TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/4 W178 2123205-1

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Veröffentlicht am 04.11.2019
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Entscheidungsdatum

04.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W178 2123205-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn XXXX , StA. AFGHANISTAN, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich BAL vom 18.02.2016, Zl. 830855408-1674522, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer (Bf) stellte am 21.06.2013 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Einvernahme anlässlich der Antragstellung und bei der Einvernahme beim BFA 10.04.2014 hinsichtlich seines Fluchtgrundes an, dass der Vater entschieden hätte, dass sie Afghanen verlassen. Sein Vater habe zu den Mujaheddin gehört und dieser habe ihm gesagt, dass sie deshalb nicht in Afghanistan bleiben könnten. Es habe im Iran Probleme mit einem Cousin angegeben, der entführt worden sei. Die Familie sei nach Afghanistan abgeschoben worden und habe eine Woche in Herat verbracht bevor sie nach Europa gereist seien.

2. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 18.2.2016 bezüglich des Status des Asylberichtigten abgewiesen, jedoch wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG zuerkannt und es wurde ihm zuletzt mit Bescheid vom 26.4.2019 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 18.02.2021 zuerkannt.

3. Gegen Spruchpunkt I dieses Bescheides wurde Beschwerde erhoben.

4. Bei der Einvernahme am 06.10.2016 vor dem BVWG hat er angegeben, dass sein Vater in Afghanistan ca. im Jahr 2004 Probleme gehabt habe. Aus der Erzählung seiner Mutter wisse er, dass der Vater zu den Mujaheddin-gehört habe. Sein Vater habe ihm, da er ein Kind war, nichts erzählt, um ihn und die Familie nicht in Gefahr zu bringen. Die Gruppe hätte Waffen von Iran nach Afghanistan transportiert, um gegen die Taliban zu kämpfen. Sie seien dabei von bestimmten Gruppen beobachtet worden. Der Beschwerdeführer hat weiters angegeben, dass er nicht wisse, zu welcher Mujaheddin-Gruppen sein Vater gehört habe. Es könne sein, dass es die Hezbe Wahdat waren. Er könne sich nur erinnern, dass der Vater eine Militäruniform getragen habe und eine große Waffe gehabt habe. In der Niederschrift wurde seitens der Rechtsvertretung angegeben, dass der Vater Schwierigkeiten wegen des Kampfes gegen die Taliban bekommen habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Bf

Der Beschwerdeführer, Staatsangehörigkeit Afghanistan, stammt aus der Volksgruppe der Hazara mit schiitischen Religionsbekenntnis. Er wurde in der Provinz Ghazi, XXXX geboren. Im Alter von 5 bis 6 Jahren ging der Beschwerdeführer mit der Familie in den Iran, wo der Beschwerdeführer ca. neun Jahre zur Schule ging bzw. arbeitete. Die Familie wurde nach Afghanistan abgeschoben, wo sie eine Woche ca. in Herat blieben und schließlich die Flucht nach Europa antrat.

Der Beschwerdeführer wurde an der afghanisch/iranischen Grenze von seiner Familie getrennt. Der Beschwerdeführer hat eine Lehre abgeschlossen und steht derzeit in einem aufrechten Dienstverhältnis.

1.2 Zu seinem Fluchtgrund konnte der Beschwerdeführer dazu keine konkrete Auskunft geben. Er verweist auf die Gefahr, in der sich die Familie befunden habe, weil sein Vater Mujaheddin gewesen sei. Es ist davon auszugehen, dass sein Vater vor der ersten Flucht aus Afghanistan, d. h. vor 2004 ca., einer kämpfenden Gruppe angehörte, die sich zu dem Mujaheddin zählte und die die Taliban bekämpfte. Der Beschwerdeführer weiß, dass sein Vater Angst vor den Taliban hatte.

1.3 Länderberichte

1.3.1 Ein Mujaheddin (verschiedene Schreibweisen) ist "derjenige, der Heiligen Kampf betreibt". Es wird von "Dschihad" abgeleitet.

Die Aufständischen (Taliban), die gegen die derzeitige afghanische Regierung kämpfen, nennen sich auch mujahideen , vgl. https://alemarahenglish.com/

Als Mujaheddin bezeichneten sich die verschiedenen Guerilla-Gruppierungen, die von 1979 bis 1989 in Afghanistan gegen die sowjetischen Truppen und die von ihnen gestützte kommunistische Regierung kämpften. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen 1989 kam es zum Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen Mujaheddin-Gruppierungen, wodurch Tausende von Menschen umkamen und Millionen flüchten mussten.

Die zwischen 1996 und 2001 errichteten die Taliban das islamische Emirat Afghanistan. Es entwickelte sich unter Ahmad Schah Massoud und General Dostum eine Widerstandsbewegung gegen die Taliban. Dieser Vereinigten Front traten die von den Taliban verfolgte Volksgruppe der Hazara ebenso wie pashtunische Führer wie Qadir oder Karzai bei. Bis zum Eingreifen der USA mit Oktober 2001 war die Regierung des islamischen Staates die international anerkannte Regierung. 2002 wurde Herr Karzai Präsident und eine internationale Schutztruppe (ISAF) eingesetzt.

1.3.21Hizb-e Wahdat:

Aus: https://en.wikipedia.org/wiki/Hezbe_Wahdat

Hezb-e Wahdat-e Islami Afghanistan (Persian:; "the Islamic Unity Party of Afghanistan"), shortened to Hezb-e Wahdat (), was founded in 1989. Like most contemporary major political parties in Afghanistan, Hezb-e Wahdat is rooted in the turbulent period of the anti-Soviet resistance movements in Afghanistan in the 1980s. It was formed to bring together nine separate and mostly inimical military and ideological groups into a single entity. During the period of the Afghan civil war in the early 1990s, it emerged as one of the major actors in Kabul and some other parts of the country. Political Islamism was the ideology of most of its key leaders but the party gradually tilted towards its Hazara ethnic support base and became the key vehicle of the community's political demands and aspirations. Its ideological background and ethnic support base has continuously shaped its character and political agenda. Through the anti-Soviet jihad and the civil war, Hezb-e Wahdat accumulated significant political capital among Afghanistan's Hazaras.

By 2009, however, Hezb-e Wahdat was so fragmented and divided that the political weight it carried in the country bore little resemblance to what it had once been. It had fragmented into at least four competing organizations, each claiming ownership of the name and legacy of Hezb-e Wahdat.[1]

1.3.3 aus https://minorityrights.org/minorities/hazaras/

After the Taliban seized power in 1996, they declared Jihad on the Shi'a Hazaras. In the years that followed, Hazaras faced particularly severe repression and persecution, including a series of mass killings in northern Afghanistan, where thousands of Hazaras lost their lives or were forced to flee their homes. Consequently, Hazaras formed part of the Northern Alliance forces that opposed the Taliban and took power after the Taliban fell in 2001.

Since the overthrow of the Taliban in 2001, the situation of Hazaras in Afghanistan has improved considerably. Hazaras are one of the national ethnic minorities recognized in the new Afghan Constitution and have been given full right to Afghan citizenship. Only two Hazaras gained seats in President Hamid Karzai's initial cabinet, and the only representative of their main political party, Hizb-e Wahdat gained the position of vice president. But in the most recent parliamentary election Hazaras (who make up around 9 per cent of the population) gained 25 per cent of seats. However, Hazaras still face persistent discrimination in many areas of the country.

Die Hezbe-I Wahdat nahmen ab 2001 am politischen Geschehen in Afghanistan teil.

Die Taliban formierten sich nach der Zerstörung des islamischen Emirates wieder und begannen den Kampf gegen die Regierung und die internationalen Streitkräfte.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich vor allem aus dem Akt des BFA und den Einvernahmen vor der Polizei, dem BVA und vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie den Ergänzungen, vorgelegt von der Rechtsvertretung.

