TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/30 G314 2226702-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.12.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1

Spruch

G314 2226702-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des rumänischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.11.2019, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

(Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die am 10.12.2019 eingebrachte Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem gegen den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 67 Abs 1 und 3 FPG ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde (Spruchpunkt III.).

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen damit, dass vom BF eine tatsächliche, erhebliche und gegenwärtige Gefahr ausgehe und eine Änderung seines Verhaltens nicht vorhersehbar sei, zumal der Gesinnungswandel eines Straftäters daran zu messen sei, ob und wie lange er sich (nach dem Vollzug einer Haftstrafe) in Freiheit wohlverhalten habe. Es bestünde die Gefahr, dass der BF bei einem Verbleib im Bundesgebiet weiterhin die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Die sofortige Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots sei erforderlich. Der BF sei schon nach einer relativ kurzen Aufenthaltsdauer straffällig geworden. Sein Interesse an einem Aufenthalt in Österreich trete hinter das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit zurück.

Der BF erhob dagegen eine Beschwerde, mit der er die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die Behebung des angefochtenen Bescheids beantragt. Hilfsweise strebt er die Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots und die Einräumung eines Durchsetzungsaufschubs an. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er die Straftat, die er unter Alkoholeinfluss begangen habe, zutiefst bereue und seither keinen Alkohol mehr konsumiere. Er sei mit seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hier fast immer einer geregelten Arbeit nachgegangen. Er habe gemeinsam mit seiner Frau einen Kredit aufgenommen, der noch offen sei, um Anschaffungen für die Familie zu tätigen. Seine Kinder seien in Österreich verankert und würden hier die Schule besuchen. Seine Frau sei auf Arbeitssuche, was aufgrund der Kinderbetreuung schwierig sei. Der BF habe auch zu seinen beiden im Bundesgebiet lebenden Schwestern regelmäßig Kontakt. Das Aufenthaltsverbot greife unverhältnismäßig in sein Privat- und Familienleben ein. Da er bemüht sei, keine weiteren Fehltritte zu begehen, und keinen Alkohol mehr konsumiere, könne eine positive Zukunftsprognose erstellt werden. Aufgrund des massiven Eingriffs in das Privat- und Familienleben des BF sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Das BFA erstattete eine Stellungnahme zur Beschwerde und beantragt, sie als unbegründet abzuweisen. Das Familienleben des BF sei im angefochtenen Bescheid berücksichtigt worden. Es sei derzeit aufgrund des Strafvollzugs eingeschränkt, zumal er versucht habe, eine über 90-jährige Frau in ihrer eigenen Wohnung zu vergewaltigen.

Feststellungen:

Der aktuell 41-jährige BF hat einen am 22.04.2015 ausgestellten und bis 23.08.2025 gültigen rumänischen Personalausweis. Er ist verheiratet und für zwei minderjährige Kinder sorgepflichtig. In Rumänien wurde er mehrmals strafgerichtlich verurteilt, und zwar insbesondere wegen Eigentumsdelikten und Delikten gegen die Staatsgewalt, aber auch wegen des unbefugten Eindringens in Privatbesitz. Zuletzt wurde er im Juli 2011 in Spanien wegen schweren Diebstahl zu einer sechsmonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Der BF zog im April 2016 mit seiner Frau und seinen Kindern nach Österreich, wo auch seine beiden Schwestern, zu denen er regelmäßig Kontakt hat, mit ihren Familien leben. Am XXXX.2016 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt. Er und seine Frau waren in Österreich mit Unterbrechungen immer wieder erwerbstätig, dazwischen bezogen sie wiederholt Arbeitslosengeld. Seine Kinder besuchen hier die Schule.

Am Morgen des XXXX.2018 drang der BF alkoholisiert in die (unversperrte) Wohnung seiner 90-jährigen Nachbarin ein und versuchte, sie zu vergewaltigen, was ihm aufgrund ihrer Gegenwehr nicht gelang. Mit dem seit XXXX.2019 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2019, XXXX, wurde er deshalb wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 StGB zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er seit XXXX.2019 in der Justizanstalt XXXX verbüßt. Es handelt sich um seine erste Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung. Bei der Strafzumessung wurde als mildernd gewertet, dass es beim Versuch blieb und dass seine Dispositions- und Diskretionsfähigkeit aufgrund der Alkoholisierung deutlich vermindert war. Der durch die (nicht auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden) Vorstrafen des BF bedingte Ausschluss des Milderungsgrunds der Unbescholtenheit wurde durch das längere Zurückliegen der Vorstrafen etwas relativiert. Als erschwerend waren die Verletzungen (Hämatome) des Opfers zu berücksichtigen. Schulderhöhend wirkte sich die Tatbegehung zum Nachteil einer bereits 90-jährigen Frau in deren eigener Wohnung aus.

Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie aus dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Fremdenregister. Es bestehen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche.

Die Identität des BF geht aus seinem Personalausweis in Übereinstimmung mit dem übrigen Akteninhalt hervor. Die Feststellungen zu den von ihm begangenen Straftaten und zu seinen Verurteilungen basieren auf den vorgelegten Strafurteilen und dem Strafregister.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann (ua) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier aufgrund des schwerwiegenden, vom BF begangenen Sexualdelikts gegen seine betagte Nachbarin (unter Berücksichtigung seines belasteten Vorlebens) erfüllt.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen über die Lage im Herkunftsstaat des BF (Rumänien) ergibt keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG, zumal es sich um einen Mitgliedstaat der EU handelt. Auch wenn man das Privat- und Familienleben des BF im Bundesgebiet berücksichtigt, hält er sich doch erst seit weniger als fünf Jahren im Bundesgebiet auf. Die Kontakte zu seinen hier lebenden Familienangehörigen, die aktuell ohnedies haftbedingt eingeschränkt sind, können nach seiner Entlassung auch durch Besuche außerhalb Österreichs und durch diverse Kommunikationsmittel (Telefon, Internet) gepflegt werden. Daher liegt durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung kein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Familien- und Privatleben vor, zumal dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aufgrund der strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung ein großes Gewicht beizumessen ist und der BF seinen Gesinnungswandel und die nachhaltige Abkehr vom Alkoholkonsum erst durch einen längeren Wohlverhaltenszeitraum in Freiheit nach dem Strafvollzug unter Beweis stellen müssen wird.

Im Ergebnis ist die sofortige Ausreise des BF nach seiner Haftentlassung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich; die vom BFA vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Es ist dem BF zumutbar, den Verfahrensausgang allenfalls auch in seinem Herkunftsstaat abzuwarten. Der Beschwerde ist derzeit - vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt - die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2226702.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten