Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §46;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des G in Wien, vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 10. Juli 1997, Zl. UVS-03/P/15/03099/96, betreffend Übertretung des KFG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. Juni 1996 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 31. Oktober 1995 zu einer näher angegebenen Zeit in "Wien 8, Lerchenfeldergürtel 70", ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug gelenkt, ohne im Besitze der erforderlichen Lenkerberechtigung gewesen zu sein. Er habe dadurch § 64 Abs. 1 KFG übertreten. Es wurde deshalb gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) sowie Primärarrest in der Dauer von sechs Wochen verhängt.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe einer Änderung hinsichtlich des Verfahrenskostenbeitrages betreffend die verhängte Primärfreiheitsstrafe.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer verweist zunächst darauf, daß die Zustellung des bekämpften Bescheides samt "ausführlicher Begründung" erst am 19. März 1998 erfolgt sei. Da somit rund ein dreiviertel Jahr zwischen der Berufungsverhandlung und der Zustellung verstrichen sei, sei die Frist des § 51 Abs. 7 VStG nicht gewahrt worden. Die belangte Behörde habe die Rechtslage unrichtig beurteilt, wenn sie vermeint habe, durch die mündliche Verkündung des Berufungsbescheides in Abwesenheit des krankheitshalber entschuldigten Beschwerdeführers sei die erwähnte Frist gewahrt.
Nach § 51 Abs. 7 erster Satz VStG gilt der angefochtene Bescheid als aufgehoben und ist das Verfahren einzustellen, wenn eine Berufungsentscheidung nicht innerhalb von 15 Monaten ab Einlangen der Berufung erlassen wird.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5 unter 103 ff abgedruckte Rechtsprechung zu § 51 VStG) wird die Frist des § 51 Abs. 7 VStG durch die fristgemäße mündliche Verkündung des Berufungsbescheides eingehalten. Unbestritten hat die belangte Behörde ausgeführt, daß die Berufung des Beschwerdeführers vom 12. Juli 1996 datiert; die am 10. Juli 1997 erfolgte Verkündung des bekämpften Bescheides in Gegenwart des Rechtsfreundes des Beschwerdeführers hatte somit die Wirkung, daß die Frist des § 51 Abs. 7 VStG gewahrt wurde. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides erst geraume Zeit später zugestellt wurde, behauptet doch der Beschwerdeführer selbst nicht, daß er in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden wäre oder der wesentliche Inhalt der schriftlichen Ausfertigung nicht mit dem mündlich verkündeten Bescheid übereinstimme.
Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß der "angebliche Tatort nicht hinreichend bezeichnet" worden sei. Als Tatort scheine "Wien 8, Lerchenfeldergürtel 70", auf. Nach den Angaben des Zeugen, auf die sich die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde stützten, sei aber davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer den PKW "auf Höhe bzw. vor dem Haus Lerchenfeldergürtel 70" gelenkt habe. Tatort sei somit nicht der Gehsteig des Hauses oder der Bereich des Hauses selbst.
§ 44a Z. 1 VStG stellt das Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat auf. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Zl. 82/03/0265 = Slg. 11.466/A, ausgeführt hat, ist diesbezüglich auch zu verlangen, daß die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Darunter ist nach den Ausführungen dieses Erkenntnisses zu verstehen, daß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkreter Umschreibung zum Vorwurf gemacht wird, daß er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und weiters der Spruch geeignet sein muß, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.
Im Beschwerdefall ist nicht zu erkennen, inwieweit die von der belangten Behörde gewählte Tatortumschreibung gegen diese Grundsätze verstoßen könnte.
Der Beschwerdeführer rügt weiters als Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens die von der belangten Behörde unterlassene Einvernahme seiner Gattin. Diese habe er zum Beweis dafür beantragt, daß er zum "angeblichen Tatzeitpunkt keinerlei Gelegenheit hatte", sich "Zugang zum PKW zu verschaffen". Ebenso sei auch die von ihm beantragte Beischaffung der von der erstinstanzlichen Behörde gegen ihn aus Anlaß des gegenständlichen Vorfalls erstatteten Strafanzeige gemäß § 136 StGB unterblieben. Darüber hinaus sei auch die Identität des Lenkers des PKW, der vom Meldungsleger beobachtet worden sei, "nicht objektiviert" worden. Der Zeuge habe das auf dem zweiten Fahrstreifen fahrende Fahrzeug vom Gehsteig aus nach eigenen Angaben aus einer Distanz von 4 bis 5 m über eine längere Wegstrecke beobachtet, wobei ihm der Lenker kurz den Kopf zugewandt, diesen aber dann weggedreht habe. Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge sei "größer" gewesen, da wenig Verkehr geherrscht habe, andererseits sei das Verkehrsaufkommen wiederum derart gewesen, daß der Zeuge das Fahrzeug nicht habe anhalten können. Der Zeuge habe überdies den Beschwerdeführer erst einmal zuvor wegen dieses Deliktes angezeigt. Die Täterschaft des Beschwerdeführers sei daher fraglich.
Die belangte Behörde hat nach dem Inhalt des bekämpften Bescheides ihre Feststellungen wesentlich auf die Angaben des in erster und zweiter Instanz vernommenen Sicherheitswachebeamten D. gestützt. Dieser hat unter anderem angeführt, daß der Beschwerdeführer amtsbekannt gewesen sei. Es sei auch bekannt gewesen, daß er über keine Lenkerberechtigung verfüge. Der Beschwerdeführer sei "laufend bei uns und in den anderen Dienstgruppen angefallen". Der Zeuge könne nicht mehr angeben, ob er ihn einmal oder mehrmals persönlich angezeigt habe; der Beschwerdeführer sei ihm aber persönlich bekannt gewesen. Vor dem gegenständlichen Vorfall habe der Zeuge auch in seiner Funktion als dienstführender Beamter seines Wachzimmers vier oder fünf Mal mit dem Beschwerdeführer dienstlich zu tun gehabt.
Aus der zeitlich zum Tatgeschehen näheren Einvernahme vor der Erstbehörde ist im gegebenen Zusammenhang noch hervorzuheben, daß der Zeuge D. dort angab, er sei zu Fuß auf dem Gehsteig vor dem Haus Nr. 70 am Lerchenfeldergürtel gestanden und habe den Verkehr überwacht. Da die Verkehrsdichte eher schwach gewesen sei, habe er die herannahenden Fahrzeuge schon über eine längere Strecke sehen können. Aufgrund zahlreicher Amtshandlungen gegen den Beschwerdeführer habe er den von ihm oftmals gelenkten blauen PKW mit der dem Zeugen bekannten Nummer auf dem zweiten Fahrstreifen gesehen. Der Zeuge habe sich "daher" genau auf das Gesicht des Lenkers konzentriert und einwandfrei auf eine Distanz von wenigen Metern den Beschwerdeführer erkannt. Dieser habe dem Zeugen ins Gesicht geblickt und als er dann die Uniform gesehen habe, sich plötzlich geduckt und in die andere Richtung gesehen. Aufgrund der etwas höheren Geschwindigkeit der Fahrzeuge sei es dem Zeugen nicht mehr möglich gewesen, den Beschwerdeführer durch Betreten der Fahrbahn anzuhalten.
Die belangte Behörde hat weiters auf die Aussage der Gattin des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde Bezug genommen. Diese gab am 4. Dezember 1995 an, es sei unmöglich, daß der Beschwerdeführer gefahren sei; einen Schlüssel zum PKW besitze ihre Tochter, den anderen sie. Über Vorhalt habe die Gattin des Beschwerdeführers aber eingeräumt, sie wisse nicht, ob sich der Beschwerdeführer nicht einen Zweitschlüssel hätte nachmachen lassen können.
Die belangte Behörde hat überdies die Angabe des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren gleichfalls vom 4. Dezember 1995 berücksichtigt, wonach "der Wagen vor seinem Haus gestanden sei". Er, der Beschwerdeführer, selbst sei damals zur Tatzeit bei einem Gerichtstermin am
BG Josefstadt gewesen. Behördliche Ermittlungen hinsichtlich dieses Gerichtstermines, nicht nur bei dem vom Beschwerdeführer angegebenen Gericht sondern auch bei anderen Gerichten seien negativ verlaufen.
Ausgehend von den hier auszugsweise wiedergegebenen Angaben der Gattin des Beschwerdeführers konnte die belangte Behörde auf deren neuerliche Einvernahme verzichten, behauptete doch der Beschwerdeführer selbst nicht, daß seine Frau zur Tatzeit den PKW benützt habe. Nur dann aber könnte - Glaubwürdigkeit vorausgesetzt - allenfalls ausgeschlossen werden, daß der Beschwerdeführer zur selben Zeit etwa unter Verwendung eines Zweitschlüssels mit dem PKW am Tatort gewesen wäre.
Desgleichen ist auch nicht ersichtlich, was die Beischaffung der von der Erstbehörde aufgrund des vor ihr durchgeführten Beweisverfahrens erstatteten Strafanzeige gemäß § 136 StGB an zusätzlichen Beweisergebnissen gebracht hätte, hat doch die Erstbehörde ihre Erwägungen auch hinsichtlich der Beweiswürdigung in dem vor der belangten Behörde bekämpften Bescheid zum Ausdruck gebracht. Daß aber in der Strafanzeige andere Erwägungen angestellt oder das Gericht zu einem anderen Beweiswürdigungsergebnis gekommen wäre, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Die der Beschwerde allenfalls zu entnehmende Behauptung, eine gerichtliche Bestrafung sei nicht erfolgt - ohne daß aber auf eine anders lautende Beweiswürdigung Bezug genommen wird - vermag eine diesbezügliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor der belangten Behörde nicht aufzuzeigen. Gemäß § 136 Abs. 4 StGB ist nämlich der Täter wegen unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen dann nicht zu bestrafen, wenn die Berechtigung, über das Fahrzeug zu verfügen, unter anderem seinem Ehegatten oder einem Verwandten in gerader Linie zusteht, sofern er mit diesem in Hausgemeinschaft lebt.
Soweit der Beschwerdeführer sich aber offenbar auf Widersprüche in den Angaben des Zeugen D. beruft, kann der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die ihm zustehende (eingeschränkte) Überprüfung der Beweiswürdigung in den entscheidungswesentlichen Punkten die Ansicht der Beschwerde nicht teilen. Der Zeuge hat plausibel erklärt, warum er auf das vom Beschwerdeführer nach seinen Angaben gelenkte Fahrzeug aufmerksam geworden sei und daß er den ihm bekannten Beschwerdeführer eindeutig erkannt habe. Der Zeuge hat auch dargelegt, warum es ihm nicht möglich gewesen sei, den Beschwerdeführer anzuhalten.
Das Verfahren vor der belangten Behörde erweist sich somit als frei von einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
3 Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, einen Anspruch über diesen Antrag entbehrlich macht.
Schlagworte
Ablehnung eines BeweismittelsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998020153.X00Im RIS seit
19.03.2001