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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ARHG §33Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des D F in W, vertreten durch die B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Gußhausstraße 6, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. September 2019, Zl. W195 2223187-1/2E (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Verfassung, Deregulierung, Reformen und Justiz; nunmehr Bundesministerin für Justiz) betreffend eine Angelegenheit nach dem ARHG, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit einer für den Bundesminister vom Leiter der Sektion IV des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz gezeichneten Erledigung vom 15. Juli 2019 wurde den Rechtsvertretern des Revisionswerbers mitgeteilt, dass der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz die Auslieferung des Revisionswerbers auf Grundlage des rechtskräftigen Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom 21. Februar 2017, 22 Bs 291/15b, unter Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes mit Wirksamkeit vom 22. Juli 2019 bewilligt habe.
2 Gegen diese - vom Revisionswerber als Bescheid angesehene - Erledigung erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
3 Mit dem nun angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Der Beschluss stützte sich im Wesentlichen auf die zu § 34 ARHG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auf den Beschluss VwGH 7.3.2008, 2008/06/0019, der auch ausführlich wörtlich zitiert wurde.
4 Gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 28. November 2019, E 4116/2019-5, ablehnte. In diesem Beschluss führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, der Revisionswerber (dort: Beschwerdeführer) verkenne in seinem Vorbringen, "dass die Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt subjektiver Rechte ausschließlich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens vorzunehmen ist."
5 Über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit Beschluss vom 23. Dezember 2019, E 4116/2019-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 Die nunmehr erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 2012, 2012/01/0069, weder der aktuellen Rechtslage entspreche, noch hätte der Verwaltungsgerichtshof bislang zu beurteilen gehabt, ob in subjektive Rechte des Auszuliefernden eingegriffen werde, indem der Bundesminister endgültig die Auslieferung bewillige, "ohne hierfür zuständig zu sein."
10 Zur nach Ansicht des Revisionswerbers gegebenen Unzuständigkeit des (damals) Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz führt der Revisionswerber näher aus, dass es sich beim Verfahren nach dem ARHG um ein zweistufiges Verfahren handle, im Rahmen dessen zuerst die Gerichte über die Zulässigkeit der Auslieferung entschieden, bevor der Bundesminister im Anschluss daran die Auslieferung bewillige oder ablehne. Ebenso wenig wie der Bundesminister vor rechtskräftiger Beendigung des gerichtlichen Verfahrens die Auslieferung ablehnen dürfe, dürfe er sie bewilligen. Am 15. Juli 2019 sei ein - mit der Revision vorgelegter - Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien ergangen, mit dem die Durchführung der Auslieferung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Antrags auf Wiederaufnahme (des Auslieferungsverfahrens) vom 25. Juni 2019 gehemmt worden sei. Über den Antrag auf Wiederaufnahme sei bis dato noch nicht entschieden worden. Damit sei der Bundesminister noch nicht zur Entscheidung gemäß § 34 ARHG berufen gewesen, weshalb die Bewilligung der Auslieferung zu Unrecht erfolgt sei. Es sei evident, dass durch die "verfrühte Entscheidung des unzuständigen BMVRDJ jedenfalls in subjektive Rechte des Revisionswerbers eingegriffen" werde. Hierzu liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
