TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/28 W208 2197223-1

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Veröffentlicht am 28.10.2019
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Entscheidungsdatum

28.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W208 2197223-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit AFGHANISTAN, vertreten durch ARGE RECHTSBERATUNG DIAKONIE UND VOLKSHILFE, gegen den Bescheid des BUNDESAMTES FÜR FREMDENWESEN UND ASYL, Regionaldirektion Kärnten vom 02.05.2018, Zl. 16-1116066208/160730939, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 24.05.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG) gestellt.

2. Am 24.05.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Befragung statt, bei der er in der Sprache Farsi zum Fluchtweg und Fluchtgrund (Angabe des BF: Illegaler Aufenthalt im Iran) befragt wurde.

Verständigungsprobleme lagen nicht vor.

3. Bei der Einvernahme am 13.11.2017 gab der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi an, dass die bisherigen Angaben im Verfahren der Wahrheit entsprächen und machte nähere Ausführungen zu Herkunft und zu den Gründen seiner Flucht. Im Wesentlichen brachte der BF vor, dass er sich illegal im Iran aufgehalten habe. Da er keine Aufenthaltsdokumente gehabt habe, hätte ihm sein Arbeitgeber kein Geld gegeben und ihn schikaniert und mit der Polizei gedroht. Er habe in ständiger Angst gelebt von der Polizei kontrolliert und nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Er habe niemanden in Afghanistan und sei vor Angst geflohen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde er als Hazara und Schiit sicher mit den Taliban Probleme bekommen.

Der BF legte Integrationsunterlagen (Schreiben der Gemeinde XXXX über die positive Integration des BF vom 10.11.2017 sowie eine Bestätigung über die Teilnahme an Grabungsarbeiten vom 29.08.2017) sowie eine ungarische Asylkarte vor.

Verständigungsprobleme lagen laut Niederschrift auch bei dieser Befragung nicht vor.

4. Das BFA hat mit dem im Spruch angeführten Bescheid den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status Asylberechtigter gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

5. Gegen den am 04.05.2018 zugestellten Bescheid wurde von der gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG dem BF zur Seite gestellten und im Spruch genannte Rechtsberatungsorganisation (Vollmacht und Zustellvollmacht vom 16.05.2018) am 30.05.2018 beim BFA Beschwerde eingebracht.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 01.06.2018 vom BFA vorgelegt.

7. Mit Ladungen vom 15.11.2018 wurde vom BVwG eine Verhandlung in der Sache anberaumt und der BF darauf hingewiesen, welche aktuellen Länderinformationen in das Verfahren eingebracht und falls nicht bekannt, angefordert werden oder Akteneinsicht genommen und eine Stellungnahme abgegeben werden kann.

8. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 16.01.2019 eine öffentliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi und seiner bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahm und ausführlich zu den Fluchtgründen und zur Person befragt wurde, sowie Stellung nehmen konnte. Er brachte dabei erstmals vor kein Schiite mehr zu sein und sich dem Christetum zugewandt zu haben.

Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde dem BFA übermittelt und dem BF aufgetragen binnen 3 Wochen die Ladungsadressen von Zeugen für seine Konversion zum Christentum geltend zu machen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden folgende weitere Unterlagen vorgelegt bzw. eingebracht:

-

Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs des ÖIF vom 30.11.2016 (Beilage ./1),

-

eine Bestätigung der Caritas XXXX über die Teilnahme an einem Deutschkurs A1, der mit einer Regelmäßigkeit von 60 % besucht würde (Beilage ./2),

-

ein Empfehlungsschreiben der Unterkunftsgeberin XXXX vom 10.01.2019 (Beilage ./3).

-

Bestätigung der XXXX XXXX (XXXX - im Folgenden: F) über die Teilnahme des BF an Gottesdiensten und Bibelkursen seit Oktober 2018 (Beilage ./4).

9. Am 05.02.2019 übermittelte der Vertreter des BF eine Stellungnahme, in welcher er im Wesentlichen Ausführungen betreffend die geltend gemachte Konversion des BF zum Christentum traf und auf diesbezügliches Länderberichtsmaterial verwies. Gleichzeitig übermittelte er eine Liste mit Namen von Zeugen, welche die Konversion des BF bestätigen würden.

10. Mit Ladungen vom 27.03.2019 wurde vom BVwG eine weitere Verhandlung in der Sache anberaumt.

11. Das BVwG führte am 24.05.2019 eine weitere öffentliche Verhandlung durch, an der der BF abermals im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi und seiner bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahm.

Im Rahmen dieser mündlichen Verhandlung wurden folgende weitere Unterlagen vorgelegt bzw. eingebracht:

-

Bestätigung der BH XXXX -LAND über den Austritt des BF aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft vom 03.05.2019 (Beilage 1),

-

Bestätigung der F wonach der BF am Taufvorbereitungskurs teilnimmt und regelmäßig in den Kirchenräumlichkeiten mitarbeitet (Beilage 2),

-

Bestätigung über den Sprachcafé-Besuch des BF seit Jänner 2019, zwei Unterrichtseinheiten pro Woche (Beilage 3).

Ihm wurde am Ende der Verhandlung aufgetragen nach der Taufe seinen Taufschein dem BVwG vorzulegen.

12. Am 24.09.2019 übermittelte der BF den Taufschein vom 22.09.2019 und eine Kopie eines Fotos der Taufzeremonie.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

1.1. Zur Person und ihrem Netzwerk

Der BF führt den im Spruch angeführten Namen, wurde am XXXX im IRAN geboren und ist dort aufgewachsen. Vor seiner Ausreise hat er zuletzt in XXXX im IRAN gelebt (VHS, 7). Seine Eltern stammen aus der Provinz GHOR in AFGHANISTAN. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan; weiters Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und kommt aus einer Familie, die sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam bekennt.

Seine Muttersprache ist Farsi und er verfügt über Deutschkenntnisse.

Der BF ist seit Mai 2016 in Österreich und hat am 04.05.2018 den negativen Bescheid des BFA erhalten. Seit Oktober 2018 interessiert er sich für das Christentum. Seit damals besuchte er sonntags regelmäßig die Gottesdienste und nimmt seit rund einem Jahr einmal wöchentlich an einem Bibelkurs teil, der auf Farsi unterrichtet wird (VHSI, 11-13; Beilage 4 zur VHSI).

Er hat seit 16.05.2019 an einem Taufvorbereitungskurs teilgenommen (VHSII, 8), wurde daraufhin am 22.09.2019 in der XXXX XXXX getauft und ist aktives Mitglied der Kirchengemeinde.

Während seines Aufenthaltes in Österreich ist der BF vom muslimischen zum christlichen Glauben konvertiert. Das wissen sowohl seine Bekannten und Freunde in Österreich (darunter auch Afghanen) als auch sein Bruder in Österreich, der ebenfalls konvertiert ist und mit welchem er gemeinsam am religiösem Leben in der Kirchengemeinde und an den Gottesdiensten teilnimmt. Seinem Bruder im IRAN und seinen dortigen Angehörigen hat er noch nicht gesagt, dass er konvertiert ist (VHSII, 10 - 11).

Der BF hat bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft (BH) am 03.05.2019 eine Erklärung abgegeben, wonach er aus dem Islam austrete (VHSII, 3). Dies wurde von der BH zur Kenntnis genommen und mit Schreiben vom selben Tag bestätigt (Beilage 1 zur VHSII).

Der BF hat im Iran vier Jahre lang die Schule besucht (VHSI, 5).

Der BF ist arbeitsfähig und hat Berufserfahrung als Arbeiter auf Baustellen, insbesondere als Fliesenleger und Schweißer (VHSI, 5).

Der BF hat einen Bruder, XXXX (geb. XXXX ), der 2016 gemeinsam mit dem BF nach Österreich gekommen ist und ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Der Bruder hat einen negativen Bescheid bekommen und gleichermaßen Beschwerde eingelegt (VHSII, 9). Der BF hat eine gute Beziehung zu seinem Bruder. Dieser hat sich auch dem Christentum zugewandt und sie besuchen gemeinsam die Kirche (VHSII, 11).

Ein weiterer Bruder des BF ist vor dem BF ausgereist und lebt mit seiner Frau und seinem Kind im europäischen Ausland (Deutschland oder Schweden). Der BF hat aufgrund einer Auseinandersetzung (über Geld) keinen Kontakt mehr mit ihm (VHSI, 6).

Der Vater des BF lebt nicht mehr. Seine Mutter hat seine Familie verlassen als er ca. 10 Jahre alt war (VHS 1, 7). Die Mutter hat Geschwister, die ebenfalls im IRAN gelebt haben (VHSI, 8).

Der BF ist im IRAN geboren und dort unter Afghanen aufgewachsen (VHSI, 7).

Er hat folgende Angehörige im IRAN:

Sein ältester Bruder, XXXX (ca. 34 Jahre). Dieser ist verheiratet und hat zwei Kinder und eine Frau und arbeitet auf einer Baustelle (VHSI, 6). Der BF hat eine gute Beziehung zu seinem Bruder im IRAN und hat gelegentlich Kontakt mit ihm. (VHSI, 8 und 10). Der Bruder ist gläubiger Muslim (VHSI, 10). Die Familie des BF hat im IRAN zwei Häuser selbst erbaut (VHSI, 9).

Der BF war noch nie in AFGHANISTAN und hat dort keine Angehörigen oder Besitztümer (VHSI, 8 und 9).

Der BF ist gesund und hat in der Verhandlung einen wachen und orientierten Eindruck gemacht.

Er ist in AFGHANISTAN nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert, war kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, hat sich nicht politisch betätigt und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Heimatland.

1.2. Zu den Fluchtgründen

Der BF war vor dem Verlassen Afghanistans keiner konkreten individuellen Verfolgung durch Taliban, Daesh oder sonstige kriminelle Personen, aufgrund der politischen Gesinnung, des Geschlechts, der sexuellen oder religiösen Orientierung, sowie der Zugehörigkeit einer sozialen Gruppe ausgesetzt.

Dem BF drohte und droht auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara in Afghanistan keine konkret gegen ihn gerichtete psychische bzw physische Gewalt.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF in sein Herkunftsland

Im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat ist es wahrscheinlich, dass die afghanischen Behörden und das persönliche Umfeld des BF früher oder später von seiner Abkehr vom islamischen Glauben sowie von seinem in Österreich gelebten Bekenntnis für das Christentum und seiner christlichen Taufe Kenntnis erlangen würden und der BF dadurch sowohl in seiner bzw der Herkunftsprovinz seiner Familie als auch in den Großstädten wie HERAT, KABUL oder MAZAR-E SHARIF psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

Insbesondere aufgrund seines Austrittes aus der islamischen Glaubensgemeinschaft und der Annahme des freien evangelikalen Glaubensbekenntnisses könnte der BF auch nicht auf allenfalls vorhandene traditionelle Unterstützungsnetzwerke durch Mitglieder seiner ethnischen Gruppe in den angeführten Städten zurückgreifen (vgl dazu die Scheu des BF seinem Bruder im IRAN von seiner Konversion zu erzählen), sondern würde ihm als einem von Islam abgefallenen Muslim mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit drohen, sondern sogar der Tod.

Der afghanische Staat ist diesbezüglich weder schutzfähig noch schutzwillig. Für Apostasie, in der klassischen Scharia als "Weggehen vom Islam" verstanden, droht Männern die Todesstrafe; der Islam ist Staatsreligion in Afghanistan (vgl die angeführten Länderinformationen, insbesondere 15. und 15.2.). Dass der BF bei einer Rückkehr seinen neuen Glauben verleugnen und wieder zum Islam zurückkehren würde, ist aufgrund seiner Aussagen, der Zeugenaussagen und des persönlichen Eindruckes den er in den beiden Verhandlungen vor dem BVwG hinterlassen hat, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht anzunehmen.

Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tod bestraft. Nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung fällt die Konversion unter den Begriff der "ungeheuerlichen Straftaten". Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt, angegriffen und können im Falle einer Weigerung in psychiatrischen Kliniken zwangseingewiesen werden sowie kann es auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen.

1.4. Zum Privatleben und zur Integration in Österreich

Der BF hält sich seit 24.05.2016 in Österreich auf und lebt in XXXX

.

Er besuchte Deutschkurse und hat sich bereits ansatzweise Deutschkenntnisse angeeignet. Er hat einen Deutschkurs Niveau A1 besucht (Beilage ./2, VHSI) und besucht derzeit wieder einen Deutschkurs (VHSII, 13) und zweimal wöchentlich ein Sprachcafé (Beilage 3, VHSII) .

Er leistete gemeinnützige Hilfstätigkeiten für die Gemeinde XXXX und mittlerweile auch für seine Kirchengemeinde (VHSI, 15; VHSII, 11).

Er ist kein Mitglied von Vereinen und politischen Parteien und war bisher auch sonst politisch nicht aktiv.

Der BF war bisher - abgesehen von der angeführten geringfügigen gemeinnützigen Tätigkeit - nicht erwerbstätig. Er lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt er über keine Einstellungszusage.

Referenzschreiben seitens der Gemeinde und seiner Unterkunftsgeberin (Beilage ./3) belegen das persönliche Verhalten und Engagement des BF in der Gesellschaft.

Der BF wurde von einer evangelischen Freikirche nach rund einjähriger Vorbereitung getauft und ist ein aktives Mitglied dieser Kirchengemeinde. Er geht jeden Sonntag in die Kirche und betet, besucht regelmäßig Bibelkurse und tauscht sich mit anderen Gläubigen aus.

Der BF ist bereit die gesellschaftlichen Regeln und österreichischen Gesetze zu akzeptieren und einzuhalten.

Der BF ist in Österreich nicht verheiratet, nicht verlobt, lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder. Er hat einen Bruder in Österreich, mit dem er zusammen am religiösen Leben teilnimmt und in die Kirche geht (VHSII, 4).

Er pflegt private Beziehungen zu Österreichern und Afghanen. Er verbringt die Freizeit mit seinem Bruder, mit Freunden und mit anderen Mitgliedern seiner Kirchengemeinde (VHSI, 10).

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat

Das BVwG trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

1.5.1. Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt 26.03.2019):

Die Kurzinformation vom 26.03.2019 spricht von einem Anschlag des IS in KABUL während des persischen Neujahrsfestes (Nowruz) in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Die Bomben waren in einer Moschee, hinter einem Krankenhaus und in einem Stromzähler plaziert. Ein weiterer Angriff des IS mit Mörsergranaten erfolgte ebenfalls auf einen mehrheitlich von Hazara bewohnten Stadtteil auf eine Gedenkveranstaltung für einen Hazara-Führer. Berichtet wird auch von Überflutungen die der Dürre in den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, HERAT, Kapisa, Parwan, Zabul und KABUL. Diese haben eine weitere Landflucht in die urbanen Zentren ausgelöst und befinden sich insbesondere in Herat-Stadt rund 95.000 Personen in Notunterkünften die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Ebenfalls erwähnt werden Friedensgespräche mit den Taliban und die neuerliche Verschiebung der Präsidentenwahl auf 28.09.2019.

Der Kurzinformation vom 01.03.2019 ist zu entnehmen, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor labil bleibt. Die meisten regierungsfeindlichen Angriffe fanden in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandarhar, Uruzgan und Herat statt. Zivile Opfer durch Kämpfe und Anschläge gab es auch in den Provinzen Kunar, Nangarhar, Kunduz und Kabul sowie entlang verschiedener Hauptstraßen in diesen Provinzen. Alle Provinzzentren sind jedoch unter Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung.

