Entscheidungsdatum
21.08.2019Norm
BörseG 1989 §48 Abs1 Z2Spruch
W148 2196914-1/9E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES
AM 08.04.2019
MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Stefan KEZNICKL als Vorsitzenden und die Richterin MMag. Dr. Esther SCHNEIDER sowie den Richter Mag. Philipp CEDE, LL.M., als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , vom 07.05.2018, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH, Schottenring 4, 1010 Wien, gegen das Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 05.04.2018 zu GZ. FMA- XXXX in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Börsegesetz zu Recht erkannt:
A)
In Stattgebung der Beschwerde wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gem. § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Das angefochtene Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde (im Folgenden: "belangte Behörde" oder auch "FMA") vom 05.04.2018 richtete sich gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: "beschwerdeführende Partei" und auch "BF") und die haftungspflichtige Gesellschaft ("haftungspflichtige Gesellschaft") und enthielt folgenden Spruch:
"Sehr geehrter Herr [...]!
Sie sind seit XXXX im Vorstand der XXXX AG, FN XXXX mit Sitz in XXXX , XXXX . Die Aktie der XXXX AG notiert und notierte jedenfalls im Jahr 2016 unter der ISIN XXXX im Amtlichen Handel im Marktsegment Prime Market der Wiener Börse AG.
Sie haben es als zur Vertretung nach Außen Berufener (§ 9 Abs. 1 VStG) zu verantworten, dass es die XXXX AG unterlassen hat, eine sie unmittelbar betreffende Insider-Information, nämlich den Vorschlag des Vorstandes an Hauptversammlung und Aufsichtsrat, einer Dividende von insgesamt EUR 1,50, unverzüglich, sohin noch am 11.04.2016 gemäß § 48d Abs. 1 BörseG der Öffentlichkeit bekannt zu geben.
Bei dieser Information handelte es sich um eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt die XXXX AG betraf und die, wenn sie öffentlich bekannt geworden wäre, geeignet gewesen wäre, den Kurs der Aktien der XXXX AG erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil seiner Anlageentscheidung genutzt hätte. Dies deshalb, weil ein verständiger Anleger eine Dividende in dieser Höhe nicht erwarten konnte.
Erst mit der Veröffentlichung der Ad-hoc Meldung vom 13.04.2016 um 18:00 Uhr MEZ durch die XXXX AG wurde öffentlich bekannt, dass der Vorstand der XXXX AG einen Dividendenvorschlag in dieser Höhe beschlossen hatte.
II. Die XXXX AG haftet gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über den Beschuldigten verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 48d Abs. 1 BörseG, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 68/2015 iVm
§ 48 Abs. 1 Z 2 BörseG, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 150/2015
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Freiheitsstrafe von
Gemäß §§
15.000 Euro
67 Stunden
-
§ 48 Abs. 1 Z 2 BörseG, BGBl. Nr. 555/1989 idF. BGBl. I Nr. 150/2015
Weitere
Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
--
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
* 1.500 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro);
* 0 Euro als Ersatz der Barauslagen für .
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 16.500 Euro."
2. Dagegen wurde Beschwerde, am 07.05.2018 bei der belangten Behörde eingelangt, erhoben, in der zusammengefasst vorgebracht wurde, dass in der haftungspflichtigen Gesellschaft mit Bezug zur Dividendenausschüttung für das Geschäftsjahr 2015 keine geänderte Dividendenpolitik vorgelegen habe wäre bzw. bis zum Vormittag des 13.04.2016 hinsichtlich der geplanten Sonderdividende (Scrip Dividend) noch zahlreiche faktische und Rechtsfragen ungeklärt gewesen seien, sodass erst mit der letzten Freigabe aus den Fachabteilungen (für Steuerrecht, für Konzernmanagement), die sich ihrerseits mit externen Stellen beraten hätten, eine endgültige Entscheidungsgrundlage vorgelegen sei, die dann erst dem Vorstand präsentiert worden sei.
3. Am 28.02.2019 wurde eine öffentlich mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG durchgeführt, an der der BF zu W148 2196914-1, die beiden anderen Vorstandsmitglieder, die ebenfalls als Beschuldigte bzw. Beschwerdeführer (zu W148 2196917-1 und zu W148 2196918-1) geführt werden, der Beschwerdeführervertreter, der auch die haftungspflichtige Gesellschaft vertritt, sowie informierte Vertreter der haftungspflichtigen Gesellschaft und der belangten Behörde teilgenommen haben. Die drei getrennt zu führenden Beschwerdeverfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung verbunden.
4. Am 08.04.2019 verkündete das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführervertreters, eines Vertreters der haftungspflichtigen Gesellschaft sowie informierter Vertreter der belangten Behörde mündlich das Erkenntnis.
5. Mit Schriftsatz vom 10.04.2019, eingelangt am 12.04.2019, stellte die belangte Behörde den Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt steht aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens fest:
1. Die haftungspflichtige Gesellschaft, eine börsennotierte Aktiengesellschaft, ist im Firmenbuch unter der GZ. FN XXXX eingetragen und hat ihren Sitz in XXXX , XXXX ; ihre Aktien wurden 2016 unter der ISIN XXXX im Amtlichen Handel im Marktsegment Prime Market der Wiener Börse AG gehandelt.
Die Aktionärsstruktur stellte sich im Jahr 2016 (zum 01.07.2016) wie folgt dar: XXXX % wurden von einem Syndikat gehalten, bestehend aus der XXXX -Gruppe und der XXXX -Gruppe, (im folgenden auch " XXXX -Syndikat"), dessen Bevollmächtigter der Vorstandsvorsitzende der haftungspflichtigen Gesellschaft war; weiters befanden sich XXXX% in Streubesitz, davon XXXX % XXXX -Management, XXXX % XXXX AG (eigene Aktien) und 5,9% XXXX -Gruppe.
2. Der Vorstand bestand während des Tatzeitraumes aus drei Mitgliedern, den drei Beschwerdeführern. Der BF zu W148 1296914-1 war zur Zeit der vorgeworfenen Tathandlung (11.04.2016 bis 13.04.2016) Vorsitzender des Vorstandes der haftungspflichtigen Gesellschaft. Es wird festgestellt, dass nach einer Aufgabenteilung innerhalb des Vorstandes der Finanzvorstand (Chief Financial Officer, auch "CFO"), das ist der BF zu W148 2196918-1, für Ad-hoc Meldungen nach dem BörseG primär intern zuständig war. Das dritte Mitglied des Vorstandes war für Technik zuständig (BF zu W148 2196917-1). Es hat keine satzungsmäßige Aufgabenverteilung der Vorstandsaufgaben bestanden.
3. Die haftungspflichtige Gesellschaft (Vorstand und Aufsichtsrat) hat bereits 2015 erstmals Überlegungen über die Ausschüttung einer Scrip Dividend angestellt, diese jedoch dann nicht realisiert.
Zum Vorgang der Ausschüttung einer Dividende für das Geschäftsjahr 2015 werden folgende Feststellungen getroffen:
4. Anlässlich einer Aufsichtsratssitzung am 23.02.2016 war geplant, weiterhin eine (reine) Bardividende in Höhe von 100 Eurocent auszuschütten. Damit wollte die haftungspflichtige Gesellschaft ihre bisherige Dividendenpolitik, die in einer Ausschüttungsquote zwischen 30% und 50% vom jeweiligen konsolidierten Jahresüberschuss bestand, fortsetzen. Gleichzeitig und zusätzlich wurde die Idee einer - einmaligen - zusätzlichen Sonderdividende in Form einer Scrip Dividend in Höhe von 50 Eurocent erneut aufgegriffen bzw. der Vorstand mit der Umsetzung dieses Projektes beauftragt. Der hauptsächliche Anlass für die einmalige Sonderdividende (Scrip Dividend) lag in der erfolgreichen Ausgliederung eines bestimmten Geschäftsbereiches des Konzerns, nämlich der Immobilienverwaltung. Eine ausschließliche Bardividende in Höhe von insgesamt 150 Eurocent stand für den Aufsichtsrat nicht zur Debatte, weil dies zu einer zu starken Belastung erstens des Eigenkapitals und zweitens der Liquidität geführt hätte.
5. Intern wurde vom Vorstand die Abteilung "Konzernmanagement" bzw. deren Leiter mit der Projektleitung beauftragt, unter Beiziehung der internen Steuerrechtsabteilung und anderer externer Stellen. Die Vorgaben des Aufsichtsrates bzw. des Bevollmächtigten des XXXX -Syndikats (Mehrheitsaktionär) waren, dass man sich bei der Scrip Dividend strikt an das angelsächsische Modell zu halten habe. Die Durchführung der Ausschüttung der Sonderdividende sollte mit einer - zunächst - deutschen Partner-Bank erfolgen; es war Aufgabe der internen Projektleitung mit den externen Stellen koordinierend zusammen zu arbeiten. Außerdem erfolgte eine Umfrage unter den Hauptaktionären, ob ein Interesse an einer Scrip Dividend als Sonderdividende in Höhe von 50 Eurocent bestehe. Gleichzeitig wurde ein aktienrechtliches Gutachten an eine externe Gutachterin beauftragt, weil es zahlreiche diesbezüglich offene Rechtsfragen gab.
6. Unabhängig von der Ausschüttung der Sonderdividende bestand die Politik innerhalb der haftungspflichtigen Gesellschaft (Aufsichtsrat) darin, an einer Ausschüttung einer Bardividende in Höhe von 100 Eurocent festzuhalten. Sollte sich die Ausgestaltung der Sonderdividende als Scrip Dividend als undurchführbar herausstellen, so wären wie bisher lediglich 100 Eurocent als reine Bardividende ausgeschüttet worden. Mit der Sonderdividende in Form einer Scrip Dividend sollten mehrere Parameter erzielt werden. So war diese Dividendenform nach angelsächsischen Vorbild zumindest grundsätzlich bekannt. Gleichzeitig war die haftungspflichtige Gesellschaft, wie XXXX unternehmen allgemein, eigenkapitals- und liquiditätsschwach. Weiters hatte die haftungspflichtige Gesellschaft zu dieser Zeit eigene Aktien gehalten, was eine bilanzsummenverlängernde Wirkung zur Folge hätte. Um daher die Eigenkapitalquote zu erhöhen und die Bilanzsumme zu reduzieren, sollte mit der Scrip Dividend die Möglichkeit geschaffen werden - zumindest zu einem signifikanten Teil - den Bezug einer einmaligen Sonderdividende in Form von eigenen Aktien zu ermöglichen. Dies hätte für die haftungspflichtige Gesellschaft Vorteile für die Eigenkapitalquote und die Bilanzsumme gebracht und für die Aktionäre die Erhöhung ihrer Beteiligung; dies alles unter Beibehaltung bzw. Fortsetzung der bisherigen Dividendenpolitik, nämlich einer Ausschüttungsquote zwischen 30% und 50%, was für das Jahr 2015 eine Bardividende in Höhe von 100 Eurocent (47,7% Ausschüttungsquote) bedeutet hätte.
7. Die Ausgestaltung der Ausschüttung einer Scrip Dividend stellte sich in weiterer Folge als rechtlich, faktisch sowie abwicklungstechnisch schwierig und komplex heraus; sie war bis dahin in Österreich ohne Vorbild. Ende März 2016 wurde die Zusammenarbeit mit der deutschen Partnerbank beendet, weil sich herausgestellt hatte, dass sie (abwicklungs)technisch nicht in der Lage war, das Projekt umzusetzen. Gleichzeitig wurde die Zusammenarbeit mit der XXXX Bank als neuer Partnerbank begonnen. Eine erste informelle Kontaktaufnahme erfolgte am 01.04.2016.
8. Mit 07.04.2016 hat eine Mehrheit der Hauptaktionäre eine positive Rückmeldung zur Umfrage bezüglich der Ausschüttung einer Sonderdividende als Scrip Dividend gegeben. Am 08.04.2016 hat eine erste formelle Sitzung auf Projektleiterebene mit der neuen Partnerbank stattgefunden.
9. Das ursprünglich vorgesehene und vorgegebene Modell der Scrip Dividend nach angelsächsischem Vorbild hätte in einer Andienungspflicht der Aktie und ohne Wahlmöglichkeit bestanden. Das heißt, die Aktionäre hätten für die Sonderdividende in Höhe von 50 Eurocent keine Wahl zwischen einem Barbezug und einer Ausschüttung in Form von (eigenen) Aktien gehabt. Dieses Modell stellte sich im Zuge des Projektes als technisch und rechtlich undurchführbar bzw. zu komplex dar und war am 07.04.2016 verworfen worden, weil sich die KESt nicht berechnen ließ. Danach begann das Projektteam, im Wesentlichen waren dies die interne Abteilung "Konzernmanagement" als Projektleitung, die interne Steuerrechtsabteilung, die externe Partnerbank und ein externer Wirtschaftsberater, Varianten mit einer Wahlmöglichkeit des Aktionärs zu erarbeiten. Dabei sollte der Aktionär unmittelbar in Bezug auf die 50 Eurocent Sonderdividende eine Wahlmöglichkeit haben, nämlich Barbezug oder Bezug von (eigenen) Aktien. Dabei stellten sich neue Problembereiche, die in den Tagen nach dem 07.04.2016 erörtert wurden. Namentlich bestand die Frage darin, festzulegen, wie die Sonderdividende in Bezug auf die KESt zu versteuern wäre. Weiters musste die Partnerbank klären, ob die österreichischen Großbanken dies (abwicklungstechnisch) umsetzen könnten. Dieses Modell wurde dann am 12./13.04.2016 auch verworfen, weil sich herausstellte, dass die KESt-Problematik in der Durchführung nicht zu lösen war. Alle anderen Fragen waren bis dahin gelöst, auch lag das positive Ergebnis ("Machbarkeitsuntersuchung") des beauftragten aktienrechtlichen Rechtsgutachtens mit 11.04.2016 am Abend (Übersendung an das Projektteam) vor und konnte im Laufe des 12.04.2016 gelesen und bewertet werden.
10. Das gesamte Projektteam konnte daher erst am 13.04.2016 am Vormittag eine dritte Variante der Scrip Dividend in Form der Ausschüttung in zwei Schritten ins Auge fassen bzw. auf Projektebene beschließen und dem Vorstand als durchführbar vorschlagen. Die interne Steuerrechtsabteilung der haftungspflichtigen Gesellschaft hatte nämlich erst am 13.04.2016 ihre endgültige Freigabe an die interne Abteilung "Konzernmanagement" (als Projektleitung unterhalb der Vorstandsebene) erteilt. Letztere hat dann im Laufe des Nachmittags zunächst nur mit dem Finanzvorstand beraten und dann im weiteren Verlauf gegen 17:00 Uhr über die einzig mögliche Variante einen Vorstandsbeschluss erwirkt. Diese Variante bestand darin, dass jeder Aktionär keine sofortige Option (bar oder Bezug von eigene Aktien) hatte, sondern die Sonderdividende in jedem Fall zunächst in bar ausgeschüttet wurde (jedoch nur in Form einer Buchung) und erst in einem zweiten Schritt nach Abzug der KESt bei Ausübung der Wahlmöglichkeit (Option) der Bezug von (eigenen) Aktien erfolgte. Diese Variante ("Zwei-Schritt-Modell mit Wahlmöglichkeit") hat insbesondere die - ansonsten unlösbare - KESt-Problematik vermieden und wurde deshalb gewählt.
12. Die Ad-hoc-Meldung erfolgte mit 13.04.2016, 18:00 Uhr.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt gründet sich neben dem Ergebnis der Beschwerdeverhandlung auf die Einsicht in das offene Firmenbuch, in den Akteninhalt des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, insbesondere in die von den BF vorgelegten Unterlagen, sowie auf die Beschwerde und die sonstigen Schriftsätze. Weiters konnte hinsichtlich des chronologischen Ablaufes des festgestellten Sachverhaltes auf das widerspruchsfreie Vorbringen der BF und des einvernommenen Zeugen in der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung zurückgegriffen werden.
Insbesondere konnte zum Ablauf des Projektes im relevanten Zeitraum zwischen 11.04.2016 und 13.04.2016 auf die übereinstimmenden Aussagen der drei Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (vgl. Seite 5 bis 12 der Niederschrift vom 28.02.2019) und auf die glaubwürdige Aussage des Zeugen (Herr P., Leiter der Abteilung "Konzernmanagement" der haftungspflichtigen Gesellschaft) zurückgegriffen werden (vgl. Seiten 12 bis 21 der Niederschrift vom 28.02.2019).
Der BF zu W148 2196918-1 (in der mündlichen BVwG-Verhandlung "BF3" genannt) gab zu Protokoll (vgl. Seite 7 oben der Niederschrift vom 28.02.2019): "Für mich passt das ins Gesamtbild, weil die [...] Bank, [...] und [...] eben erst am 13.04.2016 die Lösung gesucht und gefunden haben. Am Nachmittag, nach meiner Rückkehr von einer Dienstreise, ist mir dann diese Lösung kommuniziert worden." Auch der BF zu W148 2196914-1 (in der Niederschrift vom 28.02.2019 "BF1") gab übereinstimmend zu Protokoll (Seite 11): "Ich möchte dazu klarstellen: Die Vorgabe dieses Syndikates war zuerst das englische Modell mit Andienungspflicht der Aktie, d.h. keine Wahlmöglichkeit (von Februar bis 07. April 2016). Danach (also nach dem 07.04.2016) kam dann das englische Modell mit Wahlmöglichkeit, am 13.04.2016 kam dann die endgültige Lösung [...]." Die Aussagen des Zeugen stimmen damit im Wesentlich überein (vgl. Seite 13 der Niederschrift vom 28.02.2019): "... Am 12.04. hat Frau Dr. [...] noch immer das KESt-Thema überlegt und mit mir intern erörtert. D.h. am 12.04. abends hatte ich schon einige Probleme gelöst, aber zwei Hauptprobleme waren noch nicht gelöst. Nämlich das KESt-Problem und dass ich nicht wusste, ob der Vorstand das in dieser Hinsicht überhaupt realisieren möchte. Von der Steuerabteilung (Dr. [...]), habe ich am 13.04. am Vormittag, das grüne Licht in steuerrechtlicher Hinsicht bekommen, nämlich für die von uns gewählte steuerrechtliche Konstruktion. Ich habe danach - am späten Vormittag wahrscheinlich des 13.04. - meinem Finanzvorstand (BF3) das so kommuniziert. Ich habe gebeten, eine Vorstandsentscheidung einzuholen. Gegen 17:00 Uhr habe ich dann von dieser Vorstandsentscheidung erfahren [...]."
Es ergibt sich daher beweiswürdigend das überzeugende Bild, dass bis zum 13.04.2016 (letzte interne Freigabe und anschließende Besprechung des Projektteams mit dem Finanzvorstand/BF3) die Durchführung des Projektes ungewiss war.
Die Feststellung, dass die haftungspflichtige Gesellschaft niemals eine reine Bardividende in Höhe von 150 Eurocent im Blick hatte bzw. bei Scheitern der Scrip Dividend eine reine Bardividende in Höhe von 100 Eurocent ausgezahlt hätte, gründet auf den übereinstimmenden Aussagen der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 28.02.2019. Vgl. die Aussage des "BF3" (Seite 8): "BFV: Wäre es möglich gewesen, die Sonderdividende in Höhe von 50 Cent zur Gänze in bar auszuschütten? BF3: Undenkbar." Sowie (Seite 10 unten):
"VR: Was wäre passiert, wenn am 13.04. nachmittags das interne Ergebnis gewesen wäre, das 2-Schritt-Modell wäre nicht durchführbar? [...] Welche Dividendenhöhe hätten sie gewählt? BF3: [...] sodass keine Sonderdividende zur Auszahlung gekommen wäre. Die absolute Höhe der Dividende wäre dann 100 Eurocent gewesen."
Diese Aussage hat die belangte Behörde in der mündlichen Verhandlung auch nicht weiter in Frage gestellt. Für die Plausibilität dieser Sichtweise spricht auch, dass die Gesellschaft mit einer Umfrage bei den Aktionären abgesichert davon ausgehen konnte, dass ein maßgeblicher Teil der Aktionäre (jedenfalls der syndizierten Aktionäre) von einem Wahlrecht im Sinne des Erwerbs von Aktien Gebrauch machen würde.
Zunächst hat die belangte Behörde in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (vgl. Seite 19 Mitte der Niederschrift vom 28.02.2019) vorgebracht, dass ab dem 07.04. der späteste Zeitpunkt gewesen wäre, zu dem eine Dividende in Höhe von 150 Eurocent ausschließlich intern in Betracht gekommen wäre. Dazu steht die Aussage der belangten Behörde in der Beschwerdeverhandlung (Seite 19 unten) im Widerspruch, dass am 11.04.2016 (erst) auf Projektebene in der haftungspflichtigen Gesellschaft feststand, dass die Höhe einer Dividende von 150 Eurocent hinreichend wahrscheinlich gewesen sei. Abgesehen von diesem widersprüchlichen Vorbringen der belangten Behörde, das sich auch im verwaltungsbehördlichen Verfahren dadurch ausgedrückt hatte, dass in der Aufforderung zur Rechtfertigung noch vom "07.04." als Tatzeitbeginn die Rede war, wohingegen das angefochtene Erkenntnis von einem Tatzeitraumbeginn ab "11.04."
ausgegangen war, finden sich für diese Annahmen keine objektiv eindeutigen Anhaltspunkte, weder in den Aussagen und Stellungnahmen der Beschwerdeführer noch in den Zeugenaussagen.
Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht davon überzeugt, dass die Beweislage mit der für einen strafrechtlichen Schuldspruch notwendigen Sicherheit die Schlussfolgerung zulässt, dass die Beschwerdeführer bereits am 11.04. oder aber auch im Zeitraum vom
11. bis zum 13.04.2016 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt des ad-hoc-pflichtigen Ereignisses ausgehen mussten.
