Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* SE, *, vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH, Mödling, gegen die beklagte Partei H* GmbH, *, vertreten durch die Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH, Dornbirn, wegen Einwilligung in die grundbücherliche Einverleibung und Räumung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 27. Juni 2019, GZ 1 R 45/19f-38, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 14. Jänner 2019, GZ 10 Cg 135/16t-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben.
Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Eine Mineralölprodukte liefernde und Tankstellen betreibende österreichische Aktiengesellschaft (im Folgenden kurz: AG) verkaufte im Jahr 2003 eine Liegenschaft mit einer darauf befindlichen Tankstelle an die beklagte GmbH. Im Kaufvertrag wurde der Verkäuferin ein (auch im Grundbuch einverleibtes) Wiederkaufsrecht gemäß § 1068 ABGB bis zum 31. 12. 2016 eingeräumt.
Die Klägerin ist eine Europäische Gesellschaft (societas europaea – SE) mit Sitz in Deutschland. Sie entstand im April 2010 durch Verschmelzung von Gesellschaften aus mehreren europäischen Ländern. Die zuvor genannte AG wurde dabei als übertragende Gesellschaft verschmolzen und am 20. 5. 2010 aus dem Firmenbuch gelöscht.
Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 1. 12. 2016, das Wiederkaufsrecht auszuüben und forderte die Beklagte auf, das Kaufobjekt lastenfrei an sie zu übergeben.
Sie begehrt nun darauf gestützt die Einwilligung in die lastenfreie Einverleibung ihres Eigentumsrechts an bestimmten Grundstücken (auf denen sich die Tankstelle befindet) und – Zug um Zug gegen Zahlung des Wiederkaufspreises in Höhe von 1.411.129,71 EUR – deren Übergabe geräumt von Fahrnissen. Dazu brachte sie vor, sie sei als Gesamtrechtsnachfolgerin der AG zur Ausübung des Wiederkaufsrechts berechtigt.
Die Beklagte wandte zusammengefasst ein, das Wiederkaufsrecht sei als höchstpersönliches Recht nicht auf die Klägerin übertragbar gewesen, und zwar auch nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge anlässlich der Verschmelzung. Es sei vielmehr mit dem Untergang der übertragenden AG erloschen. Abgesehen davon sei es nur zur Absicherung des Tankstellen-Belieferungsvertrags mit der Klägerin (bzw ihrer Rechtsvorgängerin), deren Marktanteil am Tankstellenmarkt in Österreich bei mehr als 16 % liege, bis 31. 12. 2016 vereinbart worden. Bei den Vertragsverhandlungen sei das Wiederkaufsrecht immer wieder als Drohung „eingebracht“ worden, um die von der AG gewollten Konditionen durchzusetzen; eine (tatsächliche) Ausübung des Wiederkaufsrechts sei zu keinem Zeitpunkt vorgesehen gewesen. Sie selbst habe sich an diese Vereinbarung gehalten und auch den aktuellen Tankstellen-Belieferungsvertrag, der am 1. 1. 2014 „in Kraft getreten“ sei, wieder mit der Klägerin abgeschlossen. Das Wiederkaufsrecht sei daher schon aufgrund des Verstoßes gegen das Kartellgesetz und gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig.
Die Klägerin widersprach diesen Behauptungen. Das Wiederkaufsrecht sei (abgesehen von der Befristung) ohne jeden Vorbehalt gewährt worden und im Übrigen auch aus kartellrechtlicher Sicht nicht verboten.