Nach der Judikatur des VwGH ist in die Beweiswürdigung der reale Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte unter Betrachtung der konkreten Lage im Herkunftsstaat einzubeziehen, weil seine Angaben nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind.

2.2 Zu den zitierten Quellen:

Zitat 1.3.3. Zur Selbstdefinition der Organisation:

MRG (minority rights group) is an international non-governmental organization (NGO) with an international governing Council that meets twice a year. We have consultative status with the United Nations Economic and Social Council (ECOSOC) and observer status with the African Commission for Human and Peoples' Right

Diese Quelle wie auch die Zitate aus Wikipedia sind mit der notwendigen Distanz und Vorsicht kritisch zu verwenden und haben - wie die große Mehrheit der zur Verfügung stehenden Länderberichtekeinen wissenschaftlichen Anspruch.

2.3 Zum Bf:

Es ist dem Beschwerdeführer zu glauben, dass die erste Flucht aus Afghanistan in den Iran ca. 2004 mit der Tätigkeit seines Vaters als Kämpfer einer Mujaheddin Gruppe bzw. auch mit Waffenschmuggel zusammenhing.

Für die Zeit als der Bf ca. 6 Jahre alt war (ca. 2003/2004) und die Familie in den Iran floh kann trotz Bemühung eine Zuordnung des Vaters des Bf zu einer politisch/militärischen Aktivität auf Basis der oben unter 1.) dargelegten historischen Umstände und der Lage im Land nicht vorgenommen werden. Damit kann auch nicht eruiert werden, was die objektiven Ursachen der behaupteten Furcht des Vaters waren; wie im angefochtenen Bescheid richtig angeführt, haben sich im Laufe der Geschichte viele Gruppen als Mujaheddin bezeichnet.

Die individuellen Umstände konnten auch nicht erhoben werden, da der Bf dazu wenig Aussagen machen konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1 Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß § 3 Abs 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention gilt, wer aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen.

Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss zum Entscheidungszeitpunkt vorliegen; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den oben genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.3 Im konkreten Fall:

Der Bf selbst bezieht seine Bedrohungslage auf die Bedrohung des Vaters; die Bedrohung seiner Person folgt aus seiner Sicht daraus. Im Hinblick darauf, dass der Bf weder für die Vergangenheit noch für die Gegenwart bezüglich des Vaters eine konkrete Bedrohungssituation beschreiben konnte und eine solche auch amtswegig nicht ermittelt werden konnte, kann eine Prüfung, ob es eine solche von erheblicher Intensität ist, nicht erfolgen. Jedenfalls gab es nach dem Vorbringen des Bf ca. in den letzten 15 Jahren keine aktive Gegnerschaft des Vaters zu den Taliban und auch keine Bedrohung. Wer genau die Personen oder Gruppen waren bzw sind, auf die sich die Angst des Vaters bezog bzw. bezieht, konnte aufgrund der fehlenden Angaben des Bf nicht ermittelt werden.

Es ist daher nicht davon auszugehen, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr und damit ein Asylgrund vorliegen.

Es ist dem Vorbringen in der Beschwerde zuzustimmen, dass eine asylrelevante und akute Bedrohung des Vaters für den Sohn den Asylgrund der sozialen Gruppe der Familie begründen könnte. Da aber keine Verfolgungsgefahr bezüglich des Vaters ermittelt werden konnte, kommt der Asylgrund aus der Verfolgung als Familienmitglied nicht in Betracht.

Die im Iran aufgetretenen Probleme können hinsichtlich der Prüfung der Asylgründe nicht berücksichtigt werden, da sich diese auf den Herkunftsstaat zu beziehen haben

Es war daher der Beschwerde keine Folge zu geben und der angefochtene Bescheid im angefochtenen Umfang zu bestätigen.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Glaubhaftmachung, mangelnde Asylrelevanz, soziale Gruppe,
Verfolgungsgefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W178.2123205.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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