Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §98 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der C in K, vertreten durch Frieders, Tassul & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stadiongasse 6-8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. April 1996, Zl. GA 17-95/4188/08, betreffend Haftung gemäß § 99 EStG 1988 für die Jahre 1990 bis 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist als Inhaberin eines Gewerbescheines zur Organisation von Modeschauen berechtigt und betreibt in K. eine Modeschauagentur. Für die Organisation von Modeschauen engagiert sie inländische und ausländische Mannequins auf Werkvertragsbasis. Ein Steuerabzug gemäß § 99 Abs. 1 EStG 1988 wurde von ihr nicht vorgenommen.
Mit Bescheid vom 26. Juni 1995 setzte das Finanzamt im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 für den Prüfungszeitraum Jänner 1990 bis Dezember 1994 mit insgesamt S 584.267,-- fest.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen den genannten Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin teilweise Folge und änderte ihn in der Weise ab, daß die Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 für die Jahre 1990 bis 1994 mit insgesamt S 520.742,-- festgesetzt wurde.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, in Streit stehe ausschließlich die Frage, ob ausländische Models, die bei Modeschauen im Inland auftreten, als Mitwirkende an inländischen Unterhaltungsdarbietungen mit ihren Einkünften dem Steuerabzug gemäß § 99 EStG 1988 unterliegen. Von den in § 99 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 aufgezählten, die Pflicht zum Steuerabzug auslösenden Tatbestandsmerkmalen sei im vorliegenden Fall nur strittig, ob im Rahmen von Werkverträgen auf Modeschauen im Inland tätig werdende ausländische Models "Mitwirkende an Unterhaltungsdarbietungen" seien. Unterhaltungsdarbietungen seien nach dem allgemeinen Sprachverständnis Veranstaltungen, im Rahmen derer einem Publikum eine Tätigkeit vorgeführt, gezeigt oder zu Gehör gebracht bzw. das Ergebnis einer Tätigkeit gezeigt werde, wobei das ursprüngliche Motiv der Entspannung und Kurzweil des Zuschauers im Vordergrund stehe. Der Begriff der Unterhaltungsdarbietung im Sinne der Gesetzesbestimmung sei nicht einschränkend zu interpretieren, denn der Sinn und Zweck der zitierten Gesetzesbestimmung sei die umfassende Sicherung des inländischen Steueraufkommens bei den bloß der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Steuerausländern. Nur so seien internationale "Keinmalbesteuerungen" vermeidbar, die sonst dadurch entstehen könnten, daß internationale Doppelbesteuerungsabkommen Österreich das ausschließliche Besteuerungsrecht übertragen und daß diesfalls bei einer zu engen Auslegung von § 99 EStG 1988 weder Österreich noch das Ausland eine Besteuerung vornehme. Nach herrschender Auffassung umfasse der Begriff der Unterhaltungsdarbietung unter anderem auch Werbespots, sodaß beim Engagement ausländischer Mannequins und Schauspieler zur Produktion eines solchen von den Honoraren der Akteure ein Steuerabzug gemäß § 99 EStG 1988 vorzunehmen sei. Die belangte Behörde schließe sich dieser Auffassung an und erachte in Anlehnung daran auch Modeschauen als Unterhaltungsdarbietungen. Denn wenn schon Werbespots, deren eigentliche Bedeutung darin liege, ein bestimmtes Produkt zu "bewerben" und einer bestimmten Zielgruppe anzupreisen, als "Unterhaltungsdarbietung" einzustufen seien, so müsse dies umso mehr für Modeschauen gelten. Ein Indiz dafür, in Modeschauen "bzw. Modeshows" Unterhaltungsdarbietungen zu erblicken, stellten vor allem musikalische und choreographische Begleitmaßnahmen dar. Gerade durch die gestalterische Komposition der Abläufe von Modeschauen mit solchen optischen und akkustischen Maßnahmen trete der Unterhaltungscharakter verstärkt in den Vordergrund. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers wende sich zunehmend auf den "künstlerischen" Gesamteindruck der Modeschau. Die Unterhaltungsdarbietung fungiere sohin als Mittel zum Zweck, nämlich um die zu präsentierenden Objekte in geeigneter Weise dem Publikum vorzuführen und bei diesem damit den Anreiz zum Kauf derselben zu wecken. Unbestrittenermaßen würden bei derartigen Veranstaltungen auch Informationen über Modeströme und Zeitgeist geboten. Daraus sei jedoch nicht auf einen ausschließlichen Werbecharakter zu schließen, denn der Unterhaltungscharakter von Modeschauen "bzw. Modeshows" gehe auch durch die Verbindung mit einem Werbezweck nicht verloren. Auch Fotomodelle, die außerhalb von Modeschauen für einzelne Auftraggeber posieren, würden mit ihren Einkünften der Abzugsbesteuerung unterliegen, soferne in den Vergütungen eine Abgeltung urheberrechtlich geschützter Werke zu erblicken sei. Der Abzugstatbestand des § 99 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 sei im gegenständlichen Fall sohin vollinhaltlich erfüllt.
Die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides beinhaltet Ausführungen zu den Doppelbesteuerungsabkommen mit Italien, Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland und berechnet unter Berücksichtigung der Herkunft der beauftragten Models die Gesamtsumme der Abzugssteuer mit S 520.742,--.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt die Beschwerdeführerin im wesentlichen darin, daß die belangte Behörde keine Ermittlungen über den konkreten Ablauf der von der Beschwerdeführerin organisierten Modeschauen durchgeführt habe.
Zur behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt die Beschwerdeführerin vor, die Präsentation von Kleidungsstücken finde vor geladenen Einkäufern von Modehäusern auf Messen statt und es wäre eine Differenzierung bei der Beurteilung des Vorliegens einer "Unterhaltungsdarbietung" zwischen den von der belangten Behörde allgemein aufgestellten Grundsätzen und den im konkreten Fall vorliegenden Umständen erforderlich gewesen. Im gegenständlichen Fall richte sich die Veranstaltung an einen klar definierten Personenkreis, der dazu auch individuell eingeladen werde. Die Anwesenheit der Einkäufer sei nicht auf deren privat begründetes Interesse an allgemeinen Modeströmungen und am Zeitgeist, verbunden mit einer unterhaltsamen Darbietung mit musikalischen und choreographischen Einlagen zurückzuführen, sondern ausschließlich beruflich bedingt, um nach Ansicht der Produkte Bekleidungsstücke und Accessoires für ihre zum Wiederverkauf bestimmten Kollektionen zu bestellen. Ausgehend vom konkret zu beurteilenden Sachverhalt könne auch bei extensiver Auslegung des Begriffes "Unterhaltungsdarbietung" eine Subsumierung unter diesen Begriff nicht erfolgen.
Weiters bekämpft die Beschwerdeführerin die Höhe der ausgemessenen Steuerabzugsbeträge mit dem Vorbringen, daß die 20-prozentige Abzugsteuer aus den tatsächlich ausbezahlten Beträgen zu berechnen sei und daher ein Aufschlag in der Höhe von 25 % bei rechtsrichtiger Auslegung nicht den gesetzlichen Vorschriften des § 100 EStG 1988 entspreche.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen. In der Gegenschrift vertritt sie die Ansicht, daß Modeschauen ihren Unterhaltungscharakter durch Verbindung mit einem Werbezweck nicht verlieren würden und sich der Charakter einer "Unterhaltungsdarbietung" durch die Zusammensetzung des anwesenden Publikums nicht wesentlich verändere. Wenn auch das Veranstalten von Modeschauen für die Beschwerdeführerin zweifelsohne aus beruflichem Interesse erfolge, könne doch daraus nicht auf einen die Unterhaltung ausschließenden Charakter der Modeschau geschlossen werden. Unter diesem Gesichtspunkt erübrige sich eine Begutachtung der Videomitschnitte durch die belangte Behörde, unabhängig davon, daß auf diesen Videos auch eine allfällige private oder berufliche Veranlassung der anwesenden Zuschauer nicht ersichtlich wäre. Dem Vorwurf, die belangte Behörde sei ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen, komme sohin keine Berechtigung zu. Die Behauptung, daß ein falscher Steuersatz zur Berechnung der Abzugssteuer angewendet worden sei, werde erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebracht und verstoße somit gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschende Neuerungsverbot.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 98 Z. 3 EStG 1988 unterliegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit als Sportler, Artist oder als Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen im Inland sind auch dann steuerpflichtig, wenn keine inländische Betriebsstätte unterhalten wird und kein ständiger Vertreter im Inland bestellt ist.
Gemäß § 99 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger durch Steuerabzug erhoben, und zwar bei Einkünften aus im Inland ausgeübter oder verwerteter selbständiger Tätigkeit als Schriftsteller, Vortragender, Künstler, Architekt, Sportler, Artist oder Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen, wobei es gleichgültig ist, an wen die Vergütungen für die genannten Tätigkeiten geleistet werden.
Entscheidend ist im vorliegenden Fall die Frage, ob die von der Beschwerdeführerin beauftragten Personen, die an der Modeschau mitgewirkt haben, als "Mitwirkende an Unterhaltungsdarbietungen" im Sinne der §§ 98, 99 leg. cit. anzusehen sind.
Der Begriff "Unterhaltung" weist keinen klar umrissenen Inhalt auf; "Unterhaltung" wird definiert als singulär oder gemeinsam betriebener angenehmer Zeitvertreib oder Art der Geselligkeit zur physisch-psychischen Entspannung bzw. Erholung, der unvermittelt verschafft werden kann durch Eigenaktion oder vermittelt wird durch Rezeption von organisierten Darbietungen (Meyers Enzyklopädisches Lexikon in 25 Bänden, 9. Auflage, Mannheim 1979).
Eine Modeschau wird - nach den zutreffenden und insoweit in der Beschwerde unbestritten gebliebenen Ausführungen der belangten Behörde - im allgemeinen als Präsentation von Mode in einem musikalischen und choreographischen Rahmen verstanden. Zweifellos unterscheidet sich eine Modeschau von einer sonstigen Unterhaltungsdarbietung (Zirkus, Variete etc.) dadurch, daß der Veranstalter mit der Präsentation der Mode Kaufabschlüsse erreichen möchte. Die Einnahmen werden somit in erster Linie nicht durch Kartenverkauf, sondern durch Erreichen des Werbezweckes erzielt. Eine Modeschau kann sich aber von einer sonstigen Verkaufsveranstaltung grundlegend durch die Form der Darbietung unterscheiden. Das Interesse des Besuchers und möglichen Einkäufers wird durch eine möglichst unterhaltsame Darbietung der Modelle geweckt. Dieser Effekt ist etwa den Berichten zu entnehmen, die von den Medien über eine stattgefundene Modeschau verbreitet werden. Es ist allgemein bekannt, daß es für den Erfolg der Modeschau im Sinn einer Werbewirksamkeit auch auf die Person der Mannequins ankommt, welche jedenfalls in Einzelfällen sehr hoch entlohnt werden. Wenn eine Verkaufswerbung wie im Fall einer Modeschau in ein "unterhaltsames Präsentieren" gekleidet wird, erhält die Veranstaltung den Aspekt der Unterhaltung im Sinne der §§ 98, 99 EStG 1988. Diese Zuordnung bleibt aufrecht, solange nicht der Unterhaltungswert völlig in den Hintergrund tritt. Eine generalisierende Betrachtung ist unzulässig, weil es auch eine Modeschau ohne Unterhaltungswert geben kann, die ein einfaches Vorzeigen der Modelle zum Inhalt hat.
Aus diesen Erwägungen kommt der Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin Berechtigung zu. Es wäre - wie in der Beschwerde ausgeführt - eine Differenzierung bei der Beurteilung des Vorliegens einer "Unterhaltungsdarbietung" zwischen den von der belangten Behörde allgemein aufgestellten Grundsätzen und den im konkreten Fall vorliegenden Umständen erforderlich gewesen. Ungeachtet der angebotenen Beweismittel führte die belangte Behörde keine Ermittlungen über den konkreten Ablauf der von der Beschwerdeführerin organisierten Modeschauen durch und traf auch keine diesbezüglichen Feststellungen. Erst anhand des konkret festgestellten Ablaufes der von der Beschwerdeführerin organisierten Modeschauen kann abschließend beurteilt werden, ob diese Unterhaltungsdarbietungen im Sinne der §§ 98, 99 leg. cit. darstellen und die von der Beschwerdeführerin beauftragten Personen als Mitwirkende an solchen Unterhaltungsdarbietungen anzusehen sind.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Vorlage einer Bescheidausfertigung ausreichend war (vgl. § 28 Abs. 5 VwGG) und überdies der Antrag auf aufschiebende Wirkung der Beschwerde bereits in der Beschwerde hätte gestellt werden können. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Stempelgebühren betragen somit S 480,--.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996150122.X00Im RIS seit
19.02.2002