Entscheidungsdatum
29.07.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I406 1315890-3/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX) XXXX (alias XXXXalias XXXX), geb. XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2018, Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Ägyptens, reiste erstmals zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2007 mit dem Zug von Italien illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Vor seiner Einreise war er ungefähr ein Jahr in Italien aufhältig.
2. Am 17.04.2007 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des damaligen Bundesasylamtes vom 13.11.2007, ZI: XXXX, abgewiesen wurde. Ebenso wurde dabei die Zulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ägypten festgestellt und der Beschwerdeführer wurde weiters aus dem österreichischem Bundesgebiet nach Ägypten ausgewiesen. Eine gegen diese Entscheidung eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 11.02.2008, ZI.
315.8901/3E-XVII/55/07, in allen Spruchpunkten abgewiesen und erwuchs mit 12.02.2008 in Rechtskraft. Zu seinen Fluchtgründen hatte er - auf das wesentlichste zusammengefasst - geltend gemacht, eine Beziehung zu einem Mädchen gehabt zu haben. Die Familie des Mädchens habe diese Beziehung nicht toleriert und ihm mit dem Umbringen gedroht.
3. Aufgrund dieses negativen Bescheides kehrte der Beschwerdeführer nach Italien zurück und stellte dort einen Antrag auf internationalen Schutz, welchem kein Erfolg beschieden war.
4. Am 11.02.2009 reiste der Beschwerdeführer wiederum von Italien kommend in das österreichische Bundesgebiet ein, wurde bei seiner Einreise festgenommen und stellte aus dem Stande der Schubhaft unter einer Alias-Identität einen weiteren Asylantrag. Dabei machte er wiederum geltend, er habe Probleme mit den Eltern eines Mädchens, mit dem er eine intime Freundschaft führe. Die Eltern hätten dies nicht toleriert und würden ihn im Falle einer Rückkehr umbringen. Außerdem würde der Militärdienst in Ägypten drei Jahre dauern und er wolle diesen nicht ableisten. Mit Bescheid vom 17.03.2009, Zl. XXXX, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurück und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ägypten aus. Der Bescheid erwuchs in erster Instanz in Rechtskraft.
5. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 06.06.2011, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der versuchten gefährlichen Drohung nach §§ 15, 107 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB, des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB, und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 vierter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wovon sechs Monate unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden.
6. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 12.03.2012, Zl. XXXX, wurde er wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (720,00 EUR), im Nichteinbringungsfall 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.
7. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 05.05.2014, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach §§ 15, 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.
8. Am 26.01.2015 stellte der Beschwerdeführer seinen verfahrensgegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Gründen für die neuerliche Asylantragsstellung erklärte er bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung, im Jahr 2011 einen Sohn bekommen zu haben und seit zwei Jahren in einer Drogenersatztherapie zu sein. Er könne nicht zurück nach Ägypten, weil er zum Militär und in den Krieg ziehen müsse. Auch würde er in Ägypten kein Drogenersatzprogramm erhalten und könnte deshalb sterben. Weiters habe er unehelichen Beischlaf mit einer Frau gehabt, deren Familie sich rächen würde.
9. Am 09.06.2015 wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen. Er erklärte, in einem Drogenersatzprogramm zu sein. Er habe gemeinsam mit einer in Österreich lebenden albanischen Staatsbürgerin einen am XXXX2011 geborenen Sohn, welcher sich bei Pflegeeltern befinde und habe eine ungarische Lebensgefährtin, mit der er zusammenziehen wolle. Zu seinen Fluchtgründen erzählte er, nicht nach Ägypten zurückkehren zu können, weil er dort einen dreijährigen Militärdienst leisten müsse. Er wolle aber nicht in den Krieg einberufen werden und keine militärische Ausbildung machen. Im Alter von 17 Jahren sei er bereits geflüchtet, mit 21 Jahren wäre er zum Militär einberufen worden. Aus diesem Grund werde er in Ägypten als Deserteur angesehen und ihm drohe eine Gefängnisstrafe von eineinhalb bis zwei Jahren. Außerdem habe er in Ägypten keine Chance, von den Drogen wegzukommen. Er möchte in der Nähe seines Kindes bleiben, arbeiten und ein neues Leben in Österreich beginnen.
