Entscheidungsdatum
14.02.2020Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §366 Abs1 Z3 erster FallText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike Seidel über die Beschwerde von Herrn AB AA, AF 16/3, AD AE, vertreten durch Rechtsanwalt AG, AJ 619, AH AI, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (belangte Behörde) vom 27.08.2019, Zahl xx,
zu R e c h t:
I. Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG iVm § 22 VStG eingestellt.
II. Der Beschwerdeführer hat keinen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.
III. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Verfahrensgang
1.1.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde Herrn AB AA Folgendes zur Last gelegt:
„Sie haben es als Gewerbeinhaber der Betriebsanlage „CC“ in AD AE, BC 42a zu verantworten, dass diese Betriebsanlage zumindest in der Nacht vom 2.3.2019 auf den 3.3.2019 von 23:00 Uhr bis ca. 3:15 Uhr entgegen der gewerbebehördlichen Genehmigung vom 23.12.1983 Zahl yy konsenswidrig betrieben wurde. Hinsichtlich der Betriebsweise war eine Betriebszeit bis max. 23:00 Uhr und nur die Darbietung von Hintergrundmusik beantragt und wurde so genehmigt. Durch den geänderten Betrieb bis ca 3:15 Uhr zumindest am 3.3.2019 ist eine konkrete Gefährdung, Belästigung und Beeinträchtigung der Anrainer und Bewohner des Hauses BC 42a in AD AE im Sinne der §§ 74 bis 84 Gewerbeordnung 1994 gegeben“.
Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs 1 Z 3 erster Fall GewO begangen und wurde gemäß § 366 Einleitungssatz GewO eine Geldstrafe in der Höhe von € 200,- (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Stunden) zuzüglich Verfahrenskosten in der Höhe von € 20,- somit gesamt € 220,- verhängt.
1.2.
Mit Schriftsatz vom 30.08.2019 wurde von Herrn AB AA rechtsfreundlich vertreten Beschwerde erhoben und ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Als Beschwerdegründe wurden zusammengefasst vorgebracht, dass bereits zur Zahl zz von der belangten Behörde „wörtlich genau das gleiche Verfahren geführt“ worden sei. Dieses Verfahren sei am 25.06.2019 eingestellt worden (Verweis auf Beilage ./G). Die Aufforderung zur Rechtfertigung, also der Tatvorwurf sei wörtlich genau gleich wie im Vorverfahren in der Ladung vom 01.04.2019 (Verweis auf Beilage ./F). Es sei daher in dem nunmehrigen Verfahren ne bis in idem eingewendet worden, da nicht zwei Verfahren wegen des genau gleichen Tatvorwurfes geführt werden könnten, wenn es schon einmal eingestellt worden sei.
Die Behauptung der Behörde im nunmehrigen Straferkenntnis, dass der Tatvorwurf im ersten Verfahren „Nichteinhaltung einer Auflage“ gewesen sei und nunmehr ein anderer wäre sei nicht richtig. Es sei im Vorverfahren nie der § 367 GewO erwähnt worden, sondern die Übertretung nach § 366 GewO vorgeworfen worden, dh genau die gleiche Übertretung wie nun mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 03.07.2019. Als Beweis wurde die Einholung des Aktes Zahl zz beantragt.
Aus dem Gewerbeakt ergebe sich nicht, dass eine Sperrstunde mit 23:00 Uhr vorgeschrieben worden sei. Im Genehmigungsbescheid sei keine Auflage im Zusammenhang mit einer Sperrstunde vorhanden. In der dazugehörigen Verhandlungsschrift sei lediglich festgehalten worden, dass der damalige Einschreiter informativ angegeben habe, das Lokal bis 23:00 Uhr offen halten zu wollen. Dies sei aber nicht ein Teil des Ansuchens gewesen. Im gegenständlichen Fall richte sich daher die Sperrstunde nach der Sperrstundenverordnung 2011, wonach der Gewerbebetrieb jedenfalls bis 02:00 Uhr geöffnet sein dürfe. Die Öffnungszeiten würden sich daher nach der Gewerbeberechtigung richten. Nach dieser habe der Beschwerdeführer die individuelle Befähigung für die Ausübung des Gewerbes „Gastgewerbe in der Betriebsart Bar“ und dürfe nach § 1b der Sperrstundenverordnung ein solches Lokal bis 04:00 Uhr geöffnet haben. Außerdem sei das Lokal nicht bis 03:15 Uhr betrieben worden.
