Entscheidungsdatum
27.01.2020Index
90/01 StraßenverkehrsordnungText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pichler über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 10.05.2019, Zl. VStV/..., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass § 4 Abs. 1 lit. a der Straßenverkehrsordnung, BGBl. Nr. 159/1960 - StVO idF BGBl I Nr. 37/2019 als Übertretungsnorm und § 99 Abs. 2 lit. a StVO idF BGBl I Nr. 39/2013 als Strafsanktionsnorm anzusehen ist.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 24,-- Euro (das sind 20 Prozent der verhängten Geldstrafe) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Der Spruch des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses lautet wie folgt:
„1. Datum/Zeit: 09.07.2018, 19:30 Uhr
Ort: Wien, C.-straße, C.-straße mit der
D.-straße
Betroffenes Fahrzeug: sonstiges Fahrzeug, Kennzeichen: (A)
Sie sind als Lenker/in des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften) verletzt:
1. § 4 Abs. 1 lit. a StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, von Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
1. € 120,00 1 Tage(n) 2 Stunde(n) § 99 Abs. 2 lit. a StVO
0 Minute(n)
2. eingestellt Einstellen § 45 Abs. 1
Z 2 VStG
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:
€ 12,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher € 132,00“
In seiner frist- und formgerecht erhobenen Beschwerde bestritt der Beschwerdeführer die ihm angelastete Verwaltungsübertretung und brachte dazu vor, dass nach dem unfallbedingten Anhalten die Zuggarnitur der E. Bahn noch ca. zwei Minuten am Vorfallsort stehen geblieben sei und verwies zum anderen darauf, dass der Zweitbeteiligte einen aggressiven Eindruck hinterlassen habe. Im Übrigen sei die von der belangten Behörde herangezogene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf den hier zu beurteilenden Fall übertragbar, da es sich hier um den Lenker eines schienengebundenen Fahrzeuges handle. Des Weiteren wurde vom Beschwerdeführer bestritten, dass ihn am Unfallgeschehen ein Verschulden trifft.
In der Angelegenheit wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer und sein anwaltlicher Vertreter teilnahmen und der Zweitbeteiligte als Zeuge einvernommen wurde.
Das Verwaltungsgericht Wien stellt folgenden Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Beschwerdeführer lenkte am 09.07.2018 um etwa 19:30 Uhr eine Garnitur der E. Bahn in Wien an der Kreuzung der C.-straße mit der D.-straße. Der Zweitbeteiligte fuhr in der C.-straße in Richtung F.-straße, wobei es an der Kreuzung beinahe zu einem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge kam und der PKW Lenker beim Ausweichmanöver mit einem Hydranten kollidierte, der erheblich beschädigt wurde. Auch an der Vorderfront des PKW entstand erheblicher Sachschaden.
Der Beschwerdeführer als Lenker des Zuges der E. Bahn hat durch Betätigen der Betriebsbremse das Schienenfahrzeug im Zuge des geschilderten Verkehrsgeschehens zum Stehen gebracht.
Nachdem der PKW Lenker aus seinem Fahrzeug ausgestiegen ist und offensichtlich unverletzt war, ist der Beschwerdeführer mit dem Schienenfahrzeug weitergefahren. Er hat erst in der nächsten Haltestelle der E. Bahn die Leitstelle verständigt und wurde auch durch die vom PKW Lenker verständigte Polizei zum Vorfall telefonisch befragt.
Der Beschwerdeführer ist weder aus dem Triebwagen der E. Bahn ausgestiegen, noch hat er mit dem Zweitbeteiligten oder anderen Personen Kontakt aufgenommen, um sich zu vergewissern, ob und welcher Schaden am zweitbeteiligten Fahrzeug entstanden ist oder durch dieses beim Ausweichmanöver verursacht wurde.
Dass der Hydrant erheblich beschädigt wurde, wurde vom Beschwerdeführer beim Vorfall nicht wahrgenommen.
Diesen Sachverhaltsfeststellungen konnte das in den letztlich entscheidungsrelevanten Punkten durchaus übereinstimmende Vorbringen des einvernommenen Zeugen und des Beschwerdeführers zugrunde gelegt werden.
Dass ein Verkehrsunfall im Sinne des Regelungssystems des § 4 StVO vorgelegen ist, ergibt sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben aller Verfahrensbeteiligten.
Der Beschwerdeführer hat auch nicht bestritten, dass er das Schienenfahrzeug nur so lange angehalten hat, bis der Zweitbeteiligte aus seinem PKW ausgestiegen ist und erkennbar war, dass dieser keine augenscheinlichen Verletzungen aufwies. Er hat selbst ausgeführt, den Führerstand nicht verlassen zu haben und hat auch unbestritten keine Schritte wie Gespräche mit Passanten gesetzt, um sich ein Bild von entstandenen Schäden zu machen.
Nicht entscheidungsrelevant war in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Zeitraum, in der sich das Schienenfahrzeug insgesamt im Stillstand befunden hat, wie der Beschwerdeführer ausführt, etwa zwei Minuten gedauert hat oder - wie der Zeuge vermeint - wesentlich kürzer war.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 4 Abs. 1 lit.a der Straßenverkehrsordnung, BGBl Nr. 159/1960 idF BGBl I Nr. 37/2019 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.
Dieser Verpflichtung kommt nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Lenker eines Fahrzeuges nicht schon dadurch nach, dass er das Fahrzeug kurzfristig an der Unfallstelle zum Stillstand bringt oder das ohnedies im Zuge des Unfallgeschehens zum Stillstand gebrachte Fahrzeug noch kurze Zeit an der Unfallstelle verbleibt, er im Übrigen aber ohne auszusteigen und ohne sich zu versichern, welche Maßnahmen zur Sicherung des Unfallorts oder zur Vermeidung von Schäden für Personen oder Sachen erforderlich sind, die Fahrt fortsetzt (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 12.09.1984, Zl. 83/03/0365 u.v a.).
In der hier zu beurteilenden Fallkonstellation ist das vom Beschwerdeführer gelenkte schienengebundene Fahrzeug im Zuge des Unfallgeschehens zum Stillstand gekommen, der Beschwerdeführer hat aber als Lenker dieses Fahrzeuges bis zu seiner Weiterfahrt keine Schritte gesetzt, um sich einen Überblick über die durch den von ihm zweifellos wahrnehmbaren Verkehrsunfall verursachten Schäden zu machen.
Er hat daher, unabhängig davon, ob das schienengebundene Fahrzeug für einen Zeitraum von etwa 2 Minuten oder wesentlich kürzer im Stillstand war, den objektiven Tatbestand der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung erfüllt.
Er konnte auch weder mit dem Argument, er habe den Führerstand des Fahrzeuges nicht unbeaufsichtigt lassen wollen noch mit dem Verweis auf seine Verpflichtung, für die Sicherheit der Fahrgäste zu sorgen, mangelndes Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG bescheinigen.
Nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers befanden sich nicht nur zahlreiche Fahrgäste in der E. Bahn, sondern waren auch etliche Passanten vor Ort. Der Beschwerdeführer hat in keiner Weise dargelegt, warum er sich nicht mit Hilfe von anderen Personen Überblick über die durch den Verkehrsunfall entstandenen Schäden und die Notwendigkeit allfälliger Maßnahmen beschaffen hätte können.
Auch warum er sich wie in der Beschwerde angedeutet, vor dem wegen des Verkehrsunfalles aufgeregten und allenfalls auch aufgebrachten Zweitbeteiligten in Anwesenheit von zahlreichen Fahrgästen und Passanten fürchten hätte sollen, konnte vom Beschwerdeführer nicht plausibel dargelegt werden.
