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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der C S in Z, vertreten durch Dr. Anton Waltl, Dr. Peter Krempl, Rechtsanwälte in Zell am See, Sebastian-Hörl-Straße 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 20. Juni 1994, Zl. 13/12/3-GA 6-ZoW/92, betreffend Nachsicht der Wertersatzstrafe in einem Finanzstrafverfahren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung des Zollamtes Salzburg als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 17. Februar 1987 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe im Oktober 1986 als Person mit nur inländischem Wohnsitz einen ordnungsgemäß im formlosen Vormerkverfahren nach Österreich eingebrachten, aber in Holland zum Verkehr zugelassenen PKW der Marke Suzuki, Baujahr 1985, vorsätzlich zu Fahrten im österreichischen Zollgebiet verwendet und es unterlassen, dies vor der anderweitigen Verwendung einem österreichischen Zollamt anzuzeigen; dadurch habe sie bewirkt, daß die auf den gegenständlichen PKW entfallenden Eingangsabgaben in der Höhe von S 44.824,-- verkürzt wurden. Sie habe hiedurch das Finanzvergehen der Hinterziehung von Eingangsabgaben nach § 35 Abs. 3 FinStrG begangen. Über sie wurde eine Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage) und gemäß § 19 Abs. 1 FinStrG statt auf Verfall des PKW auf Wertersatz in Höhe von S 109.824,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 28 Tage) erkannt. Diese Strafverfügung erwuchs in Rechtskraft.
In der Begründung der Strafverfügung wurde die Aussage des Zulassungsbesitzers wiedergegeben, daß im Beisein der Beschwerdeführerin mit Bekannten darüber gesprochen wurde, daß eine in Österreich wohnhafte Person mit einem ausländischen Fahrzeug nicht so ohne weiteres fahren dürfe. Weiters heißt es in der Strafverfügung wörtlich: "Das Zollamt Salzburg als Finanzstrafbehörde erster Instanz sieht es daher als erwiesen an, daß die Beschuldigte durch ihr Handeln (Benützung eines im Ausland zum Verkehr zugelassenen Beförderungsmittels als Person mit nur inländischem Wohnsitz im österreichischen Zollgebiet) die Verwirklichung des einem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhalt ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihr abgefunden hat. Auch wäre es ihr gleichgültig gewesen, wenn ihr N.N. (= Zulassungsbesitzer) die Benützung seines PKWs in Österreich für persönliche Zwecke ausdrücklich verboten hätte. Sie hätte diesen nach eigenen Angaben trotzdem benützt".
Mit Bescheid des Zollamtes Salzburg vom 7. September 1987 wurde der Beschwerdeführerin und dem Zulassungsbesitzer zu ungeteilten Hand Eingangsabgaben in der Höhe von je S 43.464,-- vorgeschrieben; eine dagegen erstattete Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Salzburg vom 29. März 1989 als unbegründet abgewiesen. Der Eingangsabgabenbetrag war durch den sicherungsweisen Erlag des Zulassungsbesitzers am 11. Dezember 1986 in der Höhe von S 44.824,-- gedeckt.
Am 2. März 1992 zahlte die Beschwerdeführerin die Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,--.
Hier gegenständlich ist der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27. Februar 1992 um gnadenweise Nachsicht der Wertersatzstrafe in der Höhe von S 109.824,--. In ihrem Antrag brachte die Beschwerdeführerin vor, seit der Ablehnung eines früheren Gnadenansuchens sei es ihr nicht gelungen, auch nur einen Teilbetrag aufzubringen. Sie verfüge über keinerlei Vermögen und bestreite den Lebensunterhalt aus einer Teilzeitbeschäftigung bei H.Sch. in Saalbach. Im übrigen werde sie von ihrer Tochter C.S. unterstützt, welche auch S 20.000,-- zur Bezahlung der Geldstrafe zur Verfügung gestellt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde diesem Ansuchen teilweise dahingehend Folge, daß ein Teilbetrag von S 50.000,-- der Wertersatzstrafe gnadenweise nachgesehen wurde. Wörtlich lautet der weitere Spruch des angefochtenen Bescheides: "Die Nachsicht erfolgt unter der Bedingung, daß der Restbetrag auf dem Strafkonto binnen einem Monat ab Zustellung dieser Entscheidung oder unter Einhaltung einer allenfalls erteilten Zahlungserleichterungsbewilligung entrichtet wird und gegen jederzeitigen Widerruf. Das Mehrbegehren wird als unbegründet abgewiesen werden."
Aufgrund der Aktenlage stellte die belangte Behörde fest, daß die Beschwerdeführerin seit Ende 1992 als Gehilfin im Gastgewerbe teilzeitbeschäftigt sei und im Jahr 1992 noch für ihre jüngere Tochter sorgepflichtig war. Laut vorgelegter Lohnabrechnung für den Monat Februar 1992 habe sie aus ihrer Tätigkeit in einem Gastbetrieb ein monatliches Nettoeinkommen von S 3.500,-- erzielt. Sie verfüge über kein weiteres Einkommen und Vermögen, habe beträchtliche Schulden und lebe daher von der Unterstützung naher Familienangehöriger. Diese persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse waren für die belangte Behörde der Anlaß für die gewährte Nachsicht. Maßgebend war weiters das tätige Unter-Beweis-stellen des Willens zur Schadensgutmachung, indem die Geldstrafe entrichtet wurde. Der Wert des Tatgegenstandes, die darauf entfallenden Eingangsabgaben sowie die bisherige finanzstrafrechtliche Unbescholtenheit wurden unter Hinweis auf Spruch und Begründung der Strafverfügung "in Erwägung gezogen". Zur Nebenstrafe des Wertersatzes und zur Mißverhältnisregel nach § 19 Abs. 5 FinStrG wurde bemerkt, daß die Auferlegung des Wertersatzes in voller Höhe zur Bedeutung der deliktischen Tat als unverhältnismäßig streng anzusehen war, zur Bedeutung der Tat aber nicht in einem solchen Mißverhältnis stand, daß von der Auferlegung ganz abzusehen gewesen wäre. Ein weitergehender als der numehr gewährte Gnadenerweis würde zum Wegfall jeglichen Strafcharakters führen, was keinesfalls den Intentionen des § 187 FinStrG entspräche.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 13. Juni 1995, Zl. B 1705/94, die Behandlung der ursprünglich an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Schon in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde, die den Antrag auf Abtretung enthielt, machte die Beschwerdeführerin die unrichtige Anwendung des Gnadenrechtes geltend. Insbesondere wehrte sich die Beschwerdeführerin dagegen, daß die Nachsicht nur unter der Bedingung gewährt wurde, daß der Restbetrag binnen eines Monates ab Zustellung der Entscheidung oder einer allenfalls erteilten Zahlungserleichtung entrichtet werde und daß die Nachsicht jederzeit widerruflich sei. Weiters sei keine Entscheidung hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe getroffen worden. Die Beschwerdeführerin sei nicht in der Lage, auch nur einen Teil dieser Wertersatzstrafe zu bezahlen.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten
und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 187 FinStrG kann die kraft Verordnung ermächtigte Finanzlandesdirektion bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände über Ansuchen des Bestraften durch die Finanzstrafbehörden verhängte Strafen ganz oder teilweise nachsehen oder Freiheitsstrafen in Geldstrafen umwandeln.
Die belangte Behörde hat nur unzureichend die Frage des Vorliegens von berücksichtigungswürdigen Umständen geprüft. Bei vollständiger Heranziehung dieser Umstände wird bei einer dem Gesetz entsprechenden Ermessensübung zu beachten sein, daß die Bestimmung des § 187 FinStrG eine dem Träger des Gnadenrechts eigene Befugnis begründet, da helfend und korrigierend einzugreifen, wo die Möglichkeiten des behördlichen Finanzstrafverfahrens nicht genügen; die gnadenweise Nachsicht von rechtskräftig durch die Finanzbehörden verhängten Strafen bietet die Möglichkeit, etwaige Fehler bei der Entscheidung zu beseitigen, Härten zu mildern und den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles gerecht zu werden (siehe die Nachweise bei Fellner, Finanzstrafgesetz, Anm. 1 zu § 187 FinStrG, Ergänzung G, Oktober 1997). Eine dem Gesetz entsprechende Ausnützung des Ermessensrahmens wird auf die finanziellen Möglichkeiten der Beschwerdeführerin Bedacht nehmen, was durch die im angefochtenen Bescheid an die Begnadigung geknüpfte Bedingung offenbar nicht erfolgt ist. Auch ist eine Begnadigung "gegen Widerruf" mit den von der Behörde selbst herangezogenen Umständen nicht in Einklang zu bringen. Der Umstand, daß die bloße - wenn auch rechtswidrige - Verwendung des Fahrzeuges letztlich durch die Bezahlung von Eingangsabgaben in der Höhe von S 43.464,-- und einer Geldstrafe von S 20.000,-- "abgegolten" wurde, läßt es - auch im Hinblick auf die Mißverhältnisregelung im § 19 Abs. 5 FinStrG - nicht als Ermessensüberschreitung erscheinen, wenn von der Verhängung einer Wertersatzstrafe überhaupt Abstand genommen wird.
Der angefochtene Bescheid war somit zufolge der unzureichenden Lösung der Frage des Vorliegens berücksichtigungswürdiger Gründe wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz einschließlich der Entscheidung über die Abweisung des Mehrbegehrens gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995160240.X00Im RIS seit
20.11.2000