TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/11 W199 2149325-4

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Veröffentlicht am 11.07.2019
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Entscheidungsdatum

11.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W 199 2149325-4/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2018, Zl. 1079510303-180303628/BMI-EAST_WEST, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG, § 10 Abs. 1 Z 3 des Asylgesetzes 2005, Art. 2 BG BGBl. I 100/2005 und §§ 52, 53, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005, Art. 3 BG BGBl. I 100/2005 abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, welcher der ethnischen Gruppe der Hazara angehört, stellte am 24.7.2015 den Antrag, ihm internationalen Schutz zu gewähren (in der Folge auch als Asylantrag bezeichnet). Bei seiner Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizeiinspektion Spielfeld AGM) am selben Tag gab er - wie es im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.7.2017, W249 2149325-1/14E, wiedergegeben wird - an, " XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein. Er stamme aus dem Ort XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni in Afghanistan und habe sein Heimatland vor drei Jahren verlassen und seitdem illegal im Iran gelebt. In den letzten drei Jahren habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet. Vor etwa einem Monat habe er den Iran verlassen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer an, dass er wegen des Bürgerkriegs aus Afghanistan habe flüchten müssen und die Taliban und der IS Jagd auf Schiiten machen würden. Aus dem Iran habe er flüchten müssen, weil er der Gewalt durch die Polizei ausgesetzt gewesen sei. Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er um sein Leben. Auf die Frage, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe bzw. ob er im Falle der Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte, antwortete er mit ‚Der Bürgerkrieg in Afghanistan.'"

Am 31.7.2015 teilte die Rechtsberaterin des Beschwerdeführers dem Bundesamt mit, er habe ihr gegenüber angegeben, dass er nicht am XXXX geboren, sondern bereits XXXX Jahre alt sei. Außerdem sei sein Name XXXX .

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt; Außenstelle Salzburg) am 11.11.2016 machte der Beschwerdeführer Angaben, die im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.7.2017, W249 2149325-1/14E, wörtlich wie folgt wiedergegeben werden [LA = Leiter der Amtshandlung; VP = Verfahrenspartei, di. der Beschwerdeführer]:

"LA: Sie haben in Ihrem Verfahren bis jetzt immer der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

VP: Ja.

LA: Es wurde bei der Erstbefragung alles richtig protokolliert und dies rückübersetzt?

VP: Der erste Fehler ist, dass ich drei Monate im Iran lebte, und es wurden drei Jahre protokolliert. Mein Geburtsort wurde nicht richtig aufgeschrieben [ ], es ist XXXX . Außer diesen Fehlern passt alles.

LA: Sie haben in der Erstbefragung über den Bürgerkrieg erzählt. Wann war dieser Bürgerkrieg?

VP: Das war Ende 2016. Oder Ende 2015.

LA: Wann sind Sie ausgereist aus Afghanistan?

VP: Nicht letztes Jahr, sondern noch ein Jahr vorher.

LA: Im Jahr 2014?

VP: Drei Monate war ich im Iran und vorher in Afghanistan.

LA: Welches Jahr war das?

VP: Ich war XXXX Jahre alt.

Anmerkung: Der AW kann auch nach längerem Überlegen kein genaues Datum sagen.

LA: Sie sind also mit XXXX Jahren aus Afghanistan ausgereist?

VP: Ja.

LA: Wann waren Sie im Iran?

VP: Im ersten und zweiten und dritten Monat war ich im Iran.

LA: Sie sind also am XXXX Jahre alt geworden und waren vom Jänner bis zum April im Iran?

VP: Ja.

LA: Und der von Ihnen angegebene Bürgerkrieg war im Jahr 2015?

VP: Es gab keinen Bürgerkrieg, ich wurde von den Taliban bedroht. Ich habe in einer Klinik gearbeitet.

LA: In der Erstbefragung gaben Sie aber den Bürgerkrieg als Auslöser für Ihre Ausreise an?

VP: Es gab einen Bürgerkrieg in Afghanistan, aber ich wurde von den Taliban bedroht.

LA: Sie haben gerade gesagt, dass Sie mit XXXX Jahren aus Afghanistan ausreisen mussten, dann haben Sie zu Protokoll gegeben, dass Sie in den ersten 3 Monaten nachdem Sie XXXX Jahre alt geworden sind, im Iran lebten. Somit mussten sie aus dem Iran nach Europa ausgereist sein, stimmt das?

VP: Ja.

LA: Somit sind Sie nicht mit XXXX Jahren aus Afghanistan ausgereist?

VP: Ich war XXXX Jahre alt, als ich Afghanistan verließ und im Iran war ich XXXX Jahre alt.

Anmerkung: Ich mache Sie noch einmal aufmerksam auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung.

LA: Wie lange waren Sie im Iran?

VP: Drei Monate.

LA: Wie war Ihre letzte Adresse in Afghanistan?

VP: XXXX

LA: Wohnt Ihre Familie noch in Afghanistan?

VP: Mein Onkel väterlicherseits.

LA: Sonst noch wer?

VP: Nein.

LA: Wo leben Vater und Mutter?

VP: Beide verstorben.

LA: Sind Sie bei dem Onkel aufgewachsen?

VP: Ja.

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihren Onkel?

VP: Nein. Ich hatte mit dem Onkel eine gute Beziehung, aber mit seiner Frau nicht.

LA: Wie viel hat die Ausreise gekostet?

VP: 7000 US Dollar.

LA: Woher haben Sie das Geld?

VP: Mein Onkel hat meine Grundstücke verkauft und das Geld mir gegeben.

LA: Sie hatten eigene Grundstücke?

VP: Ja.

LA: Was haben Sie dort gearbeitet?

VP: Drei Jahre habe ich in der Klinik gearbeitet, ich habe dort geputzt und Tee gekocht.

LA: Welche Klinik und wo?

VP: Diese hat keinen Namen, das war die XXXX .

LA: Wie lange haben Sie gebraucht um das Geld für die Ausreise zu beschaffen?

VP: Ca. 1 Monat.

LA: Haben Sie die Grundstücke von den Eltern geerbt?

VP: Ja.

LA: Gibt es sonst noch Verwandte in Ihrem Dorf?

VP: Nein.

LA: Nur den Onkel?

VP: Ja.

LA: Warum sind Sie in den Iran gegangen?

VP: Weil ich in der Klinik gearbeitet habe, wollten die Taliban mich umbringen.

LA: Gibt es die Klinik noch?

VP: Ja.

LA: Warum sollten die Taliban die Gesundheitsversorgung in Ihrem Gebiet bekämpfen?

VP: Sie haben und bedroht und gesagt, falls jemand mit der Regierung zusammenarbeitet oder in der Schule arbeitet, den bringen wir um.

LA: Sie arbeiteten aber nicht in der Schule oder für die Regierung sondern in einem Krankenhaus?

VP: Ja, ich habe in der Klinik gearbeitet.

LA: Wurden nur Sie dort bedroht im Krankenhaus?

VP. Nein.

LA: Wer noch?

VP: Alle.

LA: Aber nur Sie sind ausgereist?

VP: Ja.

LA: Und das Krankenhaus mit all den Ärzten und Pflegern, Angestellten gibt es noch dort?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Sie haben doch gerade gesagt, dass es das Krankenhaus noch gibt?

VP: Das Krankenhaus gibt es noch, aber die Mitarbeiter weiß ich nicht.

LA: Warum sollten die Taliban die Gesundheitsversorgung in Ihrem Gebiet bekämpfen?

VP: Wir sind mit den Paschtunen Nachbarn und waren von den Taliban bedroht. Die Taliban sagten uns, falls wir mit der Regierung arbeiten, bringen uns die Taliban um.

LA: Haben Sie mit der Regierung zusammengearbeitet?

VP: Ich habe mit der Regierung gearbeitet.

LA: Ich dachte, Sie waren im Krankenhaus für Hilfsleistungen (Reinigung, Teekochen) beschäftigt? Was ist jetzt mit der Regierung?

VP: Wir haben unseren Lohn von der Regierung erhalten.

LA: Wohnten Sie in einem Haus, oder in einer Wohnung?

VP: Bei dem Onkel im Haus.

LA: Wem gehört dieses Haus/Wohnung momentan?

VP: Das hat mir und meinem Onkel gehört.

LA: Und Sie haben die Anteile des Hauses für die Ausreise dem Onkel verkauft?

VP: Ja.

LA: Wer wohnte noch in diesem Haus?

VP: Mein Onkel, die Frau und seine vier Kinder und Ich.

LA: Wie war das Verhältnis zur Frau des Onkels?

VP: Schlecht.

LA: Warum?

VP: Sie hat mich geschlagen und gesagt, dass ich die Hausarbeit auch machen muss.

LA: Deshalb haben Sie das Haus verkauft und sind weggezogen?

VP: Nein, nur wegen der Taliban.

LA: Das Krankenhaus ist noch in Betrieb oder?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Nach den allgemeinen Fragen zu Ihren persönlichen Umständen werde ich Sie nun jetzt zu Ihrem Fluchtgrund befragen.

LA: Was waren alle Ihre genauen zeitlich, aktuellen und konkreten Gründe, dass Sie Afghanistan verlassen mussten und auch nicht nach Afghanistan zurück können. Bitte schildern Sie nur die Fluchtgründe im Detail?

VP: [ ] Ich habe drei Jahre in dieser Klinik gearbeitet. Nach der Bedrohung durch die Taliban habe ich die Grundstücke und das Haus verkauft und Afghanistan verlassen. [ ]

LA: Wie wurden Sie bedroht?

VP: Ein Arzt des Krankenhauses hat mir gesagt, dass ich Medikamente in ein anderes Dorf XXXX bringen soll. Dann kam ich zurück. Durch diese Bedrohung habe ich mein Haus und mein Grundstück verkauft und Afghanistan verlassen.

LA: Wie und durch wen wurden Sie bedroht?

VP: Ein Brief wurde von den Taliban in diese Klinik geschickt. Durch diesen Brief wurde ich bedroht.

LA: Wo ist der Brief?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Was stand in dem Brief?

VP: Auf dem Brief stand, wenn jemand mit der Regierung arbeitet und wir ihn finden, dann bringen wir ihn um.

LA: An wen war der Brief adressiert?

VP: An die XXXX Leute.

LA: An alle in dem Dorf?

VP: Nur für Regierungsmitarbeiter.

LA: Und Sie waren ein Regierungsmitarbeiter?

VP: Ja, ich war Mitarbeiter in dieser Klinik.

LA: Wurden Sie persönlich von den Taliban bedroht oder nur per Brief?

VP: Nein, nur durch diesen Brief.

LA: Warum glauben sie dass die Taliban die Reinigungskräfte eines Krankenhauses bedrohen?

VP: Wenn jemand mit der Regierung zusammenarbeitet den bringen die Taliban um.

LA: Warum sollten die Taliban funktionierende Krankenhäuser bedrohen?

VP: Sie bedrohen die Leute, die mit der Regierung zusammenarbeiten, überall waren Taliban.

LA: Persönlich wurden Sie aber nicht bedroht?

VP: Ja, ich bin bedroht worden.

LA: Wo und wann wurden Sie persönlich bedroht?

VP: In diesem Dorf XXXX . Bevor ich Afghanistan verlassen habe.

LA: Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie nur per Brief bedroht worden sind?

VP: Jetzt wurde ich per Brief und persönlich bedroht. Als ich in Aw Paran war, haben die Taliban mich dort gesehen.

LA: Wer hat Sie gesehen und wie wurden Sie bedroht?

VP: Die Taliban und die Paschtunen haben mich dort gesehen und haben gesagt, wenn ich nochmal dorthin komme, dann bringen Sie mich um.

LA: War das ein Taliban oder ein Paschtune?

VP: Beides.

LA: Wie wurden Sie bedroht?

VP: Die Kinderlähmungs-Impfbox hatte ich bei mir und sie haben mich erkannt.

LA: Konnten Sie die Impfstoffe abliefern?

VP: Ich habe nur den Arzt dorthin gebracht.

LA: Was ist mit dem Arzt passiert?

VP: Ich kam zurück und der Arzt war noch da.

LA: Was hat der Arzt dort gemacht?

VP: Der Arzt hat die Kinder dort geimpft.

LA: Und der Arzt wurde nicht bedroht?

VP: Der Arzt wurde auch bedroht. Sie sagten, dass es diesmal kein Problem sei, aber beim nächsten Mal werden wir euch umbringen.

LA: Was hat der Arzt dann gemacht?

VP: Ich weiß es nicht, ich bin zurück in die Klinik, alleine.

LA: Haben Sie den Arzt nicht mehr mitgenommen?

VP: Später haben die Dorfbewohner den Arzt zurückgebracht.

LA: Die Dorfbewohner haben also dem Arzt geholfen wieder zurück in die Klinik zu kommen?

VP: Ja.

LA: Hat der Arzt dann die Arbeit wieder aufgenommen im Krankenhaus?

VP: Solange ich in Afghanistan war hat er auch dort gearbeitet.

LA: Wie lange haben Sie noch in dem Krankenhaus gearbeitet nachdem Sie bedroht wurden?

VP: Ich habe dann nicht mehr gearbeitet.

LA: Was haben Sie dann gemacht?

VP: Ich habe das Haus und die Grundstücke verkauft und bin geflüchtet.

LA: Wie lange hat der Hausverkauf gedauert?

VP: Ca. 1 Monat.

LA: Haben Sie im Krankenhaus gekündigt oder wurden Sie gekündigt?

VP: Ich habe gekündigt.

LA: Und der Arzt hat nicht gekündigt?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Wie heißt der Arzt?

VP: XXXX

Anmerkung: Der AW weiß nur den Vornamen und nicht den genauen Namen.

LA: Und XXXX war bis zu Ihrer Ausreise noch im Krankenhaus?

VP: Ja. Er war dort.

[ ]

LA: Könnten Sie im Fall einer Rückkehr bei Ihrem Onkel wieder unterkommen?

VP: Nein.

LA: Warum nicht?

VP: Ich habe kein Haus und kein Grundstück mehr und die Frau meines Onkels lässt mich nicht mehr in mein Haus.

LA: Warum haben Sie wegen der Probleme mit der Frau des Onkels nicht Ihr Haus verkauft und sind mit dem Geld in einen anderen Teil Afghanistans gezogen?

VP: Ich habe nicht nur mit der Frau meines Onkels sondern auch mit den Taliban. Egal wo in Afghanistan, wenn Sie mich finden, bringen Sie mich um.

LA: Sie wollen mir also ernsthaft erzählen, dass die Taliban nach einer Reinigungskraft in ganz Afghanistan suchen, während der Arzt dort seine Tätigkeit weiter ausführen konnte?

VP: Solange ich in Afghanistan war, arbeitet der Arzt in dieser Klinik und jetzt weiß ich nicht. Ich wurde bedroht.

Anmerkung: Ich mache Sie noch einmal aufmerksam auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung.

Anmerkung: Der AW gibt an, dass es sein kann, dass der Arzt auch schon das Krankenhaus verlassen hat. Diese Vermutung passiert aufgrund der vielen Wiedersprüche in der Einvernahme.

[ ]

LA: Sind Sie politisch aktiv, gehören Sie irgendeiner politischen Organisation oder Partei an?

VP: Nein.

LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

VP: Hazare.

LA: Gab es in Afghanistan eine konkrete, gezielte Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit als Hazare?

VP: Nein. Außer dem Vorgebrachten nicht.

LA: Ich dachte Sie werden wegen der Arbeit im Krankenhaus verfolgt und nicht wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

VP: Ich wurde nicht wegen der Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt.

LA: Welcher Religion gehören Sie an?

VP: Schiitischer Moslem.

LA: Gab es in Afghanistan jemals eine Verfolgung Ihrer Person aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit als Schiitischer Muslim?

VP: Nein.

LA: Haben, oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme mit afghanischen Behörden, Polizei oder Gerichten?

VP: Nein.

[ ]

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme, mit privaten Personen, Personengruppen, Banden oder kriminellen Organisationen?

VP: Nein

[ ]

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

Anmerkung: Nach der Übersetzung gibt der AW an:

1. Der AW gab an, dass es niemals einen Bürgerkrieg in meinem Dorf in Afghanistan gab.

2. Er hat nicht gesagt, dass er am 01.01.2014 im Iran war, sondern der AW gibt an, am 01.01.2017 im Iran gewesen zu sein. Nachgefragt gibt der AW noch einmal das Jahr 2017 an.

3. Er gibt an, dass er XXXX Jahre alt im Iran war und nicht wie oben in der Aussage XXXX Jahre.

Anmerkung: Der AW versucht bei der Übersetzung ständig, die von ihm getätigten Aussagen wegen der offensichtlichen Wiedersprüche auszubessern. Er wird wiederum zum dritten Mal wegen der Wahrheitspflicht belehrt. [ ]"

1.1.2. Mit Bescheid vom 13.2.2017, 1079510303-150924566/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_03, wies das Bundesamt den Asylantrag gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005, Art. 2 BG BGBl. I 100 (in der Folge: AsylG 2005), hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I); gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wies es den Asylantrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab (Spruchpunkt II). Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen; gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (in der Folge: BFA-VG; Art. 2 Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz BGBl. I 87/2012 [in der Folge: FNG]) idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz BGBl. I 68/2013 und des BG BGBl. I 144/2013 erließ es gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG), und gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte es fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters sprach es aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV). Das Bundesamt traf Feststellungen auf Grund einer Beweiswürdigung, die im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.7.2017, W249 2149325-1/14E, wie folgt wiedergegeben wird:

"In der Bescheidbegründung traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Beweiswürdigend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Zuge des Verfahrens widersprüchlich dargestellt bzw. seine Fluchtgründe im Verlauf der Befragung gesteigert und erweitert habe. Zum Beispiel habe der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung angegeben, Afghanistan (unter anderem) wegen eines Bürgerkriegs verlassen zu haben. Dieses Vorbringen habe er bei seiner Einvernahme am 11.11.2016 zunächst wiederholt, später in der Einvernahme aber habe er angegeben, dass es keinen Bürgerkrieg in seinem Gebiet gegeben habe und er Afghanistan wegen der Bedrohung durch die Taliban verlassen habe. Zudem sei der Beschwerdeführer zum angegebenen Zeitpunkt des angeblichen Bürgerkriegs im Jahr 2015 bereits im Iran gewesen, sodass er keiner Verfolgung durch einen Bürgerkrieg ausgesetzt gewesen sein konnte. Zum Fluchtgrund der Bedrohung durch die Taliban habe der Beschwerdeführer zunächst angegeben, im Zuge seiner Tätigkeit als Reinigungskraft und Teezubereiter in einem Krankenhaus per Drohbrief bedroht worden zu sein. Dieses Fluchtvorbringen erachtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als nicht glaubwürdig. Einerseits wisse der Beschwerdeführer auf Nachfrage nicht, wo sich dieser Drohbrief befinde. Andererseits seien nach seinen Angaben alle Mitarbeiter des Krankenhauses bedroht worden, aber nur der Beschwerdeführer sei ausgereist. Dass gerade der Beschwerdeführer als Reinigungskraft und Teezubereiter das Krankenhaus verlassen musste, während die Ärzte weiter ihren Dienst versehen konnten, sei nicht nachvollziehbar. Auf die Konfrontation seiner widersprüchlichen Aussagen und aufgrund der mehrmaligen Belehrungen während der Einvernahme habe der Beschwerdeführer einen dritten Fluchtgrund angegeben, nämlich dass er einen Arzt zu einer Impfaktion in ein anderes Dorf gebracht habe und dort von Paschtunen und Taliban mit dem Umbringen bedroht worden sei. Dazu führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach auch der Arzt bedroht worden sei, dieser dann aber mit Hilfe der Dorfbewohner wieder zum Krankenhaus zurückgebracht wurde, nicht nachvollziehbar seien. Zudem habe der Beschwerdeführer insofern widersprüchliche Angaben getätigt, als er zum einen angab, aufgrund einer mitgeführten Impfbox erkannt worden zu sein, andererseits aber auf die Frage, ob er die Impfstoffe abliefern konnte, angab, dass er nur den Arzt hingebracht habe. Aus einer Gesamtschau dieser Aussagen gelangte das Bundesamt für Asyl zu der Auffassung, dass erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bestünden, das dargestellte Vorbringen nicht vollinhaltlich glaubhaft sei und das geschilderte Bedrohungsszenario selbst bei Wahrunterstellung keine Asylrelevanz erreiche. Dem Vorbringen fehle gänzlich das Element der objektivierbaren Furcht vor Verfolgung, dies sei insbesondere daraus ableitbar, dass der Beschwerdeführer nicht überstürzt geflohen sei, sondern noch einen Monat Zeit gehabt habe, seine Grundstücke und sein Haus zu verkaufen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe, ihm eine Rückkehr in seine Heimatprovinz derzeit zwar schwer möglich sei, ihm mit Kabul jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative offen stehe. Im Falle eine Rückkehr würde dem Beschwerdeführer keine Gefahr drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde."

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 21.2.2017 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am 2.3.2017 eine Beschwerde ein, die das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 7.7.2017, W249 2149325-1/14E, gemäß "§§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF" abwies. Begründend stellte es zur Person des Beschwerdeführers - soweit für das vorliegende Verfahren relevant - fest:

"Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist am XXXX geboren, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Er spricht Farsi als Muttersprache.

[...] Der Beschwerdeführer stammt aus dem Ort XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni in Afghanistan. Die Eltern des Beschwerdeführers sind verstorben, der Beschwerdeführer wuchs bei seinem Onkel auf. Der Onkel des Beschwerdeführers und dessen Frau leben noch im Distrikt XXXX der Provinz Ghazni. Der Beschwerdeführer hat keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Er ist ledig.

Der Beschwerdeführer besuchte sechs Jahre die Grundschule und war in drei Jahre lang in XXXX in der dortigen Klinik als Hilfsarbeiter (putzen und Tee kochen) beschäftigt.

Der Beschwerdeführer lebte nach seiner Ausreise aus Afghanistan für drei Monate im Iran, wo er als Hilfsarbeiter im Baubereich arbeitete. Er reiste aus dem Iran nach Europa, wobei die Reise etwa ein Monat dauerte. Spätestens seit 24.07.2015 hält er sich in Österreich auf.

[...] Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und konnten von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates nicht glaubhaft gemacht werden. Der Beschwerdeführer ist insbesondere bei einer Rückkehr nach Afghanistan keiner Verfolgung durch Taliban oder andere Akteure ausgesetzt. Es ist nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [...].

[...] Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Kabul oder der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Dem Beschwerdeführer stehen innerstaatliche Fluchtalternativen in der Stadt Kabul und in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung.

[...] Der Beschwerdeführer ist gesund, lebt von der Grundversorgung, geht keiner legalen Beschäftigung nach, verfügt über keinerlei Familienangehörige in Österreich und hat keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte in Österreich. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht und eine Prüfung über das Niveau A1 abgelegt."

Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht aus [BFA =

Bundesamt; BVwG = Bundesverwaltungsgericht; BF = Beschwerdeführer;

RI = erkennende Richterin]:

"Die Feststellungen [...] zu Identität, Geburtsdatum, Volksgruppe, Herkunft, Religionsbekenntnis, Muttersprache, Familienverhältnissen, Ausbildung, Berufstätigkeit und Aufenthaltsorten des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

[...] Der Beschwerdeführer hat während des Verfahrens unterschiedliche Angaben zu Namen und Geburtsdatum gemacht. Seine Identität konnte aufgrund dessen sowie mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente oder anderer relevanter Bescheinigungsmittel nicht abschließend geklärt werden. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung am 24.07.2017 an, sich 3 Jahre im Iran aufgehalten haben, korrigierte das aber in der Folge auf 3 Monate. Da er kongruent weiter bei 3 Monaten Iran-Aufenthalt blieb, geht das BVwG von diesem Zeitraum aus.

Die Feststellung, dass er vom Iran aus nach Europa reiste, beruht auf seinen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA am 11.11.2016; die Feststellungen zur Dauer dieser Reise auf seinen Angaben in der Erstbefragung am 24.07.2015. [...]

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich aus den folgenden Gründen der Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid an, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen nicht glaubhaft ist [...]:

[...] So fällt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in der Erstbefragung die Asylgründe nur kurz geschildert werden sollen, auf, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung am 24.07.2015 angab, aus Afghanistan aufgrund des Bürgerkriegs geflohen zu sein und dass ‚die Taliban und der IS ... Jagd auf Schiiten' machten, zu seinen später vorgebrachten Fluchtgründen aber kein Wort verlor. Auch, als er zu seinen Bedrohungen bei einer Rückkehr nach Afghanistan befragt wurde, antwortete er ebenfalls - und damit in sich schlüssig - mit ‚der Bürgerkrieg in Afghanistan'. Erst in der Einvernahme am 11.11.2016 brachte er erstmals vor, dass er von den Taliban bedroht worden sei.

Auf den Vorhalt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.06.2017, wieso er in seiner Erstbefragung angegeben habe, wegen des Bürgerkriegs in Afghanistan zu flüchten und die Bedrohung seiner Person durch die Taliban überhaupt nicht erwähnt habe, gab der Beschwerdeführer an: ‚Ich war erschöpft von der Flucht. Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht oder der Dolmetscher oder Schriftführer.' Aus Sicht der erkennenden Richterin ist jedoch die Aussage ‚Ich musste aus Afghanistan wegen dem Bürgerkrieg flüchten. Die Taliban und der IS machen Jagd auf Schiiten.' ein gänzlich anderer Fluchtgrund als jener der persönlichen Bedrohung durch die Taliban aufgrund zweier konkreter Vorfälle und wäre es auch vor dem Hintergrund von Erschöpfung und Kürze der Befragung deutlich naheliegender gewesen zu sagen, dass man selbst durch die Taliban bedroht worden sei. Auch dies wäre in einem schlichten, kurzen Satz möglich gewesen. Für das Vorliegen eines Fehlers von Dolmetscher oder Schriftführer gibt es ebenfalls keine Hinweise, insbesondere, da das Protokoll dem Beschwerdeführer rückübersetzt wurde und Verständigungsprobleme von ihm verneint wurden.

Auch in der Einvernahme vom 11.11.2016 blieb die Aussage des Beschwerdeführers zum Bürgerkrieg in sich unschlüssig:

‚VP: Es gab keinen Bürgerkrieg, ich wurde von den Taliban bedroht. Ich habe in einer Klinik gearbeitet.

LA: In der Erstbefragung gaben Sie aber den Bürgerkrieg als Auslöser für Ihre Ausreise an? VP: Es gab einen Bürgerkrieg, aber ich wurde von den Taliban bedroht.'

[...] Weiters blieb der Beschwerdeführer schon in der Einvernahme vom 11.11.2016 in sich widersprüchlich zur Bedrohung durch die Taliban: Verneinte er zuerst, von den Taliban persönlich bedroht worden zu sein (‚LA: Wurden Sie persönlich von den Taliban bedroht oder nur per Brief? VP: Nein, nur durch diesen Brief.'), erklärte er schon zwei Fragen später, doch persönlich bedroht worden zu sein (‚LA: Persönlich wurden Sie aber nicht bedroht? VP: Ja, ich bin bedroht worden. VP: Wo und wann wurden Sie persönlich bedroht? VP:

In diesem Dorf XXXX . Bevor ich Afghanistan verlassen habe.') Bei einer Bedrohung, die zur Flucht geführt hat, wäre jedoch davon auszugehen, dass man nachvollziehbar mitteilen kann, ob man nun durch einen Brief oder durch einen Vorfall in einem Dorf oder durch beides bedroht wurde.

[...] In der Einvernahme vom 11.11.2016 fällt auf, dass es schwierig bleibt, kongruent nachzuvollziehen, wann welche Bedrohung erfolgt ist und welche Bedrohung zur Ausreise geführt hat:

Zuerst gab der Beschwerdeführer an: ‚Ein Arzt des Krankenhauses hat mir gesagt, dass ich Medikamente in ein anderes Dorf XXXX bringen soll. Dann kam ich zurück. Durch diese Bedrohung habe ich mein Haus und mein Grundstück verkauft und Afghanistan verlassen.'

Dies wäre als Bedrohung und Flucht durch den Vorfall im Dorf zu verstehen, doch schon im nächsten Satz bezog sich der Beschwerdeführer auf eine briefliche Bedrohung:

‚LA: Wie und durch wen wurden Sie bedroht?

VP: Ein Brief wurde von den Taliban in diese Klinik geschickt. Durch diesen Brief wurde ich bedroht.'

In der Einvernahme vom 11.11.2016 wiederum gab der Beschwerdeführer nach der Schilderung des Vorfalls im Dorf mit den Taliban an:

‚VP: Ich weiß es nicht, ich bin zurück in die Klinik, alleine.

[...]

LA: Wie lange haben Sie noch in dem Krankenhaus gearbeitet nachdem Sie bedroht wurden?

VP: Ich habe dann nicht mehr gearbeitet.

LA: Was haben Sie dann gemacht?

VP: Ich habe das Haus und die Grundstücke verkauft und bin geflüchtet.'

Dies wäre aus dem Zusammenhang so zu verstehen, dass die Flucht nach dem Vorfall im Dorf stattfand. In der Beschwerde vom 02.03.2017 hingegen, ebenso wie in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.06.2017, gab der Beschwerdeführer an, nach dem Vorfall im Dorf noch im Krankenhaus gearbeitet zu haben (‚BF: [...] wir haben uns in diesem Dorf nur einen Tag aufgehalten und sind zurück zur Klinik gekommen. Nach einer Woche haben sie uns einen Drohbrief geschickt [...]. Dann habe ich meine Grundstücke verkauft und habe die Heimat verlassen. [...] RI: Wie viel Zeit ist zwischen Ihrem Besuch in dem Dorf, wo die Taliban Sie bedroht haben, und dem Eingang des Drohbriefes im Krankenhaus vergangen? BF: Eine Woche.') Auf Vorhalt des Widerspruchs gab der Beschwerdeführer an, dass er auch damals gesagt habe, dass er nach dem Erhalt des Drohbriefes nicht mehr gearbeitet habe; vom Dorf sei er wieder in die Klinik und habe dort eine Woche gearbeitet.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass man, selbst wenn man genaue Monate oder Jahre nicht mehr zuordnen kann, sich an die Chronologie der Ereignisse, die zur Flucht geführt haben, erinnern würde und diese nachvollziehbar wiedergeben könnte.

[...] Auch die Bedrohung durch den Brief blieb widersprüchlich: In der Einvernahme vom 11.11.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass ein Brief von den Taliban in die Klinik geschickt und er durch diesen Brief bedroht worden sei:

‚VP: Ein Brief wurde von den Taliban in diese Klinik geschickt. Durch diesen Brief wurde ich bedroht.

LA: Wo ist der Brief?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Was stand in dem Brief?

VP: Auf dem Brief stand, wenn jemand mit der Regierung arbeitet und wir ihn finden, dann bringen wir ihn um.

LA: An wen war der Brief adressiert?

VP: An die XXXX .

LA: An alle in dem Dorf?

VP: Nur für Regierungsmitarbeiter.

LA: Und Sie waren ein Regierungsmitarbeiter?

VP: Ja, ich war Mitarbeiter in dieser Klinik.'

In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.06.2017 erklärte der Beschwerdeführer nun erstmals, dass die Namen von Personen, die in der Klinik gearbeitet haben, auf dem Brief gestanden seien und machte damit eine konkrete Bedrohung gegen ihn persönlich geltend, die er, trotz der sehr ausführlichen Befragung durch das BFA in der Einvernahme am 11.11.2016 zum Drohbrief (s. voriger Absatz), davor noch nicht vorgebracht hatte.

Diesen Widerspruch versuchte der Beschwerdeführer auf Vorhalt der erkennenden Richterin damit zu erklären, dass er die Namensliste auch bei der Einvernahme erwähnt habe oder er oder der Schriftführer einen Fehler gemacht hätten. Für das Vorliegen eines Fehlers des Schriftführers bei der Einvernahme gibt es jedoch keine Hinweise, insbesondere, da das Protokoll dem Beschwerdeführer rückübersetzt und die Vollständigkeit von ihm bestätigt wurde. Auch von einem ‚Fehler des Beschwerdeführers' ist nicht auszugehen, hätte er diesen doch auch etwa schon in seinem Beschwerdevorbringen und nicht erst auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung mitteilen können.

[...] Ebenso ist nicht schlüssig, warum nur der Beschwerdeführer, der lediglich als Hilfskraft im Krankenhaus arbeitete, vor den Taliban flüchten musste, während hingegen der Arzt, der nach der Aussage des Beschwerdeführers ebenfalls sowohl von dem Vorfall im Dorf als auch von dem Drohbrief betroffen war und als Arzt eine deutlich exponiertere Stellung als eine Hilfskraft hatte, jedenfalls bis zur Ausreise des Beschwerdeführers weiter in der Klinik blieb, wie der Beschwerdeführer übereinstimmend in der Einvernahme am 11.11.2016 sowie in der Verhandlung am 01.06.2017 angab.

[...] Widersprüchlich blieb weiters, ob auch andere Personen, die im Krankenhaus bedroht wurden, flohen. Verneinte der Beschwerdeführer dies noch in der Einvernahme am 11.11.2016 (‚LA: Wurden nur Sie bedroht im Krankenhaus? VP: Nein. LA: Wer noch? VP: Alle. LA: Aber nur Sie sind ausgereist? VP: Ja.'), bejahte er dies in der Verhandlung am 01.06.2017 (RI: Ist außer Ihnen noch jemand geflohen, auf diesen Brief hin? BF: Viele sind von dort geflohen...').

[...] Zur Unglaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers trug weiter bei, dass in seiner Beschwerde vom 02.03.2017 gleich an zwei Stellen darauf abgestellt wurde, dass sein ‚Onkel, der ihm die Flucht mittels Grundstückverkauf mitermöglichen

konnte sowie dessen Familie ... selbst in Furcht vor weiteren

Repressalien der Taliban' lebten, die ‚über die Mithilfe des Onkels Bescheid' wüssten. In der Verhandlung am 01.06.2017 konnte der Beschwerdeführer jedoch keine konkrete Furcht seines Onkels vor den Taliban aufgrund der Fluchthilfe betätigen:

‚RI: Wie geht es Ihrem Onkel?

BF: Meinem Onkel geht es gut, er hat Mandelbäume, ihm geht es gut.

RI: Und Ihr Onkel hat keine Angst vor den Taliban?

BF: Nein, er hat vor den Taliban keine Angst gehabt, ich habe in der Klinik mit dem Staat gearbeitet.

RI: In Ihrer Beschwerde haben Sie aber gesagt, dass Ihr Onkel selbst in Furcht vor den Taliban ist.

BF: Alle haben Angst. Die Leute, die sieben Personen, denen der Kopf abgetrennt wurden, waren von unserer Gegend. Sie haben auch einem neunjährigen Mädchen den Kopf abgetrennt.

RI: D. h. Ihr Onkel hat nur die allgemeinen Gründe, warum er sich vor den Taliban fürchtet?

BF: Ja.'

Es untergräbt die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers, dass er damit einerseits widersprüchliche Angaben machte, es andererseits aber auch nicht schlüssig ist, dass der Onkel keine Angst vor den Taliban haben sollte, wenn er tatsächlich seinem von den Taliban bedrohten Neffen zur Flucht geholfen haben sollte.

[...] In einer Gesamtschau ergibt sich daraus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in den wesentlichsten Elementen wie Fluchtgrund, zeitlicher Ablauf, ausschlaggebenden Details und objektiver Wahrscheinlichkeit widersprüchlich bzw. nicht schlüssig ist.

[...] Da aus ausgeführten Gründen das Vorliegen einer Drohung durch die Taliban nicht angenommen werden konnte, ist auch nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer von den Taliban eine oppositionelle politische Einstellung oder ‚ungläubige' religiöse Gesinnung unterstellt wurde.

Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob es - wie in der Beschwerde vorgebracht wurde - den Taliban möglich ist, einzelne Personen im ganzen Land zu finden, auch wenn es in Afghanistan kein Meldewesen gibt."

Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 11.7.2017 zu Handen seines damaligen Vertreters zugestellt.

1.2.1. Am 1.9.2017 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Asylantrag. Bei seiner Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Landespolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug) am selben Tag und bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt (Erstaufnahmestelle West in St. Georgen im Attergau) am 25.10.2017 gab er "neben seinen persönlichen Angaben befragt zu seinen neuen Fluchtgründen" - wie es im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.2017, W102 2149325-2/3E, wiedergegeben wird - an, "dass seine neuen Fluchtgründe die Alten seien, nämlich dass er im Krankenhaus tätig gewesen sei und sein Onkel nun tot sei, sonst gebe es nichts Neues. Auf Nachfrage warum er Ausführungen zum Tod seines Onkels treffe, gab er an, dass diese sein einziger Onkel sei und er dort niemand mehr habe. Weiters führte aus, dass sein Onkel vielleicht wegen ihm getötet worden sei, wofür er jedoch keine Hinweise habe. Sein Onkel sei mit Schusswaffen am 28.07.2017 getötet worden. Der Beschwerdeführer gehe davon aus, dass es die Taliban oder die Paschtunen gewesen seien. Darüber hinaus traf er Ausführungen zu schlechten Lage der Hazaren Afghanistan. In Österreich oder Europa habe er keine Verwandten oder sonstigen Angehörigen."

1.2.2. Mit Bescheid vom 8.11.2017, 1079510303 - 171014937, wies das Bundesamt diesen - zweiten - Asylantrag gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I), sprauch aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II). Schließlich hielt es fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt III). In seiner Begründung hielt das Bundesamt zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Asylverfahren und zu seinem Privat- und Familienleben im Wesentlichen fest, es habe nicht festgestellt werden können, dass sein Onkel ermordet worden sei. Der Beschwerdeführer leide an keiner schweren, lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Rückkehr in seine Heimat entgegenstehe. Insgesamt habe sich die maßgebliche Lage im Herkunftsstaat seit Rechtskraft der letzten Entscheidung nicht geändert.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am 6.12.2017 eine Beschwerde ein, die das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19.12.2017, W102 2149325-2/3E, "gemäß § 68 Abs. 1 AVG, §§ 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet" abwies. Begründend führte es aus:

"Der Beschwerdeführer stützte seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf dieselben Fluchtgründe, die er bereits in seinem ersten Verfahren geltend gemacht hatte. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seit Rechtskraft der letzten Entscheidung (10.07.2017) über seinen Antrag auf internationalen Schutz ein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen dartun konnte.

Nicht festgestellt werden kann ferner, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten sind, wonach dem Beschwerdeführer in Afghanistan aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder, dass ihm im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Der Beschwerdeführer ist seit seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr nach Afghanistan zurückgekehrt. Der Beschwerdeführer hat nie über einen Aufenthaltstitel ver-fügt, der sich nicht auf einen Antrag auf internationalen Schutz gestützt hat. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht über verwandtschaftliche Beziehungen verfügt und auch mit niemandem in einer Lebensgemeinschaft oder familienähnlichen Beziehung lebt. Der Beschwerdeführer bezieht während seines gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse beziehungsweise Prüfungen zuletzt über das Sprachniveau A1 absolviert, sodass er in der Lage ist, sich in Deutsch zu verständigen. Weitere Aus- oder Fortbildungen hat der Beschwerdeführer nicht absolviert. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände fest-gestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seinen Familienverhältnissen sowohl in Österreich als auch in Afghanistan ergeben sich aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers im Zuge seines bisherigen Verfahrens sowie aus dem Akteninhalt. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers war im Wesentlichen gleichlautend und sohin glaubwürdig.

Die Feststellungen zu dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren des Beschwerdeführers, einschließlich zu den darin vorgebrachten Fluchtgründen, ergeben sich aus der Einsicht in die jeweiligen Verwaltungs- und Gerichtsakten, insbesondere aus dem Bescheid des Bundesasylamtes und dem Erkenntnis des Bundesveraltungsgerichts. Darüber hinaus ergibt sich die Feststellung zur illegalen Einreise nach Österreich, zur Antragstellung und zu Stellung des Folgeantrags zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich bzw. zu den von ihm gesetzten Integrationsmaßnahmen, ergeben sich aus dem Akteninhalt und zwar insbesonde-re aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren sowie aus den von ihm diesbezüglich vorgelegten Unterlagen. Es finden sich weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsakt Hinweise darauf, dass sich der Beschwerdeführer um eine Integration in beruflicher oder sozialer Hinsicht außergewöhnlich stark bemüht hat, was sich unter anderem auch aus dem Umstand ergibt, dass der Beschwerdeführer während seines gesamten Aufenthalts keiner legalen Beschäftigung nachgegangen ist, um seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren und auch keine Ausbildung absolviert hat. Dass der Beschwerdeführer Deutschkurse - zuletzt auf dem Niveau A1 - absolviert hat und daher in der Lage ist, sich in Deutsch zu verständigen, ergibt sich ebenfalls aus den diesbezüglich im Verfahren vorgelegten Kursbesuchsbestätigungen sowie Zeugnissen. Die Feststellungen zum dauerhaften Bezug der Grundversorgung durch den Beschwerdeführer und zur fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit ergeben sich aus seinen Angaben und aus den Auszügen aus dem GVS-Register. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers basieren auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszügen.

Hinsichtlich der Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit Rechtskraft der letzten Ent-scheidung kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen dartun konnte, sondern seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf dieselben Fluchtgründe stützte, die er bereits in seinem ersten Verfahren geltend gemacht hatte, ist Folgendes auszuführen: Wie bereits das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt hat, hat der Beschwerdeführer betreffend die Begründung seines Folgeantrags keinen neuen maßgeblichen Sachverhalt vorgebracht. In der Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, dass seine damaligen Angaben nach wie vor in Geltung seien und auch für den gegenständlichen Antrag gelten würden.

Die vom Bundesamt zur Lage in Afghanistan getroffenen Länderfeststellungen basieren auf aktuellen Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen und stellen angesichts der bisherigen Ausführungen im konkreten Fall eine hinreichende Basis zur Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers dar. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde lässt sich daraus - ohne ein dementsprechendes glaubwürdiges individuelles Vorbringen - keine Gefährdung des Beschwerdeführers ableiten. Die Situation im Herkunftsland hat sich seit dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in den gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungswesentlich verändert und wurde diesbezüglich auch in der Beschwerde ke

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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