10. Mit Bescheid vom 19.01.2016, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III.). Es besteht eine 14-tägige Frist für seine freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
11. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 02.02.2016 Beschwerde durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung und machte darin inhaltliche Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend. Entgegen den Feststellungen der belangten Behörde drohe dem Beschwerdeführer in Ägypten asylrelevante Verfolgung. Insbesondere enthalte der angefochtene Bescheid keine Länderfeststellungen zum Vorbringen des Beschwerdeführers zu Militärdienstverweigerern und zur Möglichkeit eines Drogenersatzprogramms. In Ägypten herrsche ein Militärregime, welches Wehrdienstverweigerer verhafte und verfolge. Es wurde ein Antrag auf unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers gestellt. Weiters wurden verfassungsrechtliche Bedenken betreffend die zweiwöchige Beschwerdefrist gem. § 16 Abs. 1 BFA-VG geäußert und angeregt, die Aufhebung dieser Norm beim VfGH gemäß § 89 iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG zu beantragen. Der Beschwerde beigelegt war ein handschriftliches Schreiben des Beschwerdeführers. Beschwerde und Bezug habender Bescheid wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 08.02.2016 vorgelegt.
12. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 16.02.2016, Zl. XXXX vom 16.02.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, der Urkundenunterdrückung nach §§ 229 Abs. 1, 241e Abs. 3 StGB, des Diebstahls nach § 127 StGB und des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2 iVm § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
13. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 22.08.2018, Zl. XXXX, wurde er wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.
14. Mit Bescheid vom 07.11.2018, Zl. XXXX/XXXX, hob die belangte Behörde den Bescheid vom 19.01.2016, Zl. XXXX, betreffend Spruchpunkt III. gemäß § 68 Abs. 2 AVG von Amts wegen auf mit der Begründung, dass aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ein neuer, entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt worden sei, der die Prüfung der Erlassung eines Einreiseverbotes erforderlich mache. Dem Beschwerdeführer sei aus der erlassenen Rückkehrentscheidung kein Recht erwachsen, deshalb könne der entsprechende Spruchpunkt gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben werden, und zwar auch während des anhängigen Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG. Der Bescheid erwuchs unangefochten am 28.12.2018 in Rechtskraft.
15. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 14.12.2018; Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 FPG ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).
16. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 21.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
17. Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung fristgerecht am 18.01.2019 Beschwerde und begründete dies mit Rechtswidrigkeit in Folge sachlicher Unzuständigkeit, Unwiederholbarkeit des Bescheides sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die belangte Behörde habe die Spruchpunkte
I. bis IV. des angefochtenen Bescheides neuerlich erlassen, obwohl die Zuständigkeit mit der Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht gegangen sei und die belangte Behörde sachlich nicht mehr zuständig sei. Dazu komme, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit dem neu erlassenen Bescheid belastende Abänderungen zuweise. So sei keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt, ein 8-jähriges Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt worden. Es wurden die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben; feststellen, dass in diesem Fall keine Gebühren anfallen; in eventu der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
18. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 25.01.2019, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1 erster Fall zweite Alternative zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt.
19. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.01.2019 vorgelegt.
20. Mit Schreiben vom 27.06.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat sowie einen Fragenkatalog zu seiner persönlichen Situation und räumte ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme ein.
21. Mit Schreiben vom 12.07.2019 beantwortete der Beschwerdeführer den ihm übermittelten Fragenkatalog. Er erhob keine Einwendungen gegen die herkunftsstaatsbezogenen Feststellungen und Berichte. Er befinde sich derzeit in Strafhaft und wolle sich nachhaltig von seiner Drogenabhängigkeit lösen und ab November 2020 einer stationären Behandlung von sechs Monaten und im Anschluss daran einer ambulanten Therapie unterziehen. Weiters sei er Vater eines im März 2011 geborenen Sohnes, der derzeit bei Pflegeeltern lebe. In den ersten zwei Lebensjahren des Kindes, als dieses noch bei der Kindesmutter gelebt habe, habe er Kontakt zu ihm gehabt. Sein größter Wunsch sei es, nach einer erfolgreichen Therapie der Drogenabhängigkeit den Kontakt mit seinem Sohn wiederaufzunehmen und ein Besuchsrecht zu beantragen. Weiters führe er seit etwa sieben Jahren eine Lebensgemeinschaft mit einer ungarischen Staatsangehörigen, die in XXXX arbeite. Er könne sich sehr gut in der deutschen Sprache verständigen. Seine Eltern lebten in Ägypten, doch er habe praktisch keinen Kontakt zu seinen Angehörigen. Er verfüge über keine Identitätsdokumente. Eine Aufenthaltsbeendigung würde nicht nur in sein Privat- und Familienleben, sondern auch in jenes der Lebensgefährtin und seines Sohnes eingreifen. Ein gemeinsames Familienleben mit diesen sei nur in Österreich möglich.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Soweit er namentlich genannt wird, dient dies lediglich seiner Identifizierung als Verfahrenspartei, nicht jedoch einer Vorfragebeurteilung im Sinn des § 38 AVG.
