TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/18 G307 2216683-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.09.2019

Norm

AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G307 2216684-1/2E

G307 2216682-1/2E

G307 2216686-1/2E

G307 2216683-1/2E

G307 2216685-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerden 1. des XXXX, geb. XXXX, 2. der XXXX, geb. XXXX, 3. des XXXX, geb. XXXX, 4. des XXXX, geb. XXXX, und 5. der XXXX, geb. XXXX, alle StA: Kosovo, letztere drei gesetzlich vertreten durch die Mutter, alle rechtlich vertreten durch RA Mag. Doris EINWALLNER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom jeweils 19.02.2019, Zahlen XXXX, XXXX, XXXX, XXXX und XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Den Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide wird hinsichtlich Spruchpunkt II. stattgeben und XXXX, geb. XXXX, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005, XXXX, geb. XXXX, XXXX, geb. XXXX, XXXX, geb. XXXX und XXXX, geb. XXXX, gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 34 AsylG 2005 der Status eines

s u b s i d i ä r S c h u t z b e r e c h t i g t e n z u e r k a n n t .

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 kommen XXXX, XXXX, XXXX, XXXX und XXXX, jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtige für ein Jahr zu.

III. In Erledigung der Beschwerden werden die Spruchpunkte III. und IV. der angefochtenen Bescheide e r s a t z l o s a u f g e h o b e

n.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden BF1), die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2), der Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: BF3) sowie der Viertbeschwerdeführer (im Folgenden BF4), die beiden Letztgenannten gesetzlich vertreten durch die BF2, stellten jeweils am 28.10.2015, die gegenständlichen Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005). Die in Österreich nachgeborene Fünftbeschwerdeführerin (im Folgenden BF5), ebenfalls gesetzlich vertreten durch die BF2, stellte am 12.10.2016 den gegenständlichen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.

1.1. Die Anträge der BF1 bis BF4 wurden mit Bescheiden des BFA jeweils vom 11.04.2016 wegen der Unzuständigkeit Österreichs als unzulässig zurückgewiesen und die Zuständigkeit Sloweniens sowie die Zulässigkeit der Ausweisung dorthin festgestellt.

1.2. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG, W161 2125023-1/3E, -2125020-1/3E, 2125025-1/3E und -2125022-1/2E, vom 25.04.2016, als unbegründet abgewiesen.

1.3. Den dagegen wiederum erhobenen Beschwerden an den VfGH (siehe VfGH 24.11.2016, E1085-1088/2016) wurde stattgeben und dieses Erkenntnis des BVwG aufgehoben.

1.4. Mit Erkenntnis des BVwG, W161 2125023-1/16E, -2125020-1/16E, -2125025-1/16E und -2125022-1/15E, vom 30.01.2017, wurde den seinerzeitigen Bescheidbeschwerden der besagten Beschwerdeführer stattgeben und das gegenständliche Asylverfahren zugelassen.

1.5. BF1 stellte durch seine Rechtsvertreterin (im Folgenden: RV) während des beim VfGH anhängigen Beschwerdeverfahrens am 24.08.2016 neuerlich einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes.

2. Am 29.10.2015 fanden vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftlichen Erstbefragungen des BF1 und der BF2 statt. BF1 wurde zudem am 24.08.2016 neuerlich erstbefragt.

3. Jeweils am 23.02.2016, 02.02.2017 und 19.10.2018 wurden BF1 und BF2 im Asylverfahren niederschriftlich durch ein Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen.

4. Mit den oben im Spruch genannten Bescheiden des BFA, den Beschwerdeführern (im Folgenden: BF) jeweils zugestellt am 25.02.2019, wurden die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung für vorübergehend unzulässig erklärt (Spruchpunkt IV.).

5. Mit per Post am 25.03.2019 beim BFA eingebrachtem und dort am 27.03.2019 eingegangenen, gemeinsamen Schriftsatz erhoben die BF durch ihre RV Beschwerde jeweils gegen den Spruchpunkt II. der oben genannten Bescheide an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurden neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Zurückverweisung der Rechtssachen zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.

6. Die gegenständlichen Beschwerden und die zugehörigen Verwaltungsakte wurden dem BVwG am 28.03.2019 vom BFA vorgelegt und sind dort am 29.03.2019 eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF führen dien jeweils im Spruch angeführten Identität (Namen und Geburtsdatum) und sind kosovarische Staatsbürger. Sie sind Angehörige der Volksgruppe der Albaner und bekennen sich zum christlich-katholischen Glauben. Deren Muttersprache ist Albanisch.

1.2. BF1 ist mit BF2 verheiratet und sind Eltern des BF3 bis BF5. Die BF leben miteinander im gemeinsamen Haushalt in Österreich.

1.3. Der BF1 bis BF4 reisten am 28.10.2015 gemeinsam ins Bundesgebiet ein, wo sie sich seither durchgehend aufhalten.

1.4. BF1 bis BF4 stellten jeweils am 28.10.2015 die gegenständlichen Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes. BF5 wurde in Österreich geboren und stellte am 12.10.2016 den gegenständlichen Antrag auf Einräumung internationalen Schutzes.

BF1 stellte zudem am 24.08.2016 einen weiteren Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes.

1.5. Die Anträge der BF wurden letztlich mit Erkenntnis des BVwG, W161 2125023-1/16E, -2125020-1/16E, -2125025-1/16E und -2125022-1/15E, vom 30.01.2017, zugelassen.

1.6. BF1 und BF2 haben mehrere Jahre die Schule im Herkunftsstaat besucht und war BF1 bis zuletzt in der Landwirtschaft seiner Eltern sowie als Gelegenheitsarbeiter am Bau erwerbs-, BF2 als Hausfrau tätig.

1.7. Im Herkunftsstaat halten sich die Familien des BF1 (Eltern und Geschwister) sowie der BF2 (Eltern und Geschwister) auf.

1.8. Die BF leben im Bundesgebiet mit einem Bruder des BF1 im gemeinsamen Haushalt und werden von diesem wirtschaftlich unterstützt.

1.9. BF1, BF2, BF3 und BF5 sind gesund, BF1 und BF2 zudem arbeitsfähig.

BF4 leidet an einer bilateralen Tibia-Aplasie und kaudalem Regressionssyndrom. Die Leiden des BF4 sind angeboren.

BF4 wurde in Österreich wiederholt operiert und befindet sich nach wie vor in Behandlung. BF3 steht in durchgehender ärztlicher Observation und sind weitere Operationen geplant. Die aktuelle Behandlung beinhaltet neben regelmäßigen Kontrollen auch operative wie orthopädische Korrektureingriffe unter Zuhilfenahme komplexer medizintechnischer Geräte und Programme. Ziel der Behandlungen ist das Erreichen einer selbstständigen Mobilität des BF4.

Eine Unterbrechung der aktuellen Behandlung führte dazu, dass BF4 auf einen Rollstuhl angewiesen wäre, womit auch eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes sowie die Gefahren einer Sepsis, Osteomyelitis sowie internistischer Probleme einherginge.

Im Herkunftsstaat des BF können die notwendigen Behandlungen oder Operationen nicht durchgeführt werden.

1.10. Die BF erweisen sich in strafgerichtlicher Hinsicht als unbescholten.

1.11. Die Republik Kosovo gilt als sicherer Herkunftsstaat.

1.12. Die Beschwerden beschränken sich auf den Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide.

1.13. Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat:

Kosovo:

1. Politische Lage

Das politische System hat sich seit der Unabhängigkeitserklärung vom 17. Februar 2008 gefestigt. Kosovo ist eine Republik mit parlamentarischer Demokratie. Die Verfassung enthält neben den Grundwerten moderner europäischer Verfassungen und dem Prinzip der Gewaltenteilung umfassenden Schutz, zum Teil Privilegien für die in Kosovo anerkannten Minderheiten (Serben, Türken, Bosniaken, Goranen, Roma, Ashkali, Ägypter). Sie eröffnet ihnen weitgehende Möglichkeiten der politischen Partizipation, so z.B. garantierte Sitze im Parlament. Art. 59 der Verfassung sieht z.B. die Ausübung der eigenen Sprache, Kultur und Religion sowie den Zugang zu Bildungseinrichtungen mit jeweiligem Sprachangebot und die Nutzung eigener Medien vor (AA 9.12.2015).

Gemäß der am 15. Juni 2008 in Kraft getretenen Verfassung ist die Republik Kosovo eine parlamentarische Demokratie mit Gewaltenteilung. Gesetzgebungsorgan ist das Ein-Kammer-Parlament mit 120 Sitzen, von denen 20 für Abgeordnete der nationalen Minderheiten reserviert sind (darunter 10 Sitze für kosovo-serbische Abgeordnete). Bei den letzten Parlamentswahlen im Juni 2014 errang die PDK (Demokratische Partei Kosovo) des ehemaligen Premierminister Hashim Thaçi mit 30,38% die meisten Stimmen. Die LDK (Demokratische Liga) folgte mit 25,24% der Stimmen. Seit 09.12.2014 besteht eine Koalitionsregierung aus PDK und LDK sowie Vertretern der Minderheiten unter Führung von Premierminister Isa Mustafa (LDK) (AA 12.2015, vgl. GIZ 6.2016).

Seit Herbst 2015 versuchen die drei Oppositionsparteien Vetevendosje, AAK und NISMA die Arbeit des Parlaments zu blockieren. Hintergrund des Protests sind, nach Aussage der Opposition, zwei Abkommen welche die kosovarische Regierung mit den Nachbarländern Montenegro und Serbien geschlossen hat. Im Abkommen mit Montenegro geht es um eine Übereinkunft der Grenzziehung zwischen den beiden Staaten. Von noch größerer Relevanz ist das Abkommen mit Serbien, welches die Bildung einer Gemeinschaft " (serb. zajednica) der serbischen Gemeinden im Kosovo regelt, womit eine Übertragung bestimmter Kompetenzen an die Gemeinschaft verbunden ist. Ein wesentliches Argument der Opposition stützt sich auf ein Urteil des kosovarischen Verfassungsgerichts, welches das Abkommen als in Teilen nicht im Einklang mit der kosovarischen Verfassung bewertet. Die internationale Gemeinschaft kritisiert die Blockade der Opposition und den damit verbunden politischen Stillstand (GIZ 6.2016, vgl. Presse 29.2.2016).

Eine EU-Rechtsstaatsmission EULEX hat den Auftrag, die kosovarischen Behörden beim Aufbau eines multiethnischen Justiz-, Polizei- und Zollwesens zu unterstützen und an rechtsstaatliche EU-Standards heranzuführen. Das Mandat wurde um weitere zwei Jahre bis zum Juni 2018 verlängert (EULEX 21.6.2016).

Laut einer repräsentativen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (Jugendliche in Südosteuropa, Juli 2015) will fast die Hälfte der Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus acht Balkanländern (ALB, BuH, KOS, MZ, SLO, KRO, BU, RU) auswandern. Begehrteste Ziele sind Deutschland, Großbritannien, die Schweiz und die USA. Gut ein Drittel der Befragten ist unzufrieden mit dem Zustand der Demokratie in ihren Ländern. Nur 17% sind dagegen zufrieden. Am größten ist der Unmut in Mazedonien, wo gerade einmal 6% mit dem politischen System zufrieden sind, 44% dagegen unzufrieden. Arbeitslosigkeit und Armut sind in ganz Südosteuropa die drängendsten Sorgen. "Sehr wahrscheinlich" oder "ziemlich wahrscheinlich" ihr Land verlassen wollen 45,5% aller Befragten. Am dramatischsten sind die Zahlen in Albanien mit 66,7% Auswanderungswilligen, in Kosovo mit 55,1% und in Mazedonien mit 52,8% (BAMF 3.8.2015).

Nach Angaben des kosovarischen Außenministeriums haben 111 Staaten (darunter 23 EU-Staaten sowie die Nachbarstaaten Montenegro, EJR Mazedonien und Albanien) die Republik Kosovo anerkannt (Stand 1.10.2015) (AA 9.12.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-

AA - Auswärtiges Amt (12.2015): Kosovo - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Kosovo/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.6.2016

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.8.2015): Balkan

-

Fast 50 % der Jugend will auswandern, Briefing Notes

-

diePresse.com (29.2.2016): Europas jüngster Staat in akutem Lähmungszustand,

http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/4936140/Europas-jungster-Staat-in-akutem-Laehmungszustand?from=suche.intern.portal, Zugriff 29.6.2016

-

EULEX (21.6.2016): Eulex New Mandate, http://www.eulex-kosovo.eu/?page=2,11,438, Zugriff 29.6.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/#c37416, Zugriff 29.6.2016

2. Sicherheitslage

Die interethischen Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit im Kosovo. Zu differenzieren sind dabei die Beziehungen zwischen den im Norden lebenden Serben, die ein zusammenhängendes Gebiet bewohnen und den Serben die im restlichen Kosovo in kleinere versprengten Gemeinden wohnen. Letztere unterhalten relativ gute Beziehungen zu den kosovo-albanischen Autoritäten, und beteiligen sich an der gesellschaftspolitischen Ausgestaltung im Rahmen der kosovarischen Institutionen. Ganz anders ist hingegen die Situation im Nordkosovo. Die hier lebenden Serben weigern sich die Unabhängigkeit des Kosovo sowie die Institutionen des neu geschaffenen Staates anzuerkennen. Die Zusammenarbeit ist minimal. Problematisch in der Diskussion sind speziell die Behandlung der Grenzen zwischen Kosovo und Serbien, die von den im Norden lebenden Serben nicht anerkannt werden.

Mit der Ausnahme Nordkosovo gilt die Sicherheitslage allgemein als entspannt. Allerdings kann es zu punktuellen Spannungen kommen. So geschehen, als in Serbien im von Albanern bewohnten Preševo-Tal ein nicht genehmigtes Heldendenkmal von der serbischen Polizei entfernt wurde. Hierauf kam es im Kosovo unter anderem zu Schändungen serbischer Friedhöfe (GIZ 6.2016).

Im Norden Kosovos (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) hat sich die Lage seit den gewalttätigen Zusammenstößen Ende Juli 2011 weitgehend beruhigt, sie bleibt aber angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es erneut zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt. Im restlichen Teil Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil (AA 23.9.2015).

Eine Studie des angesehenen Kosovo Center for Security Studies zum Sicherheitsgefühl der Kosovaren im Zeitraum von 2012-2015 ergab folgende wesentliche Ergebnisse: 40% der Befragten fühlten sich im Kosovo sicher, weitere 40% weder sicher noch unsicher, nur 20% dagegen fühlten sich unsicher. Von 2012-2015 nahm auch das allgemeine Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheitsbehörden und Sicherheitsinstitutionen pro Jahr jeweils um drei Prozentpunkte zu. In Nachbarschaften mit überwiegend serbischer Bevölkerung und an der Grenze zu Serbien war das allgemeine Sicherheitsgefühl tendenziell weniger ausgeprägt als im übrigen Kosovo (KCSS 5.2016)

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (23.9.2015): Kosovo: Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/KosovoSicherheit_node.html, Zugriff 29.6.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/#c37416, Zugriff 29.6.2016

-

KCSS - Kosovo Center for Security Studies (5.2016): Special

Edition: Public Safety in Kosovo Trends of Citizens' Perceptions on

Public Safety in Kosovo Covering period: 2012 - 2015, http://www.qkss.org/repository/docs/Public_Safety_KSB_81063.PDF, Zugriff 30.6.2016

3. Sicherheitsbehörden

Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht weiterhin auf drei Komponenten: der Kosovo Police (KP), den unterstützenden internationalen EULEX-Polizeikräften und den KFOR-Truppen, die auch den Aufbau und das Training der multiethnischen Kosovo Security Force (KSF) innehaben. Die Polizei (KP) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen und ist im ganzen Land vertreten. Der Frauenanteil in der KP beträgt fast 15%; ähnlich hoch liegt der Anteil der Angehörigen von Minderheiten. EULEX Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Für die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitskräfte ist im kosovarischen Parlament der Ausschuss für Inneres, Sicherheitsfragen und Überwachung der KSF zuständig. Eigentums-, Körperverletzungs- und Tötungsdelikte sind auf niedrigem Niveau. Organisierte Kriminalität und Korruption befinden sich laut "United Nations Office on Drugs and Crime" (UNODC) aus 2013 weiterhin auf hohem Niveau (AA 9.12.2015, vgl. EC 10.11.2015).

Die Kosovo Polizei (KP) wird nach wie vor als die am vertrauenswürdigste rechtsstaatliche Institution angesehen. Die Kooperation zwischen dem unabhängigen Polizeiinspektorat (PIK) und der KP Disziplinarabteilung funktioniert gut. 2014 erhielt das PIK

1.304 Beschwerden und Informationen auf deren Basis 132 Fälle an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurden. Anzeigen wegen Kriminalität wurden gegen 28 Verdächtige erstattet, die bei den entsprechenden Gerichten anhängig sind (EC 10.11.2015).

Es gibt Polizeistationen im ganzen Land, wo man Anzeigen erstatten kann. Es können auch Anzeigen beim Büro der Staatsanwaltschaften, bei der EULEX Staatsanwaltschaft und beim Ombudsmann eingereicht werden. Die Kriminalität, mit Ausnahme der Organisierten Kriminalität und der Korruption, ist rückläufig und niedriger als im gesamteuropäischen Vergleich (BAMF 5.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.2015): Kosovo, Länderreport Band 3

-

EC - European Commission (10.11.2015): KOSOVO* 2015 REPORT, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1447156524_20151110-report-kosovo.pdf, Zugriff 30.6.2016

4. Folter und unmenschliche Behandlung

Das Verbot der Folter sowie der unmenschlichen Behandlung ist in der Verfassung verankert. Es sind keine Fälle von Folter durch die lokale Polizei (KP) oder andere staatliche Stellen bekannt geworden (AA 9.12.2015).

Fälle von unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung sind nicht bekannt (BAMF 5.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.2015): Kosovo, Länderreport Band 3

5. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Ca. 6.000 - 7.000 Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) sind im Kosovo registriert, wovon aber lediglich 10% (GIZ 6.2016) bzw. etwa ein Drittel (FH 6.6.2015) als aktiv gelten. Die zivilgesellschaftliche Szene ist auf Grund des hohen Anteils an Jugendlichen in der Gesellschaft hochdynamisch aber weitestgehend apolitisch. Die größte Anzahl der aktiven NGOs konzentriert sich auf die städtischen Zentren, wohingegen die Anzahl aktiver NGOs in ländlichen Gebieten gering ist. Eine Datenbank mit kosovarischen NGOs ist auf der Webseite der Kosovar Civil Society Foundation (http://www.kcsfoundation.org/?page=2,1) zu finden (GIZ 6.2016, vgl. FH 6.6.2015).

Zahlreiche heimische und internationale Menschenrechtsorganisationen konnten ohne Einschränkungen seitens der Regierung ihren Aufgaben nachgehen, Menschenrechtsfälle untersuchen und die Ergebnisse darüber publizieren (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/#c37416, Zugriff 30.6.2016

-

FH - Freedom House (12.4.2016): Nations in Transit 2016 - Kosovo, http://www.ecoi.net/local_link/325005/464781_de.html, Zugriff 30.6.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Kosovo, http://www.ecoi.net/local_link/322517/461994_de.html, Zugriff 30.6.2016

6. Allgemeine Menschenrechtslage

Das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrechten ist in der Verfassung verankert. Nach Art. 22 der Verfassung gelten viele internationale Menschenrechtsabkommen unmittelbar und haben Anwendungsvorrang. Seit November 2000 gibt es die Einrichtung einer Ombudsperson, die für alle Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen oder Amtsmissbrauch durch die zivilen Behörden in Kosovo zuständig ist. Die Ombudsperson geht Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen nach und gibt in einem Jahresbericht an das Parlament (www.ombudspersonkosovo.org) Empfehlungen für deren Behebung ab (AA 9.12.2015).

Es gibt keine Hinweise auf staatliche Repressionen oder Menschenrechtsverletzungen. Probleme beim Aufbau eines funktionierenden Justizsystems sowie einer effizienten Verwaltung, aber auch das hohe Maß an Korruption beeinflussen jedoch den Schutz zentraler Menschenrechte. Das Anti-Diskriminierungsgesetz wird nicht konsequent angewendet. Es kommt immer wieder zu einzelnen Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen, denen in der Regel durch NGOs, den Ombudsmann aber auch durch staatliche Stellen nachgegangen wird (BAMF 5.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.2015): Kosovo, Länderreport Band 3

7. Todesstrafe

Das Verbot der Anwendung der Todesstrafe ist in der Verfassung verankert (AA 9.12.2015). Sie ist für alle Straftaten abgeschafft (AI 2012).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-

AI (2012): Amnesty Report 2012;

http://www.amnesty.de/jahresbericht/2012/serbien-einschliesslich-kosovo, Zugriff 1.7.2016

8. Relevante Bevölkerungsgruppen

8.1. Frauen

Die kosovarische Gesellschaft ist weiter stark von traditionellen Formen geprägt. In diesem Zusammenhang sind z. B. das spezifische Verständnis von Ehe, Familie, Verwandtschaft, Geschlecht, Zentrum - Peripherie oder Recht zu nennen (GIZ 6.2016). Das gesetzliche Regelwerk bezüglich der Gleichstellung von Mann und Frau hat sich verbessert und entspricht europäischen Standards. Strukturelle Herausforderungen bestehen und die Umsetzung bedarf weiterhin großer Anstrengungen. Jede Polizeistation hat eine Einheit, die sich mit geschlechtsspezifischer Gewalt beschäftigt. Trotz Ernennung eines nationalen Koordinators gegen häusliche- und sexuelle Gewalt, gab es in der Bekämpfung derselben keine Fortschritte. Wegen fehlender Datenerfassung laufender Verfahren und Verurteilungen fehlen dazu allerdings statistische Daten. Auch die Rechte der Frauen in Bezug auf Erbschaft oder eingetragener Eigentumsrechte bedürfen weiterer Verbesserungen in der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen (EC 10.11.2015).

Laut des Kosovo-Länderreports des Deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom Mai 2015 ist geschlechts-spezifische Gewalt gegen Frauen und Mädchen (Belästigung, Vergewaltigung, häusliche Gewalt, Zwangsprostitution, Menschenhandel, frühe Verheiratung) weit verbreitet und vorherrschend kulturell akzeptiert. Nach Angaben von Igballe Rogova, der Direktorin des Kosovo Women's Network, ist das Problem nicht nur die Haltung der Männer, sondern auch die hohe Akzeptanz der Gewalt unter den Frauen. Laut einer aktuellen Studie von UNICEF und der Kosovo Statistics Agency haben in einer Umfrage rund 42% der befragten Frauen zwischen 15 und 49 Jahren angegeben, dass ein Mann das Recht habe, seine Frau zu schlagen, wenn diese das Haus verlasse, ohne es ihm zu sagen. Das Gleiche gelte, wenn die Frau die Kinder vernachlässige, wenn die Eheleute einen Streit hätten, wenn die Ehefrau Geschlechtsverkehr verweigere, wenn sie das Essen anbrenne, wenn sie sich nicht genügend um den Haushalt und die Hygiene oder um die Eltern des Ehemanns kümmerte, oder wenn die Ehefrau Entscheidungen bezüglich der Familie treffe, ohne den Ehemann zu fragen. Die kosovarische Polizei hat laut eigenen Angaben eine spezielle Abteilung für häusliche Gewalt. So habe es in jeder Polizeistation in Kosovo zwei Untersuchungsbeamte, welche einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst unterhalten. Die Polizei habe ebenfalls standardisierte Arbeitsabläufe bei Eingang derartiger Anzeigen. Die spezialisierten Einheiten der Polizei führen bei Anzeigen bezüglich häuslicher Gewalt die Untersuchungen durch und übergeben die Fälle der Staatsanwaltschaft. Zudem informiert die Polizei die zuständigen Akteure, welche kostenlose Rechtshilfe für Opfer anbieten. Gemäß den Praxiserfahrungen der spezialisierten NGO Women Wellness Center, welche in der Stadt Peja ein Frauenhaus betreibt, sei die Reaktion der Polizei vielfach nicht angemessen. So würde diese oft Partei für die Männer ergreifen, die Opfer beschuldigen und weitere Beweise verlangen (SFH 7.10.2015)

Diskriminierungen aufgrund der Rasse, des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Sprache, der sexuellen Orientierung oder des sozialen Status sind verboten. Auch häusliche Gewalt ist verboten, dabei besteht auch ein Wegweisungsrecht im Falle gesetzter Bedrohungen. Die Polizei reagierte angemessen auf Fälle von Vergewaltigungen und häuslicher Gewalt. Allerdings sind Verurteilungen und Anzeigen selten, was kulturellen Normen, aber auch mangelnden Schutzeinrichtungen, Zurückziehung der Anzeige und schlechten Beschäftigungsmöglichkeiten geschuldet war. Das Ministerium für Arbeit und Wohlfahrt unterstützte NGOs finanziell, die einige Frauenhäuser für Opfer von Gewalt betrieben und bot Sozialdienste mittels der Sozialämter an (USDOS 13.4.2016).

Die rechtliche Stellung betroffener Frauen wurde z.B. durch die UNMIK Regulation 2003/12 sowie durch das vorläufige Strafgesetzbuch verbessert. Daneben wurden Spezialeinheiten gegen Missbrauch und Misshandlungen in jeder größeren Polizeiwache sowie Anlaufstellen bei Gericht und bei Nichtregierungsorganisationen eingerichtet. Verteilt auf die kosovarischen Regionen bestehen derzeit in Pec/Peja, Gjakova/Djakovica, Prizren, Gjilan/Gnjilane, (Süd-)Mitrovica und Pristina sechs Frauenhäuser, die als sog. "sichere Häuser" bezeichnet werden (AA 9.12.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-

EC - European Commission (10.11.2015): KOSOVO* 2015 REPORT, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1447156524_20151110-report-kosovo.pdf, Zugriff 4.7.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/#c37429, Zugriff 4.7.2016

-

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (7.10.2015): Kosovo: Gewalt gegen Frauen und Rückkehr von alleinstehenden Frauen, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1444397675_151007-kos-gewaltgegenfrauen-themenpapier.pdf, Zugriff 4.7.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Kosovo, http://www.ecoi.net/local_link/322517/461994_de.html, Zugriff 4.7.2016

8.2. Kinder

Nur ca. 10% der Kinder im Kosovo besuchen vorschulische Einrichtungen, wobei hier deutliche regionale Unterschiede festzustellen sind. Exklusion im Bereich Bildung ist erheblich für Mädchen aus den ländlichen Gebieten und für Minderheiten, wobei die serbische Minderheit hierbei eine Ausnahme darstellt. Bis zu 10% der weiblichen Jugendlichen (16-19 Jahre) in ländlichen Gebieten können nicht Lesen und Schreiben. Die Qualität der Bildung ist allgemein als vergleichsweise schlecht zu beurteilen. Unterrichtsmaterialien und die Infrastruktur sind unzureichend. Viele Jugendliche verlassen die Schule ohne adäquate Vorbereitung für die Arbeitswelt. Fehlende Qualifikationen behindern den erfolgreichen Übergang zwischen Schule und Beruf (GIZ 6.2016).

Kindesmissbrauch blieb ein Problem. Laut Angaben von UNICEF waren 30% der Kinder im Kosovo Opfer von Missbrauch, wobei die Dunkelziffer höher ist, schon allein wegen mangelnden öffentlichen Bewusstseins dafür. Das PIK leitete eine Untersuchung ein gegen 8 Polizeibeamte wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger, Amtsmissbrauchs und Bedrohung und übergab diese den Strafverfolgungsbehörden. Das Phänomen Zwangs- und Frühheirat kommt noch in bestimmten Gruppen (Roma, RAE) vor. Lokale Regierungseinrichtungen und die Agentur für Gleichheit der Geschlechter versuchten in diversen Kampagnen dagegen zu steuern (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/#c37429, Zugriff 4.7.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Kosovo, http://www.ecoi.net/local_link/322517/461994_de.html, Zugriff 4.7.2016

9. Bewegungsfreiheit

Alle Ethnien können sich in Kosovo grundsätzlich frei bewegen. Die Sicherheitskräfte bemühen sich um einen verstärkten Schutz für Minderheitengebiete und Enklaven. Angehörige von Minderheiten verlassen diese Gebiete - oftmals aufgrund eines subjektiv empfundenen Unsicherheitsgefühls und auch sprachlicher Barrieren - nur selten. Von der Freizügigkeit wird zum Teil von Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern vor allem dort aus einem subjektiven Unsicherheitsgefühl heraus kein Gebrauch macht, wo sich diese Gruppen in der Minderheit befinden. Ziele der Binnenmigration für Kosovo-Serben sind in der Regel mehrheitlich serbisch bewohnte Ortschaften (AA 9.12.2015, vgl. BAMF 5.2015, USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.2015): Kosovo, Länderreport Band 3

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Kosovo, http://www.ecoi.net/local_link/322517/461994_de.html, Zugriff 4.7.2016

10. Grundversorgung und Wirtschaft

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Staatliche Sozialhilfeleistungen werden aus dem Budget des Sozialministeriums finanziert. Sie sind bei der jeweiligen Gemeindeverwaltung zu beantragen und werden für die Dauer von bis zu sechs Monaten bewilligt. Die Leistungsgewährung für bedürftige Personen erfolgt auf Grundlage des Gesetzes No. 2003/15. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen wird durch Mitarbeiter der Kommunen und des Sozialministeriums überprüft. Jede Gemeinde verfügt über ein Zentrum für Soziales. Angehörige der Minderheiten werden zusätzlich von den in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (MOCR) betreut. Die Freizügigkeit wird für Sozialhilfebezieher nicht eingeschränkt. Der Wohnortwechsel ist der bisherigen Gemeinde anzuzeigen. Die von der bisherigen Kommune ausgestellte Registrierungsbescheinigung ist innerhalb einer Frist von sieben Tagen bei der Kommune des neuen Wohnsitzes bei der Anmelderegistrierung vorzulegen. Für den weiteren Sozialhilfebezug ist in der Kommune des neuen Wohnortes ein entsprechender Antrag zu stellen. Der Umzug wird durch Mitarbeiter des Sozialministeriums überprüft. Wohnraum - wenn auch mitunter auf niedrigem Standard - steht ausreichend zur Verfügung (AA 9.12.2015).

Das Pro-Kopf-Einkommen lag 2014 nach Angaben der kosovarischen Regierung bei EUR 3.084, das BIP insgesamt bei etwa EUR 5,5 Mrd. Damit bleibt Kosovo das ärmste Land auf dem Balkan. Allerdings sind zuverlässige Angaben über die Höhe der Transferleistungen der Diaspora und Informationen über das Ausmaß der Schattenwirtschaft letztlich nur schwer zu erhalten (AA 12.2015). Der Umfang der Auslandsüberweisungen wird auf einen Anteil am BIP zwischen 11% und 13% geschätzt, was in etwa den öffentlichen Ausgaben für soziale Sicherung entspricht. Haushalte, die auf Auslandsüberweisungen zurückgreifen, geben im Vergleich zu Nicht-Empfängern 22% mehr für medizinische Versorgung aus. Ähnliches lässt sich für den Bildungsbereich konstatieren. Auslandsüberweisungen sind somit für viele Menschen im Kosovo eine vitale Strategie bei der Prävention bzw. bei der Überwindung von sozialen Risiken. Dem Kosovo Human Development Report 2014 zu Folge können sich ca. 50% der jungen Kosovaren zwischen 18 und 36 Jahre vorstellen ihr Land für eine Beschäftigung, eine Ausbildung oder ein Studium temporär oder dauerhaft zu verlassen. Im Lichte dieser Beschreibung ist ersichtlich, welche Bedeutung Migration für die kosovarische Gesellschaft besitzt und welchem Umfang Migration zu der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Stabilität des Landes beiträgt (GIZ 6.2016).

34% der kosovarischen Bevölkerung leben in absoluter Armut (täglich verfügbares Einkommen geringer als EUR 1,55) und 12% in extremer Armut (EUR 1,02). Armutsgefährdung korreliert stark mit Ethnizität (RAE-Minderheiten sind von Armut überproportional stark betroffen), Alter, Bildung, Geographie und Haushaltsgröße. Der Lebensstandard ist im Kosovo sehr ungleich verteilt, mit Unterschieden in der durchschnittlichen Lebenserwartung von bis zu 10 Jahren zwischen einzelnen Gemeinden. Ein bedeutender Teil der Gesellschaft ist als mehrdimensional arm zu bezeichnen: Neben dem Mangel an finanziellen Ressourcen ist der Zugang zu sozialer Infrastruktur bzw. die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse für viele Menschen begrenzt (GIZ 6.2016).

Kosovo gehört zu den ärmsten Staaten der Region und ist auf die Hilfe der EU und der im Ausland lebenden Kosovo-Albaner angewiesen. Der Anteil der informellen Wirtschaftsleistung ist immens - schätzungsweise zwischen 27% und 45%. Weitere Probleme sind die unzureichende Infrastruktur (Energie, Wasser und Verkehr), ungelöste rechtliche Verhältnisse, mangelnde politische Transparenz, Korruption, Kriminalität, etc. Die Mehrheit der Beschäftigten zahlt weder Steuern noch Sozialabgaben. Zudem sind viele Arbeitnehmer ohne Arbeitsvertrag beschäftigt. Der Durchschnittslohn liegt bei ca. EUR 300 bis 450. Der Durchschnittslohn im öffentlichen Dienst liegt zwischen EUR 290 und 375. Die Beschäftigungsrate beträgt lediglich 28%. Zuverlässige Zahlen über die tatsächliche Höhe der Arbeitslosigkeit liegen nicht vor (BAMF 5.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-

AA - Auswärtiges Amt (12.2015): Kosovo - Wirtschaftspolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Kosovo/Wirtschaft_node.html, Zugriff 5.7.2016

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.2015): Kosovo, Länderreport Band 3

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/#c37429, Zugriff 5.7.2016

10.1. Sozialbeihilfen

Das Gesetz über die soziale Grundsicherung umfasst zwei Kategorien von Leistungsempfängern. Kategorie I definiert Familien als Leistungsempfänger, in denen alle Familienmitglieder temporär oder dauerhaft dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, z.B. Kinder bis 14 Jahre, Jugendliche bis 18 Jahren, insofern diese in das Bildungssystem integriert sind, Alleinerziehende mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren, Personen mit schwerer und dauerhafter Behinderungen über 18 Jahre, ältere Personen über 65 Jahre. Kategorie II umfasst jene Familien, in denen mindestens ein Familienmitglied dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und in denen mindestens ein Kind jünger als 5 Jahre bzw. ein/e Waise jünger als 15 Jahre versorgt wird. Die Leistungen aus beiden Kategorien sind an strenge Bedürftigkeitsprüfungen gebunden. Die Grundrente (EUR 45) wird aus Mitteln des öffentlichen Haushalts finanziert, Rentner, die Beitragszahlungen von mindestens 15 Jahren nachweisen können, erhalten zusätzlich eine erweiterte Grundrente in Höhe von EUR 35. Das durchschnittliche Niveau der Leistungen liegt bei ca. EUR 60 (GIZ 6.2016, vgl. AA 9.12.2015, BIO 6.6.2016).

Das Sozialsystem ist nur rudimentär ausgebaut und bietet keine angemessene Versorgung. Ein Gesetz zum Aufbau einer staatlichen Krankenversicherung wurde verabschiedet, aber noch nicht umgesetzt. Ein Altersversorgungsystem ist eingerichtet, die Renten bewegen sich aber auf niedrigem Niveau. Die Registrierung am Wohnort sowie der Besitz von Personenstandsurkunden sind Voraussetzungen für den Zugang zu vielen Leistungen. Wegen der strengen Anspruchsvoraussetzungen oder mangels Registrierung erhalten nur wenige Familien staatliche Leistungen in Form von Sozialhilfe oder Renten. Mit Stand August 2014 erhielten etwa 30.000 Familien Sozialhilfeleistungen. Die staatlichen Hilfen betragen zwischen EUR 60 bis EUR 110 im Monat. Das wirtschaftliche Überleben dieser Familien sichern in der Regel der Zusammenhalt der Familien und die in Kosovo noch ausgeprägte gesellschaftliche Solidarität. Eine große Rolle spielen dabei die Schattenwirtschaft, Spenden und die Unterstützung durch die Diaspora (BAMF 5.2015).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten