TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/7 I421 2192102-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2019
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Entscheidungsdatum

07.08.2019

Norm

AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §57 Abs1
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I421 2192102-3/3E

I421 2192103-3/3E

I421 2192104-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin Steinlechner als Einzelrichter über die Beschwerden

1. des Erstbeschwerdeführers XXXX (alias XXXX), geb. XXXX,

2. der Zweitbeschwerdeführerin XXXX (alias XXXX), geb. XXXX, und

3. des mj. Drittbeschwerdeführers XXXX (alias XXXX), geb. XXXX, der Drittbeschwerdeführer vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin,

alle StA. Ägypten, alle vertreten durch RA Mag. Nikolaus RAST, Schottengasse 10/IV, 1010 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2019, Zlen. 651720305/180677196, 639770100/180677226, 639770209/180677242, zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und die angefochtenen Bescheide werden behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Ägyptens. Die Zweitbeschwerdeführerin und der mj. Drittbeschwerdeführer reisten erstmalig am 18.08.2013 mit Touristenvisum in das österreichische Bundesgebiet ein, waren bis 02.09.2013 im Bundesgebiet aufhältig und kehrten anschließend wieder nach Ägypten zurück. Der Erstbeschwerdeführer reiste erstmalig am 24.12.2013 mit Touristenvisum in das österreichische Bundesgebiet ein, war bis 07.01.2014 im Bundesgebiet aufhältig und kehrte anschließend wieder nach Ägypten zurück.

2. Am 01.06.2015 reisten die Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Flugzeug legal in das Bundesgebiet ein und stellten am 05.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu ihren Fluchtgründen gaben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin - auf das Wesentlichste zusammengefasst - an, in Ägypten als Christen von islamischen Extremisten verfolgt worden zu sein. Zum mj. Drittbeschwerdeführer gab die Zweitbeschwerdeführerin als dessen gesetzliche Vertreterin an, dass dieser keine eigenen Fluchtgründe habe.

Zu seinem Gesundheitszustand gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er zuckerkrank sei und einen Nierenstein habe. Er nehme eine halbe Tablette für den Zucker und sie würden abwarten, ob der Stein auf natürlichem Wege ausgeschieden werde. Die Zweitbeschwerdeführerin erklärte zu ihrem Gesundheitszustand, dass sie im Februar oder März eine Augenoperation gehabt habe. Außerdem habe sie einen Virus bei den Mandeln gehabt. Sie sei kurzsichtig, habe Probleme mit dem Augendruck und werde wegen einem "Glukoma" (gemeint wohl: Glaukom) im Oktober noch einmal operiert. Zum mj. Drittbeschwerdeführer gab die Zweitbeschwerdeführerin als dessen gesetzliche Vertreterin an, dass es ihm gut gehe.

3. Mit Bescheiden vom 10.03.2018, Zlen. 651720305/150620715, 639770100/150620702, 639770209/150620931, wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Zugleich wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen die Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Ägypten zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wird darin ausgeführt, dass den Angaben der Erst- und Zweitbeschwerdeführer wegen widersprüchlicher, unplausibler und vager Ausführungen die Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen sei.

Eine der Rückkehr entgegenstehende Integration der Beschwerdeführer könne ebenso wenig erkannt werden, wie der Rückkehr entgegenstehende Erkrankungen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin würden die deutsche Sprache nur auf niedrigem Niveau beherrschen, in Österreich keine Kurse bzw. Schulen besuchen und sie seien nicht in Vereinen aktiv. Es bestehen keine weiteren besonderen sozialen Kontakte, die sie an Österreich bänden. Der Drittbeschwerdeführer spreche kein Deutsch. Er habe keine sonstigen privaten Bindungen in Österreich.

4. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in welcher diese ihrem vollen Umfang nach wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurden. Mit der Beschwerde legten die Beschwerdeführer medizinische Unterlagen, eine Bestätigung der koptisch-orthodoxen Kirche und eine Schulbesuchsbestätigung des Drittbeschwerdeführers vor.

5. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2018, Zlen. I416 2192102-1/5E, I416 2192103-1/5E und I416 2192104-1/5E, wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung in Ägypten nicht glaubhaft machen können haben. Auch im Hinblick auf Art 3 EMRK sei nicht erkennbar, dass die Rückführung der Beschwerdeführer nach Ägypten zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und sie bei ihrer Rückkehr in eine Situation geraten würden, die eine Verletzung von Art 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihnen jedwede Lebensgrundlage fehlen würde.

Beim mj. Drittbeschwerdeführer handle es sich um ein gesundes achtjähriges Kind. Hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin seien keine Krankheiten vorgebracht worden, die in Ägypten nicht behandelbar wären und die nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten eine Überstellung nach Ägypten verbieten würden.

Was das Privat- und Familienleben betreffe, seien die Beschwerdeführer als Kernfamilie in demselben Umfang von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen. Zu dem in Österreich lebenden Bruder der Zweitbeschwerdeführerin bestehe kein Familienleben im Sinne der Judikatur des VwGH. Die Beschwerdeführer hielten sich seit insgesamt etwas mehr als drei Jahren im Bundesgebiet auf und hätten zu keinem Zeitpunkt über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden in ihren Asylverfahren verfügt.

Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht einen maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätten. Unterlagen, die eine verfestigte Integration belegen würden, seien nicht vorgelegt worden. Es werde dabei nicht verkannt, dass der Erstbeschwerdeführer eine Anmeldebestätigung zu einem Deutschkurs A1/A1+ vorgelegt habe. Mangels vorgelegter Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen oder Prüfungsbestätigungen haben maßgebliche Deutschkenntnisse der Beschwerdeführer aber nicht festgestellt werden können. Die Beschwerdeführer befinden sich erst seit kurzer Zeit im Bundesgebiet, seien nicht in Vereinen aktiv, gehen keiner Erwerbstätigkeit nach und beziehen Leistungen der Grundversorgung. Der mj. Drittbeschwerdeführer habe zwar die Vorschule besucht und gehe nun in die erste Klasse einer österreichischen Schule, weshalb dahingehend von integrationsbegründenden Schritten gesprochen werden könne. Der erkennende Richter verkenne aber auch nicht, dass dieser Schulbesuch der allgemeinen Schulpflicht in Österreich geschuldet sei und dass er bisher sowohl in seinem Herkunftsstaat, also auch in Österreich von seinen Eltern betreut und in seiner Muttersprache Arabisch erzogen worden sei. Er habe seine Sozialisation altersbedingt bisher hauptsächlich im Rahmen seiner Familie erfahren, wo ihm auch die ägyptische Kultur vermittelt worden sei. Weiters befinde er sich in einem mit hoher Anpassungsfähigkeit verbundenen Alter, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass seine Rückkehr zu seinem Leben im Herkunftsstaat für ihn mit unzumutbaren Härten verbunden wäre, zumal er den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht habe und mit den kulturellen und sprachlichen Gegebenheiten in der Republik Ägypten vertraut sei. Seine Muttersprache sei nicht Deutsch und eine Rückkehr zu jenen Lebensverhältnissen, in denen der Drittbeschwerdeführer auch schon vor seiner Ausreise mit seinen Eltern gelebt habe, sei ihm zumutbar. Die Beschwerdeführer würden weiterhin über starke Bindungen zum Herkunftsstaat verfügen, so würde der überwiegende Teil der weiteren Familienangehörigen der Beschwerdeführer weiterhin in Ägypten bzw. außerhalb Österreichs leben. Das Bundesverwaltungsgericht vermöge somit keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat zu erkennen.

Die gegen diese Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.10.2018, Zl. Ra 2018/14/0129 bis 0131-4 zurückgewiesen.

6. Am 15.03.2019 stellten die Beschwerdeführer die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" gemäß § 55 AsylG.