Den Kurzinformationen vom 22.01.2019 und 31.01.2019 sind einerseits die Aufnahme von Friedensgesprächen der USA mit den Taliban zu entnehmen andererseits aber auch wieder tödliche Anschläge auf einen Stützpunkt des afghanischen Geheimdienstes in der Provinz WARDAK am 21.01.2019, am Vortag auf einen Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz LOGAR und vor der gesicherten Green Zone in KABUL, wo viele internationale Organisationen und NGO angesiedelt sind.

Im Herbst und Winter 2018 kam es zu mehreren Anschlägen in KABUL auf Ministerien, auf Islamgelehrte, Demonstrationen der Hazaras und Gefängnismitarbeitern bei denen es zivile Opfer gab. Brandvorrichtung/Sprengfallen, Selbstmordanschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen und Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen.

Aus der KI vom 11.9.2018, geht hervor, dass Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in KABUL, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan stattgefunden haben. Es handelte sich dabei um Selbstmordanschläge auf eine Demonstration, eine Mädchenschule, einen Festumzug und einen Wrestling-Club.

Der KI vom 22.08.2018, sind Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zu entnehmen. Dies waren Entführungen auf der Takhar-Kunduz-Autobahn, ein IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul sowie vor dem Flughafen Kabul und auf eine schiitische Moschee in Gadrez-Stadt in Paktia, sowie Kämpfe zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab.

Das LIB der Staatendokumentation führt zur SICHERHEITSLAGE im Punkt 3 im Wesentlichen aus:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist sehr instabil. Es ist mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Die afghanische Regierung bzw deren Sicherheitskräfte behalten auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen.

Die Aufständischen üben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren aus. Sie greifen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige an; es gibt Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS. Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt. Es haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden.

Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen.

Die Taliban kontrollieren zwischen 10% und 14 % der afghanischen Distrikte. Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017).

Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Zur Heimatprovinz des BF wird im LIB ausgeführt:

3.11. Ghor/Ghowr

Ghor ist 480 km von Kabul entfernt und grenzt an die Provinzen Herat, Badghis, Faryab, Sar-e Pul, Bamyan, Helmand und Farah. Ghor hat folgende administrative Einheiten: Taiwara/Taywara, Tolak/Tulak, Sagher/Saghar, Pasaband, Dolaina/Du Layna, Shahrak, Dawalatyar, Chahar Sada/Charsadra, Lal-o-Sari Jangle/Lal Wa Sarjangal und die Hauptstadt Chaghcharan (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.), heute bekannt als Firozkoh/Feroz Koh (Pajwhok 13.3.2018; vgl. Gandhara 14.2.2018). Firozkoh/Chaghcharan verfügt über einen regionalen Flughafen mit Linienbetrieb (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.).

Ghor ist eine der unterentwickelten Provinzen des Landes (Pajhwok 12.11.2017). Das Straßennetzwerk besteht aus verfallenen und ländlichen Straßen (Gandhara 14.2.2018). Wegen ihrer Unwegsamkeit wurden die Straßen in der Provinz Ghor verwendet, um Drogen, aber auch Waffen zwischen dem Norden und dem Süden des Landes zu schmuggeln, so ein lokaler Polizeibeamter (Pajhwok 15.1.2017).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 713.158 geschätzt (CSO 4.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Die Provinz Ghor hat lange unter fehlender Aufmerksamkeit der afghanischen Regierung gelitten; so war beispielsweise die Rechtsstaatlichkeit nicht existent und schwerwiegende Menschenrechtsverletzung wurden nicht bestraft. Dennoch war es fast

2.700 Polizisten und Offizieren der Armee möglich, das weitläufige Gebiet der Provinz vor den Taliban zu schützen (NYT 7.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 66 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, [...]

Im gesamten Jahr 2017 wurden 33 zivile Opfer (19 getötete Zivilisten und 14 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodeneinsätzen und Blindgängern/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 59% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Ghor

In der Provinz Ghor kam es im Juli 2017 zu Zusammenstößen zwischen den Aufständischen und den afghanischen Truppen; dabei kamen Taliban ums Leben (Tolonews 17.7.2017). Es werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Talibankämpfern (Khaama Press 12.2.2018; vgl. Tolonews 27.7.2017, Tolonews 17.7.2017) und IS-Anhängern (Tolonews 24.4.2017) zu befreien. Es kam zu Luftangriffen (Tolonews 24.4.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghor

Sowohl die Taliban als auch Sympathisanten des IS sind in der Provinz in einer Anzahl von abgelegenen Distrikten aktiv (Khaama Press 23.7.2017). Regierungsbeamten zufolge wird die Anwesenheit von Taliban und einer Fraktion, die mit dem IS sympathisiert, von zwei Männern gestützt, die für ihre kriminellen Aktivitäten in der Provinz Ghor bekannt sind (NYT 7.8.2017). Kämpfe zwischen Anhängern der Taliban und des IS finden statt (Khaama Press 6.8.2017).

2017 waren in einigen abgelegenen Distrikten der Provinz Ghor, wie Taiwara, die Taliban aktiv (Tolonews 27.7.2017; vgl. Khaama Press 23.7.2017, AAN 7.8.2017). Anfang 2018 hätten Taliban vier Mitglieder eines Impfteams entführt und dann frei gelassen. Das Geschehen wurde vom Pressesprecher des Provinzgouverneurs bestätigt, jedoch vom Leiter des öffentlichen Gesundheitswesens dementiert (Pajhwok 11.3.2018; vgl. ZDF 2.1.2018). Im Jänner 2018 fand ein Selbstmordanschlag in der Provinzhauptstadt, Firozkoh, statt, bei dem zwei Personen ums Leben kamen (Pajhwok 12.1.2018).

Sympathisanten des IS sind hauptsächlich in der östlichen Provinz Nangahar aktiv; nichtsdestotrotz, versuchen dessen Anhänger in anderen Teilen des Lands - inklusive des Nordens und Nordwestens - Fuß zu fassen. Beispielsweise wurde Ende Februar 2018 in Ghor ein lokaler Anführer des IS verhaftet (Khaama Press 12.2.2018).

Im Jahr 2017 waren Mitglieder des IS in der Provinz aktiv (UNAMA 2.2018; vgl. Pajhwok 11.2.2018); diese scheinen keine formelle Verbindung zur IS-Gruppierung der Provinz Nangarhar [Anmerkung:

Sympathisanten des IS sind hauptsächlich in Nangahar aktiv] zu haben (UNAMA 2.2018). Die Anhänger des IS in Ghor waren in einigen Distrikten aktiv (Khaama Press 23.7.2017). Auch wurden - einer Quelle zufolge - junge Männer und Kinder im Norden der Provinzhauptstadt Firozkoh von arabischsprachigen Anhängern des IS ausgebildet, die behaupteten, den direkten Befehlen des IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi zu unterliegen (Tolonews 9.6.2017).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden IS-bezogene Vorfälle in Ghor registriert (ACLED 23.2.2018).

Im Rechts- und Justizwesen (detailliert ausgeführt in Punkt 4 des LIB) gibt es zwar Gesetze, es gilt allerdings der Vorrang der Scharia (islamisches Recht) und daneben existieren lokale Gepflogenheiten. Das Justizwesen wird von Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquater Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert. Letzteres gilt auch für die Sicherheitskräfte (Punkt 5 des LIB). Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2017 von Transparency International, belegt Afghanistan von 180 Ländern den

177. Platz (TI 21.2.2018). Einer Umfrage zufolge betrachten 83,7% der Afghanen die Korruption als ein Hauptproblem des Landes. Die Provinzen mit der höchsten Korruptionswahrnehmung sind Kabul mit 89,6%, Uruzgan mit 87,9%, Nangarhar mit 87,8% und Helmand mit 86,9% (Punkt 7 des LIB).

Es kommt auch zu bedeutenden Menschenrechtsverletzungen, obwohl die Menschenrechte eine klare rechtliche Grundlage haben. Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen (u. a. von Frauen wegen "moralischer Straftaten") und sexueller Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind Gewalt gegenüber Journalisten, Verleumdungsklagen, durchdringende Korruption und fehlende Verantwortlichkeit und Untersuchung bei Fällen von Gewalt gegen Frauen. Diskriminierung von Behinderten, ethnischen Minderheiten sowie aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung, besteht weiterhin mit geringem Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Die weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, sind ernsthafte Probleme. Missbrauchsfälle durch Beamte, einschließlich der Sicherheitskräfte, werden von der Regierung nicht konsequent bzw. wirksam verfolgt. Bewaffnete aufständische Gruppierungen greifen mitunter Zivilisten, Ausländer und Angestellte von medizinischen und nicht-staatlichen Organisationen an und begehen gezielte Tötungen regierungsnaher Personen. Regierungsfreundlichen Kräfte verursachen eine geringere - dennoch erhebliche - Zahl an zivilen Opfern (vgl. zur Menschenrechtslage Punkt 10 des LIB).

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen sind gesetzlich verboten; trotzdem werden beide Praktiken weiterhin betrieben. Diese stellen in den meisten Provinzen ein Problem dar. Beobachtern zufolge werden Personen gelegentlich von Polizei und Staatsanwälten auf Basis von Handlungen, die nach afghanischem Recht nicht strafbar sind, ohne Anklage inhaftiert. Teilweise auch deshalb, weil das Justizsystem nicht in der Lage ist, in angemessener Zeit einen Strafprozess abzuwickeln. Die UNAMA berichtete von Verhaftungen wegen Verstößen gegen die Moral, Vertragsbruch, Familiendisputen und zum Zwecke des Erhalts von Geständnissen. Beobachter berichten, dass oft Frauen für "moralische" Vergehen inhaftiert werden. Die angekündigten Reformen u. a. zur Beendigung der unwissenschaftlichen und missbräuchlichen Jungfräulichkeitsuntersuchungen bei inhaftierten Frauen wurden nicht durchgeführt. Oft werden Frauen wegen versuchter zina [Anm.:

Ehebruch] angeklagt, um Verhaftungen wegen Verstöße gegen die Sitten, wie das Davonlaufen von Zuhause, die Ablehnung designierter Ehemänner, die Flucht vor häuslicher Gewalt usw. rechtlich zu legitimieren. Einige Frauen, die Missbräuche anzeigen, werden verhaftet und anstelle von verurteilten Familienmitgliedern eingesperrt in der Annahme, dass diese sich stellen würden, um die Freilassung der Frau zu bewirken. In einigen Fällen werden Frauen in Schutzhaft genommen, um sie vor Gewalt seitens ihrer Familienmitglieder zu beschützen. Wenn die Unterbringung in Frauenhäusern nicht möglich ist, werden von häuslicher Gewalt betroffene Frauen auch in Gefängnisse gebracht, um sie gegen weitere Missbräuche zu schützen. Auch arrangiert das Ministerium für Frauenangelegenheiten Ehen für Frauen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können (Punkt 13 LIB).

Gem. Punkt 14 LIB droht die Todesstrafe nicht nur bei Delikten wie Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Angriff gegen den Staat, Mord und Zündung von Sprengladungen, Entführungen bzw. Straßenraub mit tödlicher Folge, Gruppenvergewaltigung von Frauen usw., sondern auch unter dem Einfluss der Scharia bei anderen Delikten (z.B. Blasphemie, Apostasie, Ehebruch).

Punkt 15 des LIB hält zur Religion in Afghanistan das Folgende fest:

"15. Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017). [...]

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

[...]

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017). [...]"

15.1. Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017).

"15.2. CHRISTENTUM UND KONVERSION ZUM CHRISTENTUM

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.8.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 8.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5.2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.8.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5.2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9.2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.8.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5.2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).

Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014). Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam (CSR 13.12.2017)."

"16.2. HAZARA

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Ausführliche Informationen zu Angriffen auf schiitische Gedenkstätten, sind dem Kapitel Sicherheitslage zu entnehmen; Anmerkung der Staatendokumentation.

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können ebenso dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation. [...]

1.5.2. Auszug aus den EASO - Country Guidance Afghanistan

"V. Innerstaatliche Schutzalternative

[...]

Im gegenständlichen Kapitel wird die Anwendbarkeit der innerstaatlichen Schutzalternative in Teilen von Afghanistan und insbesondere in den folgenden drei Städten bewertet und Leitlinien hierzu vorgegeben: Stadt Kabul, Stadt Herat sowie Mazar-e Sharif.

[...]

Erreichbarkeit: Die genannten Städte verfügen über funktionierende Flughäfen mit Inlands- und Auslandsflugverbindungen;

Sicherheitslage: Das Ausmaß willkürlicher Gewalt erreicht in diesen Städten nicht ein derart hohes Niveau, dass wesentliche Gründe zur Annahme vorliegen, wonach ein Zivilist - bloß aufgrund seiner Anwesenheit - ein tatsächliches Risiko zu gewärtigen hätte, ernsthaften Schaden zu nehmen. Abhängig von der jeweiligen Einzelfallprüfung könnte die innerstaatliche Schutzalternative dementsprechend auf die genannten Städte angewendet werden. [...]

Sicherheit

[...]

In jenen Fällen, wo die betreffende Person fürchtet, dass er/sie durch den afghanischen Staat verfolgt würde oder ernsthaften Schaden nehmen könnte, ist davon auszugehen, dass keine innerstaatliche Schutzalternative gegeben ist. Allerdings könnte in jenen Fällen, wo die Reichweite eines bestimmten Akteurs des Staates ganz klar auf ein spezielles geografisches Gebiet beschränkt ist, das Sicherheitskriterium in Bezug auf andere Landesteile von Afghanistan durchaus erfüllt sein.

Einzelpersonen, welche durch Aufständische bedroht werden, siedeln zur eigenen Sicherheit oft in die großen Städte um ["Conflict targeting" [Konfliktbewältigung], 1.4.2.].

Bei der Prüfung der Frage, ob eine innerstaatliche Schutzalternative im Falle der Gefahr, durch die Taliban verfolgt zu werden oder ernsthaften Schaden zu nehmen, allenfalls vorliegt, sollte besonderes Augenmerk auf folgende Punkte gelegt werden: (i) persönliche Umstände des/r Antragstellers/in, (ii) das Vermögen der Taliban, Einzelpersonen in großen Städten zu verfolgen und auszuforschen, (iii) die Art und Weise, in welcher der/die Antragsteller/in von den Taliban wahrgenommen wird (siehe nächstfolgenden Punkt) sowie (iv) ob eine persönliche Feindschaft gegeben ist oder nicht ["Conflict targeting" [Konfliktbewältigung], 1.4.3.].

Bei Einzelpersonen, welche fürchten, durch sonstige bewaffnete Gruppen verfolgt zu werden oder ernsthaften Schaden zu nehmen, sollte die Reichweite der betreffenden Gruppe geprüft werden, d.h. es sollte darauf Bedacht genommen werden, ob eine operative Präsenz der ISKP in Kabul und Herat gegeben ist ["Conflict targeting" [Konfliktbewältigung], 1.5.1.1.]. In den meisten Fällen könnte somit eine innerstaatliche Schutzalternative vorliegen.

In manchen Fällen, in denen der/die Antragsteller/in die Gefahr, verfolgt zu werden oder ernsthaften Schaden zu nehmen, aufgrund der herrschenden Moralvorstellungen in Afghanistan zu gewärtigen hat und als Akteur, von dem die Verfolgungsgefahr (bzw. das Risiko, ernsthaften Schaden zu nehmen) ausgeht, die afghanische Gesellschaft in ihrer Gesamtheit ist (z.B. LGBT, d.h. in Bezug auf jene, welche als Glaubensabtrünnige bzw. Blasphemisten erachtet werden), würde eine innerstaatliche Schutzalternative im Allgemeinen nicht gegeben sein.

[...]"

1.5.3. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018:

"I.1. [...] Personen, die aus Afghanistan fliehen, können einem Verfolgungsrisiko aus Gründen ausgesetzt sein, die mit dem fortwährenden bewaffneten Konflikt in Afghanistan oder mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, die nicht in direkter Verbindung zum Konflikt ste

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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