TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/30 I409 2217669-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.07.2019

Norm

AVG §57 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46a Abs1
FPG §57
FPG §57 Abs1
FPG §57 Abs2
FPG §57 Abs6
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I409 2217669-1/3E

I409 2212485-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerden 1. der XXXX, geboren am XXXX, und 2. des XXXX, geboren am XXXX, jeweils Staatsangehörigkeit Nigeria, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 9. April 2019, Zlen. "1098783106-190223176/BMI-BFA_NOE_RD" und "1210488708-190228232/BMI-BFA_NOE_RD", vertreten durch den "MigrantInnenverein St. Marx" in 1090 Wien, Pulverturmgasse 4/2/R01, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Erstbeschwerdeführerin reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 13. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Es wurde ein Konsultationsverfahren mit Frankreich eingeleitet, wobei Frankreich der Übernahme des Verfahrens mit Schreiben vom 29. Dezember 2015 zustimmte.

Aufgrund dessen wurde der Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 2016 "gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" wegen der Zuständigkeit Frankreichs als unzulässig zurückgewiesen. Zudem wurde eine Außerlandesbringung gemäß "§ 61 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" angeordnet.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. März 2016 als unbegründet abgewiesen.

Von 19. Februar 2016 bis zum 3. November 2016 war die Erstbeschwerdeführerin nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet. Eine Überstellung nach Frankreich erfolgte nicht.

Nach Ablauf der Überstellungsfrist brachte die Erstbeschwerdeführerin am 3. April 2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ein.

Am 23. Oktober 2018 wurde für den am XXXX nachgeborenen Sohn der Erstbeschwerdeführerin, also für den Zweitbeschwerdeführer, ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

Mit Bescheiden der belangten Behörde jeweils vom 7. November 2018 wurden die Asylanträge der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Zudem wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist und ihnen eine Frist für eine freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Gegen diese Bescheide wurden Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Februar 2019 wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Die Frist für eine freiwillige Ausreise aus dem Bundesgebiet endete am 11. März 2019. Die Beschwerdeführer kamen ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieben rechtswidrig im Bundesgebiet.

Mit Mandatsbescheiden der belangten Behörde vom 7. März 2019 wurde den Beschwerdeführern "gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG" binnen drei Tagen aufgetragen, bis zu ihrer Ausreise durchgängig in einer näher genannten Bundesbetreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen.

Gegen diese Mandatsbescheide erhoben die Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Vorstellung.

Am 25. März 2019 führte die Erstbeschwerdeführerin ein Rückkehrberatungsgespräch mit dem "Verein Menschenrechte Österreich", in dessen Rahmen sie erklärte, nicht willig zu sein, der gegen sie und den Zweitbeschwerdeführer erlassenen Rückkehrentscheidung Folge zu leisten und in ihr Herkunftsland zurückzukehren.

Mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde jeweils vom 9. April 2019 wurde den Beschwerdeführern gemäß "§ 57 FPG" aufgetragen, unverzüglich und bis zur Ausreise durchgängig in einer näher bezeichneten Bundesbetreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt I). Darüber hinaus wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Bescheide gemäß "§ 13 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF" ausgeschlossen (Spruchpunkt II).

Gegen die angefochtenen Bescheide wurde mit undatiertem Schriftsatz Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

A) 1. Feststellungen

Die Erstbeschwerdeführerin ist volljährig, ledig und die Erziehungsberechtigte des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Nigeria.

Nachdem der Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin in Österreich aufgrund der Zuständigkeit Frankreichs zur Führung des Verfahrens mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. März 2016 im Beschwerdewege als unzulässig zurückgewiesen worden war, entzog sie sich einer Überstellung nach Frankreich, indem sie untertauchte.

Die gegen die Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung erwuchs am 25. Februar 2019 in Rechtskraft. Die Frist für eine freiwillige Ausreise aus dem Bundesgebiet endete am 11. März 2019. Seitdem sind die Beschwerdeführer ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.

Im Rahmen eines Rückkehrberatungsgespräch mit dem "Verein Menschenrechte Österreich" am 25. März 2019 erklärte die Erstbeschwerdeführerin, nicht rückkehrwillig zu sein.

A) 2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

A) 3. Rechtliche Beurteilung

A) 3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

1. § 46a Abs. 1 und § 57 Abs. 1, 2 und 6 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

"Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) ...

Wohnsitzauflage

§ 57 (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) ...

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

2. § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, lautet:

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 13 (1) ...

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug

des angefochtenen Bescheides ... wegen Gefahr im Verzug dringend

geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) ...".

A) 3.2. Zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide:

A) 3.2.1. Zur Wohnsitzauflage (Spruchpunkte I der angefochtenen Bescheide):

Der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ist im vorliegenden Fall nicht gemäß § 46a Fremdenpolizeigesetz 2005 geduldet, da keine der in Z 1 bis 4 leg. cit. normierten Voraussetzungen vorliegt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Februar 2019 wurde die gegen die Beschwerdeführer erlassenen Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 bestätigt, wobei ihnen gemäß § 55 leg. cit. eine Frist für eine freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung gewährt worden war.

Diese Frist endete mit dem 11. März 2019; die Beschwerdeführer ließen die Frist für die freiwillige Ausreise ungenützt verstreichen und kamen ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach. Überdies erklärte die Erstbeschwerdeführerin im Rahmen eines Rückkehrberatungsgespräches mit dem "Verein Menschenrechte Österreich" am 25. März 2019 ausdrücklich, nicht willig zu sein, der gegen sie und den Zweitbeschwerdeführer erlassenen Rückkehrentscheidung Folge zu leisten und in ihr Herkunftsland zurückzukehren.

Dazu kommt, dass sich die Erstbeschwerdeführerin nach der rechtskräftigen Zurückweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz einer Überstellung nach Frankreich durch Abtauchen in die Anonymität entzog. Insoweit verfängt das Beschwerdevorbringen nicht, wonach die Erstbeschwerdeführerin "jederzeit" für die Behörden erreichbar gewesen und es "ausgeschlossen" sei, dass sie "untertauchen könnte oder flüchten würde".

Aufgrund der gerechtfertigten Annahme, dass die Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ihrer Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen werden, ist der Tatbestand des § 57 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erfüllt, sodass die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen waren.

A) 3.2.2. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkte II der angefochtenen Bescheide):

Mit Spruchpunkt II der angefochtenen Bescheide wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Bescheide "aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses am sofortigen Vollzug des Bescheides" ausgeschlossen.

Dass die Voraussetzung des § 13 Abs. 2 VwGVG im vorliegenden Beschwerdefall erfüllt ist, wird in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Da die Beschwerdeführer offensichtlich nicht ausreisewillig sind und damit nach der Erlassung einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung gegen sie den Ausreisebefehl nicht befolgten und unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben, kann der Annahme der belangten Behörde, dass die Vorbereitung ihrer Außerlandesbringung zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens wegen Gefahr in Verzug dringend geboten ist, nicht entgegengetreten werden. Schließlich ist aus dem Erstverfahren die Neigung der Erstbeschwerdeführerin, sich dem Zugriff der Behörden durch Untertauchen zu entziehen, aktenkundig.

Es lag für die belangte Behörde somit - vor dem Hintergrund der unter A) 1. getroffenen Feststellungen - auch kein Grund vor, im Rahmen der Ermessensübung vom Ausschluss der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen, sodass die Beschwerden auch hinsichtlich der Spruchpunkte II der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen waren.

A) 4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist der Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-Verfahrensgesetz aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung daher unterbleiben konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Ausreiseverpflichtung, Duldung, Ermessen, öffentliche Interessen,
Rückkehrentscheidung, Unterkunft, Untertauchen, Vorstellung,
Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I409.2217669.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten