TE Bvwg Beschluss 2019/12/11 W205 2201388-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.12.2019
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Entscheidungsdatum

11.12.2019

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W205 2201388-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Nairobi vom 03.07.2018, Zl. Nairobi-OB/KONS/0482/2018, aufgrund des Vorlageantrags von XXXX , angegebenes Geburtsdatum: XXXX 2005, StA. Somalia, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, Wiedner Hauptstraße 32, 1040 Wien, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Nairobi vom 18.04.2018, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte gemeinsam mit ihren Geschwistern XXXX , alle Staatsangehörige aus Somalia, am 10.04.2017 elektronisch bei der Österreichischen Botschaft Nairobi (im Folgenden: ÖB Nairobi) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Die Beschwerdeführerin sowie die weiteren Antragsteller brachten dazu vor, dass sie die minderjährigen Kinder von XXXX seien, einer somalischen Staatsangehörigen, geb. XXXX , der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 12.01.2017, rechtskräftig seit 14.02.2017, der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei.

Dem Antrag der Die Beschwerdeführerin wurden folgende verfahrensrelevante Unterlagen (in Kopie) beigelegt:

-

Auszug aus dem Reisepass, welchem das Geburtsdatum XXXX zu entnehmen ist, ausgestellt am 30.03.2017

-

Geburtsurkunde (in englischer Sprache), welcher das Geburtsdatum

XXXX zu entnehmen ist, ausgestellt am 26.03.2017

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Identitätsbescheinigung (in englischer Sprache), welcher das Geburtsdatum XXXX zu entnehmen ist, ausgestellt am 26.03.2017

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Bescheid vom 12.01.2017, Zl. 1106168101-160271152, mit welchem der Bezugsperson der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden ist

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Auszug aus dem Reisepass der Bezugsperson

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Kopie der Asylkarte der Bezugsperson

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Kopie der e-card der Bezugsperson

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ZMR-Auszug betreffend die Bezugsperson

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Bescheid der MA40 betreffend die Bezugsperson

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Todesbestätigung betreffend den Vater der Beschwerdeführerin am 20.08.2015, ausgestellt am 25.03.2017

Die ÖB Nairobi übermittelte dem Bundesamt die Anträge der Beschwerdeführerin sowie der übrigen Antragsteller.

Daraufhin erteilte das Bundesamt der ÖB Nairobi den Auftrag zur Durchführung von Abstammungsuntersuchungen.

Dem Prüfbericht der Forensischen DNA-Zentrallabor GmbH der Medizinischen Universität Wien vom 14.02.2018 ist zu entnehmen, dass die Bezugsperson die leibliche Mutter der Beschwerdeführerin (und auch der übrigen o.e. Antragsteller) ist (Mutterschaftswahrscheinlichkeit über 99,999%).

Betreffend XXXX erstattete das Bundesamt eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose. Die ÖB Nairobi stellte dieser ein Visum D zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG aus. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.08.2018 wurde XXXX der Status einer Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt.

Da aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes die Richtigkeit der von der Beschwerdeführerin (und den übrigen Antragstellern) angegebenen Alters bezweifelt wurde, ersuchte das Bundesamt mit Schreiben vom 12.01.2018 die ÖB Nairobi eine Altersdiagnose durch Röntgenaufnahmen der Hand an das Bundesamt zu übermitteln.

Mit Schreiben vom 22.02.2018 wurde der ÖB Nairobi vom beauftragten Institut das Untersuchungsergebnis des Handwurzelröntgens der Beschwerdeführerin mitgeteilt. Laut ärztlicher Auskunft, erteilt vom "Aga Khan University Hospital", seien die "hand epiphyses" sowie die "distal radial epiphysis" der Beschwerdeführerin geschlossen. Folglich werde ihr Alter auf mindestens 19 Jahre veranschlagt (betreffend die übrigen antragstellenden Geschwister der Beschwerdeführerin ergingen gleichlautende ärztliche Auskünfte).

Mit Schreiben vom 28.02.2018 übermittelte die ÖB Nairobi dem Bundesamt die Röntgenaufnahmen und Befunde und führte weiters aus, dass am Tag nach der Röntgenaufnahme der Dolmetscher der Antragsteller in die Praxis des Arztes gekommen sei und versucht habe, diesen zu bestechen, um die Befunde abzuändern.

In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG vom 14.03.2018 führte das Bundesamt aus, dass die Gewährung des Status einer Asylberechtigten im Fall der Beschwerdeführerin (und ihrer Geschwister) nicht wahrscheinlich sei, da die Genannten im Zeitpunkt der Antragstellung bereits volljährig gewesen seien.

Im bezughabenden Beiblatt zur negativen Wahrscheinlichkeitsprognose wurde konkretisierend ausgeführt, dass kein relevantes Familienverhältnis (iSd § 35 Abs. 5 AsylG) vorliege, da sich aus den medizinischen Untersuchungen des "Aga Khan University Hospitals" ergeben habe, dass es sich bei der Beschwerdeführerin und ihren Geschwistern um volljährige Personen handle und es demnach zum prüfungsrelevanten Zeitpunkt nicht mehr minderjährige Personen betreffe. Die Bezugsperson habe bereits 2015 Somalia verlassen, daher könne nicht von einem Abhängigkeitsverhältnis der Beschwerdeführerin und ihrer Geschwister ausgegangen werden. Ein ungerechtfertigter Eingriff in Art. 8 EMRK liege somit nicht vor. Aufgrund der ha. aufliegenden Erkenntnis über bedenkliche Urkunden aus dem Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin, wonach es möglich sei, jegliches Dokument mit jedem nur erdenklichen Inhalt, auch entgegen der wahren Tatsachen auch widerrechtlich zu erlangen, könne aus Sicht der Behörde keineswegs davon ausgegangen werden, dass nebst Berücksichtigung der klinischen Untersuchungsergebnisse die Daten der vorgelegten Unterlagen als gegeben anzunehmen seien. Für die Antragsteller bestehe die Möglichkeit einer Antragstellung nach dem NAG.

Mit der "Aufforderung zur Stellungnahme (Parteiengehör)" vom 19.03.2018 wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, die angeführten Ablehnungsgründe durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen. Ablehnungsgründe: "Die im Betreff genannten Antragsteller waren im Zeitpunkt der Antragstellung bereits volljährig". Die Mitteilung sowie die Stellungnahme des Bundesamtes vom 14.03.2018 wurden der Beschwerdeführerin mit der Aufforderung zur Stellungnahme übermittelt.

Mit Schreiben vom 10.04.2018 brachte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ein und führte im Wesentlichen aus, dass die Bezugsperson im Rahmen ihres Asylverfahrens und der zeugenschaftlichen Einvernahme am 09.11.2017 angegeben habe, dass die Beschwerdeführerin (und ihre Geschwister) die leiblichen Kinder der Bezugsperson seien. Die Antragsteller seien minderjährig; die Altersangaben der Bezugsperson zu den Antragstellern würden mit den Daten der Reisepässe der Antragsteller übereinstimmen. Betreffend die jüngste Tochter der Bezugsperson hätten offensichtlich keine Zweifel am Geburtsdatum bestanden und habe diese eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose erhalten, sodass davon auszugehen sei, dass die Bezugsperson zum Alter sämtlicher Kinder korrekte Angaben getätigt habe. Gemäß § 13 Abs. 3 BFA-VG habe bei Zweifeln an der Minderjährigkeit eine multifaktorielle Untersuchungsmethode zur Anwendung zu kommen. Bei anhaltenden Zweifeln über die Minderjährigkeit sei zu Gunsten des Fremden von der Minderjährigkeit auszugehen. Darüber hinaus erfülle das gegenständliche ärztliche Schreiben nicht die Anforderungen an ein Gutachten nach der Rechtsprechung des VwGH. Ein Sachverständigengutachten müsse ausreichend begründet sein. Es müsse dargelegt werden, auf welchem Weg der Sachverständige zu seiner Schlussfolgerung gekommen sei, damit eine Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens vorgenommen werden könne. Das Gutachten müsse einen Befund und ein Gutachten im engeren Sinn enthalten. Auch müssten die Aussagen der Bezugsperson im Asylverfahren berücksichtigt werden. Ein Außerachtlassen dieser Dokumente und Aussagen stelle ein willkürliches Verhalten dar. Dem vorliegenden "Gutachten" sowie der Stellungnahme des Bundesamtes sei nicht zu entnehmen, wie der Sachverständige zu einem Mindestalter der Beschwerdeführerin und ihrer zwei Geschwister von 19 Jahren komme. Das Handwurzelröntgen sei als alleinige Methode ungeeignet, da dieses den Ansprüchen einer multifaktoriellen Untersuchung, der nach der Bedeutung des Begriffes die Heranziehung mehrerer Faktoren zur Beurteilung immanent sei, nicht genüge.

In seiner Mitteilung vom 17.04.2018 führte das Bundesamt aus, dass die Gewährung des Status der Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Begründend wurde angeführt, dass aufgrund der im Verfahren angegeben Geburtsdaten und der durch die Altersfeststellung ermittelten Geburtsdaten derart massive Divergenzen evident geworden seien, dass eine Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Antragstellung nicht anzunehmen sei. Es seien keine Gründe ersichtlich, dass die nach den aktuellen medizinischen Standards und den vor Ort üblichen Bedingungen ermittelten Ergebnisse der Altersfeststellung in Zweifel zu ziehen wären. Die medizinische Qualifikation der involvierten Ärzte stehe nicht zur Disposition und sei nicht zu hinterfragen. Betreffend somalischer Dokumente wurde ausgeführt, dass die meisten Personen, die nach 1991 in Somalia geboren worden seien, nie offiziell registriert worden seien. Nachdem in Somalia kein Personenstandsverzeichnis existiere, erfolge die Ausstellung von Dokumenten allein aufgrund der Angaben der antragstellenden Person. Die Echtheit von Dokumenten bzw. Urkundenüberprüfungen hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit bzw. dem Wahrheitsgehalt von Dokumenten könne von österreichischen Vertretungsbehörden keinesfalls überprüft werden (ÖB 9.2016). Überdies habe die Bezugsperson Somalia bereits 2015 verlassen, was erkennen lasse, dass sie die Kinder für versorgt gehalten habe und daher kein spezielles Abhängigkeitsverhältnis vorliege.

Mit Bescheid der ÖB Nairobi vom 18.04.2018, Zl. Nairobi-ÖB/KONS/0297/2018, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung volljährig gewesen sei.

Gegen den Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 15.05.2018, welche vollinhaltlich auf die Stellungnahme vom 10.04.2018 verwies. Die leibliche Mutterschaft der Bezugsperson sei nach den durchgeführten DNA-Tests unzweifelhaft gegeben; einzig strittig sei somit bloß das Alter der Beschwerdeführerin bei Antragstellung. Das Bundesamt habe sich mit der entsprechenden Stellungnahme der Beschwerdeführerin weder inhaltlich auseinander gesetzt noch seien Ergänzungen zum Ermittlungsverfahren vorgenommen worden. Auch sei nicht darauf eingegangen worden, weshalb die gleichbleibenden Angaben der Bezugsperson zum Alter der Kinder für unglaubwürdig erachtet würden. Die Regelung des § 13 Abs. 3 BFA-VG und die Anforderungen an ein Altersgutachten seien gegenständlich nicht erfüllt worden. Es liege kein multifaktorielles Altersfeststellungsgutachten, sondern lediglich ein "monofaktorielles" Gutachten (Handwurzelröntgen) vor. Dieses "Gutachten" sei weder nachvollziehbar noch genüge es den Ansprüchen an eine Nachvollziehbarkeit. Es beschränke sich im Wesentlichen auf die Feststellung, dass ein Handwurzelröntgen durchgeführt worden sei und dass als Mindestalter 19 Jahre festgestellt worden sei. Die Behörde habe es unterlassen, ergänzende Ermittlungsschritte zu setzen. Das Verfahren sei somit, da in einem zentralen Punkt das wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin gänzlich außer Acht gelassen worden sei und zudem die Regelung des § 13 Abs. 3 BFA-VG und die Anforderungen an ein Altersgutachten in keinster Weise erfüllt würden, mit relevanten Verfahrensmängeln belastet. Der Beschwerde angeschlossen waren der Auszug des Reisepasses der Beschwerdeführerin und ihrer Geschwister, die Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin und ihrer Geschwister samt deutscher Übersetzung sowie die Identifikationsbescheinigung die Beschwerdeführerin und ihrer Geschwister samt deutscher Übersetzung.

Am 16.05.2018 erteilte die ÖB Nairobi einen Verbesserungsauftrag, da der Beschwerde die Geburtsurkunden, die Identitätsbescheinigung sowie die Todesbestätigung betreffend den Vater der Beschwerdeführerin - entgegen der Rechtsmittelbelehrung - samt Übersetzung in die deutsche Sprache nicht angeschlossen gewesen seien.

