Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin der Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Dr. Ondreasova in der Strafsache gegen Metehan A***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. August 2019, GZ 71 Hv 95/19p-87, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Mag. Höpler, des Angeklagten A***** und seines Verteidigers Mag. Moser zu Recht erkannt:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der gemeinsam mit dem Urteil gefasste Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und insoweit in der Sache selbst
1./ erkannt:
Metehan A***** wird für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch zur Last liegenden Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB nach § 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.
Dem Angeklagten A***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
2./ der
Beschluss
gefasst:
Spruch
Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO wird die dem Angeklagten A***** mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 1. März 2016, AZ 53 Hv 118/15g, gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Metehan A***** der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (I) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (II) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB „nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB“ zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt.
Mit unter einem gefasstem Beschluss widerrief das Erstgericht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die dem Angeklagten mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 1. März 2016, AZ 53 Hv 118/15g, gewährte bedingte Strafnachsicht.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in W*****
(I) gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster und zweiter Fall StGB) und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz teils alleine, teils im einverständlichen Zusammenwirken mit im Urteil namentlich genannten Mittätern Verfügungsberechtigte der E***** AG, nämlich den unter einem freigesprochenen Mitangeklagten Mustafa Y***** und zwei weitere namentlich genannte Angestellte des Bankinstituts, durch Täuschung über seine eigene Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit sowie jene der Mittäter unter Vorlage gefälschter Lohnbestätigungen und Kontoauszüge
A) von 6. Dezember 2017 bis 6. April 2018 zur Gewährung von insgesamt sieben im Urteil präzisierten Darlehen, in sechs Fällen in Höhe von jeweils 60.000 Euro und in einem Fall von 65.000 Euro sowie
B) von 9. August 2017 bis 20. April 2018 zur Eröffnung von acht im Urteil gleichfalls präzisierten Girokonten samt Einräumung von (in der Folge zur Gänze ausgeschöpften) Überziehungsrahmen, in sieben Fällen in Höhe von jeweils 5.000 Euro, in einem Fall von 3.000 Euro,
verleitet, wodurch die E***** AG einen Vermögensschaden in Höhe von insgesamt 463.000 Euro erlitt;
(II) Mustafa Y***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB, falsch verdächtigte, wobei er wusste, dass die Verdächtigung falsch ist, indem er bei seiner polizeilichen Vernehmung am 25. April 2019 behauptete, Y***** habe die Idee gehabt, den im Urteil zu I genannten Personen die dort angeführten Kredite in seiner Funktion als Angestellter der E***** AG zu gewähren, auf deren Namen Konten zu eröffnen und Überziehungsrahmen einzuräumen, obwohl er gewusst und in Kauf genommen habe, dass die Kredite nicht zurückbezahlt werden würden, wobei er pro Kredit 5.000 Euro und pro eingeräumtem Überziehungsrahmen 1.000 Euro Provision erhalten habe.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist im Recht.
Zutreffend kritisiert die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall), dass das Erstgericht die über den Angeklagten zu verhängende Strafe nicht nach § 147 Abs 3 StGB, sondern nach § 148 zweiter Fall StGB ausgemessen hat, obwohl diese Bestimmung (seit BGBl I 2015/112) – ebenso wie § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB – (nur) eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, während § 147 Abs 3 StGB eine solche von einem bis zu zehn Jahren androht.
Im hier vorliegenden Fall des Zusammentreffens von mehreren, mit Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlungen ist nach § 28 Abs 1 StGB nämlich eine einzige Freiheitsstrafe zu verhängen (Satz 1), die nach jenem Gesetz zu bestimmen ist, das die höchste Strafe (= jene mit der höchsten Strafobergrenze) androht, wobei keine geringere Strafe als die höchste der angedrohten Mindeststrafen verhängt werden darf (Satz 2 und 3).
Legt das Schöffengericht bei der Strafbemessung einen falschen Strafrahmen zu Grunde, begründet dies auch dann Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO, wenn die verhängte Strafe – wie hier – auch im zutreffenden Strafrahmen Deckung fände (RIS-Justiz RS0099957; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 667 ff).
Dies zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie des gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschlusses auf Widerruf bedingter Strafnachsicht.
Bei der demnach erforderlichen Strafneubemessung war das umfassende reumütige Geständnis des Angeklagten (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) mildernd, erschwerend waren dagegen seine beiden einschlägigen Vorverurteilungen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), das Zusammentreffen zweier Verbrechen, die vielfach wiederholte Begehung schweren Betrugs und dessen mehrfache Qualifikation (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB).
Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe entspricht bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 147 Abs 3 StGB) eine solche von vier Jahren dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten sowie der Täterpersönlichkeit.
Die dem Angeklagten mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 1. März 2016, AZ 53 Hv 118/15g, gewährte bedingte Strafnachsicht war mit Blick auf das belastete Vorleben und den Rückfall in spezifisch einschlägige, von
massiv gesteigerter krimineller Energie getragene Delinquenz trotz zweimaliger Gewährung dieser Rechtswohltat und Verlängerung einer Probezeit schon aus spezialpräventiven Gründen zu widerrufen.
Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E127545European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00140.19Y.0225.000Im RIS seit
11.03.2020Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020