TE Bvwg Beschluss 2019/8/28 W104 2222358-1

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Veröffentlicht am 28.08.2019
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Entscheidungsdatum

28.08.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
MOG 2007 §6
MOG 2007 §8a Abs6
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz 2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W104 2222358-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner über die Beschwerde von XXXX , BNr. XXXX , gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 9.1.2019, AZ II/4-DZ/15-11606655010 betreffend die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2015:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist unzulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Mit Datum vom 29.4.2015 stellte der Beschwerdeführer (BF) über die Internet-Applikation eAMA elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2015 und beantragte die Gewährung von Direktzahlungen für dieses Antragsjahr.

In Abänderung eines Vorbescheides gewährte die Behörde mit dem angefochtenen Bescheid dem BF Direktzahlungen in Höhe von EUR 3.693,88. Dabei wurden 20,7938 Zahlungsansprüche (ZA) zu Grunde gelegt und begründend ausgesprochen, dass bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 30.8.2018 auf der Alm mit der BNr. XXXX anteilig den Beschwerdeführer betreffend 7,3124 ha weniger Almfläche vorgefunden worden sei als beantragt. Aufgrund dieser Differenzfläche ergebe sich eine Flächenabweichung von über 3% oder über 2 Hektar, daher werde der Betrag für die Basisprämie um das 1,5fache der Differenzfläche gekürzt.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 6.2.2019 Beschwerde, mit der geltend gemacht wurde, ein Absehen von Verwaltungssanktionen sei jedenfalls gerechtfertigt, da der BF als Obmann der Weidegemeinschaft auf frühere Vor-Ort-Kontrollen vertraut habe und ihm die Unrichtigkeit der Fläche der Referenzparzelle nicht erkennbar gewesen sei.

3. Bei Vorlage der Akten nahm die AMA dahingehend Stellung, dass in der vorliegenden Sache aus Sicht der AMA ein Anwendungsfall des § 28

(3) VwGVG vorliege. Die Aktenlage habe sich dahingehend geändert, dass sich aufgrund der Berücksichtigung einer Vor-Ort-Kontrolle der Weide XXXX vom 30.08.2018 im AJ 2014 der Referenzbetrag ändere. Da sich der Referenzbetrag reduziere werde der Betrieb nicht mehr im Zuge des unerwarteten Gewinns gekürzt und der ZA-Wert würde sich erhöhen. Dies führe seitens der AMA zu einer stattgebenden Beurteilung der Beschwerde, wäre die AMA noch zuständig. Eine Entscheidung durch die AMA selbst würde zu einer wesentlichen Beschleunigung des Verfahrens führen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen (Sachverhalt):

Mit Datum vom 29.4.2015 stellte der BF einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2015 und beantragte die Gewährung von Direktzahlungen für dieses Antragsjahr.

Bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 30.8.2018 wurde auf der Alm mit der BNr. XXXX anteilig den Beschwerdeführer betreffend 7,3124 ha weniger Almfläche vorgefunden als beantragt.

Aufgrund der Berücksichtigung dieser Vor-Ort-Kontrolle ändert sich der Referenzbetrag im Antragsjahr 2014. Da sich der Referenzbetrag reduziert, wird der Betrieb nicht mehr im Zuge des unerwarteten Gewinns gekürzt und der ZA-Wert würde sich erhöhen. Der maßgebliche Sachverhalt wurde daher mangelhaft ermittelt.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und wurden von keiner Partei bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608 (im Folgenden VO (EU) 1307/2013), lautet:

"Artikel 28

Unerwarteter Gewinn

Für die Zwecke der Artikel 25 Absätze 4 bis 7 und Artikel 26 kann ein Mitgliedstaat auf der Grundlage objektiver Kriterien vorsehen, dass im Falle von Verkauf, Abtretung oder Ablauf der Pacht für die Gesamtheit oder einen Teil der landwirtschaftlichen Flächen, die nach dem gemäß Artikel 35 oder Artikel 124 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 festgesetzten Zeitpunkt und vor dem gemäß Artikel 33 Absatz 1 der vorliegenden Verordnung festgesetzten Zeitpunkt erfolgen, die Erhöhung oder ein Teil der Erhöhung des Wertes der Zahlungsansprüche, die dem betreffenden Betriebsinhaber zugewiesen würden, wieder der nationalen Reserve oder den regionalen Reserven zuzuschlagen ist, wenn die Erhöhung für den betreffenden Betriebsinhaber zu einem unerwarteten Gewinn führen würde.

Diese objektiven Kriterien werden unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber sowie unter Vermeidung von Markt- oder Wettbewerbsverzerrungen festgelegt und müssen wenigstens Folgendes umfassen:

a) eine Mindestdauer der Pacht und

b) den Anteil der erhaltenen Zahlung, der in die nationale Reserve oder die regionalen Reserven zurückfällt."

§ 8a Abs. 6 MOG 2007 lautet:

"Basisprämie

§ 8a. (1) [...]

(6) Ein unerwarteter Gewinn im Sinne des Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 ist dann gegeben, wenn die Erhöhung des Werts der Zahlungsansprüche mehr als 5 % und 20 € je Zahlungsanspruch beträgt. Flächen, mit denen im Zuge eines Kaufs oder einer mindestens einjährigen Pacht Zahlungsansprüche weitergegeben werden, ohne Zahlungsansprüche gepachtete Flächen, die durch Beendigung des Pachtvertrags wegfallen, die Abgabe von Flächen, die bisher nicht zur Nutzung von Zahlungsansprüchen herangezogen wurden, Flächen, die aufgrund eines Falls höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände nicht mehr zur Verfügung stehen, und aufgrund der Anwendung der Verringerungskoeffizienten gemäß § 8a Abs. 2 reduzierte Flächen sind bei dieser Vorgangsweise außer Betracht zu lassen. Der Anteil des Werts der Zahlungsansprüche, der die im ersten Satz genannten Grenzen übersteigt, fällt in die nationale Reserve zurück."

§ 28 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

"(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Die Berechnung der Basisprämie für das Antragsjahr 2015 wurde von der Behörde unter Berücksichtigung eines unerwarteten Gewinns durchgeführt, der jedoch aufgrund einer Neuberechnung durch die Behörde nunmehr nicht mehr vorliegt.

Der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichten die Behörde jedoch, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirklicht das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbietet, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zu Grund zu legen. Vor dem Hintergrund des Amtswegigkeitsprinzips und dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, hätte die belangte Behörde den wahren Sachverhalt hinsichtlich der zuzuteilenden Zahlungsansprüche somit ermitteln müssen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 39 Rz 3ff).

Daraus ergibt sich, dass der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt unzureichend ermittelt wurde. In Anbetracht der Komplexität der Bezug habenden Beihilferegelung und des technischen Charakters der Entscheidung über die aus dem neuen Sachverhalt erfließenden Berechnungen läge eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch wäre diese mit einer Kostenersparnis verbunden. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des neuen Sachverhalts.

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Zurückverweisung liegt ständige einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, von der nicht abgewichen wird.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, beihilfefähige Fläche, Beihilfefähigkeit,
Berechnung, Bescheidabänderung, Direktzahlung, Ermittlungspflicht,
Flächenabweichung, Kassation, Kontrolle, Kürzung, mangelhaftes
Ermittlungsverfahren, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Mehrfachantrag-Flächen, Prämiengewährung, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W104.2222358.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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