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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander auf Grund Abweisung des Antrags eines türkischen Staatsangehörigen auf internationalen Schutz; keine hinreichende Beweiswürdigung durch Verweis auf die verwaltungsbehördliche Begründung und mangelhafte Erwägungen betreffend die Unglaubwürdigkeit des FluchtvorbringensRechtssatz
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) stützt sich in seinem Erkenntnis zur Gänze auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides. Es trifft weder eigene (aktuelle) Feststellungen im Hinblick auf die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers noch führt es eine mündliche Verhandlung durch, auf deren Basis es eigene Feststellungen bzw eine entsprechende Beweiswürdigung vornehmen hätte können.
Den in Erwiderung auf die Beschwerde ergänzend aufgenommenen Ausführungen zur Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers kommt angesichts der mangelhaften Argumentation kein Begründungswert zu.
So erscheinen etwa die Ausführungen des BVwG hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Urteile türkischer Strafgerichte vom 18.05.2009 und vom 09.03.2017, von denen deutsche Übersetzungen erstellt wurden, nicht nachvollziehbar. Das BVwG zieht den Inhalt dieser Dokumente heran, um darzulegen, dass die "Behauptung in der Beschwerde, wonach die beschwerdeführende Partei wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden bzw wegen ihrer oppositionellen politischen Gesinnung in der Türkei von staatlicher Seite persönlich verfolgt wird, [...] aktenwidrig" sei. Die Genfer Flüchtlingskonvention habe nicht zum Ziel, Personen vor gerechtfertigter Strafverfolgung zu schützen. Es könne laut BVwG auch nicht erkannt werden, dass die ausgesprochene Strafe zu hoch wäre.
Den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten sind jedoch strafgerichtliche Verurteilungen wegen Mitgliedschaft bei der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) sowie wegen Teilnahme an Protestaktionen im Zuge des Aufgriffes von Abdullah Öcalan zu entnehmen. Es erscheint daher gerade auf Basis dieser Dokumente nicht von vorneherein unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden bzw seiner politischen Gesinnung in der Türkei verfolgt werde.
Zur Befürchtung des Beschwerdeführers, bei einer Rückkehr erneut inhaftiert und gefoltert zu werden, hält das BVwG lediglich fest, dass sich dies in den Länderfeststellungen nicht widerspiegle. In der gerafften Wiedergabe der im Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl getroffenen Länderfeststellungen führt das BVwG allerdings Folgendes aus:
"In amtlichen Haftanstalten kommt es immer wieder zu Folter und andere[n] Formen der Misshandlung. Davon betroffen sind insbesondere Personen, die unter dem Anti-Terror-Gesetz festgehalten werden. Folter bleibt in vielen Fällen straflos - wenngleich es ebenso Fälle gibt, in welchen Anklage erhoben und Verurteilungen erfolgen. Aus der Berichtslage ergibt sich jedoch nicht, dass nur Kurden von Misshandlungen betroffen sind."
Die Begründung der angefochtenen Entscheidung erweist sich - insbesondere vor dem Hintergrund, dass das BVwG keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat - als unzureichend und nicht nachvollziehbar. Letztlich läuft die vom BVwG gewählte Begründungstechnik, einerseits ausschließlich auf die verwaltungsbehördliche Begründung zu verweisen und andererseits der Beschwerde fehlende Substanz zu unterstellen, auf eine bloße Plausibilitätskontrolle hinaus. Dies entspricht nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen eines (insoweit erstinstanzlich entscheidenden) Gerichtes.
Hinsichtlich der Beurteilung der mangelnden Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens stützt sich das BVwG ausschließlich auf die Feststellungen bzw Ausführungen des angefochtenen Bescheides. Eine mündliche Verhandlung zur Prüfung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers hat das BVwG nicht durchgeführt. Dies wäre aber insbesondere vor dem Hintergrund der Begründung der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens im angefochtenen Bescheid, die im Wesentlichen auf Widersprüche zwischen Erstbefragung und den weiteren Einvernahmen des Beschwerdeführers abstellt, geboten gewesen. Die Akten haben erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung des Sachverhaltes im vorliegenden Fall erwarten ließe.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Verhandlung mündliche, Rückkehrentscheidung, EU-RechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E3429.2019Zuletzt aktualisiert am
12.03.2020