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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der F, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 27-28/2/19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. November 1995, Zl. SD 1380/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. November 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. September 1993 "gemäß § 16 Abs. 1 SGG" zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Daraufhin sei der ihr im Jahr 1992 ausgestellte unbefristete Sichtvermerk mit Bescheid vom 28. März 1994 rechtskräftig für ungültig erklärt worden. Da die Beschwerdeführerin in der Folge das Bundesgebiet nicht verlassen habe, sei sie zweimal wegen Übertretung des Fremdengesetzes rechtskräftig bestraft worden.
Im Zuge des in der Folge eingeleiteten Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin bereits seit dem Jahr 1969 in Österreich lebe, mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet sei und insgesamt vier Kinder habe, von denen zwei im Alter von 24 und 22 Jahren bereits berufstätig seien, eines im Alter von 19 Jahren zu Hause lebe und eines im Alter von 17 Jahren Lehrling sei. Andererseits sei aber auch festgestellt worden, daß der Ehemann der Beschwerdeführerin "- wie oben -" ebenfalls rechtskräftig verurteilt worden sei und mittlerweile nach Verbüßung seiner Strafe das Bundesgebiet verlassen habe. Außerdem sei festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin - ebenso wie ihr Ehemann - vom Bezirksgericht Donaustadt im Jahr 1994 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sei.
Ein von der Beschwerdeführerin gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Juli 1995 rechtskräftig abgewiesen worden. Die dagegen eingebrachte Beschwerde sei beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.
Es stehe fest, daß die Beschwerdeführerin nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstehe. Es könne kein Zweifel bestehen, daß die vorliegende Ausweisung einen ganz bedeutsamen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin darstelle, zumal ihr dadurch zumindest vorübergehend die Möglichkeit genommen werde, bei bzw. mit ihren erwachsenen Kindern in Österreich zu bleiben und sie entscheiden müsse, "welche Verfügung sie über das minderjährige Kind" treffe. Dessen ungeachtet sei aber die Ausweisung zur "Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens", somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten. Einem geordneten Fremdenwesen komme ein beträchtlicher Stellenwert zu. Die Beschwerdeführerin halte sich bereits seit längerem rechtswidrig in Österreich auf und sei deswegen auch bereits mehrfach bestraft worden. Ein weiterer rechtswidriger Aufenthalt könne - auch in Ansehung des längjährigen Aufenthalts und des anhängigen Beschwerdeverfahrens - nicht toleriert werden, zumal nicht feststehe, ob und wann die Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung erhalten werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin läßt die Feststellung der belangten Behörde, daß der ihr im Jahre 1992 unbefristet ausgestellte Sichtvermerk mit Bescheid vom 28. März 1994 rechtskräftig für ungültig erklärt worden und ihr (nach Ausweis der Verwaltungsakten danach gestellter) Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Bundesminister für Inneres rechtskräftig abgewiesen worden sei, unbestritten. Wenn die belangte Behörde auf dieser Grundlage die Auffassung vertreten hat, daß sich die Beschwerdeführerin ohne Berechtigung hiezu in Österreich aufhalte, ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen.
2.1. Die Beschwerde bekämpft die Beurteilung der Behörde nach § 19 FrG. Die Beschwerdeführerin lebe seit dem Jahr 1969 in Österreich, ihre vier Kinder hielten sich ebenfalls in Österreich auf. Die Ausweisung der Beschwerdeführerin erscheine daher nicht als dringend geboten, zumal der Verwaltungsgerichtshof über ihre Beschwerde gegen die Abweisung ihres Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung noch nicht entschieden habe.
2.2. Dieses Vorbringen ist bei der gegebenen Sachlage nicht zielführend.
Die belangte Behörde hat zutreffend angenommen, daß mit der vorliegenden Ausweisung sowohl im Hinblick auf die Dauer des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich als auch wegen des inländischen Aufenthaltes ihrer Kinder ein bedeutsamer Eingriff in ihr Privat- und Familienleben bewirkt werde. Dem damit gegebenen beachtlichen persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich hat die belangte Behörde aber zutreffend die von der Beschwerdeführerin bewirkte gravierende Verletzung öffentlicher Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 MRK gegenübergestellt.
Nach der unbestrittenen maßgeblichen Feststellung wurde die Beschwerdeführerin vom Landesgericht für Strafsachen Wien im Jahr 1993 nach dem Suchtgiftgesetz zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten (unter bedingter Strafnachsicht) rechtskräftig verurteilt. Nach dem Spruch im Zusammenhalt mit der Begründung des von der belangten Behörde vorgelegten Urteils vom 21. September 1993 gründet sich diese Verurteilung der Beschwerdeführerin darauf, daß sie im Jahr 1992 Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt habe und dafür nach § 12 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes - und nicht, wie im angefochtenen Bescheid (einer mißverständlichen Wendung im Spruch des Urteils folgend) festgehalten, wegen § 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes - zu verurteilen gewesen sei. Weiters wurde die Beschwerdeführerin - ebenfalls unbestritten - im Jahre 1994 vom Bezirksgericht Donaustadt wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt. Schließlich hat sich die Beschwerdeführerin nach der Ungültigerklärung ihres Sichtvermerks für die Dauer von etwa 19 Monaten unberechtigt im Bundesgebiet aufgehalten und Österreich trotz zweimaliger rechtskräftiger Bestrafung wegen unerlaubten Aufenthaltes und auch nach Abweisung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht verlassen.
Durch das ihren strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegende Fehlverhalten hat die Beschwerdeführerin den in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer strafbaren Handlungen, am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, sowie insbesondere am Schutz der Gesundheit - gravierend - zuwider gehandelt. Durch ihren mehr als eineinhalbjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich hat die Beschwerdeführerin darüber hinaus das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der hg. Rechtsprechung das Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwH), - ebenfalls gravierend - verletzt.
Vor diesem Hintergrund treten die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich gegenüber den besagten, für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interessen zurück, zumal - wie vorliegend - im Fall einer auf Suchtgifthandel gegründeten strafgerichtlichen Verurteilung auch eine ansonsten volle soziale Integration des Fremden das öffentliche Interesse an einer Ausweisung nicht überwiegt (vgl. die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen im Falle der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes infolge Verurteilung wegen Suchtgifthandels
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etwa das hg. Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 98/18/0083,mwH -, die auch für die Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 MRK im Fall einer Ausweisung einschlägig ist). Im übrigen sind die familiären Interessen der Beschwerdeführerin auch dadurch relativiert, daß sich
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unbestritten - ihr Ehemann nicht mehr in Österreich aufhält und drei von ihren vier in Österreich aufhältigen Kindern bereits volljährig sind.
3. Die nach den vorstehenden Erwägungen unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996180003.X00Im RIS seit
20.11.2000