Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** B*****, vertreten durch Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei J***** B*****, vertreten durch Mag. Ing. Peter Huber, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Unterhalt, über den Rekurs und die Revision der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Teilurteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 5. September 2019, GZ 21 R 139/19s-18, womit das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 1. März 2019, GZ 30 C 44/18i-14, abgeändert und aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs und die Revision werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Die Klägerin bekämpft erkennbar (auch) den aufhebenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts. Insoweit ist das als Rekurs zu behandelnde Rechtsmittel der Klägerin gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO absolut unzulässig, weil das Berufungsgericht zum aufhebenden Teil seiner Entscheidung keinen Zulassungsausspruch im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO getroffen hat. Fehlt ein solcher Ausspruch, so ist die Anfechtung des Aufhebungsbeschlusses ausgeschlossen (RS0043898). Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung einen Teil des erstgerichtlichen Urteils abändert, einen anderen Teil dieser Entscheidung aber aufhebt und die Rechtssache in letzterem Umfang an das Erstgericht zurückverweist (vgl 4 Ob 53/19a mwN).
II. Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO; RS0042392) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
1.1 Das Begehren eines geschiedenen Ehegatten auf Bezahlung von Unterhalt für die Vergangenheit setzt einen Verzug des Unterhaltspflichtigen voraus (RS0106452). Zum Verzug bedarf es zumindest einer durch eine außergerichtliche, inhaltlich bestimmte Mahnung erfolgten Zahlungsaufforderung an den Unterhaltspflichtigen. Der Unterhaltspflichtige hat einen eingetretenen Verzug zu behaupten und zu beweisen (RS0057365). Bei einer am Sinn und Zweck der Regelung des § 72 EheG orientierten Auslegung kann der Unterhalt geschiedener Ehegatten aber bereits ab dem Zeitpunkt gefordert werden, zu dem der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltspflichtigen berechtigterweise zur Auskunftserteilung zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert hat. Diese Aufforderung zur Auskunftserteilung kommt in ihren Wirkungen dem durch eine Mahnung eingetretenen Verzug gleich. Der Unterhaltsschuldner muss von diesem Zeitpunkt an in gleicher Weise wie bei einer Mahnung damit rechnen, dass er auf Unterhalt in Anspruch genommen wird und er gegebenenfalls entsprechende Rücklagen bilden muss. Er kann aber nach Treu und Glauben keine Vorteile daraus ziehen, dass der Unterhaltsberechtigte ohne Auskunft den Unterhaltsanspruch nicht beziffern kann (RS0122059).
1.2 Erforderlich ist dabei aber auch ein zeitlicher Konnex zwischen Mahnung bzw Aufforderung und Klagsanspruch (2 Ob 17/10d; 5 Ob 113/17d). In der Entscheidung 2 Ob 17/10d erachtete es der Oberste Gerichtshof für vertretbar, einen ausreichenden Konnex bei einem Zeitabstand von etwa drei Jahren zu verneinen. In der Entscheidung 5 Ob 113/17d sah er einen solchen zeitlichen Konnex zwischen einem Aufforderungsschreiben im Jahr 2005 und Ansprüchen aus dem Zeitraum Mai 2012 bis Mai 2016 als nicht gegeben.
1.3 Damit hält sich aber die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass zwischen dem Aufforderungsschreiben vom 15. 12. 2006 und den geltend gemachten Ansprüchen ab Juni 2015 kein ausreichender zeitlicher Konnex bestehe, weshalb das Aufforderungsschreiben nicht als eine den Verzug auslösende Aufforderung für Ansprüche aus dem klagsgegenständlichen Zeitraum angesehen werden könne, im Rahmen der bereits bestehenden oberstgerichtlichen Judikatur.
2. Ob mündliche Aufforderungen zur Auskunftserteilung den Verzug auslösen können, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Nach dem Vorbringen der Klägerin, das auch Eingang in die Feststellungen fand, forderte sie den Beklagten auch nach dem Einschreiben vom 15. 12. 2006 wiederholt mündlich auf, seine Einkommensunterlagen vorzulegen. Aus nicht weiter konkretisierten Aufforderungen zu nicht festgestellten und mangels Vorbringens auch nicht feststellbaren Zeitpunkten lässt sich jedenfalls kein ausreichender zeitlicher Zusammenhang ableiten.
3. Im vorliegenden Zwischenstreit findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RS0123222). Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Unter Berücksichtigung der bereits durch das Erstgericht rechtskräftig erfolgten Abweisung orientiert sich die Bemessungsgrundlage am Streitwert des Teilurteils.
Textnummer
E127530European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00198.19X.0122.000Im RIS seit
11.03.2020Zuletzt aktualisiert am
21.08.2020