Im Zuge der Antragstellung wurden seitens der Beschwerdeführer folgende Unterlagen vorgelegt: ein Auszug aus dem Geburtseintrag betreffend den Drittbeschwerdeführer samt deutscher Übersetzung, Zeitbestätigungen der Caritas betreffend Freiwilligenarbeit der Zweitbeschwerdeführerin von 13.11.2018 bis 27.11.2018 im Ausmaß von insgesamt elf Stunden, Bestätigungen des XXXX vom 26.01.2019 über ehrenamtliche Tätigkeiten des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in einem Nachbarschaftszentrum, eine Bestätigung der Koptisch-Orthodoxen Kirche vom 01.07.2017 über die Mitgliedschaft der Beschwerdeführer, Bestätigungen der Stadt Wien über die Teilnahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin an 5 Integrationsmodulen im Rahmen von Start Wien und des EU Projekts CORE - Integration im Zentrum, Terminbestätigungen des Ute Bock Bildungszentrums für eine Deutschkurs-Einstufung des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin am 21.03.2019, Ein Unterstützungsschreiben der Direktorin der Volksschule XXXX betreffend den Drittbeschwerdeführer, Bestätigungen über positiv absolvierte ÖSD Integrationsprüfungen des Erstbeschwerdeführers für das Sprachniveau A1 und der Zweitbeschwerdeführerin bis zum Sprachniveau A2, ein klinisch-psychologischer Befund des Ambulatoriums für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen - XXXX vom 06.20.2019 betreffend den Drittbeschwerdeführer, eine Ambulanzkarte des Ambulatoriums für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen - XXXX für den Drittbeschwerdeführer, ein Unterstützungsschreiben der Volksschullehrerin des Drittbeschwerdeführers, eine Schulnachricht für die zweite Schulstufe betreffend den Drittbeschwerdeführer, eine Bestätigung über den Schulbesuch des Drittbeschwerdeführers der zweiten Schulklasse im Jahr 2018/2019, ein auf den Erstbeschwerdeführer lautender Mietvertrag, sowie ein mit der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung aufschiebend bedingter Dienstvertrag des Erstbeschwerdeführers. Den Anträgen beigelegt war eine schriftliche Begründung.

7. Am 23.04.2019 ergingen seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Mandatsbescheide. In diesen wurde die Verpflichtung ausgesprochen, sich binnen dreier Tage in der Betreuungseinrichtung XXXX, einzufinden und dort bis zur Ausreise durchgängig Unterkunft zu nehmen. Dieser bescheidmäßig auferlegten Verpflichtung kamen die Beschwerdeführer nicht nach und erhoben dagegen, vertreten durch RA Mag. Wissam Barbar, 1110 Wien, am 08.05.2019 das Rechtsmittel der Vorstellung.

8. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2019, Zlen. 651720305/190270875, 639770100/190265430, 639770209/190265421, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK vom 15.03.2019 gemäß § 58 Abs 10 AsylG 2005 zurückgewiesen. Eine neuerliche Rückkehrentscheidung wurde nicht erlassen, mit der (aktenwidrigen) Begründung, dass gegen die Beschwerdeführer eine aufrechte, mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung vorliege.

Begründend wurde zusammengefasst insbesondere festgehalten, dass die Anträge der Beschwerdeführer nach § 55 AsylG gemäß § 58 Abs 10 AsylG als unzulässig zurückzuweisen seien, da aus dem Antragsvorbringen ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art 8 EMRK erforderlich mache, nicht hervorgehe. Zwischen der seinerzeitigen Erlassung der Rückkehrentscheidungen und den verfahrensgegenständlichen Bescheiden liege nur ein kurzer Zeitraum, sodass sich der Inlandsaufenthalt nicht wesentlich verlängert habe. Die Beschwerdeführer hätten diese Zeitspanne nicht für eine Integration genützt, sowohl ihre Sprachkenntnisse, als auch die Umstände ihrer Lebensführung seien unverändert. Die belangte Behörde verkenne nicht, dass während des Aufenthaltes der Beschwerdeführer eine gewisse Integration stattgefunden habe, jedoch habe diese keine maßgebliche Sachverhaltsänderung herbeigerufen.

9. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer, vertreten durch RA Mag. Nikolaus RAST, Schottengasse 10/IV, 1010 Wien, fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde liege eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes vor, sodass eine Zurückweisung der Anträge zu Unrecht erfolgt sei. Von entscheidender Bedeutung sei, dass der Drittbeschwerdeführer sich in psychiatrischer Behandlung befinde. Er leide an einem Trauma und seien weitere Behandlungen notwendig. Dieser Umstand habe in der Entscheidungsfindung keine Berücksichtigung gefunden, obwohl dies der belangten Behörde bekannt sei. Der Beschwerde beigelegt war ein Klinisch-Psychologischer Befund des Ambulatoriums für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen betreffend den Drittbeschwerdeführer vom 06.02.2019. Es wurden die Anträge gestellt, die Bescheide zur Gänze aufzuheben und den Beschwerdeführern einen Aufenthaltstitel (Aufenthaltsberechtigung Plus) zu erteilen, in eventu die Bescheide aufzuheben und zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückzuverweisen und festzustellen, dass die Abschiebung nach Ägypten auf Dauer unzulässig sei.

10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1.7.2019, zu GZ I416 21920102-2, 2192103-2 und 2192104-2, wurde den Beschwerden stattgegeben und die angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben. Das Bundesverwaltungsgericht ging in diesem Erkenntnis davon aus, dass entgegen der Ansicht der Verwaltungsbehörde ein maßgeblich geänderter Sachverhalt vorliegt, der eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art 8 EMRK erforderlich macht.

11. Mit den hier verfahrensgegenständlichen angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2019, Zlen. 651720305/180677196, 639770100/180677226, 639770209/180677242 wurde den Beschwerdeführern gem. § 57 Abs 1 FPG aufgetragen bis zu ihrer Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung BS XXXX zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Bescheide wurde gem. § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II).

Jeweils auf Seite 3 der bekämpften Bescheide, unter C) Feststellungen, hat die belangte Behörde nachfolgend wiedergegebene Feststellungen getroffen.

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12. Die fristgerechten Beschwerden und Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 02.08.2019 vorgelegt und langten in der Außenstelle Innsbruck am 05.08.2019 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Ägypten und somit Drittstaatsangehörige Im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie sind keine begünstigten Drittstaatsangehörigen und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet, der mj. Drittbeschwerdeführer ist ihr Sohn.

Die Identität der Beschwerdeführer steht fest.

Die Beschwerdeführer reisten im Juni 2015 legal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 05.06.2015 Anträge auf internationalen Schutz, wobei diese mit Bescheiden der belangten Behörde vom 10.03.2018 als unbegründet abgewiesen wurden, ebenso wie die in der Folge dagegen erhobenen Beschwerden, mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2018.

Die Beschwerdeführer kamen trotz der aufrechten Rückkehrentscheidungen (Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2018, Zl. I416 2192102-1/5E, I416 2192103-1/5E, I416 2192104-1/5E, rechtskräftig seit 17.07.2018) ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht freiwillig nach, sondern halten sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Am 15.03.2019 stellten die Beschwerdeführer die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" gemäß § 55 AsylG.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind weitgehend gesund. Beim Drittbeschwerdeführer wurde am 06.02.2019 vom Ambulatorium für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen - XXXX eine posttraumatische Belastungsstörung (Diagnose nach ICD-10: F43.1) sowie eine nichtorganische Enuresis (Diagnose nach ICD-10: F98.0) diagnostiziert. Diese Erkrankung wurde im Vorverfahren bei der Beurteilung, ob eine Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte des Drittbeschwerdeführers darstellt, nicht berücksichtigt.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind strafgerichtlich unbescholten.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer im Verfahren über die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK Umstände geltend gemacht haben, denen zufolge sich diese seit rechtskräftigem Abschluss ihrer Asylanträge im Juli 2018 weiter integriert haben.

Der Erstbeschwerdeführer hat am 12.12.2018 ÖSD Integrationsprüfung Niveau A1 positiv absolviert, die Zweitbeschwerdeführerin hat am 02.11.2018 die ÖSD Integrationsprüfung Niveau A1 und am 17.01.2019 sowie am 09.02.2019 die ÖSD Integrationsprüfung Niveau A2 bestanden. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben sich ab November 2018 ehrenamtlich für die Caritas sowie in einem Nachbarschaftszentrum des XXXX betätigt und an 5 Integrationsmodulen im Rahmen von Start Wien und des EU Projekts CORE - Integration im Zentrum teilgenommen. Der Erstbeschwerdeführer hat am 07.08.2018 einen Mietvertrag abgeschlossen und kann einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag vom 26.02.2019, aufschiebend bedingt mit der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung, vorweisen. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer besucht die zweite Klasse der Volksschule XXXX, spricht akzentfreies Deutsch und zeichnet sich als sehr guter Schüler aus (Akten Bundesverwaltungsgericht GZ I416 21920102-2, 2192103-2 und 2192104-2).

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben der Beschwerdeführer vor dieser, in die bekämpften Bescheide und in den Beschwerdeschriftsatz. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Strafregister, dem Schengener Informationssystem und dem Betreuungsinformationssystem wurden ergänzend eingeholt.

2.2. Zu den Personen der Beschwerdeführer

Die Identität und die Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführer stehen aufgrund der bereits im Zuge des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens vorgelegten Reisepässe fest. Die Familienzusammengehörigkeit der Beschwerdeführer wurde bereits im Asylverfahren rechtskräftig festgestellt.

Die Feststellung zu ihren negativ entschiedenen Anträgen auf internationalen Schutz ergibt sich unstrittig aus den Verwaltungsakten sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zu I416 2192102-1, I416 2192103-1 und I416 2192104-1.

Die Feststellung zur Unrechtmäßigkeit des derzeitigen Aufenthalts der Beschwerdeführer im Bundesgebiet beruht darauf, dass diesem - abgesehen von dem vorläufigen Aufenthaltsrecht während der Verfahren über ihre letztlich unbegründeten Anträge auf internationalen Schutz - im Bundesgebiet nie ein Aufenthaltsrecht zugekommen war und sich vor dem Hintergrund des § 58 Abs. 13 AsylG 2005 und des § 16 Abs. 5 BFA-VG weder aus der Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels noch aus der Beschwerdeerhebung ein Aufenthalts- oder Bleiberecht für die Beschwerdeführer in Österreich ableiten lässt.

Dass gegen die Beschwerdeführer eine aufrechte Rückkehrentscheidung (jedoch nicht, wie von der belangten Behörde aktenwidrig festgestellt in Verbindung mit einem Einreiseverbot) besteht, ergibt sich aus der Rechtskraft der Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2018, Zl. I416 2192102-1/5E, I416 2192103-1/5E, I416 2192104-1/5E; dieser Umstand blieb auch von den Beschwerdeführern unbestritten.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer beruhen auf deren Angaben im Verfahren und den vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem vorgelegten, den Drittbeschwerdeführer betreffenden klinisch-psychologischen Befund des Ambulatoriums für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen - XXXX vom 06.02.2019. Aus den Verwaltungsakten und den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2018, Zl. I416 2192104-1/5E ergibt sich die Feststellung, dass die nun geltend gemachte Erkrankung des Drittbeschwerdeführers nicht in die Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK miteinbezogen wurde.

Dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin strafgerichtlich unbescholten sind, geht aus den eingeholten im Akt befindlichen aktuellen Strafregisterauszügen hervor.

Die Feststellung zu den seit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens vorgenommenen integrativen Schritten der Beschwerdeführer ergibt sich aus dem, den Unterlagen in den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu GZ I416 21920102-2, 2192103-2 und 2192104-2, und zwar: Zeitbestätigungen der Caritas betreffend Freiwilligenarbeit der Zweitbeschwerdeführerin von 13.11.2018 bis 27.11.2018 im Ausmaß von insgesamt elf Stunden, Bestätigungen des XXXX vom 26.01.2019 über ehrenamtliche Tätigkeiten des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in einem Nachbarschaftszentrum, eine Bestätigung der Koptisch-Orthodoxen Kirche vom 01.07.2017 über die Mitgliedschaft der Beschwerdeführer, Bestätigungen der Stadt Wien über die Teilnahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin an 5 Integrationsmodulen im Rahmen von Start Wien und des EU Projekts CORE - Integration im Zentrum, Terminbestätigungen des Ute Bock Bildungszentrums für eine Deutschkurs-Einstufung des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin am 21.03.2019,

Ein Unterstützungsschreiben der Direktorin der Volksschule XXXX betreffend den Drittbeschwerdeführer, Bestätigungen über positiv absolvierte ÖSD Integrationsprüfungen des Erstbeschwerdeführers für das Sprachniveau A1 und der Zweitbeschwerdeführerin bis zum Sprachniveau A2, ein Unterstützungsschreiben der Volksschullehrerin des Drittbeschwerdeführers, eine Schulnachricht für die zweite Schulstufe betreffend den Drittbeschwerdeführer, eine Bestätigung über den Schulbesuch des Drittbeschwerdeführers der zweiten Schulklasse im Jahr 2018/2019, ein auf den Erstbeschwerdeführer lautender Mietvertrag, sowie ein mit der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung aufschiebend bedingter Dienstvertrag des Erstbeschwerdeführers

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A)

Die wesentliche Bestimmung zur Wohnsitzauflage ist § 57 FPG und lautet wie folgt:

Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Anordnung zur Außerlandesbringung rechtskräftig erlassen wurde, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige der Ausreise nicht nachkommen wird. Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob

1. der Drittstaatsangehörige die Durchführung einer Anordnung zur Außerlandesbringung bereits vereitelt hat,

2. die Überstellungsfrist aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen verlängert werden musste,

3. der Drittstaatsangehörige während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist oder

4. der Drittstaatsangehörige im Asylverfahren über seine Identität, seinen Herkunftsstaat oder seine Reiseroute getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Ebenso kommt Normen, die ein geordnetes Fremdenwesen betreffend Einreise und Aufenthalt von Fremden regeln, ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192).

Nichts anders kann bezüglich der Ausreise nicht aufenthaltsberechtigter Fremder gelten.

Aus den erläuternden Bemerkungen zur Wohnsitzauflage nach § 57 FPG ergibt sich, dass hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet, sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist.

Wie sich aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffen § 57 FPG ergibt, ist bei der Erlassung einer Wohnsitzauflage auf die konkreten Umstände des Einzelfalls einzugehen und insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen.

Dies hat die belangte Behörde in den entscheidungsgegenständlichen Verfahren unterlassen.

Dort wird jeweils auf Seite 5 der Bescheide ausgeführt wie folgt:

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Die Beschwerdeführer haben ihren Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 AsylG 2005 zahlreiche, ihr Privatleben betreffende Unterlagen in Vorlage gebracht und damit aufgezeigt, dass sie Schritte gesetzt haben, um ihre Integration zu verbessern. Zudem wurden Beweismittel vorgelegt, denen zufolge der Drittbeschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung F43.1 und an einer nichtorganischen Enuresis F98.0 leide und die drohende Abschiebung nun zu einer Retraumatisierung führe, weshalb eine Krisenintervention dringend angeraten sei. Diese Beweismittel hätte die belangte Behörde auch im gegenständlichen Verfahren würdigen und in die nach Art. 8 EMRK vorzunehmenden Interessensabwägung einfließen lasse müssen.

Entgegen der oben wiedergegebenen Ansicht der Verwaltungsbehörde liegt somit ein maßgeblich geänderter und bekanntgewordener Sachverhalt vor, der bei der Interessensabwägung gem. Art 8 EMRK zu berücksichtigen ist, wie dies das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis zu GZ I416 21920102-2, 2192103-2 und 2192104-2 ausgesprochen hat.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts stellt die gegenständliche Verhängung einer Wohnsitzauflage im Sinne des § 57 FPG, die mit einem Ortswechsel von Wien nach Tirol verbunden ist, in Hinblick auf den festgestellten Gesundheitszustand des minderjährigen BF3 einen unverhältnismäßiger Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer dar, zumal eine Verbringung des minderjährigen BF3 aus seiner gewohnten Wohnumgebung und psychologischen Betreuung dem Kindeswohl abträglich ist. Es überwiegt somit im Entscheidungszeitpunkt das beschwerdeseitige Interesse am Verbleib an der derzeitigen Wohnadresse der Beschwerdeführer in Wien jenem öffentlichen Interesse an einer Wohnsitznahme der Beschwerdeführer in der oben angeführten Betreuungseinrichtung in Tirol.

Der Vollständigkeithalber sei auch darauf hingewiesen, dass die in den bekämpften Bescheiden, in diesem Erkenntnis aus Seite 8 oben wörtlich wiedergegebenen, von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen widersprüchlich sind, zumal jemanden der "Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen" kann, schwerlich vorgehalten werden kann, die Ausreise aus Österreich bis dato verweigert zu haben.

Den gegenständlichen Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide war daher stattzugeben und die Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht aber bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 22.11.2006, Zl. 2005/20/0406 und viele andere).

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl Nr 10/1985 in der Fassung BGBl I Nr 58/2018 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die relevante Rechtsprechung in der rechtlichen Beurteilung zitiert und es ist weder zu sehen, dass die gegenständlichen Entscheidungen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichen, es an einer solchen Rechtsprechung fehlt oder die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen ist. Die Revision ist daher unzulässig. Hinzuweisen ist speziell auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, welche zur neuen Rechtslage erging.

Schlagworte

Änderung maßgeblicher Umstände, Aufenthaltstitel aus Gründen des
Art. 8 EMRK, aufrechte Rückkehrentscheidung, aufschiebende Wirkung -
Entfall, Behebung der Entscheidung, Familienverfahren, geänderte
Verhältnisse, Gefährdung der Sicherheit, Integration,
Interessenabwägung, öffentliche Interessen, öffentliche Ordnung,
öffentliche Sicherheit, Privat- und Familienleben, private
Interessen, Unterkunft, Verhältnismäßigkeit, wesentliche
Sachverhaltsänderung, Wohnsitzauflage, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I421.2192102.3.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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