Es fehle ein Verschulden auf der subjektiven Tatseite. Er habe das gegenständliche Lokal mit Pachtvertrag vom 09.11./15.11.2017 gepachtet und habe nichts von einer angeblichen Betriebsstättengenehmigung bis 23:00 Uhr gewusst. Es sei ihm mitgeteilt worden, dass das Lokal als Barbetrieb zuvor bis 02:00 Uhr betrieben worden sei. Auch die Vorpächter hätten mitgeteilt, dass sie die Genehmigung bis 02:00 Uhr gehabt hätten. Er hätte den Betrieb nie gepachtet, wenn er gewusst hätte, dass er diesen nur bis 23:00 Uhr betreiben dürfe. Er sei kein Jurist oder Fachmann für Gewerbesachen, sodass er dem Verpächter geglaubt habe. Als Beweis wurde der Pachtvertrag Beilage ./H sowie als Zeugen die Vorpächter angeführt.
Unrichtig sei auch die Behauptung, dass es eine konkrete Gefährdung, Belästigung oder Beeinträchtigung der Anrainer gegeben hätte und eine derart laute Musik gespielt worden sei. Im Haus sei im Parterre das Kaufgeschäft „DD“ untergebracht, oberhalb des Lokals sei eine EE und darüber der Anzeiger „FF“ (Anm: richtig FF, Privatanzeiger). Weiters folgen Ausführungen zu einer Emailkorrespondenz ua hinsichtlich der Prämissen für den Abschluss des Pachtvertrages mit dem Rechtsanwalt des Verpächters (Beilage ./i und Beilagen ./D und ./E). Beantragt wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung.
1.3.
Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 17.09.2019 dem Landesverwaltungsgericht die Beschwerde sowie den Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vor und teilte in einem mit, dass auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf eine Teilnahme an dieser verzichtet wird.
Vom Landesverwaltungsgericht wurde die belangte Behörde ersucht, den gewerbebehördlichen Betriebsanlagenakt sowie den Verwaltungsstrafakt Zahl zz zur Einsichtnahme zu übermitteln. Der Verwaltungsstrafakt langte am 12.12.2019 und der Gewerbeakt Zahl aa am 17.12.2019 beim LVwG ein.
Am 11.02.2020 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, der Beschwerdeführer selbst aber aufgrund einer Terminkollision nicht teilnahm. Der als Zeuge beantragte Vorpächter AW AV wurde einvernommen.
Die Verhandlung wurde gemeinsam mit einem weiteren anhängigen Beschwerdeverfahren mit selbigem Sachverhalt nur betreffend eines anderen Tatzeitraumes geführt. Der beigeschaffte Gewerbeakt der Gewerbebehörde Zahl aa, sowie die beigeschafften Vorakten (Strafakten) der belangten Behörde, Zahlen zz und bb wurden, soweit für das verfahrensgegenständliche Beschwerdeverfahren relevant, ebenso verlesen, wie die Akten des Landesverwaltungsgerichts. Vom Rechtsvertreter wurde bestätigt, dass der Betrieb seit November 2019 eingestellt und das Pachtverhältnis aufgelöst wurde. Ein Betrieb nach 23:00 Uhr im Tatzeitraum wurde nicht bestritten. Der Zeuge schilderte den Betrieb, als er Pächter des Lokals gewesen ist. Vom Rechtsvertreter wurde die Einvernahme des Beschwerdeführers sowie die Zeugeneinvernahme eines weiteren Vorpächters und die Durchführung eines Ortsaugescheines ausdrücklich aufrechterhalten.
Mit verfahrensleitendem Beschluss des LVwG (Schreiben vom 13.02.2020) wurde den Beschwerdeparteien mitgeteilt, dass nach Prüfung der Rechtsfrage des Vorliegens einer Doppelverfolgung (ne bis in idem) den Beweisanträgen nicht stattgegeben und das Beweisverfahren gemäß § 47 Abs 2 VwGVG geschlossen wird.
2. Nachstehender
S a c h v e r h a l t
wird als erwiesen festgestellt und der nachfolgenden Entscheidung zu Grunde gelegt:
2.1. Aufgrund einer Privatanzeige vom 05.03.2019 an die Gewerbebehörde wegen Musikbetriebs bis 3:15 Uhr in der Nacht vom 02.03.2019 auf den 03.03.2019 wurde von der Sachbearbeiterin mit Email vom 06.03.2019 an die belangte Behörde das Ersuchen um Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens unter Anschluss des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides vom 20.12.1983 ersucht.
