TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/29 97/02/0454

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Veröffentlicht am 29.05.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §103 Abs2;
ZustG §17 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des S in Krems, vertreten durch Dr. Alois Autherith, Rechtsanwalt in Krems, Utzstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 5. September 1997, Zl. Senat-GF-96-537, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. September 1997 für schuldig befunden, er habe es als Auskunftspflichtiger hinsichtlich eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges unterlassen, der Behörde erster Instanz (Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf) über deren schriftliche Anfrage vom 14. Juni 1995 innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung darüber eine geeignete Auskunft zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug am 5. April 1995 um 23.30 Uhr in Wien II an einem näher beschriebenen Ort gelenkt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 134 Abs. 1 in Verbindung mit § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Wochen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 14. Juni 1995 gemäß § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 aufgefordert, als vom Zulassungsbesitzer bekanntgegebener Auskunftspflichtiger binnen zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wer das angeführte Kraftfahrzeug zum angegebenen Zeitpunkt an dem näher beschriebenen Ort gelenkt bzw. abgestellt habe. Dieses Schreiben wurde an den Beschwerdeführer unter der Anschrift 2245 Velm Götzendorf abgefertigt und nach Durchführung eines Zustellversuches am 20. Juni 1995 an diesem Tag postamtlich hinterlegt. Ein Hinweis darauf, daß dieses Aufforderungsschreiben dem Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen wäre, kann den Verwaltungsakten nicht entnommen werden. Eine in den Akten enthaltene Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 9. Juni 1995, in der er der Behörde erster Instanz unter Anschluß der Durchschrift einer in dieser Angelegenheit gegenüber der Bundespolizeidirektion Wien abgegebenen Stellungnahme mitteilte, er habe einer an ihn ergangenen Ladung nicht Folge leisten können, bezog sich auf eine § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 nicht relevierende Ladung der Behörde erster Instanz vom 15. Mai 1995, wobei festzuhalten ist, daß diese Ladung laut einem Amtsvermerk am 16. Mai 1995 bei der Behörde abgefertigt wurde, während der Beschwerdeführer in der angeführten Stellungnahme angab, er habe, "da er in Wien unterwegs gewesen" sei, dieses Schriftstück erst am 9. Juni 1995 erhalten.

In der Berufung gegen das dem Beschwerdeführer in der Strafvollzugsanstalt Josefstadt zugestellte Straferkenntnis der Behörde erster Instanz vom 22. Februar 1996 machte er im Hinblick auf den Vorwurf, er habe es unterlassen, einer Ladung Folge zu leisten, unter anderem auch geltend, er habe sich unter einer näher angeführten Adresse in Wien II bei seiner Gattin aufgehalten.

In der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer insbesondere vor, er sei an der Adresse in Velm Götzendorf, unter der das Aufforderungsschreiben der Behörde erster Instanz vom 14. Juni 1995 an ihn gerichtet worden sei, zwar polizeilich gemeldet, doch sei dieses Haus unbewohnbar und müsse erst renoviert werden, was dem Zusteller habe bekannt sein müssen; der Beschwerdeführer habe unter der angeführten Adresse in Wien II gewohnt. Erst durch Zustellung des Straferkenntnisses vom 22. Februar 1996 habe er erfahren, daß bei der Behörde erster Instanz ein Verfahren wegen §§ 134 Abs. 1 und 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 anhängig sei. Er habe daher vor diesem Zeitpunkt gar keine Möglichkeit gehabt, innerhalb der zweiwöchigen Frist Name und Adresse des Lenkers anzugeben.

Gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz ist das Schriftstück, wenn die Sendung nicht an der Abgabestelle zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, im Fall der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen.

Gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz gelten hinterlegte Sendungen mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

Die belangte Behörde ist offenbar von einer durch die Hinterlegung des Aufforderungsschreibens der Behörde erster Instanz vom 14. Juni 1995 bewirkten rechtsgültigen Zustellung dieses Schreibens ausgegangen. Demgegenüber ergibt sich aus einem in den Verwaltungsakten aufliegenden Bericht des Gendarmeriepostenkommandos Dürnkrut vom 30. März 1996, daß der Beschwerdeführer zwar unter der Adresse in Velm Götzendorf polizeilich gemeldet, jedoch dort nicht aufhältig sei; das betreffende Wohnhaus sei nicht eingerichtet und derzeit auch nicht bewohnbar. Im Zusammenhalt mit dem angeführten Berufungsvorbringen und der vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 9. Juni 1995 dargelegten längeren Abwesenheit von dieser Adresse wäre es aber Aufgabe der belangten Behörde gewesen, Ermittlungen darüber anzustellen, ob die postamtliche Hinterlegung des Aufforderungsschreibens vom 14. Juni 1995 im Hinblick auf die auf Grund dieser aktenkundigen Angaben anzunehmende oftmalige und längere Abwesenheit des Beschwerdeführers von der Abgabestelle - sofern eine solche vorliegt - in Velm Götzendorf tatsächlich die Wirkung einer rechtsgültigen Zustellung entfalten konnte. Hiezu wäre jedenfalls eine Befragung der Postamtsleitung bzw. des Zustellers erforderlich gewesen.

Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und somit auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im übrigen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu der Bemerkung veranlaßt, daß dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden kann, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse im Beschwerdefall sich die Verhängung der höchstmöglichen Geldstrafe gegen einen in Strafhaft befindlichen Beschwerdeführer als den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen gerechtwerdend erweist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997020454.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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