In keiner Weise nachvollziehbar war das Vorbringen des Beschwerdeführers soweit er mit seinem Vorbringen er habe nach dem Vorfall „erst runterkommen müssen“ andeutete, aufgrund eines Unfallschockes seiner Verpflichtung nicht nachgekommen zu sein und deshalb auch die Leitstelle erst in der nächsten Station verständigt zu haben.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein ausgebildeter Lenker eines Schienenfahrzeuges, der auch zu seinen Pflichten im Falle eines Verkehrsunfalles geschult wird, sich in der Lage sieht, das mit zahlreichen Fahrgästen besetzte Schienenfahrzeug weiter zu lenken, wenn er gleichzeitig aufgrund des vorangegangenen Unfallgeschehens nicht mehr in der Lage ist, einfache Schritte wie etwa die Befragung von Passanten oder Fahrgästen zu den entstandenen Schäden durchzuführen und seine Leitstelle vom Vorfall zu verständigen.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die alleinige Schuld am Unfallgeschehen liege beim Zweitbeteiligten, genügt es darauf zu verweisen, dass die aus § 4 StVO resultierenden Verpflichtungen alle Unfallbeteiligten gleichermaßen ohne Rücksicht darauf treffen, ob sie den Unfall verschuldet haben.
Da der Beschwerdeführer sohin den objektiven und subjektiven Tatbestand der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung erfüllt hat, war die Beschwerde in der Schuldfrage spruchgemäß abzuweisen.
Zur Strafbemessung:
Die angelastete Verwaltungsübertretung ist gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO idF BGBl I Nr. 39/2013 mit Geldstrafe bis zu 2.180,-- Euro bedroht.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die Verpflichtungen von Unfallbeteiligten im Straßenverkehr dienen zum einen der effizienten Versorgung von Personenschäden und Behebung von Sachschäden und zum anderen der effizienten Klärung der Unfallursachen, woran ein erhebliches öffentliches Interesse besteht. Eine erhebliche Beeinträchtigung dieser Interessen wurde in der hier zur beurteilenden Fallkonstellation nur durch die unverzügliche Meldung der verursachten Schäden durch andere Personen als den Beschwerdeführer vermieden. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat konnte daher nicht als bloß geringfügig erachtet werden.
Auch das Ausmaß des den Beschwerdeführer treffenden Verschuldens konnte nicht als geringfügig angesehen werden, da im Verwaltungsstrafverfahren weder hervorgekommen noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen ist, dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Die nach der Aktenlage vorliegende verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde bei der Strafbemessung entsprechend berücksichtigt, Erschwerungsgründe sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht hervorgekommen.
Im Rahmen der Strafbemessung war weiters zur berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer ein durchschnittliches Einkommen erzielt, vermögenslos und für ein Kind sorgepflichtig ist.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe ist der Beschwerdeführer durch die Zumessung einer milden, im untersten Bereich des gesetzlichen Strafsatzes liegenden Geldstrafe nicht in seinen Rechten verletzt worden.
Eine Herabsetzung der milde bemessenen Geldstrafe standen sowohl das nicht nur geringfügige Verschulden des Beschwerdeführers und der ebenfalls nicht unbedeutende objektive Unrechtsgehalt der Tat entgegen.
Aus denselben Erwägungen war unter Bedachtnahme auf § 16 Abs. 2 VStG auch die korrekt festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe spruchgemäß zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch genannten Bestimmungen.
Die Entscheidung steht in keinem Spannungsverhältnis zur umfangreichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 Abs. 1 lit. a StVO, auch im Rahmen der Strafbemessung sind keine Rechtsfragen hervorgetreten, hinsichtlich derer die Rechtslage nicht eindeutig oder durch eine gefestigte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist. Da sohin keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen, war die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen.
Schlagworte
Verkehrsunfall; ursächlicher Zusammenhang; Anhaltepflicht; Mitwirkungspflicht; VerständigungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.051.8491.2019Zuletzt aktualisiert am
12.03.2020