TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/24 G304 2219417-1

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Veröffentlicht am 24.10.2019
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Entscheidungsdatum

24.10.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G304 2219417-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Rudolf KRAVANJA als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, vertreten durch RA Dr. Christian SCHOBERL, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 27.03.2019, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 04.12.2018 brachte der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Beilagen ein.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt:

In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie, vom 28.02.2019 wird aufgrund der am 26.02.2019 durchgeführten Begutachtung des BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Zustand nach offener distaler Unterschenkelfraktur links (06/2017) Eine Stufe unter dem oberen Richtwert nach mehrfachen Operationen, zuletzt Revision bei verzögerter Knochenheilung mit Spongiosaplastik (11/2017) und Stoßwellenbehandlung (06/2018), inzwischen mit verbliebener Defektzone konsolidiert, Gangerschwernis

02.05.32

30

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

 

 

 

3. In der "sofortigen

Beantwortung" des Sachverständigen XXXX vom 22.03.2019 steht:

"Die vorgelegten Befunde mit Eingangsdatum 15.03.2018 stammen aus dem Jahr 2017 und 2018 und dokumentieren den offenen Trümmerbruch des linken Unterschenkels mit verzögerter Knochenheilung, für die aktuell zu beurteilende Funktion ergeben sich daraus allerdings keine neuen Kenntnisse. Das Gutachten Dr. MAIER ist schlüssig und nachvollziehbar. Trotz der bestehenden Funktionseinschränkung mit verminderter Belastbarkeit des linken Beines ist eine kurze Wegstrecke, allenfalls mit einem Gehstock bei Bedarf bewältigbar. Ob das Stiegensteigen alternierend oder nicht alternierend möglich ist, stellt kein relevantes Kriterium beim Einsteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel dar, zumal in ähnlich gelagerten Fällen ein alternierendes Bewältigen von Stufen als ausreichend beurteilt wurde. Die tatsächliche Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel ist kein Kriterium für die medizinische Beurteilung entsprechend den Richtlinien - dies würde eine Ungleichbehandlung abhängig von der geografischen Lage des Wohnsitzes bedeuten und somit als diskriminierend anzusehen sein. In dieser Rechtsmeinung irrt die Rechtsvertretung des AW."

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.03.2019 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und festgestellt, dass der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. Begründend wurde auf das eingeholte Sachverständigengutachten vom 28.02.2018 und die darauf eingeholte sachverständige Stellungnahme bzw. "sofortige Beantwortung" zu bestimmten Fragen vom 22.03.2019 verwiesen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens wurden als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt. Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben hat, wurde mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses (Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.) der Antrag des BF abgewiesen.

5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, unter Neubewertung der medizinischen Urkunden den Grad der Behinderung des BF sowie folglich das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenparkausweises festzustellen.

6. Am 28.05.2019 langte der gegenständliche Verwaltungsakt samt Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

7. Mit Schreiben des BVwG vom 03.07.2019, Zahl: G304 2219417-1/2Z, wurde

Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, um Erstellung eines Sachverständigengutachtens auf Grundlage der Einschätzungsverordnung ersucht.

Mit weiterem Schreiben vom 03.07.2019, Zahl: G304 2219417-1/2Z, wurde

der BF ersucht, sich am 19.08.2019 um 15:00 Uhr bei Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

8. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 19.08.2019 wird nach am 19.08.2019 durchgeführter Begutachtung des BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

GS 1

Stattgehabter offener distaler Unterschenkelbruch links (06/2017) mit Muskelschwäche endlagiger Bewegungseinschränkung im Bereich des linken oberen Sprunggelenkes bei Sekundärarthrose sowie Sensibilitätsstörung im Sprunggelenksbereich links sowie der linken Fußsohle Oberer RSW als Analogposition sämtliche angeführten Funktionseinschränkungen beinhaltend.

