TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/24 G314 2226991-1

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Veröffentlicht am 24.01.2020
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Entscheidungsdatum

24.01.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1

Spruch

G314 2226991-1/4Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des kroatischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.11.2019, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), ein XXXX kroatischer Staatsangehöriger, der die deutsche Sprache beherrscht, ist im Bundesgebiet seit November 1987 durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet; am 07.11.2007 wurde ihm ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" ausgestellt. Er ist ledig und kinderlos und war ab 2001 im Inland (mit Unterbrechungen) immer wieder erwerbstätig.

Der BF wurde in Österreich zwischen 2000 und 2017 acht Mal strafgerichtlich verurteilt. Zuletzt wurde er am XXXX verhaftet, in Untersuchungshaft genommen und mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX, rechtskräftig in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB eingewiesen. Die Maßnahme wird seit XXXX in der Justizanstalt XXXX vollzogen.

Mit dem Schreiben vom 02.10.2019 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den BF auf, sich zu der wegen seiner Einweisung und den vorangegangenen strafgerichtlichen Verurteilungen beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern und konkrete Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen zu beantworten. Der BF erstattete eine entsprechende Stellungnahme, in der er alle Fragen beantwortete.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ das BFA gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit der Notwendigkeit der sofortigen Durchsetzbarkeit und der sofortigen Ausreise des BF begründet. Aufgrund seiner besorgniserregenden kriminellen Laufbahn, des raschen Rückfalls, der großen Bandbreite strafrechtlicher Delikte und der Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen könne keine positive Prognoseentscheidung getroffen werden. Aus dem letzten Strafurteil ergebe sich, dass er weder krankheitseinsichtig noch behandlungsbereit sei. Er sei seit seinem 18. Lebensjahr immer wieder in psychiatrischen Abteilungen untergebracht gewesen; aus medizinisch-gutachtlicher Sicht seien in Zukunft mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen auf Durchführung einer Beschwerdeverhandlung und Behebung des Bescheids, in eventu Verkürzung des Aufenthaltsverbots und Erteilung eines Durchsetzungsaufschubs. Der BF bringt dazu zusammengefasst vor, dass er seit langem in Österreich lebe und seine Taten sehr bereue, dass ein guter und regelmäßiger Kontakt mit seiner zum Großteil in Österreich lebenden Familie bestünde, und dass er in der Justizanstalt beliebt sei und einer regelmäßigen Arbeit nachgehe. In Kroatien, wo nur ein Onkel des BF lebe, würden ihm die Obdachlosigkeit und eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustands drohen. Der BF sei in Österreich gut aufgehoben; das Aufenthaltsverbot würde ihn aus seinem gewohnten Umfeld reißen und von seiner Familie trennen, was sein Privat- und Familienleben unverhältnismäßig einschränke. Bei einer konsequenten medizinischen Behandlung des BF könne die Gefährdungsprognose der Behörde nicht aufrecht erhalten werden. Bei einer Rückkehr nach Kroatien drohe eine Verletzung seiner durch Art 8 EMRK gewährleisteten Rechte, sodass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sei.

Das BFA legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Fremdenregister. Da die Beweisergebnisse keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufweisen, erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.

Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde richtet sich (unter anderem) gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat darüber gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden.

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise der betroffenen EWR-Bürger oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise des BF geboten ist.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Der Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots ist gemäß § 70 Abs 1 letzter Satz FPG für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde; dazu gehört auch der Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs 1 StGB. Eine Entlassung der BF aus dem Maßnahmenvollzug setzt wiederum voraus, dass das Vollzugsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme richtet, nicht mehr besteht (§ 47 Abs 2 StGB).

Da eine Entlassung des BF aus dem Maßnahmenvollzug derzeit nicht absehbar ist, ist es nicht notwenedig, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Da er sich nach der Aktenlage schon seit weit mehr als zehn Jahren rechtmäßig in Österreich aufhält, besteht bei seiner Abschiebung nach Kroatien überdies die Gefahr einer Verletzung seiner nach Art 8 EMRK geschützten Rechte, worauf die Beschwerde zu Recht hinweist. Aus diesen Gründen ist Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2226991.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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