Entscheidungsdatum
05.09.2019Norm
AVG §57 Abs2Spruch
W127 2219259-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi über die Beschwerde der beschwerdeführenden Parteien 1. XXXX und 2. XXXX , beide vertreten durch Rechtsanwälte Ainedter & Ainedter, vom 24.05.2019 wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (belangte Behörde: Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen) zu Recht:
A)
I. Die Beschwerden werden abgewiesen.
II. Der Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Zuerkennung des Ersatzes ihrer Aufwendungen wird gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Behördliches Verfahren:
1.1. In der Niederschrift des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen (in der Folge: BASG) vom 11.04.2019, GZ 670088-24-18-INS, wurde festgehalten, dass am selben Tag in der XXXX XXXX , XXXX , die Erhebung der Tätigkeiten der beschwerdeführenden Partei (2.) aufgrund des Verdachtes auf Gewinnung menschlicher Zellen (Eizellen) ohne entsprechende Meldung gemäß § 19 Gewebesicherheitsgesetz (in der Folge: GSG) sowie Verarbeitung/Lagerung/Verteilung menschlicher Zellen/Gewebe (IVF, ICSI; Embryonen) ohne entsprechende Bewilligung gemäß § 22 GSG stattfand. Weiters wurde festgehalten, dass nach ausführlicher mündlicher Erörterung des erhobenen und dargestellten Sachverhaltes mit Bescheid mündlich verkündet wurde, dass das BASG feststellt, dass in der XXXX XXXX , XXXX , eine Entnahmeeinrichtung ohne Meldung an das BASG nach § 19 GSG sowie eine Gewebebank ohne Bewilligung durch das BASG nach § 22 GSG betrieben wird, und mit sofortiger Wirkung die Sperre des Betriebes gemäß § 27 Abs. 3 GSG ausgesprochen wird.
In der Begründung wurde festgehalten, dass von den Organen des BASG ICSI-Manipulatoren und zwei Brutschränke gesperrt wurden, und wurde darauf hingewiesen, dass der Bruch eines amtlichen Siegels eine gerichtliche Straftat darstellt.
1.2. Dagegen wurde das Rechtsmittel der Vorstellung gemäß § 57 Abs. 2 AVG, datiert mit 25.04.2019, AZ: 63/19, erhoben.
1.3. Mit Datum 19.04.2019 erließ das BASG zur Zahl BBSG-11952005, folgenden Bescheid (Hervorhebungen im Bescheid):
"I. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) spricht mit sofortiger Wirkung die Sperre des Betriebes gemäß § 27 Abs. 3 GSG aus, da offenkundig ist, dass in der XXXX XXXX [...] eine Entnahmeeinrichtung ohne Zertifikat aufgrund einer Meldung an das BASG nach § 19 Gewebesicherheitsgesetz [...] sowie eine Gewebebank ohne Bewilligung durch das BASG nach § 22 GSG betrieben wird.
II. Das BASG schließt die aufschiebende Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz [...] aus.
Die Niederschrift zur Inspektion am 11.04.2019 (GZ 670088-24-18-INS), alle darin bezughabenden Dokumente sowie die in ihrem Rahmen gewonnene Foto- und Videodokumentation bilden einen integralen Bestandteil dieses Bescheides."
1.4. Dagegen wurde das Rechtsmittel der Vorstellung gemäß § 57 Abs. 2 AVG, datiert mit 08.05.2019, AZ: 63/19, erhoben.
2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
2.1. Am 24.05.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht gegenständliche Maßnahmenbeschwerde gemäß Artikel 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, datiert mit 23.05.2019, AZ: 63/19, ein.
2.2. Am 05.07.2019 langte nach entsprechender Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht der Bezug habende Verwaltungsakt ein. Eine Stellungnahme seitens der belangten Behörde wurde nicht abgegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Am 11.04.2019 wurde die XXXX XXXX der beschwerdeführenden Parteien nach Erhebungen vor Ort gemäß § 27 Abs. 3 GSG gesperrt und diese Sperre auch mündlich verkündet. Das Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet (siehe Schreiben der belangten Behörde an die beschwerdeführenden Parteien vom 20.05.2019).
Das ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich besteht Einzelrichterzuständigkeit.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen des Verwaltungsgerichtes durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.
Zu A) I.
Gemäß § 27 Abs. 3 Bundesgesetz über die Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Zellen und Geweben zur Verwendung beim Menschen (Gewebesicherheitsgesetz - GSG), BGBl. I Nr. 49/2008 idgF, hat das Bundesamt für Sicherheit und Gesundheitswesen ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides den Betrieb an Ort und Stelle zu sperren, wenn offenkundig ist, dass eine Entnahmeeinrichtung ohne Meldung oder eine Gewebebank ohne eine Bewilligung betrieben wird. Ein schriftlicher Bescheid hierüber ist unverzüglich zu erlassen.
Gegenständlich wurde die Sperre mit mündlich verkündetem Bescheid am 11.04.2019 ausgesprochen und mit Vorstellung vom 25.04.2019 bekämpft. Der schriftliche Bescheid über die Sperre vom 19.04.2019 wurde mit Vorstellung vom 08.05.2019 bekämpft. Die Maßnahmenbeschwerde, datiert mit 23.05.2019, langte beim Bundesverwaltungsgericht am 24.05.2019 ein.
Bei einer Betriebsschließung handelt es sich um eine einstweilige Zwangs- und Sicherungsmaßnahme nach dem Vorbild des § 360 GewO, die auch das Anbringen von Amtssiegeln oder Plomben umfasst, und ist daher als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt mit einer Maßnahmenbeschwerde gemäß Artikel 130 Abs. 1 Z 2 B-VG bekämpfbar, solange darüber noch kein schriftlicher Bescheid ergangen ist (vgl. VwGH 24.04.2018, Ra 2017/17/0924).
Die Erhebung einer Beschwerde gemäß Artikel 130 Abs. 1 Z 2 B-VG an ein Verwaltungsgericht setzt voraus, dass ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dem Zweck dient, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen. Es sollten mit dieser Beschwerde aber nicht Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes geschaffen werden. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein, wobei die Zulässigkeit dieser Beschwerde insbesondere auch nicht von der (allenfalls längeren) Dauer des sonst zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehenden Verwaltungsverfahrens abhängt (VwGH zuletzt 20.03.2019, Ra 2018/09/0090).
Gemäß der eingebrachten Maßnahmenbeschwerde wird "die am 11.04.2019 verhängte Maßnahme" bekämpft. Nähere Ausführungen zu der konkreten Maßnahme wurden keine getätigt. Somit ist davon auszugehen, dass mit der erhobenen Maßnahmenbeschwerde die gegenständliche Sperre des Betriebes bekämpft werden soll. Gegen diese Sperre des Betriebes wurde jedoch bereits - zweimal - das Rechtsmittel der Vorstellung erhoben. Somit ist aber bereits ein Verwaltungsverfahren anhängig, in welchem die Rechtmäßigkeit der Sperre des Betriebes ermittelt und geprüft wird. Im Sinne obiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde daher spruchgemäß abzuweisen.
Zu A) II.
Die Beschwerdeführer haben den Ersatz der Eingabengebühr, der Fahrtkosten sowie des Pauschalbetrages für den Schriftsatz und Verhandlungsaufwand gemäß der VwG-AufwErsV BGBl II 2013/517 geltend gemacht. Seitens der belangten Behörde wurde kein Kostenersatz geltend gemacht.
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Artikel 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Ein Zuspruch der Kosten an die beschwerdeführenden Parteien hat zu unterbleiben, weil sie als unterlegene Parteien keinen Anspruch auf Kostenersatz haben. Seitens der belangten Behörde wurden keine Kosten beantragt, sodass auch diesbezüglich die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch nicht gegeben sind.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG trotz entsprechendem Parteiantrag abgesehen werden, weil sich der Sachverhalt aus dem vorliegenden Akt ergibt und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich - wie oben ausgeführt - bei gegenständlich erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen.
Schlagworte
Aufwandersatz, Befehls- und Zwangsgewalt, Betriebssperre,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W127.2219259.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.03.2020