TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/1 VGW-001/042/15620/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.02.2020
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Entscheidungsdatum

01.02.2020

Index

82/04 Apotheken, Arzneimittel
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AWEG 2010 §2 Z1
AWEG 2010 §3 Abs1
AWEG 2010 §21 Abs1 Z1
VStG §45 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. DDr. Tessar über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Herrn RA , gegen I) das im Spruchpunkt I der Bescheidausfertigung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 7.11.2018, Zl. ..., verhängte Straferkenntnis wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010) und II) den im Spruchpunkt II der Bescheidausfertigung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 7.11.2018, Zl. ..., ausgesprochenen Verfallsausspruch zu Recht:

zu I: (Straferkenntnis)

I. Gemäß § 31 Abs. 1 i.V.m. § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG eingestellt.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

zu II: (Verfallsausspruch)

I. Gemäß § 31 Abs. 1 i.V.m. § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird der Verfallsausspruch ersatzlos behoben.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Spruch und die Begründung der gegenständlich bekämpften Bescheide lauten wie folgt:

„I) S T R A F E R K E N N T N I S :

Sie haben im Fernabsatz mit der Empfängeradresse Wien, C.-gasse und somit vom Inland aus, dem Anwendungsbereich des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 - AWEG 2010, BGBl. I. Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung, unterliegende und unter Position 3004 der Kombinierten Nomenklatur der EU (§2 Z. 1 lit. c AWEG 2010) fallende Arzneiwaren, nämlich:

960 Stück Milk Thistle Kapseln 2400mg, KN-Code 3004900000

per Fernkommunikationsmittel bestellt, welche von … (USA), D. aufgrund der von Ihnen getätigten Bestellung im Postversand - Flugverkehr durch die Österreichische Post AG am 08.06.2018 in das Bundesgebiet (Flughafen Wien Schwechat) eingeführt und vom Zollamt Wien, Zollstelle Post in 1230 Wien, Halban-Kurz-Straße 5, entdeckt wurden und haben somit zu verantworten, dass entgegen § 3 Abs. 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl. I Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung, wonach die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf nur zulässig ist, wenn vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde, die vorgenannten Arzneiwaren ohne Vorliegen der erforderlichen Einfuhrbescheinigung somit in das österreichische Bundesgebiet eingeführt wurden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 3 Abs. 1 iVm. § 21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl. I Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von € 210,00, falls diese uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden

gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 iVm. § 3 Abs. 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl. I Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 21,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (mindestens jedoch € 10,00 je Übertretung).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 231,00.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.

II) V E R F A L L

Die folgenden Gegenstände werden gemäß § 21 Abs. 3 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010, BGBl. I Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991), BGBl. Nr. 52/1991, in der geltenden Fassung, für verfallen erklärt:

960 Stück Milk Thistle Kapseln 2400mg, KN-Code 3004900000,.

B E G R Ü N D U N G :

Ad I) Die Ihnen zur Last gelegte und im Spruch näher ausgeführte Verwaltungsübertretung gelangte der erkennenden Behörde durch eine Anzeige des Zollamtes Wien vom 27.06.2018 zur Geschäftszahl ... zur Kenntnis.

Gemäß § 3 Abs. 1 des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 (AWEG 2010) ist, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf nur zulässig, wenn im Fall der Einfuhr eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde oder im Falle des Verbringens eine Meldung erfolgt ist.

Im Sinne des § 21 Abs. 1 Z 1 AWEG 2010 begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu 7.260 Euro zu bestrafen, wer Arzneiwaren entgegen § 3 ohne Einfuhrbescheinigung einführt. Laut Abs. 2 leg. cit. ist auch der Versuch strafbar.

Im Rahmen Ihrer schriftlichen Rechtfertigung vom 24.07.2018, eingebracht durch Ihren Vertreter, Rechtsanwalt ..., haben Sie die Begehung der Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bestritten und im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes vorgebracht:

Via Fernabsatz sei das Produkt G. Milk Thistle 600 mg, ein Kapselpräparat mit gefriergetrockneten Mariendistelsamen und einer angeführten Tagesdosis (Serving Size) von bis zu 4 Kapseln erworben worden.

Es werde unbegründet davon ausgegangen, dass es sich um ein Arzneimittel handle.

Die Behörde gehe von einem Funktionsarzneimittel aus. Dies seien gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 AMG Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder an Tieren verabreicht werden könnten um pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung herzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Diese Wirkung sei bei den bezeichneten Kapseln nicht gegeben.

Aufgrund der vorhandenen Dosis der Mariendistel sei bei diesem Produkt keine pharmakologische Wirkung gegeben und wäre es richtigerweise als Nahrungsergänzungsmittel und somit Lebensmittel, welches ohne Einhaltung des AWEG in Österreich eingeführt werden könne.

Sie brachten weitere Ausführungen zur Einstufung eines Produktes als Arzneimittel vor und untermauerten dies mit Judikatur des EuGH.

Da kein Verstoß gegen das AWEG vorliege, sei das Verfahren einzustellen.

Die erkennende Behörde hat wie folgt erwogen:

Gegenstand des Verfahrens ist die Einstufung des Produkts als Arzneiware. Sie nehmen lediglich Stellung dazu, warum es sich bei den im Spruch genannten Milk Thistle Kapseln um kein Arzneimittel handle. Die Bestellung der Kapseln wurde von Ihnen nicht bestritten.

Der Begriff Arzneiware ist dem gemeinschaftlichen Zolltarif (TARIC - Online-Zolltarifdatenbank) entnommen, dessen Rechtsgrundlage die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 ist. Demnach sind Arzneiwaren pharmazeutische Erzeugnisse, die aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf.

§ 2 Z 1 lit. c AWEG 2010 legt fest, dass Waren der Position 3004 im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABI. Nr. L 256 vom 07.09.1987, S 1 als Arzneiwaren anzusehen sind.

Waren dieser Position umfassen pflanzliche Arzneizubereitungen und Zubereitungen auf der Grundlage folgender Wirkstoffe: Vitamine, Mineralstoffe, essentielle Aminosäuren oder Fettsäuren, in Aufmachungen für den Einzelverkauf. Diese Zubereitungen sind in die Position 3004 einzureihen, wenn auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel folgende Angaben gemacht werden:

-) spezifische Krankheiten, Leiden oder deren Symptome, bei denen diese Erzeugnisse verwendet werden sollen;

-) die Konzentration des essentiellen Wirkstoffs oder der enthaltenen Wirkstoffe;

-) die zu verabreichende Menge sowie

-) die Art der Anwendung.

Eine Anfrage beim Zollamt Wien untermauerte, dass die im Spruch genannten Kapseln laut Einreihung der Technischen Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung gem. den Bestimmungen des Zolltarifs als Arzneiware einzustufen sind. Ihr Vorbringen ist nicht geeignet Argumente gegen die Einstufung als Arzneiware darzulegen. Es beschränkt sich lediglich auf Ausführungen warum das Produkt kein Arzneimittel sei. Die Frage, ob das Produkt als Arzneimittel anzusehen ist, ist aber im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht von Relevanz.

Da die erkennende Behörde keine Zweifel an der Richtigkeit der von der Technischen Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung und des Zollamtes Wien vorgenommenen Einstufung der Milk Thistle Kapseln 2400mg als Arzneiware hat, ist die Ihnen zur Last gelegte Tat aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des Anzeigenlegers in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.

Bei der vorliegenden Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG. Gemäß dieser Bestimmung genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und die Täterin nicht glaubhaft macht, dass sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Im Sinne des § 5 Abs. 1 StGB handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklich will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet (dolus eventualis; Eventualvorsatz).

Ein derartiges Vorbringen, das geeignet gewesen wäre, Ihr mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, haben Sie aber nicht erstattet. Demnach sind auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit zweifelsfrei erwiesen. Für die erkennende Behörde ergibt sich, dass in gegenständlicher Angelegenheit Eventualvorsatz Ihrerseits vorliegt, da die Umstände (die durchgeführte Bestellung bzw. Anforderung der Arzneiwaren) erkennen lassen, dass Sie die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes ernstlich für möglich gehalten haben, sich damit jedoch abgefunden haben

Zur Bemessung der Strafhöhe:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfälligen Sorgepflichten der Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der objektive Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden sind im vorliegenden Fall nicht bloß durchschnittlich. Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das öffentliche Interesse am Schutz der Gesundheit von Patientinnen und Konsumentlnnen bei der Einfuhr von Arzneiwaren aus dem Ausland. Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat an sich in Verbindung mit dem Verschulden, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering.

Da ein hohes Risiko besteht, dass durch den illegalen Bezug von Arzneimitteln, insbesondere im Wege des „Internetversands“ minderwertige, gefälschte oder gesundheitsschädliche Arzneimittel nach Österreich gelangen und ein Schutz der Gesundheit von Patienten und Konsumenten durch sicherere, qualitativ hochwertige und wirksame Arzneimittel nur durch eine effiziente Überwachung der Einfuhr und des Verbringens von Arzneimitteln nach Österreich gewährleistet werden kann, ist eine Bestrafung sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Gründen geboten.

Bei der Strafbemessung wurde die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit mildernd gewertet, erschwerend war kein Umstand.

Ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse und allfälligen Sorgepflichten haben Sie der Behörde nicht bekannt gegeben. Es wurden mangels Angaben durchschnittliche Werte angenommen, da sich keine Anhaltspunkte für eine schlechte wirtschaftliche Lage ergaben.

Unter Berücksichtigung aller Strafzumessungsgründe ist die verhängte Strafe nicht zu hoch bemessen.

Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte zwingende Bestimmung des Gesetzes.

Ad II) Gemäß § 21 Abs. 3 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010), BGBl I. Nr. 79/2010, in der geltenden Fassung, können die dem Täter oder Mitschuldigen gehörigen Waren, die den Gegenstand der strafbaren Handlung bilden, für verfallen erklärt werden, wenn die Tat vorsätzlich begangen worden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hielt unter anderem im Judikat GZ: 2002/07/0083 fest: Wird kein besonderer Vorsatz gefordert, so genügt für die Verwirklichung einer Verwaltungsübertretung dolus eventualis.

Es kann auf die Begründung ad I) verwiesen werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

In den gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerden wurde ausgeführt wie folgt:

„1. Sachverhalt

Zunächst wird außer Streit gestellt, dass die Beschwerdeführerin das Produkt 960 Stück Milk Thistle Kapseln 2400mg im Internet erworben hat. Sie ist davon ausgegangen, dass es sich dabei um ein Nahrungsergänzungsmittel handelt, was tatsächlich auch der Fall ist.

Sodann wurde ihr mittels Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3.7.2018 aufgetragen, dazu Stellung zu nehmen, dass das Produkt seitens der Behörde bzw des Zollamts Wien als Arzneiware im Sinne des AWEG, konkret nach Position 3004 der VO 2658/87/EWG eingestuft wird. In der daraufhin ergangenen Rechtfertigung hat die Beschwerdeführerin vertreten durch den umseits ausgewiesenen Rechtsanwalt ausgeführt, dass es sich bei dem Produkt tatsächlich um ein Nahrungsergänzungsmittel und nicht um ein Arzneimittel handelt, daraus ist eindeutig die Argumentation zu erkennen, dass es sich damit also auch nicht um eine Arzneiware handelt.

In dem Straferkenntnis, gegen welches sich diese Beschwerde richtet hat die belangte Behörde sodann ausgeführt, dass die Frage, ob es ein Arzneimittel ist oder nicht, irrrelevant sei, es handelt sich um eine Arzneiware gemäß den zitierten Bestimmungen, der Tatbestand wäre daher erfüllt, dass es keine Arzneiware wäre hätte die Beschwerdeführerin (dort Rechtfertigungswerberin) nicht ausgeführt.

Diese Argumentation der belangten Behörde ist nicht nachvollziehbar, falsch und sogar mit den eigenen Ausführungen der belangten Behörde widersprüchlich, etwa wenn diese auf Seite 4 (Seitenzahlen sucht man leider vergeblich) im 6. Absatz schreibt „Da ein hohes Risiko besteht, dass durch den illegalen Bezug von Arzneimitteln ..

2. Rechtliche Beurteilung

Da die belangte Behörde die Beurteilung, das Produkt falle unter das AWEG 2010 fälschlich trifft, und sich mit den Argumenten der Beschwerdeführerin in der Rechtfertigung gar nicht auseinandersetzt, weil sie der Meinung ist, es wäre irrrelevant, ob es Arzneimittel sind oder nicht, es sind jedenfalls Arzneiwaren, hat sie das Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit behaftet. Die belangte Behörde hat sich in keiner Weise mit der Rechtslage auseinandergesetzt, sondern gibt ungefiltert die Meinung des Zollamtes Wien bzw der technischen Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung wieder.

2.1. Arzneimittel sind Arzneiwaren

Ziel des Arzneiwareneinfuhrgesetzes ist im Wesentlichen die Kontrolle der Einfuhr von Arzneispezialitäten, die in Österreich nicht zugelassen sind. Bis heute belässt nämlich die EU die endgültige Entscheidung über die Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln den nationalen Zulassungsbehörden. Um die derzeit noch bestehende Entscheidungsbefugnis der österreichischen Zulassungsbehörde hinsichtlich Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneispezialitäten nicht zu unterlaufen, müssen jene Beschränkungen im Warenverkehr für Arzneimittel aufrechterhalten werden, die sich in zwingender Weise aus den Produkteigenschaften der „Ware“ Arzneimittel ergeben. Die Einstufung von durch das AWEG erfassten Produkten nach Zolltarifnummern wurde beibehalten; Diese wurden aber in Produktgruppen zusammengefasst um eine bessere Übersichtlichkeit und Verständlichkeit zu erreichen (Füszl-Semp, Pharmazeutische Vorschriften, 37. Ergänzungslieferung, Einleitung zum AWEG 2010).

Gemäß Abs 1 AWEG 2010 gilt dieses Bundesgesetz für die Einfuhr und das Verbringen von Arzneiwaren und Blutgruppen. Arzneiwaren sind nach § 2 Abs 1 Waren im Sinne der VO 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsam en Zolltarif und zwar

a) Waren der Unterposition 3002 20,

b) Waren der Unterposition 3002 30,

c) Waren der Position 3004,

d) Röntgenkontrastmittel und diagnostische Reagenzien zur innerlichen Anwendung an Patienten aus der Unterposition 3006 30,

e) Waren der Unterposition 3006 60 und

f) Netzflüssigkeiten für harte Kontaktlinsen und Pflegeprodukte für weiche Kontaktlinsen aus der Unterposition 3307 90.

Gemäß § 3 AWEG 2010 ist die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, ist nur zulässig, wenn im Fall der Einfuhr die Bescheinigung ausgestellt wurde, oder im Fall des Verbringens eine Meldung erfolgt ist.

Der Geltungsbereich der gegenüber vor dem AWEG 2010 geltenden Regelung blieb unverändert. Ob eine Ware unter das AWEG fällt, richtet sich wie bisher nach den Einstufungen gern den Zolltarifnummern. Es werden jedoch aus Gründen der besseren Verständlichkeit und Übersicht die Produkte in drei Warengruppen (Arzneiwaren, Blutprodukte und Produkte natürlicher Heilvorkommen) zusammengefasst (Füsil-Semp, AAO, § 1 AWEG 2010, Rz 1). Der Ausdruck „dosiert“ bezieht sich auf Pulkware; Ausgangsmaterial und Zwischenprodukte unterliegen nicht dem AWEG (Füszl-Semp, AAO, § 3 AWEG 2010, Rzl).

Auf das Produkt des angefochtenen Straferkenntnis einschlägig ist der KN-Code 3004 des Kapitel 30 der VO (EWG) 2658/87. Kapitel 30 leg cit trägt die Überschrift „Pharmazeutische Erzeugnisse“. In den Anmerkungen heißt es unter l.a , dass zu Kapitel 30 nicht gehören: „ Nahrungsergänzungsmittel oder Getränke (wie diätetisches, diabetische oder angereicherte Lebensmittel, Ergänzungslebensmittel, tonische Getränke und Mineralwasser)". Ein Großteil dieser Diktion ist veraltet und neu bezeichnet, existiert in der Regelung aber immer noch (Ergänzungslebensmittel sind Nahrungsergänzungsmittel nach § 3 Zif4 LMSVG).

Der KN-Code 3004 trägt sodann die Bezeichnung „Arzneiwaren“ . Im Englischen trägt das Kapitel 30 die Überschrift „Pharmaceutical Products", der KN-Code 3004 die Bezeichnung „Medicaments".

Dass daher Arzneiwaren nach dem Code 3004 Arzneimittel bzw Arzneispezialitäten sind darf als rechtlich eindeutig angesehen werden. Was soll sonst eine Arzneiware nach dem KN-Code 3004 sein, wenn kein Arzneimittel? Die Beurteilung, ob etwas daher unter das AWEG fällt hängt damit zusammen, ob etwas tatsächlich ein Arzneimittel, auch genannt Arzneispezialität ist. Arzneispezialitäten sind § 1 Abs 5 AMG Arzneimittel, die im Voraus stets in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender bestimmten Form in Verkehr gebracht werden sowie Arzneimittel zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender, bei deren Herstellung sonst ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die gewerbsmäßig hergestellt werden.

Bei dem gegenständlichen Produkt handelt es sich um Tabletten, diese werden an den Verbraucher zur Einnahme abgegeben. Die grundsätzliche Form eines Arzneimittels bzw konkret einer Arzneispezialität liegt daher vor. Es kommt daher (weil Kapseln zB auch Nahrungsergänzungsmittel sein können) darauf an, ob es pharmakologisch, im m unologisch oder metabolisch wirkt. Dazu sogleich.

Mangels Ausführungen der belangten Behörde darüber, ob das Produkt eine pharmakologische, immunologisch oder metabolische Wirkung hat, somit ein Funktionsarzneimittel oder eine Funktionsarzneispezialität ist, und damit unter die Gruppe 3004 leg cit gehört, ist eine Rechtsgrundlage für die Bestrafung der Beschwerdeführerin nicht gegeben, und schon an dieser Stelle und aus den genannten Gründen das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

2.2. Keine pharmakologische Wirkung

2.2.1.Wie bereits in der Rechtfertigung ausgeführt handelt es sich bei dem Produkt 960 Stück Milk Thistle Kapseln 2400mg tatsächlich um ein Nahrungsergänzungsmittel nach § 3 Zif 4 LMSVG und um kein Arzneimittel (keine Arzneispezialität, damit auch keine Arzneiware). Offensichtlich aufgrund der Dosierung geht die belangte Behörde vollkommen unbegründet davon aus, dass es sich um ein Arzneimittel handelt. Dabei übersieht die belangte Behörde aber die rechtlich richtige Definition des Arzneimittels und die diesbezügliche Judikatur des EuGH.

2.2.2.1m Rahmen des AMG wird zwischen Präsentations- und Funktionsarzneimittel unterschieden. Gegenständlich behauptet die belangte Behörde offensichtlich ein Funktionsarzneimittel, Präsentationarzneimittel kann nicht vorliegen, weil keinerlei Angaben die sich auf die Heilung, Behandlung oder Verhütung einer menschlichen Krankheit beziehen, gegeben sind. Funktionsarzneimittel sind gemäß § 1 Abs 1 Z 2 AMG Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder an Tieren verabreicht w erden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung herstellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen.

2.2.3. Gerade diese pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung als Grundvoraussetzung des Vorliegens eines Funktionsarzneimittels ist gegenständlich nicht gegeben. Die pharmakologische Wirkung muss allerdings von der Behörde nachgewiesen werden. Mangels pharmakologischer Wirkung liegt kein Arzneimittel vor und damit auch kein Produkt der Gruppe 3004 der leg cit.

2.2.4.Gemäß der für Pflanzen in Lebensmittel einschlägigen deutschen Stoffliste des Bundes und der Bundesländer, Kategorie „Pflanzen und Pflanzenteil“ , auf welche durch einen Erlass des BMGF mit der Zahl BMGF-75210/0010-II/B/13/2016 vom 05.08.2016 verwiesen wurde, liegt laut der Kommission und der WHO bei Mariendistel eine pharmakologische Wirkung bei 12-15 g der Droge pro Tag vor.

Mit Droge ist nicht der Wirkstoff, sondern die Mariendistel selbst gemeint.

Gegenständlich ist die Menge 2,4 g. Laut ESCOP, der Europian Scientific Cooperative on Phytiotherapy, ist eine pharmakologische Wirkung bei 154 bis 324 mg Silymarin pro Tag erreicht. Gegenständlich beträgt die maximale Silymarin M enge 120 mg, somit weit unter der Untergrenze, die ESCOP als pharmakologische Wirkung ansieht. Tatsächlich ist bei dem Produkt daher keine pharmakologische Wirkung gegeben, und es ist richtigerweise ein Nahrungsergänzungsmittel und somit Lebensmittel, welches ohne Einhaltung des AWEG in Österreich eingeführt werden kann.

2.2.5. In einer Leitentscheidung des EuGH zur Richtlinie 2001/83/EG hat das Gericht die Einstufung eines Produkts als Arzneimittel konkretisiert:

Nach dem EuGH ist Art 2 Abs 2 der Richtlinie 2001/83/EG dahin auszulegen, dass diese Richtlinie nicht auf ein Produkt anzuwenden ist, dessen Eigenschaft als Funktionsarzneimittel wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist, ohne dass sie ausgeschlossen werden kann.

Ein Produkt kann nicht als Arzneimittel im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden, wenn es die physiologischen Funktionen nicht in nennenswerter Weise durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen kann. Das Kriterium der Eignung, physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen, darf nämlich nicht dazu führen, dass Produkte als Funktionsarzneimittel eingestuft werden, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, aber keine nennenswerten physiologischen Auswirkungen haben und seine Funktionsbedingungen somit nicht wirklich beeinflussen (EuGH-C- 140/07-Red Rice).

2.2.6.Wie in Punkt 2.2.4 aufgezeigt gibt es führende internationale Organisationen, die bei der im Produkt enthaltenen M enge Mariendistel bzw. Silymarin eine pharmakologische Wirkung nicht sehen. Wenn die Behörde der Meinung ist, es liegt eine pharmakologische Wirkung vor, so hat sie entsprechend der EuGH Rechtsprechung dies wissenschaftlich nachzuweisen. Mangels dieses Nachweises ist keine Arzneiware (weil kein Arzneimittel) der Gruppe 3004 leg cit gegeben.

Beweis: Auszug aus der deutschen Pflanzenliste, Beilage ./I

Kapitel 30 der VO VO 2658/87/EWG samt englischer Version Beilage ,/2

und ./3“

Aus dem den Beschwerden beigeschlossenen Akt ist ersichtlich, dass am 27.6.2018 seitens des Bundesministeriums für Finanzen, Zollamt Wien, gegen den Beschwerdeführer eine Anzeige erhoben wurde, in welcher ausgeführt wurde wie folgt:

„Anzeige einer Verwaltungsübertretung;

betroffene Strafbestimmung(en): § 21 Abs. 1 Z 1 Arznei Wareneinfuhrgesetz 2010

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Anlässlich einer Zollkontrolle wurden durch Organe des Zollamtes Wien nachstehende Feststellungen getroffen und folgende Information und Angaben gesammelt:

Angaben zu sonstige Verfahrensbeteiligten:

Stellung im Verfahren: Empfänger

A., B., W

C.-gasse

Wien

Stellung im Verfahren: Versender

D.

Sonstige Angaben:

Entdeckungsort:                                     1230 Wien, Halban Kurzstr. 5

Zeitpunkt der Entdeckung:                             08.06.2018 um 10:00 Uhr

Verkehrsart:                                              Postsendungen

Art der festgestellten Unregelmäßigkeiten):

Im Zuge gegenständlicher Kontrolle wurde(n) nachstehend angeführte Unregelmäßigkeit(en) festgestellt:

• AWEG 2010, Einfuhr von Arzneiwaren entgegen den Bestimmungen des § 3 AWEG 2010 ohne Einfuhrbescheinigung

Betroffene Strafbestimmung(en):

• § 21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010

Angaben zur Ware:

KN-Code Warenbeschreibung Mengenart Menge   Wert in EUR VL       UL       BL

3004900000 Arzneiwaren          Stück            960,00  46,38   US       US       AT

Schilderung des Sachverhaltes:

960 Stk Milk Thistle Kapseln 2400mg

Die Ware wurde gem. § 26 ZollR-DG beschlagnahmt und befindet sich in Gewahrsam des Zollamts Wien und wird nach Abschluss des Verfahrens vernichtet.

Einfuhrort: Flughafen Wien

Einfuhrzeitpunkt: 8.6.2018

Im Hinblick auf § 2 Abs. 4 AWEG 2010 wird ausdrücklich festgehalten, dass die Arzneiwaren in das Bundesgebiet befördert wurden und daher eine vollendete Einfuhr vorliegt.

Nach Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens bitte um Rückmeldung an die anzeigende Behörde.(post.zal-ata@bmf.gv.at)

Aussage des Angezeigten/Beschuldigten:

es ist ein Nahrungsergänzungsmittel. Studien belegen das es bei chronischen Lebererkrankungen hilf, das schreiben kommt von einer Frau Dr. med. E. - (deshalb ist es eine Arzneiware für den Zoll)!!!!

Von der Zollbehörde getroffene Maßnahmen:

• Anzeige an Bezirksverwaltungsbehörde/Magistrat

. Beschlagnahme nach § 19 Abs. 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (ab 19.8.2010)

HINWEIS: Bei den beschlagnahmten Waren handelt es sich um einfuhrabgabenpflichtige Nichtunionswaren, die vor einer allfälligen Freigabe oder vor einer Vernichtung oder Verwertung dem Zollamt neuerlich zu gestellen sind.

Beilagen/Sonstiges;

• Beschlagnahmequittung(en)

Eine Durchschrift dieser Anzeige wird an nachstehend angeführte Behörden übermittelt:

• BASG, Traisengasse 5, 1200 Wien“

Mit der Beschwerde wurde vom Zollamt Wien nachfolgende Stellungnahme zur Beschwerde vorgelegt:

„Zur Beschwerde des A. B., vertreten durch RA ... gegen das Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den ... Bezirk vom 7.11.2018, Zahl: ..., wird wie folgt Stellung genommen:

§ 2 des Arzneiwareneinfuhrgesetzes (AWEG 2010) definiert den Begriff „Arzneiwaren“ unter den Begriffsbestimmungen in Anknüpfung an den gemeinsamen Zolltarif in § 2 Ziffer 1 Buchstabe c AWEG 2010 als Waren der Position 3004.

Gemäß ETOS Untersuchung Nr. 134/2019 der Technischen Untersuchungsanstalt (TUA), bei der die gegenständliche, von A. B. als Warenempfänger eingeführte Ware, untersucht wurde, ist die Ware Milk Thistle Kapseln 2400 mg in die Warennummer 3004900000 des Gemeinsamen Zolltarifs einzureihen.

Gemäß § 3 Abs. 1 AWEG 2010 ist für die Einfuhr derartiger Waren eine Einfuhrbescheinigung erforderlich, welche im gegenständlichen Fall vom Warenempfänger nicht vorgelegt wurde. Demnach liegt ein Verstoß nach dem AWEG 2010 vor, welcher eine Abfertigung zum freien Verkehr verbietet und gemäß § 21 AWEG 2010 zu ahnden ist.

Die Einholung eines - wie vom Verwaltungsgericht gewünscht - zusätzlichen Sachverständigengutachtens ist nach Ansicht des Zollamtes Wien nicht erforderlich. Die für derartige Fälle maßgeblichen Untersuchungen werden für die Zollbehörde ausnahmslos durch die TUA als akkreditiertes und zertifiziertes Labor zur Erstellung von Gutachten durchgeführt. Falls das Verwaltungsgericht Wien ein Sachverständigengutachten auf seine Kosten einholen möchte, können Muster der Milk Thistle Kapseln zur Verfügung gestellt werden, die jedoch der zollamtlichen Überwachung unterliegen und nach Untersuchung wieder an das Zollamt Wien zurückzustellen sind.

Auf das diesbezügliche Telefonat zwischen Herrn F., Amtsfachbereich Zollamt Wien und Mag. DDr. Tessar, BVG Wien am 25.3.2019, 13.28 Uhr wird Bezug genommen.“

Seitens des erkennenden Gerichts wurde das Zollamt Wien mit Schriftsatz vom 10.12.2018 ersucht, darzulegen, warum es sich deren Ansicht nach bei Milk Thistle Kapseln um Arzneiwaren i.S.d. Arzneiwareneinfuhrgesetzes handelt. In diesem Zusammenhang wurde auch um die Vorlage eines entsprechenden pharmazeutischen Sachverständigengutachtens – im Hinblick auf die Aufzählung der Arzneiwaren i.S.d. § 2 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz und unter die Darlegung der Subsummierbarkeit unter die im § 2 Z 1 leg. cit. angeführten „Unterpositionen“ – gebeten.

Mit Schriftsatz vom 20.2.2019 legte sodann das Zollamt Wien einen Untersuchungsbefund der Technischen Untersuchungsstelle des Bundesministeriums für Finanzen vom 13.2.2019 vor, mit welchem das gegenständliche Produkt im Hinblick auf die Frage, ob dieses als Arzneiware i.S.d. § 2 Z 1 AWEG einzustufen ist, untersucht worden ist. Dieser Untersuchungsbefund lautet wie folgt:

„ETOS-Untersuchungsbefund 134/2019

Verfahrensart:

Reise- & Postverkehr

Handelsbezeichnung:

Milk Thistle 2400mg, Silymarin 38-120mg

Hersteller:

G. Inc.

US - ...

Einreihung für:

Einreibung für Einfuhr

Tari?erungsvorschlag der TUA:

3004900000 / V999

Untersuchungsbefund:

Bezeichnung lt. Originalpackung:

g. - raw Fresh Freeze dried MILK THISTLE, 1.5 – 5% Silymarin; 240 Non-GMO

Veg Caps/ 600 mg

Verpackung:

Kleinverkaufspackung zu 240 Kapseln. In eine Klarsichtfolie eingeschweißte, etikettierte, weiße Kunststoffdose mit weißem Sicherheitsschraubverschluss.

Rohgewicht: 230,33 g; Eigengewicht: 180,08 g.

Inhalt/Aussehen:

260 (!) Stück von durchschnittlich 693 mg schweren, farblosen Steckkapseln, die mit durchschnittlich 597 mg eines braunen Pulvers gefüllt sind.

Untersuchungsergebnis:

Die Kapseln bestehen aus einem Cellulosederivat und das Pulver aus vermahlenen Früchten der Mariendistel (Silybum marianum).

Auf der Packung sind die Inhaltsstoffe (Silybum marianum) und deren Menge (2400 mg pro 4 Kapseln) sowie der darin enthaltenen Wirkstoffe (38-120 mg Silyrnarin) sowie eine Verzehrempfehlung (4 Kapseln, bis zu 3 mal täglich) angeführt. Es fehlen jedoch Angaben hinsichtlich einer konkreten Behandlung oder Vorbeugung von spezifischen Krankheiten oder Leiden (Benefits: Liver Support; Detoxification Support; Digestive Support. This product is not intended to diagnose, treat, eure er prevent any illness).

Einreihung:

Andere Arzneiware, dosiert, in Aufmachung für den Einzelverkauf.

Begründung:

Silymarin wird als arzneilich wirksamer Stoff angesehen und ist bei akuter Hepatitis und bei Leberschädigung durch verschiedene hepatotoxische Verbindungen, selbst gegen die Gifte des Knoilenblätterpilzes, wirksam.

Tarifierungsvorschlag: 3004 9000 00; V999“

Daraufhin richtete das erkennende Gericht einen mit 28.2.2019 datierten Schriftsatz an das Zollamt Wien, in welchem u.a. ausgeführt wurde wie folgt:

„In Angelegenheit der Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Herrn RA ..., gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 7.11.2018, Zl. ..., wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 iVm § 21 Abs. 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010) wird der Eingang des da Schreibens vom 20.2.2019 samt des mit 13.2.2019 datierten Untersuchungsbefunds bestätigt.

Doch leider wurde mit diesem Untersuchungsbefund nicht dem mit Schreiben vom 10.12.2018 erteilten Gerichtsauftrag entsprochen. In diesem Gerichtsauftrag erfolgte nämlich das Ersuchen darzulegen, warum nach Ansicht des Zollamts Wien es sich bei Milk Thistle Kapseln um Arzneiwaren i.S.d. Arzneiwareneinfahrgesetzes handelt. In diesem Zusammenhang wurde auch um die Vorlage eines entsprechenden pharmazeutischen Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die Aufzählung der Arzneiwaren i.S.d. § 2 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz und unter die Darlegung der Subsumierbarkeit unter die im § 2 Z 1 leg. cit. angeführten „Unterpositionen“ ersucht.

Bei dem vorgelegten Untersuchungsbefund vom 13.2.2019 handelt es sich nun aber definitiv nicht um das geforderte Gutachten. Das beginnt schon damit, dass mit der bloßen Anführung von Inhaltsstoffen keine Aussage zur Arzneimittelqualität i.S.d. § 2 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz getroffen wird. De Umstand, dass diese Inhaltsstoffe geeignet sind, im Erkrankungsfall Anwendung zu finden, impliziert noch nicht deren Arzneimittelqualität, denn dann wären wohl jeder Kamillentee und jede Knoblauchzehe auch als vom Einfuhrverbot des Arzneimittelgesetzes erfasstes Arzneimittel anzusehen.

Vielmehr bedarf die Einstufung als Arzneimittel der Subsumtion des gegenständlichen Produkts unter eine der die im § 2 Z 1 leg. cit. angeführten „Unterpositionen“, und sodann um eine den wissenschaftlichen Ansprüchen und den Anforderungen eines Sachverständigengutachtens genügende Darlegung der Gründe, warum diese Subsumtion geboten ist.

Es erfolgt daher neuerlich die Aufforderung, das für eine Bestrafung zwingend erforderliche Sachverständigengutachten binnen einer Frist von einem Monat vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 25.3.2019 beantwortete das Zollamt Wien dieses Ersuchen wie folgt:

„Zur Beschwerde des A. B., vertreten durch RA ... gegen das Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den ... Bezirk vom 7.11.2018, Zahl: ..., wird wie folgt Stellung genommen:

§ 2 des Arzneiwareneinfuhrgesetzes (AWEG 2010) de?niert den Begriff „Arzneiwaren“ unter den Begriffsbestimmungen in Anknüpfung an den gemeinsamen Zolltarif in § 2 Ziffer 1 Buchstabe c AWEG 2010 als Waren der Position 3004.

Gemäß ETOS Untersuchung Nr. 134/2019 der Technischen Untersuchungsanstalt (TUA), bei der die gegenständliche, von A. B. als Warenempfänger eingeführte Ware, untersucht wurde, ist die Ware Milk Thistle Kapseln 2400 mg in die Warennummer 3004900000 des Gemeinsamen Zolltarifs einzureihen.

Gemäß g 3 Abs. 1 AWEG 2010 ist für die Einfuhr derartiger Waren eine Einfuhrbescheinigung erforderlich, welche im gegenständlichen Fall vom Warenempfänger nicht vorgelegt wurde.

Demnach liegt ein Verstoß nach dem AWEG 2010 vor, welcher eine Abfertigung zum freien Verkehr verbietet und gemäß § 21 AWEG 2010 zu ahnden ist.

Die Einholung eines - wie vom Verwaltungsgericht gewünscht – zusätzlichen Sachverständigengutachtens ist nach Ansicht des Zollamtes Wien nicht erforderlich. (…)“

In weiterer Folge richtete das erkennende Gericht mit Schriftsatz vom 30.4.2019 die Anfrage an die belangte Behörde, ob diese über einen Amtssachverständigen aus dem Gebiet der Pharmazie verfüge, welcher in der Lage ist, Stoffe im Hinblick der Vorgaben der im § 2 Z 1 leg. cit. angeführten „Unterpositionen“ zuzuordnen.

Mit Schriftsatz vom 10.5.2019 teilte der Magistrat der Stadt Wien, nicht über den gewünschten Amtssachverständigen zu verfügen.

Sodann wurde seitens des erkennenden Gerichts mit Beschluss vom 8.1.2020 die Sachverständige Frau Priv. Doz. Mag. Dr. H. I. mit der Abfassung eines Gutachtens zur Frage, ob die gegenständliche Einfuhr von Tabletten mit dem Inhaltsstoff „Mariendistel“ als um eine Arzneiware i.S.d. § 2 Abs. 1 AWEG handelt, beauftragt.

Mit Gutachten vom 30.9.2019 führte Frau Priv. Doz. Mag. Dr. H. I. aus wie folgt:

„Befundaufnahme zu „Milk Thistle"

Kurzdarstellung:

Das gegenständliche Produkt (Fresh Upgrade •Potency Proven „RAW Fresh Freezed dried Milk Thistle", unbearbeitete, frische, gefriergetrocknete Mariendistel) wird von einer amerikanischen Firma (G., Oregon, www.g.herb.com) als „Dietary Supplement" (Nahrungsergänzungsmittel) in Form von Kapseln angeboten.

Zusammensetzung (Konzentration der enthaltenen Wirkstoffe):

Die „Milk Thistle" Kapseln enthalten laut Außenverpackung:

Organic Freeze dried Milk Thistle seed (Silybum marianum) 2400 mg

Die 2400 mg sind in 4 Kapseln (600 mg/Kapsel) enthalten (Serving Size: 4 capsules).

Die 2400 mg enthalten laut Angabe 38 -1 2 0 mg Silymarin.

sowie an sonstigen Bestandteilen: Hypromellose (Hydroxypropylmethylcellulose)

Dosierung und Art der Anwendung:

Laut Außenverpackung werden 3 x täglich 4 Kapseln empfohlen. Das sind 3 x 2400 mg, also insgesamt 7200 mg (7,2 g) gefriergetrocknete Mariendistelfrüchte (entsprechend einer Tagesdosis von 114 - 360 mg Silymarin).

Auf der Außenverpackung gibt es keine Angaben zu Krankheiten, Leiden oder deren Symptome, bei denen das Produkt verwendet werden soll.

Abzuklären gilt, ob das gegenständliche Produkt ein Arzneimittel und somit eine laut Arzneiwareneinfuhrgesetz (AWEG) notwendige Einfuhrbescheinigung benötigt oder ein Nahrungsergänzungsmittel und somit Lebensmittel ist. Lebensmittel können ohne Einhaltung des AWEG in Österreich eingeführt werden.

Es kommt daher nun darauf an, ob es pharmakologische Eigenschaften besitzt, also Wirkungen im Körper des Menschen entfaltet, und zu den Funktionsarzneimittel einzuordnen

ist.

Laut einem Erlass des BMGF mit der Geschäftszahl BMGF-75210/0010-II/B/13/2016 vom 5.8.2016 wird auf eine Stoffliste des Bundes und der Bundesländer Kategorie „Pflanzen und Pflanzenfette verwiesen, die als Orientierungshilfe bei der Verwendung von Pflanzen und Pflanzenteilen als Lebensmittel dienen soll. Die Stoffliste ist nicht rechtsverbindlich und eine abschließende Beurteilung von Nahrungsergänzungsmitteln, die Pflanzen und Pflanzenteile enthalten, hat stets einzelfallbezogen zu erfolgen, wobei alle beurteilungsrelevanten Kriterien zu berücksichtigen sind. Dazu zählen unter anderem die Zubereitung und Dosierung, in der der Stoff verwendet wird. So können beispielsweise Extrakte aufgrund der verwendeten Extraktionsmittel oder des Herstellungsverfahrens erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Zusammensetzung oder die pharmakologischen und toxikologischen Eigenschaften aufweisen.

Beim gegenständlichen Produkt handelt es sich um gefriergetrocknete Mariendistelfrüchte, also um keinen Extrakt. Es gibt jedoch Angaben zu Silymarin (114 - 360 mg empfohlene Tagesdosis), das für die Wirksamkeit verantwortlich gemacht wird, und als beurteilungsrelevantes Kriterium zu berücksichtigen ist.

Silybum marianum (L.) GAERTN. wird in dieser Stoffliste der Kategorie „Pflanzen und Pflanzenteile" als Arzneistoff (IV) in die Liste B zugeordnet. Das heißt, ab einer bestimmten Dosis sind pharmakologische Wirkungen beschrieben. Bei Erreichen der pharmakologisch wirkenden Dosis handelt es sich definitionsgemäß um ein Funktionsarzneimittel. Durch Aufnahme in Liste B wird dies deutlich gemacht. Werden Beschränkungen eines Stoffes bei seiner Verwendung als Lebensmittel (Liste B) aufgrund einer belegten pharmakologischen Wirkung vorgeschlagen (Ziffer 4), bezieht sich die Beschränkung immer auf den im Beleg genannten Stoff (z.B. getrocknete Pflanze oder getrockneter Pflanzenteil). Als Belege einer pharmakologischen Wirkung, die zu einer Einstufung als Arzneimittel führen, werden gerichtlich anerkannte Quellen wie Monographien, Arzneimittel-Zulassungen oder Einstufungen zuständiger Behörden herangezogen. Darüber hinaus können weitere Belege (z.B. Ergebnisse klinischer Studien) für eine Einstufung eines Stoffes als Arzneimittel relevant sein (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) 2014).

Belege einer pharmakologischen Wirkung:

Als mittlere Tagesdosis werden laut ESCOP-Monographie und der Kommission E1 12 – 15 g Droge empfohlen, entsprechend 200 bis 400 mg Silymarin. Die 12 - 1 5 g Droge werden jedoch für eine Teezubereitung als Tagesdosis empfohlen, um daraus einen wässrigen Auszug (Tee) zu machen, und nicht, um die Droge (12 - 15 g) in Form von Kapseln zu schlucken. Eine Teezubereitung ist hier jedoch nicht sinnvoll, da Silymarin schwer wasserlöslich ist.

Mit der gegenständlichen Zubereitung (siehe oben) liegt die Tagesdosis bei 114 - 360 mg Silymarin. Also durchaus im vergleichbaren Bereich, mit einer pharmakologischen Wirksamkeit. Silymarin besitzt eine protektive und regenerationsfördernde Wirkung auf hepatisches Gewebe (Bäumler S. 2007).

1 Die Kommission E bezeichnet eine selbstständige, wissenschaftliche Sachverständigenkommission für pflanzliche Arzneimittel des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes (BGA) und des heutigen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Deutschland.

In der EMA Monographie werden für die Teezubereitung 3 - 5 g in 100 mL kochendes Wasser für 2 - 3 x täglich vor den Mahlzeiten empfohlen. Also ebenfalls maximal 15 g täglich.

Für eine pulverisierte Zubereitung (powdered herbal substance) werden 300 mg - 600 mg, 2 - 3-mal täglich, bis zu 1800 mg vor den Mahlzeiten, laut EMA (European Medicines Agency, EMA/HMPC/294187/2013), empfohlen. Diese pulverisierte Zubereitung (dh bis 1800 mg täglich) ist für eine Anwendung in Form von Kapseln oder Tabletten gedacht, also für eine orale Anwendung zum Schlucken. Mit der gegenständlichen Zubereitung liegt jedoch die empfohlene Tagesdosis für die Anwendung in Form von Kapseln bei 7200 mg (7,2 g)l Also sehr hoch dosiert, und dazu kommt, dass die Mariendistelfrüchte laut Außenverpackung gefriergetrocknet wurden, also auch kein Wasser mehr enthalten ist! Diesbezüglich liegt also eine Überdosierung mit der gegenständlichen Zubereitung vor, jedoch liegt die Dosis bezüglich der wirksamkeitsbestimmenden Substanz, dem Silymarin (114 - 360 mg), im empfohlenen Bereich, mit einer pharmakologischen Wirkung.

Die Mariendistel (mit ihren unterschiedlichen Zubereitungen [Teedroge, pulverisierte Droge, Extrakte]) ist laut EMA ein traditionelles Arzneimittel, das

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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