Das Erstgericht folgte der Argumentation der Beklagten und wies das Klagebegehren mit der Begründung, das Wiederkaufsrecht sei als nicht übertragbares, höchstpersönliches Recht mit dem (mit der Verschmelzung einhergehenden) Erlöschen der verkaufenden AG im Jahr 2010 „mituntergegangen“, ab.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und trat der Beurteilung des Erstgerichts bei. Die Klägerin sei eine im Wege der Verschmelzung entstandene SE. Es sei zwar richtig, dass deren Eintragung gemäß Art 29 Abs 1 lit a der Verordnung (EG) Nr 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) [kurz: SE-VO] ipso jure den Übergang des gesamten Aktiv- und Passivvermögens der übertragenden Gesellschaft(en) auf die übernehmende Gesellschaft bewirke und die übernehmende Gesellschaft durch diese Gesamtrechtsnachfolge in jeder rechtlichen Hinsicht an die Stelle der übertragenden Gesellschaft trete. Allerdings sehe Art 29 Abs 3 dieser Verordnung vor, dass dann, wenn ein Mitgliedstaat im Falle einer Verschmelzung von Aktiengesellschaften besondere Formalitäten für die Rechtswirksamkeit der Übertragung bestimmter von den sich verschmelzenden Gesellschaften eingebrachter Vermögensgegenstände, Rechte und Verbindlichkeiten gegenüber Dritten vorschreibe, diese fortgelten und nach deren Erfüllung entweder von den sich verschmelzenden Gesellschaften oder von der SE zu erfüllen seien. Die Anordnung einer allgemeinen zivilrechtlichen Beschränkung der Übertragbarkeit des Wiederkaufsrechts aufgrund der Höchstpersönlichkeit sei als eine im nationalen Recht begründete Spezialnorm gemäß Art 29 Abs 3 SE-VO zu beachten, weil dem SE-Verordnungs-Geber aufgrund des „Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung“ die Regelungskompetenz für allgemeine zivilrechtliche Fragen fehle. Es „schieden“ daher spezifische zivil-rechtliche Regelungen, die nationales Zivilrecht verdrängen würden, in europäischen Rechtsakten wie der SE-VO „von vornherein aus“. Nach § 1070 ABGB könne ein Wiederkaufsberechtigter sein Wiederkaufsrecht weder auf einen Erben noch auf einen anderen übertragen. Die hier zu beurteilende Verschmelzung stelle eine Gesamtrechtsnachfolge dar, beinhalte also einen [nach § 1070 ABGB untersagten] Übertragungsvorgang. Damit sei es durch den Untergang der übertragenden Gesellschaft, der dem Tod einer natürlichen Person gleichzuhalten sei, zum gleichzeitigen Untergang des Wiederkaufsrechts gekommen. Die zum Vorkaufsrecht ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu (richtig) 5 Ob 106/95 sei zwar in der Lehre auf Kritik gestoßen, könne aber ohne Weiteres auf das Wiederkaufsrecht und somit auch auf die Bestimmung des § 1070 ABGB übertragen werden. Auf weitere Fragestellungen, insbesondere die kartellrechtlichen Einwendungen der Beklagten, müsse nicht mehr eingegangen werden, die Behandlung der Mängel- und Beweisrüge sei daher entbehrlich.
Das Berufungsgericht bewertete den Wert des Entscheidungsgegenstands mit mehr als 30.000 EUR und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Verhältnisses zwischen Art 29 SE-VO und § 1070 ABGB fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin, die zulässig und berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
1. Beide Parteien wiederholen im Revisionsverfahren ihre schon zuvor vertretenen Standpunkte. Sie befassen sich ausführlich mit unionsrechtlichen Fragen, so etwa mit der Problematik der Rechtssetzungskompetenz des europäischen Verordnungsgebers, dem Verhältnis des nationalen Rechts zur SE-VO und damit, ob Art 29 Abs 3 SE-VO einen allgemeinen Zivilrechtsvorbehalt darstellt (so die Beklagte) oder nur Formerfordernisse (etwa im Sinne von Grundbuchsberichtigungen) betrifft (so die Klägerin).
1.1. Die Klägerin hebt hervor, dass Europäische Gesellschaften vorwiegend deshalb gegründet würden, um die Konzernstruktur international tätiger Unternehmen zu vereinfachen. Da mittlerweile eine Vielzahl solcher SE in Österreich operativ tätig sei, komme der – vom Höchstgericht noch nicht beantworteten – Frage, ob § 1070 ABGB, der das Erlöschen des Wiederkaufsrechts in bestimmten Fällen anordne, auch auf eine SE anwendbar sei, auf die die ursprünglich berechtigte Kapitalgesellschaft verschmolzen worden sei (anders als das Berufungsgericht meine, sei eine Verschmelzung zur Aufnahme und nicht zur Neugründung vorgelegen), erhebliche Bedeutung zu. Schon in der Auslegung (allein) des nationalen Rechts liege im vorliegenden Fall eine zu korrigierende Fehlbeurteilung. Der Oberste Gerichtshof habe sich nämlich von der noch in 5 Ob 106/95 vertretenen Auffassung bereits abgewandt und schon anlässlich seiner Entscheidungen zu 5 Ob 88/05k und 2 Ob 233/13y erkannt, dass – angesichts der zwischenzeitigen Veränderungen im Gesellschaftsrecht – eine andere Auslegung der Bestimmungen des ABGB geboten sei. Bei richtigem Verständnis gelange man ohnehin zum Ergebnis, dass § 1070 ABGB bei Umgründungsvorgängen, die nicht mit der Liquidation der übertragenden Gesellschaft(en) einhergingen, überhaupt nicht anzuwenden sei, und zwar auch dann nicht, wenn es sich nicht um „SE-Verschmelzungen“, sondern um rein innerstaatliche Vorgänge handle.
1.2. Die Beklagte hält dagegen die Ansicht der Vorinstanzen für richtig und hebt zum nationalen Recht hervor, dass nicht einsichtig wäre, warum der Dritte im Fall von Rechtsbeziehungen zu einer juristischen Person, die ja nicht „eigenschaftslos“ sei, weniger schützenswert sein solle als in seinen Rechtsbeziehungen zu natürlichen Personen. Vielfach seien die Beteiligungsverhältnisse und die hinter der juristischen Person stehenden Personen für die Vertragsparteien entscheidungswesentlich. Um sicherzustellen, dass sich der Vertragspartner nicht mittelbar ändern könne, würden häufig Change of Control-Klauseln vereinbart, was auch in zahlreichen gesetzlichen Anordnungen Niederschlag gefunden hätte (so etwa in § 12a MRG). Höchstpersönliche Rechte seien weder durch Einzel-, noch durch Gesamtrechtsnachfolge übertragbar. Letztlich handle es sich bei der „umgründungsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge“ um einen Übertragungsvorgang im Sinne des § 1070 ABGB, bei dem die übertragende Gesellschaft als juristische Person untergehe, weswegen sie auch im Firmenbuch gelöscht werde. Das aktive und passive Vermögen würde zwar von der übernehmenden Gesellschaft übernommen werden, es werde aber mit ihrem Vermögen vermengt. Auch wenn die neue Gesellschaft danach Eigentümerin des Vermögens sei, könnten auf sie als „andere Person“ höchstpersönliche Rechte nicht übertragen werden, und zwar weder im Wege der Einzel- noch der Gesamtrechtsnachfolge. Auch dann, wenn der Oberste Gerichtshof den der Entscheidung zu 5 Ob 106/95 zugrunde gelegten Sachverhalt nach Inkrafttreten der 3. Gesellschaftsrichtlinie zu entscheiden gehabt hätte, wäre die Entscheidung „keine andere“ gewesen.
2. Der 5. Senat hat jüngst in seiner Entscheidung vom 19. 12. 2019 zu 5 Ob 136/19i zur Frage, ob die Grundsätze der Entscheidung 5 Ob 106/95 auch auf ein Wiederkaufsrecht anwendbar sind, wenn die verkaufende Gesellschaft als übertragende Gesellschaft mit einer weiteren Gesellschaft (zur Aufnahme nach nationalem Recht) verschmolzen wurde (und damit zu der auch hier der Auseinandersetzung mit unionsrechtlichen Fragen vorgelagerten Problematik des Weiterbestehens des Wiederkaufsrechts in einem solchen Fall), wie folgt Stellung genommen:
„3.1 Das Wiederkaufsrecht gemäß § 1068 ABGB ist das Recht des Verkäufers, eine verkaufte Sache wieder einzulösen (zur Rechtsnatur des Wiederkaufsrechts: 5 Ob 58/17s), und kann nach der insoweit zwingenden Bestimmung des § 1070 ABGB (RS0020238) vom Berechtigten weder auf die Erben noch auf einen anderen übertragen werden.
3.2 Die Einführung eines Wiederkaufsrechts stieß bei den Redakteuren des ABGB wegen seiner Rechtsnatur auf Vorbehalte (dazu Ofner, Protokolle II 414; Mayer-Maly in Klang² § 1070 ABGB, 739), die in einen Diskussionsprozess mündeten, dessen Resultat als Kompromiss (im Raum stand auch die Abschaffung dieses Rechts) zur Unvererblichkeit und Unübertragbarkeit dieses Rechts sowie seine Beschränkung auf Liegenschaften führte. Nicht aus der Eigenart des Rechts an sich, sondern aus der legislativpolitischen Entscheidung, das Recht zu begrenzen, ergibt sich dessen Unübertragbarkeit (Mayer-Maly aaO) und die daraus abgeleitete Höchstpersönlichkeit. Anstelle einer zeitlich fixierten Höchstdauer wurde die Beschränkung auf die Lebenszeit des Berechtigten gewählt (Ofner aaO). Dieses Recht unterscheidet sich damit in seiner 'Höchstpersönlichkeit' von den sonst mit einer Person untrennbar verbundenen Rechten. Anders als etwa die in § 1459 ABGB genannten persönlichen Freiheitsrechte und das Eigentum, oder Familien- und Personenrechte (§ 1481 ABGB) unterliegt das Wiederkaufsrecht als Gestaltungsrecht nach nunmehr überwiegender Ansicht daher auch der allgemeinen Verjährung (RS0020142; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1479 ABGB Rz 24 mwN; Apathy/Perner aaO § 1068 Rz 6; Aicher aaO § 1070 ABGB Rz 1 je mwN).
3.3 Aus § 26 ABGB ergibt sich, dass auch eine juristische Person Begünstigte des Wiederkaufsrechts sein kann. Gleich dem ebenfalls als höchstpersönliches Gestaltungsrecht (dazu Apathy/Perner aaO § 1070 ABGB Rz 2; Aicher aaO § 1070 ABGB Rz 4) konzipierten Vorkaufsrecht kann es zugunsten einer juristischen Person eingeräumt werden (RS0020235) und erlischt dann erst mit deren Untergang (zum Vorkaufsrecht: RS0020289).
4.1 Die Bestimmung des § 1074 ABGB, die anordnet, dass das Vorkaufsrecht weder einem Dritten abgetreten noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden kann, entspricht inhaltlich § 1070 ABGB. Aus ihr leitete der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung zu 5 Ob 106/95 ab, dass bei Verschmelzung das im Grundbuch zugunsten der übertragenden Gesellschaft eingetragene Vorkaufsrecht erloschen sei, weil die Verschmelzung nach § 96 GmbHG iVm § 226 Abs 4 AktG zum Untergang der übertragenden Gesellschaft führe. Deren Vermögen gehe zur Gänze auf die aufnehmende Gesellschaft über, sodass sie nicht mehr existent sei; die aufnehmende (zur neuen Rechtsträgerin des Vermögens werdende) Gesellschaft wiederum sei ein anderes Rechtssubjekt.
4.2 Diese Entscheidung ist in der Literatur insbesondere wegen der darin enthaltenen Gleichsetzung der Vollbeendigung einer juristischen Person infolge Verschmelzung mit den gesetzlichen Folgen des Todes einer natürlichen Person auf Kritik gestoßen (vgl dazu insb Hoyer, NZ 1996, 220; ders, Persönliche Dienstbarkeiten juristischer Personen in FS Krejci II [2001] 1211 [1227 ff]; Grünwald, Zum Schicksal kaufvertraglicher Nebenabreden bei Verschmelzungen, RdW 1996/11, 518 [519]; Bittner, Umgründungen und Grundbuch, FS Weissmann [2003] 45 [53 ff]; Bittner/Fida/Rosam/Zwinscher, Liegenschaftserwerb durch Anteilskauf [2008] 101 f; Hügel, Umgründungsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge, Dienstbarkeiten und höchstpersönliche Rechte, FS Koppensteiner [2001] 91 [99 ff]). Diese Kritik wird insbesondere damit begründet, dass die durch Verschmelzung (wie auch Spaltung oder Umwandlung) hervorgerufene Gesamtrechtsnachfolge nicht dem Erbfall entspreche, weil die übertragende Gesellschaft als Teil der übernehmenden Gesellschaft fortgesetzt werde (so ausdrücklich Napokoj in Praxishandbuch Spaltung 27; vgl auch Hügel aaO 101). Das Weiterbestehen des Vorkaufsrechts bliebe dem Zufall überlassen, je nachdem wer übertragende und übernehmende Gesellschaft sei (Bittner/Fida/Rosam/Zwinscher aaO 102; Hoyer, NZ 1996, 220). Nur wenn die Gründe für das Erlöschen einer Gesellschaft zu deren Liquidation führten, könne ein Vergleich mit dem Tod einer natürlichen Person gezogen werden (Bittner aaO 55; Verschraegen in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 1074 Rz 3; Aicher aaO § 1070 ABGB Rz 4: 'zur Liquidation führend'; vgl auch Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 225a Rz 13: 'liquidationsloses Erlöschen').
4.3 Verschmelzung (§§ 220 bis 233 AktG [hier iVm § 96 GmbHG]) ist die Übertragung des Vermögens einer oder mehrerer Gesellschaften (übertragende Gesellschaften) im Weg der Gesamtrechtsnachfolge unter Ausschluss der Abwicklung auf eine andere bestehende oder durch die Verschmelzung neu gegründete Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft). Mit der Verschmelzung geht das Vermögen der übertragenden Gesellschaft einschließlich der Schulden mit der Eintragung der Verschmelzung in das Firmenbuch auf die übernehmende Gesellschaft über, ohne dass es eines Übertragungsakts bedürfte. Der Vermögensübergang betrifft alle Rechte und Verbindlichkeiten der übertragenden Gesellschaft, sodass bei dieser kein Vermögen zurückbleibt (vgl Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 § 219 AktG [Stand 1. 11. 2010, rdb.at] Rz 4 f). Mit der Eintragung der Fusion in das für die übertragende Gesellschaft zuständige Firmenbuch erlischt die übertragende Gesellschaft. Damit ist die Verschmelzung vollzogen (5 Ob 252/03z).
4.4 Die Besonderheit der Verschmelzung liegt darin, die Beendigung der juristischen Person ohne Erfordernis eines Liquidationsverfahrens herbeizuführen (RS0049475; RS0049484; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 225a Rz 9). Die übernehmende Gesellschaft tritt in jeder rechtlichen Hinsicht an die Stelle der übertragenden Gesellschaft. Sämtliche Rechte und Pflichten, Forderungen und Schulden gehen (auch in Durchbrechung des bücherlichen Eintragungsgrundsatzes: RS0060147 [T3]) als Folge der liquidationslosen Beendigung der übertragenden Gesellschaft über, unabhängig davon, ob sie bekannt sind oder nicht (Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 § 225a AktG Rz 13). Die einzelnen verschmolzenen selbständigen Gesellschaften werden zu einer einzigen Rechtsperson (RS0060147; ausführlich zur Rechtsnatur der Verschmelzung auch Ch. Fries, ecolex 1992, 477 [478]).
4.5 Der Rechtsübergang infolge Verschmelzung ist eine besondere gesellschaftsrechtliche Form der Gesamtrechtsnachfolge, die nur in den im Gesetz geregelten Fällen zulässig ist (vgl RS0049487). Die übertragende Gesellschaft ist, wenn sie auch als selbständige juristische Person nicht mehr existiert, in der anderen juristischen Person enthalten; alle Rechte der dann vereinigten juristischen Personen sollen dabei erhalten bleiben (so bereits 1 Ob 112/31 SZ 13/64; vgl auch 1 Ob 652/27 SZ 9/138: das schließt das Erlöschen von Rechten und Pflichten des übertragenden Rechtssubjekts aus). Die übertragende Gesellschaft wirkt damit wirtschaftlich auch nach Verschmelzung als Einheit mit der übernehmenden Gesellschaft fort. Das ist Folge des Umstands, dass gerade keine Abwicklung der übertragenden Gesellschaft stattfindet, sodass ihr Erlöschen aufgrund dieses gesellschaftsrechtlichen Vorgangs auch nicht ihrem (endgültigen) Untergang, in dem Sinn, dass sie mit ihren Rechten und Pflichten aufgehört hätte zu existieren, gleich gehalten werden kann.
5.1 Dass das Vorkaufsrecht bei Verschmelzung fortbesteht, wenn es der aufnehmenden Gesellschaft eingeräumt war, wurde bereits zu 5 Ob 124/03a ausgesprochen.
5.2.1 Für den Fall der Abspaltung zur Aufnahme (§ 1 Abs 2 Z 2 und § 17 SpaltG) wurde judiziert, dass keine Bedenken gegen den Übergang einer persönlichen Dienstbarkeit im Sinne des § 485 Satz 1 ABGB bestehen (5 Ob 88/05k; 5 Ob 55/06h). Nach dieser Bestimmung kann eine Servitut eigenmächtig weder von der dienstbaren Sache abgesondert noch auf eine andere Person oder Sache übertragen werden. Die von den beteiligten Unternehmen im Spaltungsplan vereinbarte Übertragung einer persönlichen Servitut begründet jedoch keine unzulässige Eigenmacht im Sinne dieser Bestimmung.
5.2.2 Auch bei Aufteilung des Vermögens einer Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs 2 SpaltG gehen die Vermögensteile der übertragenden Gesellschaft mit der Eintragung der Spaltung ins Firmenbuch entsprechend der im Spaltungsplan vorgesehenen Zuordnung jeweils im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft oder die neuen Gesellschaften über (4 Ob 241/04a). In ihrer Wirkung ist diese Rechtsfolge mit der Gesamtrechtsnachfolge infolge Verschmelzung durchaus vergleichbar; eine oder mehrere Vermögensteile gehen – ohne Beendigung und ohne Abwicklung einer Gesellschaft – auf die übernehmende Kapitalgesellschaft über. Beide gesellschaftsrechtlichen Vorgänge bezwecken die Erleichterung von Reorganisationsmaßnahmen unter gleichzeitiger Vermeidung von 'Übertragungsverlusten' bei bestimmten Rechten oder Rechtsverhältnissen. Die Gesamtheit der Rechte soll bei beiden gesellschaftsrechtlichen Vorgängen erhalten bleiben. Das muss im Besonderen für Rechte von wirtschaftlicher Relevanz gelten.
5.2.3 Dem Wiederkaufsrecht kommt in vielerlei Hinsicht eine wirtschaftliche Funktion zu, die bereits die Redakteure des ABGB berücksichtigt und die letztlich entgegen aller Vorbehalte den Ausschlag für die Einführung dieses Rechts gegeben haben (dazu Ofner, Protokolle II 414; vgl auch die Beispiele bei Aicher aaO § 1068 ABGB Rz 3). Da die Übertragung der Rechte und des Vermögens einer juristischen Person auf die übernehmende Gesellschaft im Weg der Verschmelzung nicht deren (endgültigen) Untergang gleichzusetzen ist und bei dieser gesellschaftsrechtlichen Maßnahme die Gesamtheit der Rechte erhalten bleiben soll, geht nach Ansicht des erkennenden Senats auch ein zugunsten der übertragenden Gesellschaft bestehendes Wiederkaufsrecht nicht unter.
5.3 Ausgehend von diesen Überlegungen hält der erkennende Senat die in der Entscheidung zu 5 Ob 106/95 vertretene Ansicht, die Verschmelzung führe zum Erlöschen der im Grundbuch zugunsten der übertragenden Gesellschaft eingetragenen höchstpersönlichen Gestaltungsrechte, für das Wiederkaufsrecht gemäß § 1068 ABGB nicht aufrecht. Mit der Verschmelzung findet keine Übertragung dieses Rechts an einen von der berechtigten Gesellschaft verschiedenen Dritten im Sinne des § 1070 ABGB statt; das Vermögen der übertragenden Gesellschaft geht vielmehr in der übernehmenden Gesellschaft auf, sodass ein solches Gestaltungsrecht zugunsten der dann vereinten Gesellschaft fortwirkt. Diese Form der Gesamtrechtsnachfolge kann auch nicht den Rechtsfolgen des Todes einer natürlichen Person gleich gehalten werden. Der vom historischen Gesetzgeber verfolgte Zweck des § 1070 ABGB, die übermäßig lange Beschränkung des freien Rechtsverkehrs von Liegenschaften zu unterbinden, stößt bereits mit der Einräumung dieses Rechts einer juristischen Person an seine Grenzen, weil eine solche nicht zwingend ein natürliches Ende hat, sondern es im Allgemeinen der Willkür der darüber zur Entscheidung berufenen Personen überlassen ist, ein solches herbeizuführen (vgl Grünwald, RdW 1996, 518 [519]). Das Fehlen einer zeitlichen Bindung, wie es das Lebensende einer natürlichen Person mit sich bringt, ist damit in der Natur der Sache gelegen und kann diesem Ergebnis nicht erfolgreich entgegengehalten werden.
6. Fallbezogen ist daher zusammenzufassen, dass das zugunsten der übertragenden Gesellschaft bei den Liegenschaften der Antragstellerin intabulierte Wiederkaufsrecht ungeachtet der Verschmelzung nicht erloschen ist.“
3.1. Diesen Erwägungen schließt sich der erkennende Senat an. Angesichts der vom 5. Senat dargestellten Lehre (für ein Weiterbestehen des Wiederkaufsrechts etwa auch noch Aburumieh/Adensamer/Foglar-Deinhardstein, Praxisleitfaden Verschmelzung [2014] 220f VI B Rz 13 u Stingl, Gesamtrechtsnachfolge im Gesellschaftsrecht [2016] 15 ff) kann von einer von der Beklagten behaupteten „einhelligen zivilrechtlichen Literaturansicht zu § 1070 ABGB“ (wonach im Fall einer Verschmelzung das Wiederkaufsrecht der übertragenden Gesellschaft erlösche) gerade keine Rede sein. Die von ihr dafür zitierten Belegstellen (Fellner in Althuber/Schopper Handbuch Unternehmenskauf & Due Diligence² Bd I, Immobilienrechtliche Aspekte im Rahmen einer Due Diligence, 618 f; Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1073 Rz 1 u Schurr in Schwimann/Neumayr, ABGB TaKom4 § 1074 Rz 1) bleiben – unter bloßer Berufung auf die zu 5 Ob 106/95 ergangene Entscheidung – ohne argumentative Auseinandersetzung oder es wird ein Erlöschen wegen des Unterbleibens einer Liquidation im Gegenteil sogar in Zweifel gezogen (s Verschraegen in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 1074 Rz 3). Dass „die Beteiligungsverhältnisse und die hinter der juristischen Person stehenden Personen“ „vielfach entscheidungswesentlich“ seien (was für ihre Auffassung ins Gewicht fallen soll), leuchtet schon angesichts der etwa bei Kapitalgesellschaften in der Regel jederzeit gegebenen Möglichkeit der Anteilsübertragung nicht ein.
3.2. Bei einer Verschmelzung vollzieht sich – ob nach der SE-VO oder nach innerstaatlichem Recht – im Kern der gleiche Vorgang. Wie gemäß den §§ 225a Abs 3 Z 1, 233 AktG kommt es nach Art 29 Abs 1 und 2 SE-VO („ipso jure“) zur Gesamtrechtsnachfolge der neu gegründeten bzw übernehmenden (Europäischen) Gesellschaft und dem Erlöschen der übertragenden bzw sich verschmelzenden Gesellschaften. Findet aber bei einer Verschmelzung keine Übertragung „auf einen anderen“ im Sinne des § 1070 ABGB statt, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit den in der Revisionsschrift und ihrer Beantwortung angestellten Überlegungen zum Verhältnis des nationalen Rechts zur SE-VO.
4.1. Das Wiederkaufsrecht bestand daher nach der Verschmelzung (zugunsten der Klägerin) weiter und konnte von ihr bis zum Fristende ausgeübt werden. Die Abweisung des Klagebegehrens allein mit der Begründung, es sei dieses Recht durch die Verschmelzung untergegangen, erweist sich damit als verfehlt und es bedarf einer Auseinandersetzung mit dem (auch in der Revisionsbeantwortung aufrechterhaltenen) Einwand der Beklagten, das vereinbarte Wiederkaufsrecht verstoße gegen das KartellG und sei wegen seines „rechtswidrigen Zwecks“ gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig.
4.2. Das Erstgericht hat dazu festgestellt, dass das Wiederkaufsrecht zwischen der Beklagten und der AG nur dazu diente, den Tankstellen-Belieferungsvertrag zwischen der Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Klägerin für 13 Jahre (bis zum 31. 12. 2016) abzusichern, und nur zu dem Zweck vereinbart wurde, dass die übertragende Gesellschaft dieses Recht nur dann ausgeübt hätte, wenn innerhalb dieser Zeit kein neuer Tankstellen-Belieferungsvertrag abgeschlossen worden wäre, und dass durch die wiederholt abgeschlossenen Belieferungsverträge mit der AG bzw der Klägerin „die Absicht, die zur Vereinbarung des Wiederkaufsrechts geführt hat, über die vereinbarten 13 Jahre hinaus erfüllt, sozusagen übererfüllt“ wurde.
Mit der Beweis- und Mängelrüge der Klägerin zu diesem Themenkomplex hat sich das Gericht zweiter Instanz
– ausgehend von seiner vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht – bisher nicht befasst.
5. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben. Das Berufungsgericht wird die Mängel- und Beweisrüge zu erledigen und sich – abhängig von deren Ergebnis – im Anschluss daran gegebenenfalls auch mit dem Einwand der Beklagten zur Nichtigkeit des vereinbarten Wiederkaufsrechts – bzw seiner vertraglichen Beschränkung – auseinanderzusetzen haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E127529European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:E127529Im RIS seit
11.03.2020Zuletzt aktualisiert am
18.07.2022