Dafür ist maßgeblich, dass das Beweisverfahren zwar auch Anhaltspunkte hervorgebracht hat, die für die von der belangten Behörde vertretene Version sprechen, gleichermaßen aber vor allem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch beachtliche und letztlich überzeugendere Beweise, die für die gegenteilige Version sprechen. Zu erwähnen ist einerseits, dass im Verfahren glaubhaft wurde, dass die Entscheidungsträger im Unternehmen vor allem an einer eigenkapitals- und liquiditätsschonenden Vorgangsweise bei der Dividendenauszahlung interessiert waren und daher eine reine Barausschüttung von 150 Cent nicht erwünscht war, sondern erwünscht war, den 100 Cent übersteigenden Teil, wenn überhaupt, möglichst so auszuzahlen, dass er weitgehend wieder in Eigenkapital fließt. Weiters ist unter anderem die Aussage des Zeugen XXXX (Projektleiter) zu erwähnen, der unter Wahrheitspflicht in glaubhafter Weise ausgesagt hat, dass er als Projektleiter noch am 11.04. von zahlreichen Variablen ausgegangen ist und gewusst hat, dass der Vorstand eine Präferenz für eine Lösung nach "Einfachheit und Klarheit" bzw. "cash oder Aktienausschüttung" hat und der "umständlichen" Variante einer Barausschüttung von 150 Eurocent mit nachfolgender Möglichkeit der Reinvestition ablehnend gegenüber gestanden wäre, sodass er von der Realisierbarkeit der von ihm schlussendlich vorbereiteten Variante keineswegs überzeugt war, weil sie den bekannten Präferenzen nicht entsprach. Auch hat er glaubhaft ausgesagt, dass er die Vorgabe hatte, das Projekt "wasserdicht" zu machen und dass er von einer steuerrechtlichen Realisierbarkeit erst am 13.04. in Kenntnis war. Wenn die belangte Behörde in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf Diskrepanzen zwischen dieser Aussage und den Aussagen der von ihr einvernommenen Zeugen (Dr. XXXX , Dr. XXXX ) hinweist, ist dies insofern zu relativieren, als es der Lebenserfahrung entspricht, dass eine interne Aussage dieser Zeugen zu einem abstrakten Modell nicht gleichzusetzen ist mit ihrer definitiven Freigabe eines konkret ausformulierten Entwurfs. Dies hat der Zeuge XXXX glaubhaft dargestellt, wenn er aussagt, dass sich Dr. XXXX ihm gegenüber vorbehalten habe, ihre Beurteilung erst anhand konkreter Texte vorzunehmen, was erst am 13.04. geschehen sei. Auch die von der FMA herangezogene Zeugenaussage des Dr. XXXX enthielt die Aussage, dass für ihn "erst kurzfristig davor" die Realisierbarkeit klar war und dass es am 11./12./13. noch zu Diskussionen gekommen sei.
Auch die vom BFV vorgebrachten Einwände zum Vorhalt der belangten Behörde treffen zu: Eine Deutung der von der belangten Behörde herangezogenen Zeugenaussagen in dem Sinn, dass definitiv bereits eine bestimmte Vorgehensweise akkordiert war, ist aus Sicht des Verwaltungsgerichts zweifelhaft. Die Aussage einer Steuerrechtsexpertin, dass eine bestimmte Variante der einzig denkbare Weg sei, lässt Rückschlüsse nur im Hinblick auf einen Aspekt, nämlich den steuerrechtlichen, zu und dies auch insofern nur in dem Sinn, dass in einer von mehreren offenen Fragen eine Richtung vorgegeben war (bzw. in den Worten des Zeugen; man "eine Chance gesehen" hatte), aber keine verbindliche Klärung.
Im Übrigen sind auch die von der belangten Behörde als tragend verwerteten Beweise nicht eindeutig: Die mit dem Geschäftsbericht betraute Agentur gab selbst an, dass mehrmalige Änderungen und Korrekturen stattgefunden hätten (so dass eine Korrektur auch hinsichtlich der Ausschüttungsmodalität als im Rahmen des Möglichen erscheinen musste); dass es de facto nachher keine Änderungen gegeben hat, lässt keinen gesicherten Rückschluss darauf zu, wie wahrscheinlich es am 11.04. war, dass die am 11.04. übermittelte Textvariante endgültig bleibt.
Hervorzuheben ist, dass die im Straferkenntnis der FMA dargestellte Chronologie als solches nicht bestritten wird, die dortige Darstellung jedoch insbesondere nicht aufzeigt, auf welcher Ebene des Projektteams welche Informationen zur Verfügung standen. Vielmehr ging die FMA offensichtlich davon aus, dass sich sämtliches Wissen bereits im Vorstand befand und von diesem mitgetragen wurde, obwohl dies teils noch die unterste Projektebene betraf und damit selbst innerhalb der Projektgruppe noch nicht annähernd akkordiert war, wie insbesondere die Beschwerdeverhandlung ergeben hat. Das Verwaltungsgericht ist daher der Auffassung, dass es auch unter Berücksichtigung aller gegebenen Beweise zweifelhaft bleibt, ob tatsächlich bereits am 11.04.2016 oder am 12.04.2016 eine für die Ad-hoc-Pflicht erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben war.
Das BVwG geht daher beweiswürdigend davon aus, dass bis 13.04.2016 vormittags die Ausschüttung der Sonderdividende (Scrip Dividend) in Höhe von zusätzlichen 50 Eurocent für den Vorstand insgesamt als noch nicht realisierbar erscheinen musste und die AG beim Scheitern bei einer reinen Bardividende in Höhe von 100 Eurocent geblieben wäre.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes, zum anzuwendenden Recht und zur Zulässigkeit der Beschwerde.
Gemäß § 22 Abs. 2a FMABG, BGBl I 97/2001 idF BGBl 184/2013 entscheidet über Beschwerden gegen Straferkenntnisse der FMA das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, wenn entweder eine primäre Freiheitsstrafe oder eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Der Vorschrift des § 22 Abs. 2a FMABG nach liegt gegenständlich Senatszuständigkeit vor.
Die Beschwerde ist rechtzeitig, zulässig und auch berechtigt.
3.2.
Zu A) Zur Stattgabe der Beschwerde:
3.2.1. Zugrundeliegende Rechtslage:
§ 48 Abs. 1 Z 2 BörseG idF BGBl I Nr. 150/2015 lautete von 29.12.2015 bis 01.08.2016:
"Strafbestimmungen
§ 48 (1) Wer
1. [...]
2. gegen eine Verpflichtung gemäß § 48d Abs. 1 bis 6, 9 oder 10, erster Satz, oder gemäß § 48f oder gegen eine Verpflichtung gemäß einer aufgrund von § 48d Abs. 1
oder § 48f Abs. 10 erlassenen Verordnung der FMA verstößt, oder einen Beschuldigten entgegen einem gemäß § 48q Abs. 3 verhängten Berufsverbot beschäftigt,
[...]
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist [...] hinsichtlich der Z 2 bis 8 mit einer Geldstrafe bis zu 60 000 Euro zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet."
§ 48a Abs. 1 Z 1 lit. a BörseG idF BGBl. I Nr. 184/2013 lautete von 01.01.2014 bis 01.08.2016:
"Marktmissbrauch
§ 48a (1) für die Zwecke der §§ 48a bis 48r gelten folgende Begriffsbestimmungen:
1. "Insider-Information" ist eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.
a) Eine Information gilt dann als genau, wenn sie eine Reihe von bereits vorhandenen und solchen Tatsachen und Ereignisse erfasst, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Tatsachen oder Ereignisse auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt."
§ 48d Abs. 1 und Abs. 2 BörseG, idF BGBl. I Nr. 68/2015 lautete von 20.07.2015 bis 01.08.2016 auszugsweise:
"§ 48d (1) Die Emittenten von Finanzinstrumenten haben Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Das Eintreten einer Reihe von Umständen oder eines Ereignisses - obgleich noch nicht formell festgestellt - ist von den Emittenten unverzüglich bekanntzugeben. Alle erheblichen Veränderungen im Hinblick auf eine bereits offengelegte Insider-Information sind unverzüglich nach dem Eintreten dieser Veränderungen bekanntzugeben. Dies hat auf demselben Weg zu erfolgen wie die Bekanntgabe der ursprünglichen Information. Die Veröffentlichung einer Insider-Information an das Publikum hat so zeitgleich wie möglich für alle Anlegerkategorien in den Mitgliedstaaten, in denen diese Emittenten die Zulassung ihrer Finanzinstrumente zum Handel auf einem geregelten Markt beantragt oder bereits erhalten haben, zu erfolgen. Die Emittenten haben alle Insider-Information, die sie der Öffentlichkeit bekannt geben müssen, während eines angemessenen Zeitraums auf ihrer Internet-Seite anzuzeigen.
(2) Ein Emittent kann die Bekanntgabe von Insider-Informationen gemäß Abs. 1 erster Satz aufschieben, wenn diese Bekanntgabe seinen berechtigten Interessen schaden könnte, sofern diese Unterlassung nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen, und der Emittent in der Lage ist, die Vertraulichkeit der Information zu gewährleisten. [...]"
Die maßgebenden Bestimmungen bzw. Erwägungsgründe der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2003, ABl. L 16 vom 12. 4. 2003, S 16, über Insidergeschäfte und Marktmanipulationen (im Folgenden: "Marktmissbrauchsrichtlinie") lauteten bis 03.07.2016:
"(16) Insider-Informationen sind nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente direkt oder indirekt betreffen. Informationen, die geeignet wären, die Kursentwicklung und Kursbildung auf einem geregelten Markt als solche erheblich zu beeinflussen, können als Informationen betrachtet werden, die einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere sich darauf beziehende derivative Finanzinstrumente indirekt betreffen.
Artikel 1
Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Definitionen:
1. 'Insider Information': eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.
[...]
Artikel 6 (1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle Emittenten von Finanzinstrumenten Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, so bald als möglich der Öffentlichkeit bekannt geben.
[...]"
Die maßgebenden Bestimmungen bzw. Erwägungsgründe der Richtlinie 2003/124/EG ("1. Marktmissbrauchsdurchführungs-Richtlinie") der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation (ABl. L 339, S. 70) lautete bis 03.07.2016:
"(1) verständige Investoren stützen ihre Anlageentscheidungen auf Informationen, die ihnen vorab zur Verfügung stehen (verfügbare Ex-ante Informationen). Die Prüfung der Frage, ob ein verständiger Investor einem bestimmten Sachverhalt oder ein bestimmtes Ereignis im Rahmen seiner Investitionsentscheidung berücksichtigt hätte, sollte folglich anhand der ex ante vorliegenden Informationen erfolgen. Eine solche Prüfung sollte auch die möglichen Auswirkungen der Information in Betracht ziehen, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit des Emittenten, der Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstiger Marktvariablen, die das entsprechende Finanzinstrument oder unter den gegebenen Umständen damit verbundene derivatives Finanzinstrument beeinflussen dürften.
(2) im Nachhinein vorliegende Informationen (Ex-post Informationen) können zur Überprüfung der Annahme genutzt werden, dass die Ex-ante Information kurserheblich war. Allerdings sollten diese Ex-post Informationen nicht dazu verwendet werden, Maßnahmen gegen eine Person zu ergreifen, die vernünftige Schlussfolgerungen aus der ihr vorliegenden Ex-ante Information gezogen hat.
Artikel 1
Insider-Information
(1) Für die Anwendung von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist eine Information dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.
(2) Für die Anwendung von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist unter einer 'Insider-Information, die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente spürbar zu beeinflussen' eine Information gemeint, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde."
Die maßgeblichen Erwägungsgründe und Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des europäischen Parlaments und des Rats vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung; im Folgenden "MM-VO") und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des europäischen Parlaments und des Rats und der Richtlinie 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. L 173 vom 12. Juni 2014, Seite 1, lauten (auszugsweise; sie gilt ab 03.07. 2016):
"(14) Verständige Investoren stützen ihre Anlageentscheidungen auf Informationen, die ihnen vorab zur Verfügung stehen (Ex-ante-Informationen). Die Prüfung der Frage, ob ein verständiger Investor einen bestimmten Sachverhalt oder ein bestimmtes Ereignis im Rahmen seiner Investitionsentscheidung wohl berücksichtigen würde, sollte folglich anhand der Ex-ante-Informationen erfolgen. Eine solche Prüfung sollte auch die voraussichtlichen Auswirkungen der Informationen in Betracht ziehen, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit des Emittenten, der Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstiger Marktvariablen, die das Finanzinstrument, die damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder die auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte unter den gegebenen Umständen beeinflussen dürften.
(15) Im Nachhinein vorliegende Informationen (Ex-post-Informationen) können zur Überprüfung der Annahme verwendet werden, dass die Ex-ante-Informationen kurserheblich waren, sollten allerdings nicht dazu verwendet werden, Maßnahmen gegen Personen zu ergreifen, die vernünftige Schlussfolgerungen aus den ihnen vorliegenden Ex-ante-Informationen gezogen hat.
(16) Betreffen Insiderinformationen einen Vorgang, der aus mehreren Schritten besteht, können alle Schritte des Vorgangs wie auch der gesamte Vorgang als Insiderinformationen gelten. Ein Zwischenschritt in einem zeitlich gestreckten Vorgang kann für sich genommen mehrere Umstände oder ein Ereignis darstellen, die gegeben sind bzw. das eingetreten ist oder bezüglich deren/dessen auf der Grundlage einer Gesamtbewertung der zum relevanten Zeitpunkt vorhandenen Faktoren eine realistische Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie/es entsteht/eintritt. Dieses Konzept sollte jedoch nicht so verstanden werden, dass demgemäß der Umfang der Auswirkungen dieser Reihe von Umständen oder des Ereignisses auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente berücksichtigt werden muss. Ein Zwischenschritt sollte als Insiderinformation angesehen werden darstellen, wenn er für sich genommen den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien für Insiderinformationen entspricht.
(17) Informationen in Zusammenhang mit einem Ereignis oder mehreren Umständen, das bzw. die ein Zwischenschritt in einem zeitlich gestreckten Vorgang ist, können sich beispielsweise auf den Stand von Vertragsverhandlungen, vorläufig in Vertragsverhandlungen vereinbarte Bedingungen, die Möglichkeit der Platzierung von Finanzinstrumenten, die Umstände, unter denen Finanzinstrumente vermarktet werden, vorläufige Bedingungen für die Platzierung von Finanzinstrumenten oder die Prüfung der Aufnahme eines Finanzinstruments in einen wichtigen Index oder die Streichung eines Finanzinstruments aus einem solchen Index beziehen.
[...]
Artikel 7
Insiderinformationen
(1) Für die Zwecke dieser Verordnung umfasst der Begriff "Insiderinformationen" folgende Arten von Informationen:
a) nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen;
[...]
(2) Für die Zwecke des Absatzes 1 sind Informationen dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits gegeben sind oder bei denen man vernünftigerweise erwarten kann, dass sie in Zukunft gegeben sein werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder von den vernünftigerweise erwarten kann, dass es in Zukunft eintreten wird, und diese Informationen darüber hinaus spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente oder des damit verbundenen derivativen Finanzinstruments, der damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder der auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte zuzulassen. So können im Fall eines zeitlich gestreckten Vorgangs, der einen bestimmten Umstand oder ein bestimmtes Ereignis herbeiführen soll oder hervorbringt, dieser betreffende zukünftige Umstand bzw. das betreffende zukünftige Ereignis und auch die Zwischenschritte in diesem Vorgang, die mit der Herbeiführung oder Hervorbringung dieses zukünftigen Umstandes oder Ereignisses verbunden sind, in dieser Hinsicht als präzise Information betrachtet werden.
(3) Ein Zwischenschritt in einem gestreckten Vorgang wird als eine Insiderinformation betrachtet, falls er für sich genommen die Kriterien für Insiderinformationen gemäß diesem Artikel erfüllt."
§ 48d Abs. 1 Börsegesetz idF BGBl. I Nr. 60/2007 in Verbindung mit § 48a Abs. 1 Z 1 Börsegesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2009 dienten der Umsetzung der Richtlinien 2003/6/EG und 2003/124/EG (insbesondere auch des Art. 6 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie) und sind insofern im Lichte der Richtlinie 2003/6/EG auszulegen. Sie stimmen nahezu wörtlich mit diesen unionsrechtlichen Bestimmungen überein. Mittlerweile haben sich die unionsrechtlichen Bestimmungen dahingehend verändert, dass nun Kernstück derselben die unmittelbar anwendbare Marktmissbrauchsverordnung (VO (EU) Nr. 596/2014, ABl. 2014 L 173/1) ist, sie trat mit 03.07.2014 in Kraft und steht im Wesentlichen seit 03.07.2016 in Geltung.
3.2.2. Zur objektiven Tatseite
Der frühere § 48d Abs. 1 BörseG und der nunmehr geltende und im wesentlichen gleichlautende Artikel 7 der VO 569/2014 legt(e) einem Emittenten die Pflicht auf, "Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben". §48a Abs. 1 Z 1 BörseG definierte wiederum die Insider-Information als "eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde". Eine tatsächliche, spürbare Beeinflussung des Kurses der betroffenen Finanzinstrumente ist nicht zu prüfen, vielmehr ist eine ex-ante Betrachtung anzustellen (VwGH 27.04.2017, Ro 2016/02/0020 mit Verweis auf EuGH 23.12.2009, C-45/08, Spector Photo Group NV und Chris Van Raemdonck, sowie VwGH 20.04.2016, Ra 2015/02/0152 ua.).
Ziel der Adhoc-Publizität ist der Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes sowie der Anlegerschutz, wobei Kalss/Oppitz/Zollner unter Verweis auf weitere Quellen dazu ausführen, dass die zeitgleiche Offenlegung eine informationelle Gleichbehandlung und damit auch die ordnungsgemäße Preisbildung sicherstellt (Kalss/Oppitz/Zoller, Kapitalmarktrecht - System, 2. Auflage, § 16 Z 4).
Nach dem Urteil des EuGH vom 11.03.2015 (C-628/13, Lafonta), in dem der EuGH auf seine frühere Judikatur (vom 28.06.2012, C -19/11, Geltl) verwies, besteht der Begriff "Insider-Information" aus vier Tatbestandsmerkmalen (s. Urteil Lafonta, Rz 24):
* Erstens handelt es sich um eine präzise (genaue) Information,
* zweitens ist diese Information nicht öffentlich bekannt,
* drittens betrifft sie direkt oder indirekt einen oder mehrere Finanzinstrumente oder deren Emittenten und
* viertens wäre die Information, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.
Vorliegend geht es um die Ausschüttung einer Dividende je dividendenberechtiger Aktie der haftungspflichtigen Gesellschaft. Die haftungspflichtige Gesellschaft (Vorstand) hatte mit 13.04.2016 beschlossen, über die bisherige Bardividende hinaus eine einmalige Sonderdividende in Form einer Scrip Dividend auszuschütten bzw. dies dem Aufsichtsrat vorzuschlagen. Sie hatte diesen Beschluss intern im Vorstand erst am 13.04.2016 getroffen, nachdem alle internen Prüfungen (Varianten) bis dahin die Undurchführbarkeit einer solchen Sonderdividendenausschüttung ergeben hatten. Dieser interne Vorstandsbeschluss ist eine öffentlich nicht bekannte und genaue Insider-Information im Sinne des Artikel 7 der VO 569/2014.
Das Ermittlungsverfahren im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat ergeben, dass die hier gegenständliche Information frühestens am Nachmittag des 13.04.2016 präzise (genau) war, indem der Vorstand der haftungspflichtigen Gesellschaft dem ihm an diesem Nachmittag vorgeschlagenen, von den früheren Vorgaben abweichenden Modell zustimmte. Erst mit 13.04.2016 nachmittags war für den Vorstand hinreichend klar, dass die Information über die Sonderdividende tatsächlich - in jeder Hinsicht - funktionieren würde.
Es ergibt sich daher, dass der Vorstand die Veröffentlichung der Ad-hoc Meldung rechtzeitig beschlossen und durchgeführt hat, nämlich am selben Tag und nur kurze Zeit nach Klärung im Vorstand und Fällung des Vorstandsbeschlusses. Dagegen, dass die Ausschüttung einer Sonderdividende in Höhe von 50 Eurocent vor dem 13.04.2016 bereits ausreichend wahrscheinlich war, sprachen zunächst aus Sicht der Entscheidungsträger zahlreiche widrige Umstände, die eine Wahrscheinlichkeit der Umsetzung der Projektidee als ungesichert erscheinen ließen; vor diesem Datum lag keine "präzise (genaue) Information" vor, die ad-hoc-meldepflichtig gewesen wäre.
Eine weitere Prüfung der übrigen Tatbestandselemente erübrigt sich bei diesem Ergebnis. Der objektive Tatbestand einer nicht rechtzeitigen Veröffentlichung einer präzisen (genauen) Insider-Information Artikel 7 der VO 569/2014 war durch das vorgeworfene Verhalten somit nicht erfüllt.
Das Verhalten war daher nicht rechtswidrig Das angefochtene Straferkenntnis war folglich aufzuheben und das Verfahren einzustellen.
Im Übrigen wird im Lichte der Judikatur des VwGH (vgl. etwa GZ. Ra 2015/08/0145 vom 14.09.2016) im Hinblick auf den ungenügenden formalen und inhaltlichen Aufbau (Begründung) des angefochtenen Bescheides Folgendes in Erinnerung gerufen: Die Begründung hat aus drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elementen, nämlich einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, der Beweiswürdigung und der rechtlichen Begründung zu bestehen. Beispielsweise wurden bei den Tatsachenfeststellungen mehrere Versionen der chronologischen Abläufe wiedergegeben und ebenso wurde dort das Vorbringen des Beschwerdeführers zusammenfassend wiedergegeben ("Stellungnahme der [...] AG"), obwohl gerade dieses in wesentlichen Zügen nicht zur Feststellung erhoben wurde. Eine Beweiswürdigung, insbesondere warum man dem Parteienvorbringen sowie den zahlreichen Zeugen folgt bzw. nicht folgt, fehlt völlig; es findet sich nur die formale Bemerkung, dass sich der Sachverhalt widerspruchsfrei aus den im Akt befindlichen Beweismitteln ergebe und bei den "einzelnen Beweismitteln jeweils Bezug genommen" worden sei, was jedoch genau nicht erfolgt ist.
3.2.3. Kosten
Es waren gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten für das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren aufzuerlegen.
Zu B) Zur Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. des Europäischen Gerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung der Höchstgerichte auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Höchstgerichtliche Rechtsprechung ist vorhanden und eindeutig, wie unter Punkt II.3.2. dargestellt. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, vielmehr handelte es sich vorliegend im Wesentlichen um Fragen zum festzustellenden Sachverhalt
Schlagworte
Bekanntgabepflicht, Bescheidbegründung, Einstellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W148.2196914.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.03.2020