Am 22.05.2018 wurde die deutsche Übersetzung der Todesbestätigung betreffend den Vater die Beschwerdeführerin vorgelegt und ausgeführt, dass die deutsche Übersetzung der Geburtsurkunden und der Identitätsbescheinigungen bereits der Beschwerde angefügt gewesen sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 03.07.2018 wies die ÖB Nairobi die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung des VwGH österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden seien. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht. Daran, dass die Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes gebunden seien, und damit keinen eigenen Entscheidungsspielraum hätten, habe der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, festgehalten. Danach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des Bundesamtes einer Überprüfung nur durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG 2005 Beschwerde erhoben werde. Es habe unstrittig eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes vorgelegen. Die Stellungnahme der Beschwerdeführerin sei ordnungsgemäß dem Bundesamt vorgelegt worden, welches bei seiner negativen Prognose geblieben sei. Erst in der Folge sei bescheidmäßig abgesprochen worden. Als allein tragender Grund für die Abweisung des von der Beschwerdeführerin gestellten Einreiseantrages sei somit nur in Betracht gekommen, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes die Erfolgsaussichten des Antrages der Beschwerdeführerin auf Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden. Jenseits und unabhängig der oa. Bindungswirkung teile die belangte Behörde die Ansicht des Bundesamtes, dass eine Familienangehörigeneigenschaft iSd AsylG nicht vorliege. Laut der durchgeführten DNA-Analyse handle es sich bei der Beschwerdeführerin zwar um die leibliche Tochter der Bezugsperson, jedoch habe das Altersfeststellungsgutachten ergeben, dass diese volljährig sei. Die Untersuchungsergebnisse seien schlüssig und würden miteinander im Einklang stehen. Keinesfalls könne von einem "unwissenschaftlichen" Gutachten ausgegangen werden, wie dies von der Beschwerdeführerin vorgebracht werde. Wenn die Untersuchung zur Altersfeststellung definitiv von einem Mindestalter von 19 Jahre ausgehe - die Beschwerdeführerin und ihre Geschwister laut vorgelegten Reisepässen aber erst Jahre später die Volljährigkeit erreichen würden - sei hier jedenfalls von unrichtigen Angaben in den vorgelegten Dokumenten auszugehen. Es handle sich somit mit hoher Wahrscheinlichkeit um von einer berechtigten Behörde ausgestellte, echte Dokumente unwahren Inhalts. Es sei jedenfalls von der Volljährigkeit der Beschwerdeführerin zum Antragszeitpunkt auszugehen und bestehe sohin keine Familienangehörigkeit iSd § 35 Abs 5 AsylG.

Am 09.07.2018 wurde bei der ÖB Nairobi ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Begründend wurde auf die Beschwerde vom 15.05.2018 und die Stellungnahme vom 10.04.2018 verwiesen. Ergänzend wurde betreffen die Ausführung der Behörde, "die Untersuchungsergebnisse würde miteinander in Einklang stehen", ausgeführt, dass es lediglich ein einziges Untersuchungsergebnis, nämlich ausschließlich ein Handwurzelröntgen, gäbe und somit nicht mehrere Ergebnisse vorliegen würden, welche miteinander in Einklang zu bringen wären.

Mit einem am 20.07.2018 eingelangten Schreiben des Bundesministeriums für Inneres wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt vorgelegt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.09.2018 wurde das Bundesamt um Mitteilung ersucht, welche Gutachten konkret zur Altersfeststellung eingeholt worden seien und ob die Röntgenbilder nach Österreich geschickt worden seien.

Am 11.09.2018 teilte das Bundesamt mit, dass nur ein Handwurzelröntgen eingeholt worden sei; ein multifaktorielles Altersfeststellungsgutachten sei nicht in Auftrag gegeben worden. Ein Röntgenbild sei nach Österreich übersandt worden und liege im Original dem Akt bei.

Die Beschwerdeverfahren der zwei Geschwister der Beschwerdeführerin sind ebenfalls beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 34 AsylG 2005:

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idgF lautet:

"(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter."

§35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005)

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

"§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1.-gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2.-das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3.-im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat."

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG)

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

"§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte."

[...]

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 FPG lautet:

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4

AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

§ 13 Abs. 3 BFA-VG lautet:

"Gelingt es dem Fremden nicht, eine behauptete und auf Grund der bisher vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zweifelhafte Minderjährigkeit, auf die er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, kann das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose (§ 2 Abs. 1 Z 25 AsylG 2005) auch die Vornahme radiologischer Untersuchungen, insbesondere Röntgenuntersuchungen, anordnen. Jede Untersuchungsmethode hat mit dem geringst möglichen Eingriff zu erfolgen. Die Mitwirkung des Fremden an einer radiologischen Untersuchung ist nicht mit Zwangsmittel durchsetzbar. Bestehen nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel, so ist zu Gunsten des Fremden von seiner Minderjährigkeit auszugehen."

§2 Abs. 1 Z 25 AsylG lautet:

Begriffsbestimmungen

"(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

[...]

25.-multifaktorielle Untersuchungsmethodik: ein auf drei individuellen medizinischen Untersuchungen (insbesondere körperliche, zahnärztliche und Röntgenuntersuchung) basierendes Modell zur Altersdiagnose nach dem Stand der Wissenschaft;"

[...]

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Mit Erkenntnis vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH festgestellt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Im Erkenntnis vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das Bundesamt zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des Bundesamtes schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.

Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, sofern in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel:

"Verwaltungsverfahren Band I2", E 84 zu § 39 AVG).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des Bundesamtes steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Auch wenn es sich bei der Mitteilung des Bundesamtes um keinen Bescheid handelt, der vom Antragsteller (selbständig) angefochten werden kann (VwGH 06. 10.2010, 2008/19/0527), setzt die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit dieser Prognose durch das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls voraus, dass dieser Mitteilung des Bundesamtes in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesamt die Zuerkennung des beantragten Schutzstatus für nicht wahrscheinlich hält.

Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor bzw. wurde auch Verfahrensvorschriften nicht ausreichend Rechnung getragen.

Die Beschwerdeführerin gibt an, das leibliche minderjährige Kind der als Bezugsperson angeführten somalischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX , zu sein, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.01.2017, rechtskräftig seit 14.02.2017, der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei.

Ein durchgeführter DNA-Test ergab unzweifelhaft die leibliche Abstammung der Beschwerdeführerin von der Bezugsperson. Strittig blieb im Verfahren somit (verfahrenswesentlich) das Alter der Beschwerdeführerin bei Antragstellung. Ein Handwurzelröntgen ergab ein Alter der Beschwerdeführerin von zumindest 19 Jahren. Ein multifaktorielles Altersfeststellungsgutachten wurde nicht durchgeführt (siehe zu alledem oben).

Die Behörde wies den Einreiseantrag der Beschwerdeführerin gegenständlich mit der Begründung ab, dass diese bereits volljährig und somit keine Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG sei. Die Volljährigkeit ergebe sich aus dem durchgeführten Handwurzelröntgen; die Echtheit und Richtigkeit bzw. Urkundenüberprüfung hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit bzw. dem Wahrheitsgehalt von somalischen Dokumenten könne von österreichischen Vertretungsbehörden keinesfalls überprüft werden.

Im Hinblick auf die Bedenken der Behörde hinsichtlich Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Urkunden (Geburtsurkunde, Reisepass, Identitätsnachweis) ist vorweg festzuhalten, dass dies allein eine Ablehnung des Antrages nicht zu begründen vermag. In einem solche Fall hat die Behörde andere Nachweise für das Bestehen der Familienangehörigeneigenschaft zu prüfen; darunter fallen etwa Einvernahmeprotokolle der Bezugsperson, deren zeugenschaftliche Einvernahme oder die Durchführung von DNA-Tests und Altersfeststellungsgutachten.

Betreffend das zur Altersfeststellung durchgeführte Handwurzelröntgen ist festzuhalten, dass dieses keine multifaktorielle Altersdiagnose darstellt und der im Akt erliegende Untersuchungsbericht des Aga Khan University Hospitals vor dem Hintergrund der in der Judikatur entwickelten Anforderungen nicht als Sachverständigengutachten zu qualifizieren ist. Es handelt sich bei dem angesprochenen Bericht (lediglich) um eine ärztliche Auskunft, welche im gegenständlichen Verfahren - neben den vorgelegten Urkunden und dem Parteivorbringen - zur Beurteilung des Sachverhalts herangezogen wurde.

