TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/28 W163 2130970-1

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Veröffentlicht am 28.10.2019
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Entscheidungsdatum

28.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W163 2130970-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.09.2019, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß

§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

I.1. Verfahrensgang 1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach unrechtmäßiger und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gestellt.

Am 10.11.2015 fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt.

2. In weiterer Folge wurde der BF am 02.05.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, zugestellt am 19.07.2016, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde gemäß §§ 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

4. Gegen den oben angeführten Bescheid richtet sich die beim BFA am 21.07.2016 fristgerecht eingelangte und nicht datierte Beschwerde des BF an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde beantragt, der Beschwerde stattzugeben und den Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben oder abzuändern.

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.07.2016 vom Bundesamt vorgelegt.

5. Mit Eingabe vom 07.02.2017 wurde ein Taufzeugnis der XXXX betreffend den BF vorgelegt, derzufolge der BF am 29.10.2016 getauft wurde.

6. Mit Eingabe vom 104.06.2019 wurde eine Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters des BF vorgelegt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 18.09.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seiner rechtsfreundlichen Vertreterin persönlich teilnahm. Auch ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung teil.

8. Mit Eingabe vom 02.10.2019 wurde eine Stellungnahme der bevollmächtigten Vertreterin vorgelegt.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person der beschwerdeführenden Partei

1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , und stammt aus dem Unterdorf XXXX , Oberdorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Ghazni (Afghanistan). Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und zugehörig zur Volksgruppe der Hazara. Die Muttersprache des BF ist Dari.

Der BF ist als schiitischer Moslem aufgewachsen und bekennt sich nun zum Christentum.

2. Der BF befürchtet, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner Zuwendung zum Christentum von anderen Personen getötet zu werden, weil er nach der dort allgemein vorherrschenden Ansicht als Moslem nicht die Religion wechseln hätte dürfen.

b) Zur Lage im Herkunftsstaat

Das Bundesverwaltungsgericht trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat (Quelle:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 26.03.2019):

Christen und Konvertiten

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.8.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich. BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 308 von 376ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 8.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5.2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.8.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017). Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft

ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5.2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen

Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9.2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.8.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA

5.2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 309 von 376 es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).

II. Beweiswürdigung

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

II.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesasylamtes und des Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

1. Die Feststellungen zum Namen und zum Geburtsort, zur Staatsangehörigkeit und zur Volksgruppenzugehörigkeit und zur Herkunft auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im gesamten Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellung zum Geburtsjahr stützt sich auf die Angaben des BF vor dem BFA am 02.05.2016. Der BF hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, er sei im Jahr 1368 geboren und es sei fälschlich das Geburtsjahr 1370 festgehalten worden. Da der BF keine Identitätsdokumente beibringen konnte, war das vom BFA festgestellt Geburtsdatum beizubehalten. Im Übrigen ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des BF Zweifel aufkommen ließ.

2. Die Feststellungen hinsichtlich der Hinwendung zum Christentum, konkret zur iranisch christlichen Gemeinde in der XXXX , stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, den zeugenschaftlichen Angaben jenes Mitglieds im Leitungsteam der XXXX , das den BF für die Taufe vorbereitete und die Taufe spendete, sowie die in Kopie vorgelegte Taufurkunde.

Wie in der Beschwerde vom 21.07.2016 zutreffend ausgeführt wird, hat der BF bereits in seiner Einvernahme vor dem BFA am 02.05.2016 geschildert, dass er sich nach der Entführung und Tötung von Hazaras kritisch zur muslimischen Religion geäußert hat und ihm deshalb unislamisches Verhalten vorgeworfen wurde. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Aspekt ihn der angefochtenen Entscheidung nicht konkret auseinandergesetzt. Im Lichte dieser Angaben erachtet das erkennende Gericht die Angaben des BF in der in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht als glaubhaft, dass seine bereits vor seiner Ausreise bestehende kritische Haltung gegenüber dem Islam dazu geführt hat, sich zeitnah nach seiner Einreise ins Bundesgebiet an eine christliche Kirche zu wenden, um Antworten auf jene Fragen, die ihn beschäftigten, zu erhalten und sich nach entsprechender Taufvorbereitung zur Taufe entschlossen zu haben. Der Beschwerdeführer hat glaubhaft dargelegt, mit der Zuwendung zum Christentum einen Weg gesucht und für sich gefunden zu haben. Der BF hat in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt, warum er bei der Einvernahme vor dem BFA am 02.05.2016 nicht angeben hat, bereits in Kontakt mit der XXXX zu stehen, zumal er auf konkrete Frage des Behördenvertreters in der mündlichen Verhandlung angab, er sei zum damaligen Zeitpunkt noch nicht getauft gewesen und hätte gedacht, dass man dies als Missbrauch der Religion verstehen könnte. Dafür, dass sich der BF aus innerer Überzeugung dem Christentum zugewandt hat, spricht auch der Umstand, dass sich der BF - nach entsprechender Vorbereitung - bereits im Oktober 2016 taufen ließ und seit nunmehr knapp drei Jahren ein aktives Mitglied der Kirchengemeinde ist und er, obwohl er nicht in Wien lebt, die Mühen der Anreise auf sich nimmt, um an kirchlichen Veranstaltungen regelmäßig teilzunehmen und aktiv mitzuarbeiten. Auch wenn der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Wissensfragen zum XXXX nicht ausreichend beantworten konnte, vermochte der BF doch glaubhaft jenen Aspekt darzulegen, der für ihn persönlich besondere Bedeutung hat, zumal er darauf verwies, dass mit der Zuwendung zum Christentum ein Mensch sofort als "reiner" Mensch gesehen wird. Zudem hat der Taufspender in der zeugenschaftlichen Einvernahme dargelegt, dass die theoretische Wissensvermittlung nicht im Zentrum der Glaubensvermittlung dieser Christengemeinde steht, sondern die Lebensentwicklung einer Person und die Ablesbarkeit des Glaubens an den Handlungen. Der Zeuge schilderte umfassend in der mündlichen Verhandlung, dass er genau diese Entwicklung beim BF beobachtet hat und er keinen Zweifel daran hat, dass der BF Christ sei.

