die Praktikumsbeurteilung vom XXXX (AS 83 zur BF2), die Bestätigung des XXXX vom XXXX (AS 97 zur BF2), die Bestätigung der XXXX über die Teilnahme am Universitätslehrgang " XXXX " (AS 95 zur BF2) und die Bestätigung der künstlerischen Leiterin der XXXX vom XXXX (Beilage ./B).

Hinsichtlich dem BF3 waren dies insbesondere folgende Unterlagen:

Die Schulnachrichten der XXXX und der XXXX (AS 355, OZ 5 zur BF1, OZ 15 zur BF2, Beilage ./F) und die Bestätigungen der sportlichen Aktivitäten (OZ 5 zur BF1).

Das BVwG konnte sich in der mündlichen Verhandlung von den Deutschkenntnissen der BF1 (NSV S. 22) und der BF2 (NSV S. 27) selbst überzeugen.

Die Feststellung, dass die BF1 über einen Freundes- und Bekanntenkreis, welcher sich für ihren Verbleib im Bundesgebiet einsetzt und diese als unverzichtbares Mitglied der Gemeinschaft ansieht, ergibt sich aus ihren Angaben und den vorlegten Empfehlungsschreiben (OZ 5, OZ 7 zur BF1, Beilage ./D).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zum Spruchteil A)

3.1.1. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide

3.1.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

3.1.1.2. Flüchtling iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist demnach, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen."

Der zentrale Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.1.3. Das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ist ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens zu würdigen (vgl. VwGH 26.11.2003, Ra 2003/20/0389).

3.1.1.4. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/19/0066). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher die BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.1.5. Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

3.1.1.6. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt hieraus, dass, wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, die BF1 in Bezug auf ihren vorgebrachten Fluchtgrund persönlich unglaubwürdig war. Die BF2 brachte keine eigenen Fluchtgründe vor. Die BF1 gab als gesetzliche Vertreterin des BF3 an, dass dieser und auch die BF2 keine eigenen Fluchtgründe haben. De glaubhaften Angaben betreffend die Zerstörung einer Wohnung in XXXX kommt für sich genommen keine Asylrelevanz zu, da darin keine Verfolgung aus einem der obgenannten Konventionsgründe zu erblicken ist.

Da die Glaubhaftmachung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Asyl ist, ist es den BF1 aufgrund ihrer unglaubhaften Angaben nicht gelungen, einen aus dem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund einer aktuell drohenden Verfolgung maßgeblicher Intensität schlüssig darzulegen. Die Angaben im Zuge des gesamten Verfahrens sind nicht hinreichend konsistent, sondern vielmehr überwiegend vage und widersprüchlich. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die BF einer ernstlichen Bedrohung ausgesetzt seien bzw. Gefahr liefen, Übergriffe zu erleiden.

Die BF konnten weiters auch nicht substantiiert angeben, dass eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung gegeben ist bzw. diese mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Die BF konnten auch nicht hinreichend darlegen, worauf sich die Furcht - so viele Jahre nach der Ausreise aus der Russischen Föderation - konkret begründen könnte, zumal die BF1 selbst angab, seit der Ausreise aus der Russischen Föderation im XXXX , bzw. auch schon zumindest XXXX vor der Ausreise, nicht mehr bedroht worden zu sein.

Es sind auch keine Hinweise vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen hervorgekommen, dass die BF in der Russischen Föderation nach objektiver Wahrscheinlichkeit sonstigen ernstlichen Bedrohungen ausgesetzt wäre, die als asylrelevant zu qualifizieren sind.

Die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten durch das BFA war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

3.1.2. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide

3.1.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend echte, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Weiters müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).

Abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 - mit Verweis auf EGMR vom 5.09.2013, I. vs. Schweden, Nr. 61204/09).

Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in der Russischen Föderation und im Speziellen in XXXX aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Situation im Herkunftsstaat ist auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Geeignete Beweise eines individuellen Risikos wurden durch die BF nicht vorgelegt.

3.1.2.2. Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (vgl. EGMR vom 06.02.2001, Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443). Außergewöhnlicher Umstände liegen vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Sie liegen aber auch dann vor, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensiven Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat aber kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich. Allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. (VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038- mit Verweis auf EGMR vom 13.12.2016, Paposhvili gg Belgien, Nr. Nr. 41738/10).

Im gegenständlichen Fall haben sich ausgehend von der Feststellung, dass die BF an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach sie unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht ausgesetzt wären. Sie brachten auch keinerlei substantiellen Rückkehrbefürchtungen in Zusammenhang mit gesundheitlichen Beschwerden vor. Das BVwG sah sich aufgrund der Angaben der BF auch vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde nicht veranlasst, von Amts wegen eine Begutachtung des Gesundheitszustands der BF vorzunehmen (vgl. VwGH jüngst vom 01.07.2019, Ra 2019/14/0274).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich bei objektiver Gesamtbetrachtung für die BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen würde.

3.1.2.3. Den BF droht im Herkunftsstaat weder durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte. Auch sind keinerlei Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, hervorgekommen.

Die BF1 verfügt über eine schulische Bildung sowie Arbeitserfahrung und war bereits vor der Ausreise in der Lage, den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Die inzwischen volljährige BF2 verfügt ebenfalls über Schul- und Berufsbildung. Die BF sind mit den Lebensgewohnheiten des Herkunftsstaates vertraut. Die BF haben zudem familiäre Anknüpfungspunkte durch die Mutter und den Bruder der BF1 sowie ihre Verwandtschaft. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass im Herkunftsstaat eine dermaßen schlechte, wirtschaftliche oder allgemeine (politische) Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Abschiebung als unrechtmäßig erscheinen ließe.

Vor diesem Hintergrund kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ihnen im Falle einer Rückführung in den Herkunftsstaat jegliche Existenzgrundlage fehlen würde (vgl. VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059) und die BF daher in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse mit entscheidungsmaßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine lebensbedrohliche bzw. die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK überschreitende Notlage geraten würden.

Im vorliegenden Fall liegen im Ergebnis somit keine exzeptionellen Umstände vor, welche einer Außerlandesbringung gemäß den Vorgaben des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 widersprechen würden. Aus diesem Grund war die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten durch das BFA nicht zu beanstanden.

3.1.3. Zu den Beschwerden gegen die Spruchpunkte III. und VI. der angefochtenen Bescheide

3.1.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Die BF befinden sich seit XXXX im Bundesgebiet und ihr Aufenthalt ist nicht geduldet. Sie sind nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

3.1.3.2. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die BF sind als Staatsangehörige der Russischen Föderation keine begünstigten Drittstaatsangehörigen und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidungen endet. Gegenteiliges wurde von den BF auch nicht vorgebracht.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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