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Ägyptens und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz 2005. Er ist volljährig und ledig.
Er gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum muslimischen Glauben.
Er reiste zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2007 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte insgesamt drei Anträge auf internationalen Schutz.
Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 17.04.2007 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.11.2007, ZI: XXXX, abgewiesen. Gleichzeitig wurde die Zulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ägypten festgestellt und der Beschwerdeführer aus dem österreichischem Bundesgebiet nach Ägypten ausgewiesen. Eine dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 11.02.2008, ZI. 315.8901/3E-XVII/55/07, in allen Spruchpunkten abgewiesen.
Ein weiterer Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 11.02.2009 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.03.2009, Zl. XXXX, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ägypten ausgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in erster Instanz in Rechtskraft.
Der dritte Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 26.01.2015 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.01.2016, Zl. XXXX, als unbegründet abgewiesen und eine dagegen erhobene Beschwerde mit - noch nicht rechtskräftigem - Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.07.2019, Zl. I406 1315890-2/11E als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit in einem Drogenersatzprogramm. Es liegen jedoch keine Hinweise vor, dass dadurch im Falle einer Rückkehr die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelte hohe Schwelle einer Verletzung des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Weder liegt eine existenzbedrohende Erkrankung, noch das Fehlen jeglicher Behandlungsmöglichkeit im Herkunftsstaat vor.
Der Beschwerdeführer ist auch erwerbsfähig. Er weist eine dreijährige Schulbildung auf und hat vor dem Verlassen Ägyptens als Maler und als Anstreicher gearbeitet. Es ist davon auszugehen, dass er in seinem Heimatland in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten.
In Ägypten leben nach wie vor die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer machte geltend, mit einer albanisch gebürtigen Österreicherin einen im März 2011 geborenen Sohn zu haben, der in Österreich bei Pflegeeltern lebe. In den ersten zwei Lebensjahren seines Sohnes habe er Kontakt zu ihm gehabt. Sein größter Wunsch sei es, den Kontakt mit seinem Sohn wiederaufzunehmen und ein Besuchsrecht zu beantragen.
Weiters hat der Beschwerdeführer eine in XXXX lebende Freundin ungarischer Staatsangehörigkeit, mit der jedoch aktuell kein gemeinsamer Wohnsitz besteht.
Eine den Anforderungen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK entsprechende Verfestigung des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet liegt somit nicht vor.
Insgesamt liegen keine maßgeblichen Anhaltspunkte für eine hinreichende Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht vor.
Er geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich mehrfach strafgerichtlich in Erscheinung getreten und sein Strafregisterauszug weist die folgenden Eintragungen auf:
01) LG XXXX XXXX vom 06.06.2011 RK 10.06.2011
PAR 107/1 U 2 (1. FALL) PAR 15 269/1 (1. FALL) PAR 15 83/1 84 ABS 2/4 StGB
Datum der (letzten) Tat 26.04.2011
Freiheitsstrafe 7 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Vollzugsdatum 10.06.2011
02) BG XXXX 0XXXX vom 12.03.2012 RK 16.03.2012
§ 83 (1) StGB
Datum der (letzten) Tat 22.07.2011
Geldstrafe von 180 Tags zu je 4,00 EUR (720,00 EUR) im NEF 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe
Vollzugsdatum 02.09.2013
03) LG XXXX 0XXXX vom 05.05.2014 RK 09.05.2014
§ 107 (1 U 2) StGB
Datum der (letzten) Tat 07.03.2014
Freiheitsstrafe 12 Monate
04) BG XXXX 0XXXX vom 16.02.2016 RK 20.02.2016
§ 15 StGB § 127 StGB § 125 StGB §§ 229 (1), 241e (3) StGB § 127 StGB
§ 27 (2) iVm § 27 Abs 1 Z 1 (1. 2. Fall) SMG
Datum der (letzten) Tat 31.10.2015
Freiheitsstrafe 3 Monate
Vollzugsdatum 23.03.2017
05) LG XXXX 0XXXX vom 22.08.2018 RK 28.08.2018
§ 28a (1) 5. Fall SMG
Datum der (letzten) Tat 31.10.2016
Freiheitsstrafe 15 Monate
06) LG XXXX 0XXXX vom 25.01.2019 RK 29.01.2019
§ 15 StGB § 269 (1) 1. Fall 2. Alternative StGB
Datum der (letzten) Tat 27.11.2018
Freiheitsstrafe 20 Monate
Dem Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 07.12.2018, Zl. XXXX</nichtanonym><anonym>XXXX</anonym></person>, bedingter Strafaufschub gemäß § 39 Abs. 1 SMG bis 10.10.2020 gewährt, um sich gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu unterziehen.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Ägypten:
Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 14.12.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Ägypten vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung eingetreten, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt. Der Beschwerdeführer erstattet kein substantiiertes Vorbringen hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr und es ergaben sich auch amtswegig keine diesbezüglichen Hinweise.
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 16.4.2018, Präsidentschaftswahlen in Ägypten (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)
Ägyptens autoritäres Staatsoberhaupt Abdel Fattah al-Sisi hat bei der Präsidentschaftswahl in Ägypten [Anm.: die von 26. bis 28.3.2018 stattfand] nach Angaben der Wahlkommission 97,08% der gültigen Stimmen bekommen. Die Wahlbeteiligung bei der Abstimmung in der vergangenen Woche habe 41,5% betragen, teilte die Kommission mit (TS 2.4.2018; vgl. DS 2.4.2018). Neben Al-Sisi trat nur der weitgehend unbekannte Politiker Mussa Mustafa an, in dem Beobachter einen Alibi-Kandidaten sahen. Dieser kam auf 2,92% der Stimmen (DS 2.4.2018; vgl. TS 2.4.2018).
Quellen:
-
DS - Der Standard (2.4.2018): Offiziell: Ägyptens Präsident al-Sisi klar wiedergewählt,
https://derstandard.at/2000077191005/Offiziell-Aegyptens-Praesident-al-Sisi-klar-wiedergewaehlt, Zugriff 16.4.2018
-
TS - Tagesschau (2.4.2018): Präsidentenwahl in Ägypten - Al-Sisi bekommt 97 Prozent,
https://www.tagesschau.de/ausland/aegypten-wahl-113.html, Zugriff 16.4.2018
2. Politische Lage
Ägypten sieht sich nach der Absetzung von Präsident Mohamed Mursi im Juli 2013 und der Wahl von Abdel Fattah Al-Sisi zum Staatspräsidenten im Mai 2014 noch immer vor allem enormen wirtschafts- und sicherheitspolitischen Herausforderungen gegenüber, die die politische Konsolidierung verzögern. Die 2014 in Kraft getretene Verfassung sieht für das Land das Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats vor. Die Wahlen zum neuen Parlament Ende 2015 vollzogen sich grundsätzlich frei und gesetzmäßig, fanden jedoch in einem Klima allgemeiner staatlicher Repression statt, in dem politische Opposition oder der Einsatz für Menschenrechte in die Nähe von Terrorismus und staatsfeindlichen Aktivitäten gerückt wurden. Dies setzt der freien politischen Betätigungen faktisch enge Grenzen. Das von etwa 25 % der ägyptischen Wahlberechtigten gewählte und im Januar 2016 konstituierte ägyptische Parlament zeigt die erwarteten Anlaufschwierigkeiten auf dem Weg zu einem eigenständigen politischen Akteur, der seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung effektiv und selbstbewusst ausübt. Das Parlament bleibt dennoch die einzige Institution in Ägypten, die derzeit das Potential hierzu besitzt. Die Parteienlandschaft ist schwach ausgeprägt. Die Parteien vermögen es in der Regel nicht, landesweite Strukturen aufzubauen und programmatische Akzente zu setzen. Das 2014 reformierte Wahlrecht trug zur weiteren Schwächung der Parteien bei, die im Parlament keine wichtige Rolle spielen. Die Mehrheit der Abgeordneten im ägyptischen Parlament ist regierungstreu. Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz sind verfassungsrechtlich vorgesehen, jedoch durch weitreichende politische Einflüsse zunehmend eingeschränkt. Die Justiz, die in der Vergangenheit viel auf die eigenen Standards hielt, ist zum Instrument der Repression geworden. Drakonische Strafen, die seit dem Sommer 2013 verhängt werden, sind oft Vergeltungsmaßnahmen gegen Akteure, durch die sich der "tiefe Staat" bedroht sieht, insbesondere die Zivilgesellschaft auf der einen und die Muslimbruderschaft auf der anderen Seite. Bedenklich ist die verbreitete Praxis von Strafverfahren gegen Zivilisten vor Militärgerichten sowie erzwungenes Verschwindenlassen, langwierige Haft ohne Anklage, Prozesse, die rechtsstaatlichen Kriterien nicht genügen, Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam, überbelegte Haftanstalten und schlechte Haftbedingungen. Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 15.12.2016).
Mit dem Verfassungsreferendum im Januar 2014, der Wahl Abdel Fattah Al-Sisis zum Staatspräsidenten im Mai 2014 und den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im November und Dezember 2015 hat Ägypten formal seinen "Fahrplan zur Demokratie" abgeschlossen. Die Verfassung vom Januar 2014 enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern wird gewährt. Jedoch können einzelne Grundrechte durch einfache Gesetze wieder eingeschränkt werden; in der Verfassungswirklichkeit ist die Geltung und Geltendmachung der Grundrechte eingeschränkt. Im November und Dezember 2015 fanden die Wahlen zum Parlament statt. Die Verfassung von 2014 sieht ein Parlament mit nur einer Kammer (Abgeordnetenhaus oder Maglis El-Nuab) vor. Das bisherige Oberhaus des Parlamentes (Schurarat) wurde dagegen abgeschafft. Das ägyptische Wahlrecht sah für die politischen Parteien hohe administrative Hürden vor, sodass die Mehrheit der 596 Abgeordneten als unabhängige Einzelkandidaten gewählt wurde. Daneben zogen 120 Abgeordnete über die Wahlliste "In Liebe zu Ägypten" in das Parlament ein, die sich die Unterstützung von Staatspräsident Al-Sisi auf die Fahnen geschrieben hatte. 28 Abgeordnete wurden nicht gewählt, sondern vom Staatspräsidenten bestimmt. Als stärkste politische Partei sind die "Freien Ägypter" mit 65 Abgeordneten im Parlament vertreten, vor der "Zukunft der Nation" und der traditionellen Wafd-Partei. Die salafistische Nour-Partei hat als einzige islamistische Partei 11 Abgeordnete. Die Sozialdemokratische Partei ist mit vier Abgeordneten vertreten.
Arbeitsschwerpunkte der Regierung unter Premierminister Sherif Ismael bleiben Stabilitätserhalt und Wirtschaftsförderung. Mit der "Egypt Vision 2030" legte die ägyptische Regierung einen ambitionierten Entwicklungsplan vor, der thematisch sämtliche Bereiche umspannt und sich an den internationalen Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert. Das Jahr 2017 wurde von Staatspräsident Al-Sisi zum ägyptischen "Jahr der Frau" erklärt, nachdem 2016 offiziell als "Jahr der Jugend" deklariert wurde (AA 2.2017a).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
3. Sicherheitslage
Die Armee ging 2016 weiterhin mit gepanzerten Fahrzeugen, Artillerie und Luftangriffen gegen bewaffnete Gruppen im Norden der Sinai-Halbinsel vor. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden bei jedem Einsatz zahlreiche "Terroristen" getötet. Für einen Großteil des Gebietes galt weiterhin der Ausnahmezustand. Unabhängige Menschenrechtsbeobachter und Journalisten hatten faktisch keinen Zugang. Bewaffnete Gruppen verübten mehrfach tödliche Anschläge auf Sicherheitskräfte sowie auf Regierungsbedienstete, Justizpersonal und andere Zivilpersonen. Die meisten Angriffe gab es im Norden des Sinai, aber auch aus anderen Landesteilen wurden Bombenanschläge und Schießereien bewaffneter Gruppen gemeldet. Zu vielen Anschlägen bekannte sich ein Ableger der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS), der sich "Provinz Sinai" nennt. Die bewaffnete Gruppe gab an, sie habe im Laufe des Jahres 2016 mehrere Männer hingerichtet, weil diese für die Sicherheitskräfte spioniert hätten (AI 22.02.2017).
Am 18. April 2017 kam es zu einem Anschlag auf einen Kontrollposten in unmittelbarer Nähe des Katharinenklosters im Süden der Sinai-Halbinsel, bei dem ein Polizist getötet und weitere Personen verletzt wurden. Am Palmsonntag, den 9. April 2017, wurden zwei Anschläge auf christlich-koptische Kirchen in der Stadt Tanta, ca. 80 km nördlich von Kairo entfernt, und in Alexandria verübt. Es sind zahlreiche Tote und Verletzte zu beklagen. Bereits am 11. Dezember 2016 fielen Teilnehmer an einem Gottesdienst in der koptischen Kirche "Peter und Paul" in Kairo einem Attentat zum Opfer. Damit wurden im zeitlichen Zusammenhang mit hohen christlichen Feiertagen wiederholt koptische Kirchen zu Anschlagszielen (AA 02.05..2017)
Quellen:
-
AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (02.05.2017): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00SiHi/Nodes/AegyptenSicherheit_node.html, Zugriff 02.05.2017
4. Rechtsschutz/Justizwesen
Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die justizielle Kontrolle des Einsatzes von Sicherheitsbehörden unterliegt faktischen und rechtlichen Grenzen. Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 15.12.2016).
In den meisten Fällen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen leiteten die Behörden keine wirksamen Untersuchungen ein. Dies betraf Folter und andere Misshandlungen, Verschwindenlassen, Todesfälle in Gewahrsam und die weitverbreitete Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt durch Sicherheitskräfte seit 2011. Die Täter wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Staatsanwaltschaft weigerte sich regelmäßig, von Gefangenen erhobene Vorwürfe, sie seien gefoltert und anderweitig misshandelt worden, zu untersuchen und ignorierte Hinweise darauf, dass Sicherheitskräfte in Fällen von Verschwindenlassen das Datum der Festnahme gefälscht hatten (AI 22.02.2017).
Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für die Beratung, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 03.03.2017).
Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 9.2016a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
-
AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2016a): Liportal, Ägypten - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 02.05.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
5. Sicherheitsbehörden
Lang andauernde Haft ohne Anklage ist auf Veranlassung der Sicherheitsbehörden verbreitet. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen (AA 15.12.2016).
Die primären Sicherheitskräfte des Innenministeriums sind die Polizei und die Zentralen Sicherheitskräfte. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und wichtigen in- und ausländischen Beamten. Zivile Behörden behielten die wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei. Die Straflosigkeit blieb jedoch auch aufgrund schlecht geführter Ermittlungen ein Problem. Die Polizei hat gemeldeten Polizeimissbrauch nicht ausreichend untersucht (USDOS 03.03.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
6. Folter und unmenschliche Behandlung
Folter wird durch ägyptische Sicherheitsbehörden in unterschiedlichen Formen und Abstufungen praktiziert. In Polizeigewahrsam sind Folter und Misshandlungen weit verbreitet. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu Todesfällen in Haft. Menschenrechtsverteidiger kritisierten, dass Beweise, die zu Verurteilungen in Strafverfahren führten, unter Folter gewonnen worden waren. Die Praxis der Folter ist nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt, auch wenn missliebige politische Aktivisten besonders gefährdet sind. Folter wird als Mittel zur Abschreckung und Einschüchterung eingesetzt.
Extralegale Tötungen werden im Zusammenhang mit dem staatlichen Vorgehen gegen Islamisten verübt. Nach offiziellen Darstellungen handelt es sich um gerechtfertigte Tötungen, z. B. im Zusammenhang mit Widerstand bei der Festnahme oder der Verhinderung von Terroranschlägen. Es kommt zu willkürlichen Festnahmen und erzwungenem Verschwindenlassen. Inhaftierungen durch die Sicherheitsbehörden über längere Zeiträume ohne Anklage und Information von Angehörigen und Rechtsbeiständen sind verbreitet und üblich. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 15.12.2016).
Gefangene in Gewahrsam der Sicherheitskräfte wurden verprügelt und anderweitig misshandelt. Verhörbedienstete des nationalen Geheimdienstes folterten und misshandelten zahlreiche Personen, die Opfer des Verschwindenlassens geworden waren, um "Geständnisse" zu erpressen, die später vor Gericht als Beweismittel verwendet wurden (AI 22.02.2017).
Beamte der National Security Agency folterten routinemäßig und gewaltsam Verdächtige mit wenig Konsequenzen. Viele der Gefangenen, die diese Missbräuche erlitten haben, wurden der Sympathie oder der Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft bezichtigt, die die Regierung im Jahr 2013 als eine terroristische Gruppe einstufte, aber die größte Oppositionsbewegung des Landes geblieben ist (HRW 12.01.2017).
Die Verfassung besagt, dass keine Folter, Einschüchterung, Zwang, körperlicher Schaden einer Person zugefügt werden darf, die Behörden inhaftiert oder festgenommen haben. Das Strafgesetzbuch verbietet die Folter, um ein Geständnis von einem festgenommenen oder inhaftierten Verdächtigen zu erlangen (USDOS 03.03.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
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AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/334703/476536_de.html, Zugriff 26.04.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
7. Korruption
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Regierung setzte das Gesetz nicht konsequent um. Die Korruptionsbehörde der Regierung (CAA) legte dem Präsidenten und dem Premierminister Berichte vor, die der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung standen (USDOS 03.03.2017).
Laut Corruption Perceptions Index 2016 befindet sich Ägypten auf Platz 108 von 176 Ländern (TI 25.01.2017)
Quellen:
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
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TI - Transparency International (25.01.2017): Corruption Perceptions Index 2016,
https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016#table, Zugriff 27.04.2017
8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Ausländische Finanzierung ("Foreign Funding") von NGOs wird mit empfindlichen Geldstrafen belegt (AA 15.12.2016).
Das Parlament und die Behörden haben beispiellose Schritte unternommen, um die unabhängige Menschenrechtsarbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu beschränken und ihre Existenz zu bedrohen (HRW 12.01.2017).
Die Regierung setzte ihre unkooperative Haltung gegenüber internationalen und lokalen Menschenrechtsorganisationen fort. Der "National Council on Human Rights" (NCHR) überwachte den staatlichen Missbrauch von Menschenrechten und übermittelte Bürgerbeschwerden der Regierung. Eine Reihe von namhaften Menschenrechtsaktivisten ist im Vorstand der Organisation, obwohl einige Beobachter behaupteten, dass die Wirksamkeit des Vorstands manchmal begrenzt sei, weil es an ausreichenden Mitteln fehlte und die Regierung selten auf ihre Erkenntnisse einging (USDOS 03.03.2017).
Menschenrechtsorganisationen sind in Ägypten derzeit in bisher ungekanntem Ausmaß Ziel von Repressionen wie Kontosperrungen, Ausreiseverboten und Ermittlungen geworden. Ein 2015 beschlossenes Antiterrorgesetz stellt unter anderem "schädliche Handlungen gegen das nationale Interesse oder zur Destabilisierung des allgemeinen Friedens, der Unabhängigkeit oder der Einheit Ägyptens" unter hohe Strafen bis hin zu lebenslänglicher Haft. Ein restriktives Gesetz, zu dem derzeit eine Novelle erarbeitet wird, erschwert in- und ausländischen Nichtregierungsorganisationen die Arbeit. (AA 02.2017a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
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AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/334703/476536_de.html, Zugriff 26.04.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
9. Ombudsmann
Das Strafgesetzbuch sorgt für einen vernünftigen Zugang zu Gefangenen. Es gab keinen offiziellen Ombudsmann für Gefangene (USDOS 03.03.2017)
Quellen:
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
10. Wehrdienst und Rekrutierungen
Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen orientiert ist. Die Art und Weise des Einsatzes von Wehrpflichtigen folgt allerdings nach Kriterien der sozialen Zugehörigkeit. So werden wehrpflichtige Angehörige niedriger, insbesondere ländlicher, Bevölkerungsschichten häufig für (bereitschafts-)polizeiliche Aufgaben unter harten Bedingungen eingesetzt. Die Möglichkeit des Ersatzdienstes besteht nicht. Vom Bestehen inoffizieller Möglichkeiten des "Freikaufs" ist auszugehen. Amnestien im Bereich des Wehrdienstes sind nicht bekannt. Wehrdienstverweigerung wird mit Haftstrafen von im Normalfall bis zu zwei Jahren in Verbindung mit dem Entzug politischer Rechte und der Verpflichtung, den Wehrdienst nachträglich abzuleisten, bestraft (AA 15.12.2016).
Männer, die den Wehrdienst nicht abgeschlossen haben, dürfen nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Identifikationskarten indizieren den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 03.03.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017