11 Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof zur entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob eine Bewilligung der Auslieferung durch den Bundesminister für Justiz nach § 34 ARHG (in der auch für den Revisionsfall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 112/2007) in subjektive Rechte des Auszuliefernden eingreift und daher durch diesen mit Rechtsmitteln bekämpfbar ist, bereits in den Beschlüssen vom 7. März 2008, 2008/06/0019, vom 31. Mai 2012, 2012/01/0069, und vom 10. Jänner 2014, 2013/01/0169, Stellung genommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei - unter Hinweis auf die klare Zielsetzung der Novelle BGBl. I Nr. 15/2004 zum ARHG, die Wahrnehmung aller subjektiven Rechte des Auszuliefernden dem Gericht zuzuweisen und die Kognition des Bundesministers auf (staats-)politische Bereiche zu beschränken, das heißt auf Bereiche, die die Rechtsstellung des Auszuliefernden "nicht unmittelbar berühren" - ausgesprochen, dass der Bundesminister für Justiz bei seiner Entscheidung gemäß § 34 Abs. 1 ARHG zwar durchaus - wie jedes Staatsorgan - die gesamte Rechtsordnung und damit auch die subjektiven Rechte des Betroffenen zu achten hat, der Betroffene jedoch darauf kein subjektives Recht besitzt, weil die Zulässigkeit der Auslieferung als möglicher Eingriff in seine Rechte bereits vom Gericht auf umfassende Weise geprüft und für zulässig befunden worden ist. Die subjektiven Rechte des Auszuliefernden sind im gerichtlichen Verfahren umfassend zu prüfen. Da eine Genehmigung der Auslieferung durch den Bundesminister nur dann erfolgen darf, wenn im gerichtlichen Verfahren die Auslieferung für zulässig erklärt wurde, besteht angesichts des Kognitionsumfanges des Bundesministers, der sich aus der aktuellen Rechtslage ergibt (staatspolitische Aspekte und Interessen der Republik Österreich und allgemeine völkerrechtliche Verpflichtungen) auch aus dem Blickwinkel des Schutzes der Interessen des Auszuliefernden kein zwingendes oder auch ausreichendes Bedürfnis, ihm die Möglichkeit der Bekämpfung der Entscheidung des Bundesministers einzuräumen (vgl. VwGH 7.3.2008, 2008/06/0019). Von dieser Rechtsprechung - die im Übrigen im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. nur den über die Beschwerde des Revisionswerbers ergangenen Beschluss VfGH 28.11.2019, E 4116/2019-5) sowie des Obersten Gerichtshofes (vgl. OGH 25.4.2015, 13 Os 43/15w) steht - ist das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss nicht abgegangen.
12 Wenn der Revisionswerber vorbringt, dass im Revisionsfall eine "verfrühte Entscheidung" des Bundesministers vorliege, weil dieser noch nicht über eine Bewilligung der Auslieferung nach § 34 ARHG hätte entscheiden dürfen, und dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, ist darauf hinzuweisen, dass auch nach dem eigenen Vorbringen des Revisionswerbers über seinen Wiederaufnahmeantrag noch nicht entschieden wurde. Auch nach dem Vorbringen des Revisionswerbers liegt damit eine rechtskräftige Entscheidung des zuständigen Gerichts über die Zulässigkeit der Auslieferung vor (wenngleich nach dem vom Revisionswerber vorgelegten Beschluss die Durchführung der Auslieferung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Antrags auf Wiederaufnahme gehemmt wurde). Eine "verfrühte Entscheidung" des Bundesministers - unter der im gegebenen Zusammenhang nur eine Entscheidung verstanden werden könnte, die vor rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung über die Auslieferung ergangen wäre - liegt daher im Revisionsfall schon sachverhaltsmäßig nicht vor. Das auf eine derartige angeblich verfrühte Entscheidung des Bundesministers gestützte Zulässigkeitsvorbringen erweist sich somit schon aus diesem Grund als nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen.
13 Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit der Revision weiters aus, dass der bereits zitierte Beschluss VwGH 31.5.2012, 2012/01/0069, noch vor dem Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 getroffen worden sei. Die Änderungen im Zuge der Neugestaltung der Veraltungsgerichtsbarkeit seien vom Verfassungsgesetzgeber im Rahmen einer Grundsatzentscheidung vorgenommen worden, eine wirksame inhaltliche Überprüfung sämtlicher Bescheide von Verwaltungsbehörden zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund dieses neuen Systems sei evident, dass der Revisionswerber ein subjektives Recht auf Überprüfung jeglichen in seine subjektive Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungshandelns habe. Nichts anderes könne im gegenständlichen Fall gelten. Der Bundesminister habe einerseits seine Entscheidungsgewalt zu Unrecht verfrüht an sich gezogen; andererseits habe er gemäß § 34 Abs. 1 ARHG auch völkerrechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen und der Betroffene habe ein subjektives Recht auf fehlerfreien Gebrauch des Ermessens durch den Bundesminister. Aus beiden Gründen folge "unweigerlich die Qualifikation der Entscheidung des BMVRDJ als Bescheid".
14 Mit diesem Vorbringen kann die Zulässigkeit der Revision schon deshalb nicht begründet werden, weil der Revisionswerber nicht aufzuzeigen vermag, in welcher Weise die Reform die Neugestaltung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in deren Zuge an der seit 2008 unverändert in Geltung stehenden Ausgestaltung des Auslieferungsverfahrens in § 34 ARHG keine Änderungen vorgenommen wurden, zu einer anderen Beurteilung der hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen könnte. Entscheidend ist, ob durch die Bewilligung der Auslieferung nach § 34 ARHG durch den Bundesminister für Justiz in subjektive Rechte des Auszuliefernden eingegriffen wird (und diese Entscheidung daher mit einem Rechtsmittel bekämpfbar ist). Dazu hat die Rechtsprechung bereits mehrfach eindeutig Stellung genommen und dargelegt, dass die Wahrnehmung aller subjektiven Rechte des Auszuliefernden dem über die Auslieferung entscheidenden Gericht zugewiesen und die Kognition des Bundesministers auf (staats-)politische Bereiche beschränkt ist (siehe dazu die in Rn. 11 zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). 15 Vor dem Hintergrund, dass die Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt subjektiver Rechte ausschließlich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zu erfolgen hat und die Entscheidung des Bundesministers nach § 34 Abs. 1 ARHG daher nicht in die subjektiven Rechte des Auszuliefernden eingreift, kann auch die mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretene Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit daher nicht zu einer von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden Beurteilung führen. Stellt das Handeln der Verwaltung nämlich keinen Eingriff in subjektiv-öffentliche Rechte (hier: des Auszuliefernden) dar, so vermag daran auch der Umstand, dass im Falle eines - hier eben nicht vorliegenden - Eingriffs in subjektiv-öffentliche Rechte seit 1. Jänner 2014 nicht mehr die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof offensteht, sondern die Beschwerde an ein erstinstanzliches Verwaltungsgericht (mit gegebenenfalls nachfolgender Revision an den Verwaltungsgerichtshof), nichts zu ändern.
16 Als weiteren Zulässigkeitsgrund führt der Revisionswerber schließlich "wesentliche Begründungsmängel" an. Das Bundesverwaltungsgericht habe nicht begründet, warum es "contra legem die Zuständigkeit des BMVRDJ annahm" bzw. es habe nicht begründet, warum es trotz entsprechenden Vorbringens des Revisionswerbers die Zuständigkeit des Bundesministers nicht in Frage gestellt habe.
17 Der Revisionswerber bezieht sich damit erkennbar darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss unter Hinweis darauf, dass es sich bei der angefochtenen Erledigung nicht um einen Bescheid handle, ausdrücklich festgehalten hat, dass auf den vom Revisionswerber im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einwand, wonach der Bundesminister im vorliegenden Fall zur Entscheidung gemäß § 34 Abs. 1 ARHG noch nicht zuständig gewesen sei, nicht einzugehen sei. Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers hat das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss damit weder eine Zuständigkeit des Bundesministers angenommen noch diese "nicht in Frage gestellt". Das Bundesverwaltungsgericht ist vielmehr - im Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung - davon ausgegangen, dass der Erledigung des Bundesministers keine Bescheidqualität zukommt, schon weil damit nicht in subjektiv-öffentliche Rechte eingegriffen wird (dass überdies wesentliche formelle Bescheidmerkmale fehlen und die Erledigung insbesondere weder als Bescheid bezeichnet, noch ihrem Aufbau nach als Bescheid in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert ist, war im Verfahren nicht strittig). Auch mit dem Vorbringen zu den nach Ansicht des Revisionswerbers vorliegenden Begründungsmängeln wird daher nicht aufgezeigt, dass zur Entscheidung über die Revision die Beantwortung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erforderlich wäre.
18 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 12. Februar 2020
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030016.L00Im RIS seit
06.04.2020Zuletzt aktualisiert am
06.04.2020