Gestützt werden die Angaben des BF durch das vorgelegte Taufzeugnis und die zeugenschaftliche Einvernahme des Taufspenders, der auch die Taufvorbereitung durchführte. Der Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft den Weg des BF zur Christengemeinde, seine Entwicklung und die Art wie der BF seinen Glauben lebt sowie die jahrelangen Aktivitäten des BF in der Christengemeinde geschildert. Der Zeuge hat auch geschildert, dass der BF, obwohl er über keine abgeschlossene Schulbildung verfügt, kürzlich eine gute Präsentation zum zweiten Kapitel der Offenbarung im Jüngerkreis abgehalten hat. Der Zeuge hat glaubhaft dargelegt, dass er den BF als mutigen und gläubigen Christ sieht, der auch über seinen Glauben spricht und hat die regelmäßige Teilnahme des BF an kirchlichen Veranstaltungen bestätigt.

Es sind im Verfahren auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des BF zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre.

Das Vorbringen des BF hinsichtlich seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner in Österreich erfolgten Konversion vom Islam zum Christentum war in ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere unter Berücksichtigung der diesbezüglich vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Christen und Konvertiten in Afghanistan, insgesamt als glaubhaft zu beurteilen.

Im Übrigen ist festzuhalten, dass seitens der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht die Glaubhaftigkeit einer asylrelevanten Verfolgung nicht in Zweifel gezogen wurde.

3. In einer Gesamtschau der Angaben des BF im gesamten Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen des BF zu seiner Furcht vor Verfolgung in Afghanistan insgesamt als glaubhaft. Es ist daher davon auszugehen, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage sein würden, dem BF vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

II.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

1. Die oben getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Afghanistan, Stand 29.03.2019.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung von anderen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichten aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

2. Die in der mündlichen Verhandlung erörterten Feststellungen und Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden dem Parteien zur Einsicht angeboten und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, zu den getroffenen Feststellungen eine Stellungnahme abzugeben.

3. Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

III. Rechtliche Beurteilung:

III.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

2. Gemäß § 1 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung (VwGVG) ist das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes durch das VwGVG geregelt.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Im gegenständlichen Verfahren sind daher gemäß § 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung (BFA-VG), dieses sowie weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung (FPG) anzuwenden.

3. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes, BGBl. I Nr. 10/2003 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Zu Spruchteil A)

III.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (siehe § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005), soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Die mit 01.01.2016 in Kraft getretenen Abs. 4 bis 4b des § 3 AsylG lauten:

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

Gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 sind auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. e bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden.

2. Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist:

3.1. Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

3.2. Mit dem Vorbringen des BF, wegen seiner Konversion zum christlichen Glauben im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht der BF einen (subjektiven) Nachfluchtgrund geltend (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, Zl. 96/20/0923).

Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention aber nicht abgeleitet werden (VwGH, 09.11.1995, Zl. 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, Zl. 99/20/0203; 21.09.2000, Zl. 98/20/0557).

Gemäß Art. 5 Abs. 2 der sog. Status-Richtlinie RL 2003/83/EG kann die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Herkunftsstaates beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.

Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion (allenfalls sogar mit der Todesstrafe) belegt zu werden (VwGH 24.10.2001; Zl. 99/20/0550; 19.12.2001, Zl. 2000/20/0369; 17.10.2002; Zl. 2000/20/0102; 30.06.2005, Zl. 2003/20/0544).

In Ermangelung eines christlichen Taufaktes kommt es nicht darauf an, ob der Asylwerber aus Sicht einer christlichen Glaubensgemeinschaft auch ohne Taufe zu dieser zu zählen ist, sondern ob die religiöse Einstellung des Asylwerbers (sei es auch ohne vollzogene Taufe) im Heimatstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen würde (VwGH 30.06.2005, Zl. 2003/20/0544).

3.3. Aus dem oben zur Person des BF festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der BF als Person mit innerer christlicher Überzeugung im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite - ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme - als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre. Dass die Konversion des BF zum Christentum den afghanischen Behörden oder anderen Personen in seinem familiären und sozialen Umfeld verborgen bleiben würde, kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Konversion des BF zum Christentum nur zum Schein erfolgt wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Im gegenständlichen Fall liegt daher das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in der religiösen Überzeugung des BF vor.

3.4. Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den BF im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht.

4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung eines vom Islam zum Christentum konvertierten Mannes verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des BF stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

5. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,
Konversion, Nachfluchtgründe, Religion, Schutzunfähigkeit,
wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W163.2130970.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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