Mit Ladung/Ladungsbescheid vom 01.04. bzw. 10.04.2019 (Zahl zz) wurde dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs 1 Z 3 erster Fall GewO mit exakt gleichem Tatvorwurf wie im nun angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen. Am 29.04.2019 erfolgte eine niederschriftliche Vernehmung des Beschwerdeführers.
Mit Aktenvermerk vom selben Tag wurde von der belangten Behörde festgehalten, dass „aufgrund des geänderten Übertretungsparagraphen (statt § 366 (1) Z.3 jetzt § 367 Z.25)“ ein Subakt angelegt wurde.
Nach Bekanntgabe des Vollmachtsverhältnisses wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers der gesamte Verwaltungsstrafakt per Email vom 21.05.2019 übermittelt und weiters mitgeteilt, dass sich der Übertretungsparagraph von § 366 auf § 367 GewO geändert hat. Eine Stellungnahmefrist wurde eingeräumt. Mit Schriftsatz vom 22.05.2019 wurde eine Stellungnahme abgegeben und Urkunden (Pachtvertrag, Emailverkehr) vorgelegt. Mit weiterer Stellungnahme vom 05.06.2019 wurde ein ergänzender Sachverhalt vorgebracht und weitere Urkunden angeschlossen.
Mit Aktenvermerk der belangten Behörde vom 25.06.2019 wurde in der Folge das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Übertretung nach § 367 Z 25 GewO gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG mit der Begründung eingestellt, dass es sich nicht um die Nicht-Einhaltung einer Auflage im Genehmigungsbescheid handelt. Eine Übersendung des Aktenvermerks an den Beschwerdeführer bzw. seinen Rechtsvertreter ist nicht aktenkundig. Dieser Aktenvermerk dürfte jedoch dem Beschwerdeführer (im Wege der Akteneinsicht) offenbar zur Kenntnis gelangt sein, da dieser als Beilage ./G mit der Beschwerde vorgelegt wurde. In diesem Verfahren kam es nie zu einem Ausspruch einer Strafe.
2.2. Aufgrund derselben Anzeige der Gewerbebehörde basierend auf der Privatanzeige vom 05.03.2019 wurde von der belangten Behörde am 25.06.2019 ein neuer Verwaltungsstrafakt unter der Aktenzahl xx angelegt (Email vom 25.06.2019 behördenintern).
Mit Schreiben vom 03.07.2019 erging an den Beschwerdeführer die Aufforderung zur Rechtfertigung wiederum hinsichtlich einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs 1 Z 3 erster Fall GewO für die Tatzeit 02.03.2019 auf den 03.03.2019 ab 23:00 Uhr bis mindestens 3:15 Uhr. Der Tatvorwurf entspricht wörtlich der Verfolgungshandlung mit Ladung/Ladungsbescheid vom 01.04. bzw. 10.04.2019 im Strafverfahren Zahl zz.
Mit Rechtfertigung vom 17.07.2019 wurde vom Beschwerdeführer auf das bereits eingestellte Verwaltungsstrafverfahren unter Verweis auf den Grundsatz „ne bis in idem“ verwiesen und zum anderen vorgebracht, dass sich aus dem Gewerbeakt keine Sperrstunde mit 23:00 Uhr ergibt. In der Folge erging das nun angefochtene Straferkenntnis.
Zur
B e w e i s w ü r d i g u n g
ist auszuführen, dass sich der festgestellte Sachverhalt aus der Aktenlage der Verwaltungsstrafakten Zahlen xx und zz, dem Verwaltungsakt der Gewerbebehörde Zahl aa sowie dem Ergebnis der Beschwerdeverhandlung ergibt. Aufgrund der eindeutigen und klaren Aktenlage war festzustellen, dass der Tatvorwurf der beiden Verwaltungsstrafverfahren der belangten Behörde mit den Aktenzahlen zz und xx absolut ident war und unstrittig das Verfahren zz mit Aktenvermerk eingestellt wurde. Es war als erwiesen anzunehmen, dass der Beschwerdeführer von der Einstellung des Verfahrens zz Kenntnis erlangt hat.
Die Aufnahme weiterer Beweise durch Einvernahme des Beschwerdeführers im Zuge einer fortgesetzten Verhandlung und weitere Zeugen sowie die Durchführung eines Ortsaugenscheines konnte aufgrund der nachstehenden rechtlichen Erwägungen unterbleiben.
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat hiezu erwogen:
I.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat gemäß § 50 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I Nr 33/2013 idgF, das Verwaltungsgericht gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
Gemäß § 38 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl Nr 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, … und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 366 Abs 1 Z 3 erster Fall Gewerbeordnung 1994 – GewO, BGBl Nr. 194/1994 idgF begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.600 € zu bestrafen, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert.
Gemäß § 367 Z 25 GewO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.180 € zu bestrafen, wer … die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.
Ein wesentliches Beschwerdevorbringen (Punkt 1) – wie auch schon in der Rechtfertigung mit Schriftsatz vom 17.07.2019 vorgebracht - ist, dass nicht zwei Verfahren wegen des genau gleichen Tatvorwurfs von der belangten Behörde geführt werden können, wenn das Erstverfahren schon einmal eingestellt worden ist. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer aus nachstehenden Gründen im Recht:
Gemäß ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Sache des Verwaltungsstrafverfahrens die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (VwGH 18.11.2019, Ra 2019/08/0050 ua).
Das von der belangten Behörde einerseits mit Ladung vom 01.04.2019/Ladungsbescheid vom 10.04.2019 (Verfahren zz) und andererseits mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 03.07.3019 (Verfahren xx) verfolgte strafwidrige Verhalten des Beschwerdeführers bestand ident darin, dass er zur vorgeworfenen Zeit der Begehung vom 02.03. auf den 03.03.2019 ab 23:00 Uhr (bis mind. 03:15 Uhr) das Lokal „CC“ entgegen der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung vom 23.12.1983 „konsenswidrig betrieben“ hat. Dazu wurde im Tatvorwurf dargelegt, dass nur ein Betrieb bis maximal 23:00 Uhr beantragt und genehmigt wurde und durch den geänderten Betrieb eine konkrete Gefährdung, Belästigung und Beeinträchtigung der Anrainer und Bewohner des Hauses BC 42a in AD AE iS der §§ 74 bis 84 GewO gegeben ist.
Im gegenständlichen Fall wurde von der belangten Behörde unter der Aktenzahl zz somit bereits ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer geführt. Durch die Ladung vom 01.04.2019 bzw. den Ladungsbescheid vom 10.04.2019 wurde eine Verfolgungshandlung gesetzt und dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs 1 Z 3 erster Fall GewO, sprich eine Änderung der Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung vorgeworfen.
Im Verlauf dieses Verwaltungsstrafverfahrens wurde von der belangten Behörde „der Übertretungsparagraph von § 366 auf § 367“ geändert dh der Tatvorwurf wurde – rechtlich - auf die Nicht-Einhaltung einer Auflage in einem Bescheid abgeändert. Warum es zu dieser Abänderung kam, ist aus dem Akt nicht ersichtlich, entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde jedoch diese Änderung dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers per Email vom 21.05.2019 mitgeteilt. Die Abänderung der übertretenen Norm in einem anhängigen Verwaltungsstrafverfahren ist grundsätzlich nicht unzulässig (vgl VwGH 30.03.2016, Ra 2016/09/0027), entscheidungswesentlich im gegenständlichen Fall ist jedoch, dass in diesem Verfahren „wegen Verdachtes der Übertretung(en) nach § 367 Z 25 GewO 1994 idgF“ mit Aktenvermerk vom 25.06.2019 eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG mit der Begründung erfolgte, dass es sich nicht um die Nicht-Einhaltung einer Auflage im Genehmigungsbescheid handelt.
Wird eine Einstellung verfügt, so genügt gemäß § 45 Abs 2 VStG ein Aktenvermerk mit Begründung, es sei denn, dass einer Partei gegen die Einstellung Beschwerde beim Verwaltungsgericht zusteht oder die Erlassung eines Bescheides aus anderen Gründen notwendig ist. Die Einstellung ist, soweit sie nicht bescheidmäßig erfolgt, dem Beschuldigten mitzuteilen, wenn er nach dem Inhalt der Akten von dem gegen ihn gerichteten Verdacht wusste. Ein Aktenvermerk stellt keinen Bescheid dar, er kann aber gleichwohl Rechtskraftwirkung entfalten (siehe Kommentar VStG, Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 45 RZ 5 Stand 1.5.2017, rdb.at).
Weiters gilt ein Verwaltungsstrafverfahren nur dann als eingestellt, wenn eine der Vorschrift des § 45 Abs 2 VStG in formeller Hinsicht entsprechende Verfügung getroffen worden ist, es muss sich also um einen dem Beschuldigten erkennbaren Akt handeln (siehe Kommentar VStG, Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 45 RZ 7 Stand 1.5.2017, rdb.at).
Im gegenständlichen Fall liegt ein begründeter Aktenvermerk vor, der dem Beschwerdeführer auch zugegangen ist, somit ist rechtswirksam eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu Zahl zz erfolgt. Die Einstellung des Verfahrens hat insbesondere – und zwar auch dann, wenn sie nur mit einem Aktenvermerk erfolgt ist – zur Folge, dass von der Durchführung (Weiterführung) des Strafverfahrens in der Folge abgesehen werden muss. Eine Verfolgung wegen derselben Tat (auch unter Anwendung einer anderen Verwaltungsvorschrift) würde den Grundsatz ne bis in idem verletzen und wäre deshalb inhaltlich rechtswidrig (siehe Kommentar VStG, Fister in Lewisch/Fister/ Weilguni, VStG2 § 45 RZ 8 Stand 1.5.2017, rdb.at und die dort zitierte Judikatur des VwGH).
Von der belangten Behörde wurde jedoch unter der neuen Aktenzahl xx mit der Aufforderung zur Rechtfertigung mit dem exakt gleichen Wortlaut des Tatvorwurfes wie schon im eingestellten Verfahren Zahl zz eine neuerliche Verfolgungshandlung gesetzt.
Nach Beurteilung des Landesverwaltungsgerichts handelt es sich in beiden Fällen um die Verfolgung (der Tat) des Offenhaltens der gastgewerblichen Betriebsanlage ab 23:00 Uhr bis mind. 03:15 Uhr an den Tattagen, somit um die Verfolgung ein und desselben tatsächlichen Verhaltens.
Die Verfolgung ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen ist nur zulässig, sofern sie sich in ihren wesentlichen Sachverhaltselementen unterscheiden (VwGH 15.03.2013, 2012/17/0365).
Von der belangten Behörde wurden jedoch zweimal die gleichen Sachverhaltselemente vorgeworfen, nur die Übertretungsnormen § 366 bzw. § 367 GewO wurden gewechselt.
Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts stellt es ein wesentliches Sachverhaltselement dar, ob es sich um den Vorwurf der Nicht-Einhaltung einer Bescheidauflage oder aber um den Vorwurf einer Änderung der genehmigten Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung handelt. Diese unterschiedlichen Sachverhaltselemente wurden jedoch von der belangten Behörde nicht in ihren Tatvorwürfen entsprechend unterschiedlich berücksichtigt.
Eine Einstellung des Verfahrens hat – wie schon ausgeführt und - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Folge, dass eine Bestrafung bzw. Verfolgung wegen derselben Tat – auch unter Anwendung einer anderen Verwaltungsvorschrift – den Grundsatz ne bis in idem verletzt (VwGH 21.05.2019, Ra 2018/03/0117, VwGH 26.09.2018, Ra 2017/17/0474, VwGH 08.11.2000, 99/04/0115 ua).
Zusammengefasst liegt daher im gegenständlichen Fall eine unzulässige Doppelverfolgung vor, welche das angefochtene Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.
Ein solcher Umstand iS Z 3 leg cit liegt aufgrund des Doppelbestrafungsverbotes des Art 4 7. Zusatzprotokoll-EMRK vor (Kommentar VStG, Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 45 RZ 3 Stand 1.5.2017, rdb.at) und hat gleichermaßen für das Doppelverfolgungsverbot zu gelten. Art 4 7. ZP-EMRK verbietet die Verfolgung oder Anklage einer zweiten strafbaren Handlung, wenn diese auf identische Tatsachen oder Tatsachen beruht, die im Wesentlichen dieselben sind (vgl LVwG Salzburg 15.07.2019, Zahl 405-2/156/1/29-2019).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
II. Kostenentscheidung
Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.
III. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision (§ 25a VwGG):
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung wie in der Begründung des Erkenntnisses dargelegt. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
GewO; Doppelverfolgungsverbot; Vorverfahren, exakt selber Tatvorwurf, Strafausspruch, EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGSA:2020:405.2.193.1.17.2020Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020