TE OGH 2020/1/22 3Ob231/19w

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Veröffentlicht am 22.01.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.-Doz. Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr, Dr. Kodek und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Sauerzopf & Partner Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** R*****, vertreten durch TELOS Law Group Winalek, Nikodem, Weinzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. Mag. M***** S*****, vertreten durch Dr. Udo Elsner Rechtsanwalt KG in Wien, 3. H***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in Wien, 4. M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 212.197,85 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Oktober 2019, GZ 12 R 70/19f-26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Alleineigentümerin einer Liegenschaft mit einem Zinshaus. Der Erstbeklagte war Alleineigentümer der Nachbarliegenschaft mit einem Altbau, die er an einen (mittlerweile insolventen) Bauträger verkaufte. Letzterer sollte einen Neubau errichten und eine Änderungsparifizierung durchführen. Der Bauträger schloss mit dem Erstbeklagten im Jänner 2015 einen Wohnungseigentumsvertrag, wobei der Erstbeklagte Wohnungseigentümer einer Wohnung und eines Kfz-Stellplatzes wurde. Der Bauträger wurde Wohnungseigentümer der übrigen Objekte. Im Juli und August 2015 verkaufte er Wohnungseigentumsobjekte an die Zweit- und Drittbeklagte. Nach der Verbücherung des Wohnungseigentums der Erst- bis Drittbeklagten kam es im Zuge von behördlich genehmigten Abbrucharbeiten des Altbaus (also noch vor Fertigstellung und Übergabe der Wohnungseigentumsobjekte an die Erst- bis Drittbeklagten) auf der Nachbarliegenschaft der Klägerin zu Setzungen im Bereich der Feuermauer.

Die Klägerin macht gegenüber dem Erst- bis Drittbeklagten einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend. Die Erst- bis Drittbeklagten hafteten ihr als Miteigentümer, die Bauführung sei in deren Interesse erfolgt.

Die Erst- bis Drittbeklagten wandten ein, dass sie auf die Bauführung keinen Einfluss gehabt hätten. Die Bautätigkeit der Viertbeklagten sei weder in ihrem Auftrag noch auf ihre Veranlassung erfolgt.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage bezüglich der Erst- bis Drittbeklagten mit Teilurteil ab. Sie verneinten deren Passivlegitimation mangels Einflussmöglichkeit auf die Beauftragung oder Bautätigkeit der Viertbeklagten.

Dagegen zeigt die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Der verschuldensunabhängige Ausgleichs-anspruch nach § 364b iVm § 364a ABGB wird dem Nachbarn als Ersatz für den Entzug des Unterlassungsanspruchs nach § 364 Abs 2 ABGB gewährt (RS0010449 [T10]). Die Haftung knüpft daher nicht an den schadenersatzrechtlichen Begriff des Schädigers, sondern an die negatorische Störerverantwortlichkeit an (5 Ob 164/15a).

1.2 Gegner des genannten Ausgleichsanspruchs kann jeder dinglich oder obligatorisch Berechtigte oder auch ein bloß faktischer Nutzer sein, sofern er die Störungsquelle beherrscht (5 Ob 164/15a).

2.1 Für die Haftung des Eigentümers ist damit das Vorliegen einer Schädigung erforderlich, die in irgendeiner Weise mit seiner Verfügungsmacht als Grundeigentümer zusammenhängt, sei es, dass er die Liegenschaft in einen Schaden hervorrufenden Zustand versetzt oder in einem solchen belässt (RS0010448).

2.2 Die Frage, ob ein einzelner Mit- oder Wohnungseigentümer, der nicht unmittelbarer Störer ist, dennoch selbständig und allein wegen nachbarrechtlicher Ansprüche haftbar gemacht werden kann, hängt davon ab, ob er die Störung allein beherrschen kann (vgl RS0124334).

3.1 Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen der referierten Rechtsprechung. Die Vorinstanzen sind bei der Klagsabweisung davon ausgegangen, dass die beklagten Minderheits- bzw Wohnungseigentümer auf die Auswahl und die Arbeit des viertbeklagten Bauunternehmens keinen Einfluss hatten und die Einstellung der Arbeiten daher nicht bewirken konnten.

3.2 Dem setzt das Rechtsmittel nichts entgegen. Die Klägerin steht vielmehr auf dem Standpunkt, es reiche für die nachbarrechtliche Haftung der beklagten Wohnungseigentümer bereits aus, dass die Bauführung in deren vertragstypischen Interesse stehe. Es müsse für die Haftung genügen, dass ein Liegenschaftseigentümer zum Störer (Bauunternehmer) über seinen Vertragspartner (Bauträger) in einer mittelbaren Rechtsbeziehung stehe.

3.3 Mit der so begründeten Haftung eines einflusslosen Wohnungseigentümers setzt sich das Rechtsmittel aber im Widerspruch zur Judikatur. In einer vergleichbaren Konstellation wurde in der Entscheidung 5 Ob 82/06d bei einer Störung durch Bauarbeiten, die vom Bauträger zur Schaffung von Wohnungseigentumsobjekten veranlasst wurden, eine Zurechnung zum – wie hier – auf das Baugeschehen einflusslosen Erwerber einer noch nicht zur Nutzung übergebenen Eigentumswohnung verneint, obwohl sich auch aus der dort vorliegenden Konstellation im Sinne der Klägerin argumentieren ließe, dass die dort ebenfalls in einer vertraglichen Beziehung zum Bauträger stehende Erwerberin „Interesse an der Bauführung hatte“. Es trifft zwar zu, dass nach dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt die dort beklagte Erwerberin eines Wohnungseigentumsobjekts schlichte Miteigentümerin war, zu deren Gunsten die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts nach § 40 Abs 2 WEG 2002 angemerkt war, während hier das Wohnungseigentumsrecht der Erst- bis Drittbeklagten zum Zeitpunkt des behaupteten Schadenseintritts bereits verbüchert war. Dieser Umstand kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels aber nicht stützen, weil die Revision nicht aufzeigt, wieso die Verbücherung von Wohnungseigentum dazu führen sollte, dass ein Wohnungseigentümer die Störungsquelle (Bau der Wohnungseigentumsobjekte) besser beherrschen kann als ein schlichter Miteigentümer (und erst zukünftiger Wohnungseigentümer).

3.4 Auch der Vorwurf, dass die Erst- bis Drittbeklagten eine „vertragliche Vorsorge bei Abschluss des Kaufvertrags“ durch „verbindlichen Abschluss von entsprechenden Versicherungen“ treffen hätten können, zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil die nachbarrechtliche Haftung des mittelbaren Störers darauf abstellt, ob dieser imstande und berechtigt war, den konkreten Eingriff abzustellen (RS0053260 [T8], RS0011737 [T20]), worauf allenfalls bestehender Versicherungsschutz keinen Einfluss hat.

3.5 Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind auch nicht deshalb korrekturbedürftig, weil der erstbeklagte Wohnungseigentümer vor dem Zeitpunkt der Begründung des Wohnungseigentums bzw vor Beginn der Bauführung noch Alleineigentümer der Liegenschaft war, zielt die nachbarrechtliche Haftung gerade auf das Liegenschaftseigentum zum Zeitpunkt der Störung ab.

Textnummer

E127564

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00231.19W.0122.000

Im RIS seit

12.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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