02.05.29

40

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

 

 

 

Folgende Stellungnahme wurde abgegeben:

"Aktuell ist eine Funktionseinschränkung des linken Beines gegeben. Die Belastung ist insgesamt als eingeschränkt zu bewerten. Im zweiten Vorgutachten ein Bruch des Sprunggelenkes diagnostiziert, dies kann aufgrund der Röntgenbilder und der Befunde der Spitäler als auch des Rehabzentrums (...) nicht verifiziert werden. Es handelte sich um einen zweitgradigen offenen Unterschenkelbruch. Die obige Einschätzung ist aufgrund der Funktionseinschränkung, Belastungsminderung als auch der Sensibilitätsstörungen angeraten. Eine höhere Einschätzung ist nicht vorzuschlagen, da nach Richtsatzverordnung der Verlust des Unterschenkels mit 50% einzuschätzen wäre und die objektivierbare aktuelle Funktionseinschränkung bei weitem nicht mit einer Unterschenkelamputation zu vergleichen ist. Eine ausreichende Wegstrecke ist umsetzbar. Niveauunterschiede können überwunden werden. Auch ist der sichere Transport mit Hilfsmittel als möglich anzusehen."

9. Mit Verfügung des BVwG vom 11.09.2019, Zahl: G304 2219417-1/4Z, dem Rechtsvertreter des BF zugestellt am 14.09.2019, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten seitens des BVwG übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

10. Am 24.09.2019 langte beim BVwG die schriftliche Bekanntgabe des Rechtsvertreters des BF vom 19.09.2019 ein, auf eine Stellungnahme zum vorgehaltenen ärztlichen Sachverständigengutachten zu verzichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist österreichischer Staatsbürger.

1.2. Der GdB beträgt 40 v. H.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die Feststellung hinsichtlich des GdB gründet sich auf das seitens des BVwG eingeholte orthopädische Sachverständigengutachten vom 28.02.2019 und die daraufhin eingeholte allgemeinmedizinische Stellungnahme vom 22.03.2019.

2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden: VwGH) muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zu Grund gelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

2.3. Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Dr. XXXX vom 19.08.2019 schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf. In diesem Gutachten wird auf die Art und Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Der Sachverständige führte im Wesentlichen aus, dass die vorgenommene Einschätzung der linksseitigen Funktionseinschränkung mit 40 v.H. unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Funktionseinschränkung, der Belastungsminderung und der Sensibilitätsstörungen für hoch genug gehalten wird, und eine höhere Einschätzung des Behindertengrades mit 50 v.H. nur für den Fall einer Unterschenkelamputation vorgenommen werden könnte.

Diese sachverständige Ausführung wird für schlüssig und nachvollziehbar gehalten. Da mit einem Schreiben des Rechtsvertreters des BF vom 19.09.2019, eingelangt beim BVwG am 24.09.2019, bekannt gegeben wurde, auf eine Stellungnahme zum vorgehaltenen Gutachten zu verzichten, wird das Gutachten vom 19.08.2019 in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Da dem BF aufgrund seiner nur mit 40 v.H. sachverständig eingeschätzten Funktionseinschränkung beim linken Unterschenkel nicht der für die Ausstellung eines Behindertenpasses mindestens erforderliche Behinderungsgrad von 50 v.H. zugesprochen wurde, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf den zeitgleich mit dem Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellten Antrag auf Vornahme der beantragten Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, liegen im gegenständlichen Fall doch bereits die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses als Grundvoraussetzung dafür nicht vor, womit auch die Grundvoraussetzung für die Ausstellung eines Behindertenparkausweises, um welchen der BF in seiner gegenständliche Beschwerde auch ersucht hat, nicht gegeben ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des BVwG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - im Folgenden: BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - im Folgenden: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A)

3.2.1. Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderungen in den Voraussetzungen zu erwarten sind.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird. (§ 45 Abs. 2 BBG)

3.2.2. Wie unter Punkt 2.3. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom BF unbestritten gebliebene Sachverständigengutachten vom 19.08.2019, in welchem der GdB des BF mit 40 v. H. eingeschätzt und welches vom BVwG als schlüssig und nachvollziehbar gewertet wird, zugrunde gelegt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

3.2.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde der GdB des BF unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen nach Begutachtung des BF unter Berücksichtigung der aktenmäßigen Befunde festgesetzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens vom 19.08.2019, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2219417.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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