Entscheidungsdatum
08.10.2019Norm
BDG 1979 §123 Abs2Spruch
W 136 2219986-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch RA Dr. Hermann RIEDER, 6020 Innsbruck, Stiftgasse 23, gegen den Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 3, vom 07.05.2019, GZ 44119/3-DK/3/19, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1 Mit dem im Spruch genannten Beschluss leitete die belangte Behörde gemäß § 123 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren gegen die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz BF) wegen des Verdachtes ein, sie habe es unterlassen einem näher genannten Mitarbeiter mit Achtung zu begegnen, indem sie
1. ihm im Oktober 2016 anlässlich einer Besprechung eines von einem anderen Mitarbeiter fehlerhaft vorgelegten Akt gesagt habe: "Sei froh, dass du den Bescheid mit diesem Fehler nicht ausgestellt hast
Wenn du den Fehler gemacht hättest, [.....] dann hätte ich dich festgenagelt" und
2. ihm im November 2016 anlässlich eines von ihm fehlerhaft vorgelegten Aktes trotz Nachfrage, was er falsch gemacht habe, mitgeteilt habe, dass er den Fehler selbst finden müsse und bei einem nochmaligen Fehler schriftlich belehrt und an die Wand genagelt würde.
Begründend wurde ausgeführt, dass sich der Verdacht der Pflichtverletzung aus der Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 20.02.2019, in der der BF gezieltes und systematische Mobbing mehrere Mitarbeiter vorgeworfen werde, ergäbe. In einer Sachverhaltsdarstellung vom 15.10.2018 habe XXXX angegeben, sich durch die geschilderten Äußerungen seiner Vorgesetzten herabgewürdigt, in seiner Würde verletzt und als persönlich angegriffen erachtete habe. Hinsichtlich des Vorfalls vom Oktober 2016 sei nicht nachvollziehbar, warum der Mitarbeiter von der BF für den Fehler eines anderen belehrt werde und sei die Aussage der BF geeignet, beim Mitarbeiter den Eindruck zu erwecken, man würde bei ihm nach Fehlern suchen und wolle ihn unter Druck setzen. Hinsichtlich des Vorfalls vom November 2016 sei die BF wohl verpflichtet, Fehler oder Missstände abzustellen, gleichzeitig sei sie jedoch verpflichtet, den Mitarbeiter anzuleiten, was bedeute, ihn auf den Fehler aufmerksam zu machen. Eine Aufforderung, den Fehler selbst zu suchen, sei oberlehrerhaft und überheblich, eine Aussage, ihn "an die Wand zu nageln", widerspräche einem angemessenen und wertschätzenden Umgangston.
Aus einer zweimaligen derartige Wortwahl während eines kurzen Zeitraumes ließe sich zwar noch kein gezieltes Mobbing ableiten, dennoch seien diese Aussagen - sollten sie sich im weiteren Verfahren als wahr herausstellen - unangemessen und geeignet, die Würde des Mitarbeiters zu verletzen und einer hochrangigen Vorgesetzten mit akademischer Ausbildung unwürdig.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die BF rechtzeitig Beschwerde und führte zu den ihr angelasteten Äußerungen aus, dass diese nicht getätigt habe und selbst wenn man von solchen Äußerungen ausginge, diese keine schuldhafte Pflichtverletzung darstellen würden. Aus der Darstellung in der Disziplinaranzeige gehe hervor, dass die bestrittene Äußerung vom Oktober 2018 nicht im hierarchischen Verhältnis von Vorgesetzter und Untergebenen, sondern zwischen Organwalter und Partei gefallen sei, zudem sei unerfindlich, warum die Äußerung erst drei Jahre später anzeigt werde.
Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einstellung des Disziplinarverfahrens, in eventu Zurückverweisung an die belangte Behörde.
3. Die gegenständliche Beschwerde samt Verfahrensakt wurde von der belangten Behörde dem BVwG am 13.06.2019 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt) und Beweiswürdigung:
1.1. Zur Person der BF:
Die BF steht als Leiterin der XXXX in einem öffentlich - rechtlichen Dienstverhältnis.
1.2. Zu den im Verdachtsbereich angelasteten Dienstpflichtverletzung:
Der den angelasteten Dienstpflichtverletzungen zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus der Aktenlage (Disziplinaranzeige samt Beilagen), und konnte somit der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden.
Bezüglich der unter Punkt I. dargestellten Anschuldigungen liegt nach Aktenlage der hinreichend begründete Verdacht für die Annahme der schuldhaften Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch die BF und damit für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn vor. Damit ist der Sachverhalt für das Verfahrensstadium des Einleitungsbeschlusses ausreichend geklärt. Es steht auch unverwechselbar fest, welche konkreten Vorgänge den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilden.
Wenn die BF angibt, die inkriminierten Äußerungen nicht getätigt zu haben, weil sie derartige Äußerungen nicht tätige, ist damit der Verdacht einer Pflichtverletzung keineswegs ausgeräumt, sondern wird die diesbezügliche Verantwortung der BF im weiteren Disziplinarverfahren zu prüfen und bewerten sein. Auch der Hinweis, dass die BF im Oktober 2016 hinsichtlich des vorgelegten Aktes nicht als Vorgesetzte, sondern als Partei anzusehen sei, weil es sich um einen Akt in eigener Angelegenheit gehandelt habe, ändert nichts an der Verdachtslage, weil sich aus dem Zusammenhang ergibt, dass die BF im Dienst als Vorgesetzte den BF als Mitarbeiter angesprochen hat.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.
Im gegenständlichen Fall wurde vom BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Ungeachtet dessen wurde vom Bundesverwaltungsgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Gegenstand gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides notwendige Sachverhalt problemlos den Akten zu entnehmen war und einer weiteren Klärung in einer Verhandlung nicht bedurfte. Insbesondere war im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen, ob der BF tatsächlich Dienstpflichtverletzungen begangen hat, sondern ob hinreichende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorliegen. Art 6 Abs. 1 EMRK steht im derzeitigen Verfahrensstadium dem Entfall einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen, da nur die Frage der Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu klären war und zivile Rechte im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK mit der gegenständlichen Entscheidung nicht verändert oder gestaltet werden (VwGH vom 16.09.2010 Zl. 2007/09/0141). Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) kommt im gegenständlichen Fall mangels Vorliegens eines unionsrechtlichen Sachverhaltes nicht zur Anwendung (VwGH vom 09.09.2014, Zl. Ra 2014/09/0017).
Zu Spruchpunkt A):
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 i.d.F BGBl. I Nr. 58/2019 (BDG 1979) maßgeblich:
§ 123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.
(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Einleitungsbeschluss der oder dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben."
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Rechtslage des BDG 1979 und des LDG 1984 in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (Hinweis E 9.9.1997, 95/09/0243, sowie E 16.9.1998, 96/09/0320), ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verfahren auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen (VwGH vom 18.12.2012, Zl. 2011/09/0124).
Die Begründung des Einleitungsbeschlusses ist auf die Zusammenfassung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die Darlegung der für die getroffene Entscheidung im jeweiligen Gegenstand maßgeblichen Gründe beschränkt; beim Einleitungsbeschluss geht es um die Frage, ob in Bezug auf einen konkret umschriebenen Sachverhalt ein hinreichender Verdacht für das Vorliegen einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung gegeben ist, oder ob allenfalls (offenkundige) Gründe für die sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (VwGH vom 01.07.1998, Zl. 97/09/0095 mit Hinweis auf E 25.6.1992, 91/09/0190).
Nur offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 BDG 1979 stehen der Einleitung des Disziplinarverfahrens entgegen (VwGH vom 25.06.1992, Zl. 92/09/0056).
Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:
Aufgrund des in der Disziplinaranzeige der Dienstbehörde dargestellten Sachverhaltes, nämlich die schriftlichen Angaben des XXXX aus Anlass der von anderen Bediensteten wider die BF erhobenen Mobbingvorwürfe, kann keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, dass die belangte Behörde, auch wenn sie zu anderen die BF betreffende Vorwürfe einen Nichteinleitungsbeschluss betroffen hat, ein Disziplinarverfahren eingeleitet hat, da die angelasteten Äußerungen ohne Zweifel geeignet sind, die Würde eines Menschen zu verletzen. Wie bereits oben unter Punkt II.1. ausgeführt, kann dem Beschwerdevorbringen, wonach die BF überhaupt keine Pflichtverletzungen begangen habe, nicht gefolgt werden, da, wie dargestellt, eine ausreichende Verdachtslage besteht und die diesbezügliche Verantwortung und das Vorbringen der BF im Disziplinarverfahren zu prüfen sein wird.
Zum Beschwerdevorbringen, dass die belangte Behörde auch zur gegenständlichen Anlastung einen Nichteinleitungsbeschluss zu fassen gehabt hätte, wird auf die diesbezüglich zutreffenden Ausführungen im bekämpften Bescheid (Seite 7) verwiesen, wonach zur konkreten Anlastung ein Vorgehen nach § 118 BDG vor dem Hintergrund der besonderen Verantwortung von Führungskräften nicht in Betracht kommt.
Die in der Beschwerdeschrift getätigten Ausführungen sind daher zusammengefasst nicht geeignet, den Verdacht der schuldhaften Begehung konkret umschriebener Dienstpflichtverletzungen auszuräumen. Der von der belangten Behörde verfügte Einleitungsbeschluss betreffend Vorliegen von Dienstpflichtverletzungen im Verdachtsbereich ist daher zu Recht erfolgt, weshalb die Beschwerde letztlich als unbegründet abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die maßgebliche Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Fassung eines Einleitungsbeschlusses nach § 123 Abs. 2 BDG 1979 wurde in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mehrfach behandelt. Die gegenständliche Entscheidung weicht von dieser nicht ab. Auf die unter Spruchpunkt A zitierte Judikatur wird verwiesen.
Schlagworte
Abteilungsleiter, Dienstpflichtverletzung, Disziplinarverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W136.2219986.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.03.2020