TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/4 W209 2189262-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2019
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Entscheidungsdatum

04.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W209 2164782-1/25E

W209 2164784-1/23E

W209 2164786-1/23E

W209 2164788-1/25E

W209 2189262-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2017, Zl. 1075942703-151701565, betreffend Abweisung eines Antrages auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.02.2018 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2017, Zl. 1075764601-151701573, betreffend Abweisung eines Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.02.2018 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

III. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2017, Zl. 1075765500-151701611, betreffend Abweisung eines Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.02.2018 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

IV. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2017, Zl. 1075942703-151701654, betreffend Abweisung eines Antrages auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.02.2018 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

V. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2018, Zl. 1179232704 - 180059247, betreffend Abweisung eines Antrages auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.02.2018, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin XXXX (in der Folge BF1), eine afghanische Staatsangehörige, sowie deren minderjährige Kinder XXXX , geb. XXXX (BF2), XXXX , geb. XXXX (BF3), und XXXX , geb. XXXX (BF4), ebenfalls afghanische Staatsangehörige, reisten im November 2015 in Österreich ein und stellten, die minderjährigen Kinder vertreten durch ihre Mutter, am 06.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei ihrer Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Wien führte die BF1 als Grund für die Antragstellung aus, ihr Mann wohne in Österreich und habe hier Asylstatus. Außerdem habe sie in Afghanistan nicht leben können, weil dort Krieg herrsche und die Lage sehr unsicher sei. Sie sei mit ihren drei Kindern vor ca. 20 Tagen mit dem Flugzeug von Kabul über Istanbul nach Wien gereist.

3. Am 22.03.2017 wurde die BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, (in der Folge BFA), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari, einvernommen. Eingangs legte die BF1 ein Visum, die Reisepässe von sich und ihren minderjährigen Kindern sowie Alphabetisierungskurs- und Schulbesuchsbestätigungen vor. Die BF1 gab an, XXXX zu heißen und am

XXXX in Ghazni geboren zu sein. Sie gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitische Muslimin. Zuletzt sei sie in ihrem Heimatort, in XXXX in XXXX , wohnhaft gewesen. Sie sei verheiratet und habe drei Kinder. Ihr Vater sei ca. 72 Jahre alt und ihre Mutter bereits verstorben. Sie habe vier Brüder und zwei Schwestern. Die ältere Schwester lebe in London, ein Bruder lebe in Schweden, ein Bruder lebe in Afghanistan und ein Bruder lebe im Iran. Weiters machte sie Angaben zu ihrem Ehemann, XXXX , geb. XXXX (Verfahrensnummer: XXXX ), und ihren drei Kindern.

Die BF1 gab an, sie habe keine Schule besucht und könne kein afghanisch, da sie wegen der Taliban nicht zur Schule gehen habe können. Im Verlauf der Befragung gab die BF1 später jedoch an, Dari und Farsi zu sprechen. Bislang habe sie im Iran als Schneiderin gearbeitet. Nach der Ausreise ihres Mannes sei sie drei Jahre bei den Eltern ihres Mannes in Afghanistan geblieben. Als ihr Vater in den Iran gezogen sei, sei auch sie ein Jahr und drei Monate dort gewesen. Dann habe sie ihrem Mann nach Österreich folgen können. In Afghanistan habe sie niemanden gehabt, auch die Familie ihres Mannes sei nicht nett gewesen.

Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die BF1 an, sie schließe sich den Fluchtgründen ihres Mannes an und wolle auch eigene Gründe vorbringen. Als Frau habe sie nichts alleine machen können. Wenn die Taliban sie sehen würden, wäre das schlimm. Ihr Sohn habe deswegen auch Probleme in der Schule gehabt. Er habe psychische Probleme, er wache nachts auf und schreie wegen der Taliban. Als Frau alleine mit Kindern ginge es überhaupt nicht. Ihr ältester Sohn habe den Schrecken mit seinen eigenen Augen gesehen. Es seien vor wenigen Tage Leute geköpft worden. Auf Nachfrage bejahte die BF1, eine westliche Orientierung zu haben. Dazu führte sie aus, sie würde die Sprache lernen und Schneiderin werden wollen. Sie könne auch Handarbeit machen. Sie habe keine Freundinnen, gehe aber viel mit ihren Kindern raus. Zu ihrer Kleidung befragt, gab sie an, mit dieser Kleidung könne sie in Afghanistan auf keinen Fall nach draußen gehen. Dies würden die Taliban nicht zulassen. Sie wäre gezwungen gewesen ganz verschleiert zu gehen - sie habe gar nichts tun dürfen.

Schließlich stellte die BF1 für ihre drei minderjährigen Kinder einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab sie an, dass für die Kinder dieselben Fluchtgründe gelten würden wie für sie selbst.

4. Mit Bescheiden vom 08.06.2017, Zl. 1075942703-151701565 (BF1) und vom 09.06.2017, Zl. 1075764601-151701573 (BF2), 1075765500-151701611 (BF3) und 1075942703-151701654 (BF4) wies das BFA die gegenständlichen Anträge der BF1 bis BF4 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde den Beschwerdeführern eine befristete Aufenthaltsgenehmigung bis zum 09.06.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

In den Begründungen der Bescheide traf die belangte Behörde Feststellungen zu den Beschwerdeführern und zur Lage in Afghanistan. Demnach sei die BF1 afghanische Staatsangehörige, muslimischen Glaubens und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Sie sei die Ehefrau des XXXX , geb. am XXXX , der ebenfalls in Afghanistan geboren und afghanischer Staatsbürger sei. Ihrem Ehemann sei mit 02.08.2013 eine befristete Aufenthaltsberechtigung zuerkannt worden, welche durch das BFA zweimal verlängert worden sei (14.08.2014/28.08.2016). Die BF1 habe keine asylrelevante Verfolgung in ihrem Herkunftsland glaubhaft gemacht. Ihre Angaben zur unterdrückten Stellung als Frau seien berücksichtigt worden. Die BF1 habe eine westliche Orientierung nicht in ausreichendem Maß glaubhaft machen können. Da die BF1 für sich keine asylrelevanten Fluchtgründe glaubhaft gemacht habe, sei nach Ansicht der Behörde nicht vom Vorliegen wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen auszugehen. Auch den übrigen Beschwerdeführern wurde kein Asyl gewährt, da die BF1 als deren gesetzliche Vertretung keine asylrelevante Verfolgung für die übrigen Beschwerdeführer in Afghanistan vorgebracht habe. Es läge ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG 2005 vor. Es habe jedoch kein Familienmitglied den Status des Asylberechtigten zuerkannt bekommen, weswegen auch für die Beschwerdeführer die Zuerkennung von Asyl nicht in Betracht käme.

Die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten an die BF1 bis BF4 sei erfolgt, weil der Ehemann der BF1 bzw. Vater der BF2, BF3 und BF4 mit 02.08.2013 den Status des subsidiär Schutzberechtigen zugesprochen bekommen habe.

5. Gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) erhoben die Beschwerdeführer BF1 bis BF4, vertreten durch den Diakonie Flüchtlingsdienst, mit Schreiben vom 13.07.2017 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Die Beschwerdeführer beantragten, die Rechtsmittelbehörde möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen und den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - beheben und den Beschwerdeführern den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. In eventu möge das Gericht den angefochtenen Bescheid - im angefochtenen Umfang - ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

Begründend wurde ausgeführt, das Ermittlungsverfahren und die Länderfeststellungen seien mangelhaft. Es sei von der Behörde nicht ausreichend hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführer zu den Hazara ermittelt worden. Auch die Beweiswürdigung sei mangelhaft. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, nachvollziehbar zu begründen, warum bei der BF1 eine westliche Orientierung nicht festgestellt werden habe können. Schließlich leide der Bescheid auch an inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Durch ihre Zugehörigkeit zur Gruppe afghanischer Frauen, die sich den in Afghanistan herrschenden gesellschaftlichen Normen nicht beugen wollen, drohe der BF1 Verfolgung, weswegen für sie die Definition eines Flüchtlings im Sinne der GF der Genfer Flüchtlingskonvention K zutreffend sei. Zudem sei die BF1 auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Hazara einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.

6. Mit Schreiben vom 14.02.2018 teilte der Diakonie Flüchtlingsdienst mit, dass die ihm von den Beschwerdeführern erteilte Vollmacht zurückgelegt wird.

7. Am 26.02.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und des rechtlichen Vertreters der Beschwerdeführer, Rechtsanwalt Edward Daigneault, durch, in welcher die BF1 ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Im Zuge der Verhandlung wurde auch die dem Rechtsanwalt Edward Daigneault erteilte Vollmacht vorgelegt.

8. Am 03.03.2018 übermittelte der rechtliche Vertreter der Beschwerdeführer, Rechtsanwalt Edward Daigneault, eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht. Eingangs wurde darin mitgeteilt, dass aufgrund parallel erhobener Bescheidbeschwerde in Kürze auch ein Beschwerdeverfahren bezüglich der jüngsten Tochter der BF1, XXXX , beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sein werde. Es wurde daher um Erledigung in gemeinsamer Sache gebeten.

Inhaltlich wird in der Stellungnahme ausgeführt, dass die Mutter vor allem deshalb geflüchtet sei, weil sie in Afghanistan ohne männliche Begleitung (ihre eigene Familie sei damals im Iran gewesen) mit ihren Kindern allein nicht (über-)leben habe können. Außerdem wünsche sie sich in Österreich ein selbstbestimmtes Leben und würden die Kinder hier zur Schule gehen. In Afghanistan wäre der Mutter und in weiterer Folge auch den Töchtern ein Leben in Freiheit nicht möglich. Den Kindern wäre ein Schulbesuch verwehrt. Außerdem wäre die Mutter in Afghanistan gezwungen eine Burka zu tragen. Hier könne sie sich kleiden, wie sie es selbst möchte. Der Stellungnahme wurden auch Onlineberichte zur prekären Sicherheitslage und zur Situation der Frau in Afghanistan beigefügt. Zudem wurde ausgeführt, dass laut den Länderfeststellungen Kinderarbeit ein tiefgreifendes Problem sei. Es würden Berichte existieren, wonach Kinder sexuellem Missbrauch durch erwachsene Arbeiter ausgesetzt gewesen seien. Auch komme hinzu, dass Mutter und Töchter bei einer Rückkehr von sexueller Ausbeutung bzw. von Gewalt betroffen wären, die Töchter außerdem auch von einer Zwangsverheiratung, die - weil ortsüblich - von den Eltern auch nicht verhindert werden könne. Aus diesen Gründen möge das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführern den Status der Asylberechtigten zuerkennen.

9. Mit Bescheid vom 31.01.2018, Zl. 1179232704 - 180059247/BMI-BFa_BGLD_RD, wurde mit Spruchpunkt I. der Antrag der am XXXX geborenen XXXX (BF5) auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten, welche in diesem Verfahren durch ihren Vater XXXX gesetzlich vertreten wurde, vom BFA abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass für die BF5 keine konventionsrelevanten Sachverhalte geltend gemacht worden seien. Demgegenüber wurde der BF5 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.), weil sie die Tochter einer subsidiär schutzberechtigten Bezugsperson sei, und ihr eine befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt (Spruchpunkt III.)

10. Am 14.03.2018 langte die vom BFA übermittelte Beschwerde gegen den Bescheid vom 31.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.03.2018 zu den Zahlen W209 2164782-1/7E, W209 2164784-1/7E, W209 2164786-1/7E, W209 2164788-1/9E und W209 2189262-1/2E wurden die gegen Spruchpunkt I. der o.a. Bescheide erhobenen Beschwerden der Beschwerdeführer mit näherer Begründung als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis wurde seitens der Beschwerdeführer eine außerordentliche Revision erhoben, welche zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter anderem eine Verletzung der Begründungspflicht geltend machte. In der Stellungnahme vom 03.03.2018 habe die BF1 darauf hingewiesen, dass sie aufgrund der Einschränkungen durch die Taliban keine Schule habe besuchen können und auch der BF4 ein Schulbesuch in Afghanistan verwehrt sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit diesem Fluchtgrund der BF4 nicht auseinandergesetzt. Darüber hinaus fehlten nähere Länderfeststellungen betreffend den Zugang zu Bildung für Mädchen in Ghazni, obwohl die Taliban in dieser Provinz als "durchaus mächtig" gälten und diese u.a. den Schulbesuch von Mädchen verhinderten.

12. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 16.01.2019 wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.03.2018, soweit es die BF4 betraf, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Begründend wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass bereits in der Einvernahme vor dem BFA die BF1 bezogen auf ihre Herkunftsregion Ghazni angegeben habe, dass sie durch die Taliban Einschränkungen in ihrer Lebensweise ausgesetzt gewesen sei, weshalb sie unter anderem nicht zur Schule gehen habe können. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht habe die BF1 den Wunsch geäußert, dass ihre minderjährigen Kinder eine Schulbildung erhalten sollten. In einer dem Bundesverwaltungsgericht übermittelten Stellungnahme sei ausgeführt worden, dass der minderjährigen BF4 ein Schulbesuch in Afghanistan nicht möglich sei.

Die Revision mache zutreffend geltend, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit diesem asylrelevanten Vorbringen nicht näher auseinandergesetzt habe und insbesondere in diesem Zusammenhang die Ausführungen in einschlägigen Länderberichten (hier: den UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016) nicht in seine Erwägungen miteinbezogen habe. Danach würden regierungsfeindliche Kräfte gezielte Angriffe auf Schulen, Lehrer und Schüler durchführen, insbesondere im Zusammenhang mit Bildung für Mädchen. Die Angriffe würden - so die Richtlinien des UNHCR - mehrheitlich den Taliban zugerechnet, die nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts im vorliegenden Fall auch in der Herkunftsregion der revisionswerbenden Parteien aktiv seien und regelmäßig Operationen durchführen würden. Ausgehend davon habe es das Bundesverwaltungsgericht verabsäumt, sich damit auseinander zu setzen, ob die BF4 im Falle des Schulbesuchs im Herkunftsstaat der Gefahr einer Verfolgung im asylrechtlichen Sinne ausgesetzt wäre. Das angefochtene Erkenntnis sei daher, soweit es die BF4 betreffe, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gewesen.

Dieser Umstand schlage im Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 auch auf die BF1 bis BF3 und BF5 als Familienmitglieder durch und führe zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit der sie betreffenden Entscheidung, weswegen das sie betreffende Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben gewesen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zu den Beschwerdeführern:

Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige und führen die Namen XXXX , geboren am XXXX (BF1), XXXX , geboren am XXXX (BF2), XXXX , geboren am XXXX (BF3), XXXX , geboren am XXXX (BF4) und XXXX , geboren am XXXX (BF5). Die Beschwerdeführer stammen aus dem Distrikt XXXX in der afghanischen Provinz Ghazni. Sie sind schiitische Muslime und gehören der Volksgruppe der Hazara an.

Die BF1 ist die leibliche Mutter des BF2, des BF3, der BF4 und der BF5. Die BF1 ist die Ehefrau des ebenfalls aus Afghanistan stammenden XXXX , dem in Österreich subsidiärer Schutz gewährt wurde. Der BF2, der BF3, die BF4 und die BF5 sind die Kinder des XXXX . Die BF1 lebt mit ihrem Mann und den übrigen Beschwerdeführern zusammen in Österreich.

Die BF1 besuchte in Afghanistan für einige Zeit eine Koranschule und war im eigenen Haus als Schneiderin tätig. Wegen der Taliban konnte sie keine öffentliche Schule besuchen. Die BF1 möchte, dass ihre minderjährigen Kinder, besonders auch die Mädchen, in die Schule gehen und später arbeiten.

1.2 Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Die BF4 wäre im Falle des Schulbesuchs im Herkunftsstaat der Gefahr einer Verfolgung im asylrechtlichen Sinne ausgesetzt.

Eine Prüfung des Vorbringens des BF1 betreffend eine Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention konnte unterbleiben, weil bereits die Feststellung, dass der BF4 eine Verfolgung iSd GFK droht, gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auf die BF1 als Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg.cit. durchschlägt und daher keine gesonderte Prüfung der Fluchtgründe der BF1 erfordert (vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Für die BF2, BF3 und BF5 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

1.3 Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan (Gesamtaktualisierung 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019)

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul¬Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan,

Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und

94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US- Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen„ welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 1.1.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht.

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Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und

Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen

Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019).

Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.). Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatten dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Milionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Milionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED

[Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018a)

Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 1.4.2018 - 30.9.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.

Bild kann nicht dargestellt werden

(BFA Staatendokumentation 15.10.2018b)

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitra

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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