TE Vwgh Beschluss 2020/2/13 Ra 2019/01/0232

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Veröffentlicht am 13.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/01/0233Ra 2019/01/0234Ra 2019/01/0235Ra 2019/01/0236Ra 2019/01/0237

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revisionen 1. des A K, 2. der A K,

3. der Y K, 4. des A K, 5. der A K, 6. des A K, alle vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2018, 1. W233 2190073- 1/17E, 2. W233 2190068-1/13E, 3. W233 2190077-1/12E,

4. W233 2190067-1/12E, 5. W233 2190074-1/12E und 6. W233 2201293- 1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern der minderjährigen Drittbis Sechstrevisionswerber. Alle Revisionswerber sind Staatsangehörige Kasachstans.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in der Sache die Anträge auf internationalen Schutz der erst- bis fünftrevisionswerbenden Partei

jeweils vom 4. August 2016 sowie des in Österreich geborenen Sechstrevisionswerbers vom 25. Mai 2018 vollinhaltlich ab, erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ jeweils eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Kasachstan jeweils zulässig sei, setzte jeweils eine Frist zur freiwilligen Ausreise und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

3 Mit Beschluss vom 12. März 2019, E 441-446/2019-12, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. April 2019, E 441- 446/2019-14, zur Entscheidung ab.

4 In der Folge erhoben die Revisionswerber die vorliegende Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zum Vorwurf der Aktenwidrigkeit diverser Feststellungen ist darauf zu verweisen, dass eine Aktenwidrigkeit nur dann vorliegt, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat (vgl. VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, Rn. 5, mwN). Im Gegensatz dazu legt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht dar, inwiefern diese Feststellungen nicht mit dem Akteninhalt übereinstimmen.

9 Soweit sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Beweiswürdigung in Bezug auf die Feststellungen richtet, die Revisionswerber würden der evangelischen Religionsgemeinschaft angehören bzw. es sei zu keiner staatlichen Gewalt gegen die Revisionswerber in ihrem Heimatstaat gekommen und die kasachischen Behörden seien schutzwillig und schutzfähig, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt ausschließlich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 8.11.2019, Ra 2018/01/0422, Rn. 8, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung des VwG zeigt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf.

10 Zum Vorwurf fehlender, "näherer Erwägungen zur Frage ...,

ob die genannten Diskriminierungen ... asylrelevante Intensität

erreichen", ist darauf hinzuweisen, dass nach den diesbezüglich unbekämpft gebliebenen Feststellungen die Diskriminierungen des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgingen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (vgl. etwa VwGH 28.11.2019, Ra 2018/19/0203, Rn. 17, mwN). Dass sich die kasachischen Behörden bei Angriffen als schutzunwillig oder schutzunfähig herausgestellt hätten, konnte jedoch vom BVwG nicht festgestellt werden. Die Revision vermag insofern nicht, die rechtliche Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels in konkreter Weise, wie nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs für die hinreichende Darlegung von Verfahrensmängeln vorausgesetzt (vgl. etwa VwGH 30.9.2019, Ra 2018/01/0457, Rn. 14, mwN), aufzuzeigen.

11 Soweit die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen fehlende Länderfeststellungen zur Behandelbarkeit der Erkrankungen des Erstrevisionswerbers während der ihm in seinem Heimatstaat drohenden Haft moniert, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine Gefahr der Inhaftierung des Erstrevisionswerbers im Fall seiner Rückkehr vom BVwG gerade nicht festgestellt wurde. Das Zulässigkeitsvorbringen entfernt sich insoweit unzulässigerweise vom festgestellten Sachverhalt.

12 Entgegen dem bloß pauschalen, nicht näher konkretisierten Zulässigkeitsvorbringen, hat sich das BVwG sehr wohl mit der Situation der Revisionswerber im Fall ihrer Rückkehr in ihrem Heimatstaat, insbesondere betreffend der Krankheiten des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin und deren Behandelbarkeit hinreichend auseinandergesetzt. Die Revision legt insofern nicht dar, dass die nach ständiger Rechtsprechung vom Verwaltungsgericht betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz vorzunehmende - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, nicht revisible - Einzelfallprüfung, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. etwa VwGH VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429, Rn. 12, mwN), im vorliegenden Fall unvertretbar erfolgt wäre.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010232.L00

Im RIS seit

06.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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