Zum Erfordernis der Einholung eines Sachverständigengutachtens ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, wonach die multifaktorielle Altersdiagnose dann angeordnet werden soll, wenn weder aus den bisher vorliegenden Ermittlungsergebnissen hinreichend gesicherte Aussagen zur Volljährigkeit bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers gezogen werden können, noch der Antragsteller seine behauptete Minderjährigkeit durch geeignete Bescheinigungsmittel nachweisen kann. Liegen jedoch Ermittlungsergebnisse vor, die die Annahme der Volljährigkeit des Antragstellers bei Asylantragstellung rechtfertigen, so ist weder verpflichtend von Amts wegen eine multifaktorielle Altersdiagnose anzuordnen, noch kommt die Zweifelsregel zugunsten Minderjähriger zu Anwendung (vgl. VwGH vom 19.06.2018, Ra 2018/20/0251; mH auf VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0007 und VwGH vom 28.03.2017, Ra 2016/01/0267).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 25 AsylG basiert die multifaktorielle Untersuchungsmethodik auf drei individuellen medizinischen Untersuchungen (insbesondere körperliche, zahnärztliche und Röntgenuntersuchung). Den erläuternden Bemerkungen zu § 13 Abs. 3 BFA-VG ist darüber hinaus zu entnehmen ist, dass eine Altersdiagnose auf Grundlage eines Untersuchungsmodells zu erfolgen habe, das sich auf drei individuelle medizinische Untersuchungen stütze und eine radiologische Untersuchung alleine keineswegs ausreichend sei (RV 1803 XXIV. GP). Als Verfahren zur Altersfeststellung werden von der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik der Deutschen Gesellschaft folgende Untersuchungen empfohlen: Röntgenuntersuchung der linken Hand, Panoramaschichtröntgen des Gebisses und eine körperliche Untersuchung (Lipphart-Kirchmeir in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, § 13 BFA-VG, Stand: 01.03.2016).

Die Angaben der Bezugsperson zum Alter ihres (angeblich im Jahr 2007 zur Welt gekommenen) vierten Kindes wurden offenkundig als zutreffend erachtet und in der Folge auf die Durchführung einer Altersfeststellung verzichtet. Die (nach den stets gleichbleibenden Angaben der Bezugsperson und den Angaben in den vorgelegten Dokumenten) in den Jahren 2003, 2004 und 2005 geborenen weiteren Kinder der Bezugsperson wurden hingegen zur Altersfeststellung einem Handwurzelröntgen unterzogen, welches bei allen drei nunmehrigen Beschwerdeführern dasselbe Ergebnis erbracht hat ("zumindest 19 Jahre; siehe hiezu oben). Eine konkrete, spezifizierte bzw individualisierte Aussage zum Alter des jeweiligen Probanden ist den vorgelegten Berichten des Aga Khan University Hospitals nicht zu entnehmen, was eine "hinreichend gesicherte Aussage" zum Alter " - auch in Hinblick auf die zu berücksichtigenden Standardabweichungen - als "nicht unzweifelhaft erscheinen lässt. Wenngleich der Unterschied vom angegebenen Alter der Beschwerdeführer und dem durch das Handwurzelröntgen ermittelten Alter gegenständlich bemerkenswert groß sein mag und der in den Raum gestellte (jedoch nicht erwiesene) Bestechungsversuch an dem die Untersuchung durchführenden Arztes ein Indiz für die Annahme der Behörde, dass die Beschwerdeführerin bei Antragstellung bereits volljährig gewesen sei, darstellen mag, konnte fallgegenständlich nicht mit einem (bloßen) Handwurzelröntgen das Auslangen gefunden werden, um eine hinreichend gesicherte Aussage zum Alter der Beschwerdeführerin bei Antragstellung zu treffen.

Obwohl, wie vom VwGH im oben erwähnten Erkenntnis angesprochen, im gegenständlichen Fall aus den vorliegenden Ermittlungsergebnissen keine hinreichend gesicherte Aussage zum Alter der Beschwerdeführerin, die die Annahme der Volljährigkeit bei Antragstellung rechtfertigen würden, getroffen werden konnte, unterlies es die Behörde, ein multifaktorielles Altersgutachten einzuholen. Das Ergebnis des durchgeführten Handwurzelröntgens stellt zwar ein nicht unbedeutendes Indiz dar, ist jedoch - wie oben ausgeführt - fallgegenständlich alleine nicht ausreichend, um die Volljährigkeit der Beschwerdeführerin zweifelsfrei feststellen zu können (Anm: in diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass sich das Röntgenbild - entgegen den Ausführungen des Bundesamtes - nicht im Akt befindet).

Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren die notwendigen weiteren Ermittlungen zur Klärung des tatsächlichen Alters der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Antragstellung durch ein multifaktorielles Altersfeststellungsgutachten zu veranlassen und in der Folge entsprechende Feststellungen zu treffen haben; dies unter Anführung der konkret durchgeführten Untersuchungen und der dabei herangezogenen Methoden.

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W205.2201388.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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