TE Vwgh Beschluss 2020/1/30 Ra 2018/11/0210

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Veröffentlicht am 30.01.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
60/01 Arbeitsvertragsrecht
72/01 Hochschulorganisation

Norm

B-VG Art133 Abs4
LSD-BG 2016 §1 Abs5
UniversitätsG 2002
VwGG §26 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/11/0211Ra 2018/11/0212

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revisionen des T R in M, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts Wien 1.) vom 8. August 2018, Zl. VGW- 041/075/3297/2018 (protokolliert zu hg. Zl. Ra 2018/11/0210),

2.) vom 6. August 2018, Zl. VGW-041/075/3300/2018 (protokolliert zu hg. Zl. Ra 2018/11/0211) und 3.) vom 6. August 2018, Zl. VGW- 041/075/3298/2018 (protokolliert zu hg. Zl. Ra 2018/11/0212), jeweils betreffend Übertretungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 1.659,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit drei Straferkenntnissen der belangten Behörde jeweils vom 26. Jänner 2018 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der C GmbH mit Sitz in Deutschland zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat hinsichtlich elf näher genannter, von ihr nach Österreich entsandter Arbeitnehmer, welche auf einer näher genannten Konferenz in Wien in jeweils spezifizierten Zeiträumen eingesetzt bzw. beschäftigt worden seien,

2 zu 1.) es unterlassen habe, die Meldungen hinsichtlich deren Beschäftigung an die Zentrale Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) und dem LSD-BG zu erstatten,

3 zu 2.) die Lohnunterlagen gemäß § 22 Abs. 1 leg. cit. in deutscher Sprache für diese Arbeitnehmer nicht am Arbeits(Einsatz)Ort bereitgehalten und diese Unterlagen der Abgabenbehörde auch nicht unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich gemacht habe, sowie 4 zu 3.) die Unterlagen über die Anmeldung dieser Arbeitnehmer zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E 101 oder A 1) nicht am Arbeits(Einsatz)Ort bereitgehalten und diese Unterlagen der Abgabenbehörde auch nicht unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich gemacht habe.

5 Wegen dieser Übertretungen des LSD-BG wurden über den Revisionswerber zu 1.) gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 iVm § 19 Abs. 1 bis 3 LSD-BG, zu 2.) gemäß § 28 Z 1 iVm § 22 Abs. 1 LSD-BG und zu 3.) gemäß § 26 Abs. 1 Z 3 iVm § 21 Abs. 1 Z 1 LSD-BG, jeweils Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

6 2.1. Mit den hier angefochtenen Erkenntnissen gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) den Beschwerden des Revisionswerbers - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung -

jeweils teilweise Folge, indem es die verhängten Geldbzw. Ersatzfreiheitsstrafen und die Kostenbeiträge herabsetzte, die Schuldsprüche jedoch bestätigte.

Die Erhebung einer ordentlichen Revision erklärte das Verwaltungsgericht jeweils für nicht zulässig.

7 2.2. Den angefochtenen Entscheidungen legte das Verwaltungsgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - übereinstimmend folgende Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde:

Der Revisionswerber sei Geschäftsführer der C GmbH mit Sitz in Deutschland. Die C GmbH habe im Zeitraum vom 23. bis 28. April 2017 im eigenen Namen auf eigene Rechnung einen wissenschaftlichen Kongress der EGU, an dem eine Vielzahl von Geowissenschaftlern aus verschiedenen Ländern teilgenommen hätten, im "Austria Center Vienna" organisiert und die Teilnehmer der Veranstaltung auch "technisch" betreut. Für diese Betreuung habe sie elf Mitarbeiter ihres Stammpersonals nach Österreich entsandt. Unstrittig sei, dass seitens der C GmbH die Entsendung der im Straferkenntnis angeführten Arbeitnehmer nicht der Zentralen Koordinationsstelle zur Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem AuslBG und dem LSD-BG gemeldet wurde bzw. dass zum Kontrollzeitpunkt keine Lohnunterlagen im Sinne des § 22 Abs. 1 LSD-BG zur Überprüfung des den Arbeitnehmern für die Dauer der Entsendung gebührenden Entgelts, sowie keine Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 LSD-BG bereitgehalten oder den Abgabenbehörden unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich gemacht worden seien. Die Lohnunterlagen seien der Finanzpolizei per E-Mail am 18. Mai 2018 übermittelt worden, auch sämtliche A1-Bestätigungen seien in weiterer Folge mit diversen Schreiben beginnend mit 17. Mai 2018 übermittelt worden. Unstrittig sei auch, dass für die genannten Arbeitskräfte in Österreich keine Sozialversicherungspflicht bestehe.

8 2.3. In seiner rechtlichen Begründung führte das Verwaltungsgericht - insoweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - aus, der Veranstaltungsort des Kongresses sei keine Universität im Sinne des § 6 Universitätsgesetzes 2002 (UG), sondern Österreichs größtes Konferenzzentrum, für dessen Management eine näher bezeichnete Aktiengesellschaft verantwortlich sei. Der verfahrensgegenständliche Kongress sei damit nicht von einer Universität bzw. von Mitarbeitern einer solchen im Sinne des UG organisiert und (dort) durchgeführt worden. Die Tätigkeit im Rahmen dieser Veranstaltung sei damit nicht an einer der 21 taxativ aufgezählten öffentlich-rechtlichen Universitäten im Sinne des UG erfolgt, weshalb die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 5 Z 9 LSD-BG nicht zur Anwendung gelange.

Aufgrund der getroffenen Feststellungen seien die objektiven Tatbestände der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen verwirklicht. Bei diesen Verwaltungsübertretungen handle es sich um Ungehorsamsdelikte, wobei es dem Revisionswerber zumutbar gewesen sei, sich mit den Bestimmungen für die Entsendung von Arbeitskräften vertraut zu machen und sicherzustellen, dass diese eingehalten würden.

9 3. Gegen diese Erkenntnisse richten sich die - wegen ihres sachlichen, rechtlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen - außerordentlichen Revisionen.

Die belangte Behörde erstattete jeweils eine Revisionsbeantwortung.

10 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 13 4.1. Die Revisionen bringen zur Begründung der Zulässigkeit übereinstimmend vor, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes sei der Wortlaut der gesetzlichen Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 5 Z 9 LSD-BG nicht klar, sondern bedürfe vielmehr der Auslegung. Die Frage, ob die Wortfolge "an Universitäten" im Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 5 Z 9 LSD-BG "örtlich" zu verstehen sei, sei weder vom Wortlaut her klar, noch sei sie bisher von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet worden.

14 Weiters führen die Revisionen ins Treffen, es fehle Rechtsprechung dazu, ob der betreffende Ausnahmetatbestand ausschließlich bei der Entsendung von Mitarbeitern von Universitäten iSd UG zum Tragen komme bzw. ob die Tätigkeit der entsandten Arbeitnehmer - wie vom Verwaltungsgericht angedeutet - selbst eine wissenschaftliche sein müsse, indem diese etwa selbst Vortragende oder Referenten hätten sein müssen. Die Frage, ob einzig wissenschaftliche Veranstaltungen, die von einer Universität iSd UG organisiert, finanziert und umgesetzt würden, unter die Formulierung "im Rahmen von internationalen Aus- und Weiterbildungs- oder Forschungsprogrammen an Universitäten" fallen, sei bisher nicht beantwortet worden.

15 4.2. Dem ist Folgendes zu entgegnen:

16 4.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dann, wenn die gesetzliche Rechtslage eindeutig ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des VwGH ergangen ist, sofern nicht fallbezogen (ausnahmsweise) eine Konstellation vorliegt, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (vgl. etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2019/16/0115; VwGH 29.9.2016, Ra 2016/05/0091; VwGH 3.7.2015, Ra 2015/03/0041, jeweils mwN).

17 Der hier maßgebliche § 1 Abs. 5 LSD-BG (idF BGBl. I Nr. 44/2016) sieht vor, dass die Bestimmungen des LSD-BG keine Anwendung finden, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich zur Erbringung bestimmter Arbeiten von geringem Umfang und kurzer Dauer nach Österreich entsandt wird, wobei der Ausnahmetatbestand der Ziffer 9 - soweit hier von Interesse - auf "die Tätigkeit im Rahmen von internationalen Aus- und Weiterbildungs- oder Forschungsprogrammen an Universitäten im Sinne des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002" abstellt. Der Wortlaut der Bestimmung ist insofern eindeutig, als sich dieser Ausnahmetatbestand auf internationale Aus- und Weiterbildungs- oder Forschungsprogramme bezieht, die in einem Zusammenhang mit den im Universitätsgesetz 2002 genannten Universitäten - und nicht bloß in einem wissenschaftlichen Kontext - stehen. Insoweit ist von einer eindeutigen Rechtslage im oben erwähnten Sinne auszugehen, die keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf.

18 4.2.2. Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt darüber hinaus nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage "abhängt". Dies ist dann der Fall, wenn die Erledigung der Revisionssache durch den Verwaltungsgerichtshof die Lösung der vorgebrachten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erfordert (vgl. etwa VwGH 20.12.2017, Ra 2017/04/0109, mwN).

19 Dem festgestellten Sachverhalt ist kein Anknüpfungspunkt an eine Universität im oben dargelegten Sinn zu entnehmen: Der Veranstaltungsort, das "Austria Center Vienna", ist unstrittig keine Universität im Sinne der taxativen Aufzählung des § 6 Abs. 1 UG. Dass es sich bei der Veranstalterin des Kongresses, die die Arbeitnehmer entsendete, um eine Universität handelt, wird zu keinem Zeitpunkt behauptet.

20 Die Frage, ob die Wortfolge "an Universitäten" im Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 5 Z 9 LSD-BG "örtlich" zu verstehen sei, stellt sich daher im vorliegenden Fall nicht, weil in Hinblick auf die Feststellungen betreffend Veranstalterin bzw. Veranstaltungsort der maßgebliche Sachverhalt weder bei örtlicher noch bei personenbezogener Betrachtung unter den genannten Ausnahmetatbestand subsumiert werden kann. Auch insofern wird eine die Zulässigkeit der Revisionen begründende Rechtsfrage mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt.

21 Die Frage, ob die Tätigkeit der genannten Arbeitnehmer selbst eine wissenschaftliche zu sein habe, kann sich vor diesem Hintergrund bei der Behandlung der Revision nicht mehr stellen. 22 4.3. Was die "Mitteilungen" des Revisionswerbers betrifft, ist auszuführen, dass die nach Ablauf der Revisionsfrist erfolgte Nachholung von (weiteren) Gründen, aus denen die Revision für zulässig erachtet wird, verspätet und schon aus diesem Grund nicht zu beachten ist (vgl. VwGH 21.1.2020, Ra 2018/14/0440). 23 4.4. In den Revisionen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren ohne weiteres Verfahren daher zurückzuweisen.

24 4.5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 30. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018110210.L00

Im RIS seit

22.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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