TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/5 W277 2216858-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.11.2019
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Entscheidungsdatum

05.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W277 2216858-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK

I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. China, vertreten durch den XXXX , gegen die Spruchpunkte XXXX des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. China, vertreten durch den XXXX , gegen den Spruchpunkt XXXX . des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX :

A)

Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsgehörige der Volksrepublik China (in der Folge: VR China), reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie wurde am darauffolgenden Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

2. Am XXXX wurde durch Verfahrensanordnung die XXXX in einem XXXX angeordnet.

3. Am XXXX wurde die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Sie wurde auf die Möglichkeit der Einvernahme durch eine XXXX der Amtshandlung hingewiesen und hat ausdrücklich darauf verzichtet. Die BF gab im Wesentlichen zu Protokoll, dass sie bereits im XXXX nach Österreich eingereist sei und sich etwa XXXX im Bundesgebiet aufgehalten habe. Danach habe sie sich für XXXX ein griechisches Visum ausstellen lassen und sich von XXXX in XXXX aufgehalten. Als sie im XXXX Urlaub in XXXX gemacht habe, sei sie in einem " XXXX " von der Polizei XXXX worden und habe den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

4. Mit Verfahrensanordnung XXXX teilte das BFA der BF mit, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen und stellte ihr amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

5. Am XXXX wurde die BF vor dem BFA in Anwesenheit eines Rechtsberaters erneut niederschriftlich einvernommen. Hierbei zeigte sie dem Leiter der Amtshandlung eine Videoaufzeichnung auf ihrem Mobiltelefon und legte eine schriftliche Stellungnahme sowie die Kopie eines XXXX vor.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach China zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Es wurde aufgetragen, in einem zugewiesenem Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII.). Der rechtlichen Beurteilung ist zu entnehmen, dass die XXXX notwendig gewesen sei, um weitere XXXX vorzunehmen.

6.1. Das BFA stellte der BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

7. Am XXXX verständigte die Staatsanwaltschaft XXXX das BFA von einer Anklageerhebung gegen die BF wegen XXXX .

8. Mit Schriftsatz vom XXXX erhob die BF durch ihren Rechtsvertreter, XXXX , binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte nach Wiederholung der Fluchtgründe im Wesentlichen vor, dass der maßgebliche Sachverhalt mangelhaft ermittelt worden und die Anordnung der XXXX nicht rechtmäßig sei. Im Falle der Rückkehr bestehe eine fortgesetzte Verfolgung durch die Mafia. Laut Länderberichten seien viele Chinesen mit Willkür und Rechtslosigkeit konfrontiert. Die dem Bescheid zugrunde gelegten Länderberichte über die organisierte Kriminalität seien mangelhaft. Die BF sei eine naive Frau, die sich mit den Verhältnissen in Europa nicht auskenne und sei der Meinung gewesen, dass sie durch Zahlung eines Geldbetrages einen legalen Aufenthaltstitel erreichen könne. Als zierliche Frau erwecke sie den Eindruck, dass sie keinesfalls aus asyl- oder refoulementfremden Gründen China verlassen habe. Die BF sei von einer Schuldknechtschaft bedroht. Schließlich habe die BF unabhängig von ihren Fluchtgründen zu befürchten, dass sie von den chinesischen Sicherheitsbehörden festgenommen, misshandelt, gefoltert, in ein Umerziehungslager gebracht und zur Zwangsarbeit gezwungen werde.

9. XXXX

10. Am XXXX brachte die BF durch ihren Rechtsvertreter, XXXX , eine Stellungnahme zu den durch das Bundesverwaltungsgericht übermittelten Länderberichten ein und gab gleichzeitig die einvernehmliche Vollmachtsauflösung bekannt.

11. Am XXXX übermittelte der XXXX die Bekanntgabe der Vertretungsvollmacht.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Chinesisch durch, an welcher die BF, ihre Rechtsvertretung und ein Vertreter des BFA teilnahmen. Die BF wurde ausführlich zu ihrer Person und den Fluchtgründen befragt, und es wurde ihr Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten und ihr mit der Ladung zugestellten Länderberichten Stellung zu nehmen. Die BF legte ein mit der Bezeichnung " XXXX für Beschäftigungsverhältnis" tituliertes Schreiben vom XXXX der XXXX (Beilage ./A), ein Empfehlungsschreiben vom XXXX , unterzeichnet von

XXXX (Beilage ./B), ein mit "Stellungnahme zur Situation der BF" tituliertes Schreiben vom XXXX , unterzeichnet von XXXX (Beilage ./C) und ein Informationsblatt des XXXX über einen Prüfungstermin am

XXXX (Beilage ./D) vor.

12.1. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des belangten Bescheides zurückgezogen.

13. Am XXXX legte die BF ein Zeugnis zur bestandenen Integrationsprüfung auf dem Niveau XXXX vor.

14. Mit Beschluss des LG XXXX , XXXX , wurde das Strafverfahren gegen die BF wegen XXXX eingestellt.

15. Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Strafregisterabfrage durch. Es scheint keine Verurteilung auf.

II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der BF

Die BF ist eine Staatsangehörige der VR China. Sie ist volljährig, gesund und im erwerbsfähigen Alter. Sie hat kein religiöses Bekenntnis.

Die BF ist in der Stadt XXXX , geboren und hat im Herkunftsstaat eine XXXX Jahre dauernde Schulausbildung genossen. Sie hat den Beruf der Näherin erlernt.

Im Herkunftsland hat sie in XXXX gelebt. Sie betrieb ein Bekleidungsgeschäft.

Der Bruder und die zwei Schwestern der BF leben im Herkunftsstaat. Der Onkel väterlicherseits sowie die Tante und der Onkel mütterlicherseits leben in XXXX . Ein Cousin lebt in XXXX , zwei Cousinen sind in XXXX wohnhaft. Sie steht in Kontakt zu ihrer Familie, die ihren Aufenthalt in der EU finanziell unterstützte.

Die BF ist zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet eingereist.

Sie ist geschieden und kinderlos.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der BF

Die BF ist keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat China ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in China

Aus den ins Verfahren eingeführten und im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 14.11.2017, zuletzt aktualisiert am 19.06.2019 (in der Folge: LIB 2019) zitierten Länderberichten zur Lage in China ergibt sich zusammengefasst und XXXX Folgendes:

1.3.1. Rechtsschutz und Justizwesen

Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert (AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016):

Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB Peking (11.2016): Asylländerbericht Volksrepublik China). Die Kommunistische Partei dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sog. "Leitlinien". Bürger in nicht-politischen Fällen können ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten. Diejenigen, die politisch, sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, unterliegen diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt (ÖB 11.2016).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.12.2016).

Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des ZK im November 2013 offiziell am 28.12.2013 abgeschafft. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als schwarze Gefängnisse weiter genutzt werden (AA 15.12.2016).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt den "Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. (ÖB 11.2016; vgl. AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - China).

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Die Staatsorgane griffen verstärkt auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück - eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Außenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis dient dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern - einschließlich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften - zu unterbinden (ÖB 11.2016; vgl. AA 15.12.2016, AI 22.2.2017). Das 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert v.a. die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und der Verteidigung im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.12.2016).

2016 setzten sich die Übergriffe der Behörden auf Menschenrechtsanwälte das ganze Jahr hindurch mit Verhaftungen und strafrechtlichen Verfolgungen fort (FH 1.2017a). Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Mangelhafte nationale Gesetze und systemische Probleme im Strafrechtssystem hatten weitverbreitete Folter und anderweitige Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren zur Folge (AI 22.2.2017).

Seit der offiziellen Abschaffung der administrativen "Umerziehung durch Arbeit" im Jänner 2014 werden Menschenrechtsaktivisten vermehrt auf Basis der Strafrechtstatbestände der Unruhestiftung oder des Separatismus verurteilt und somit in Strafhaft gesperrt, wobei aufgrund der vagen Tatbestände ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht kreiert werden kann (ÖB 11.2016). Häufig wurden Anklagen wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung", "Untergrabung der Staatsmacht", "Anstiftung zum Separatismus" "Anstiftung zu Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen", sowie "Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen an das Ausland" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen verhängt (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

1.3.2. Korruption

Korruption ist auf allen Ebenen weit verbreitet. Die Beamtenschaft der öffentlichen Sicherheit und der städtischen Verwaltung sind an Erpressungen, außergerichtlichen Inhaftierungen, und Übergriffen beteiligt. In vielen Fällen auch in stark von der Regierung regulierten Bereichen wie Landnutzung, Immobilien, Bergbau und Entwicklung der Infrastruktur - die anfällig für Betrug, Bestechung und Schmiergeld sind. Trotz der Bemühungen der Regierung die Korruption zu bekämpfen, bleibt diese bestehen. Die Strafverfolgung ist sehr selektiv und undurchsichtig, sodass persönliche Netzwerke und interne Machtkämpfe innerhalb der Kommunistischen Partei (KP) die Ausgänge der Verfahren beeinflussen (USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - China; vgl. HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China).

Seit der Übernahme der Führung der KP im Jahre 2012, verfolgte Xi Jinping eine der umfangreichsten Kampagnen zur Korruptionsbekämpfung. Gegen Parteifunktionäre und Beamte der Partei einschließlich des Sicherheits-Apparates, des Militärs, des Außenministeriums, staatlicher Unternehmen und staatlicher Medien wurden bis Ende 2016 Untersuchungen eingeleitet und Strafen verhängt (FH 1.2017a). Während des gesamten Jahres 2014 setzte der Präsident die mit großem Aufwand betriebene Kampagne zur Korruptionsbekämpfung fort, die sowohl niedere als auch ranghohe Staatsbedienstete ins Visier nahm (AI 22.2.2017).

1.3.3. Relevante Bevölkerungsgruppen - Frauen

Frauen genießen denselben Rechtsstatus und dieselben Rechte wie Männer (USDOS 3.3.2017). Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern ist seit 1949 erklärtes politisches Ziel der Regierung (AA 15.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

Reaktionen der Regierung auf diese Missstände hinsichtlich einer Gleichstellung der Geschlechter bleiben weiterhin unzureichend. Frauen sind in China einer systemisch bedingten Diskriminierung in der Hochschulausbildung und am Arbeitsplatz ebenso ausgesetzt, wie häuslicher Gewalt und sexueller Belästigung (HRW 12.1.2017).

Es gibt Gesetze zum Schutz von Frauen, dennoch kommt es zu Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). In der patriarchalisch veranlagten chinesischen Gesellschaft sind Frauen vor allem in ländlichen Gebieten benachteiligt (AA 15.12.2016).

Die Regierung betrachtet häusliche Gewalt gegen Frauen als ernstes Problem und ergreift Maßnahmen zur Verhinderung und Verfolgung von Straftaten. Aktivisten zufolge sind Frauen ethnischer Minderheiten häufiger häuslicher Gewalt ausgesetzt. Die Regierung unternahm Anfang März 2016 einen bedeutenden Schritt, um Frauen gesetzlich vor häuslichem Missbrauch zu schützen. Das Gesetz definiert häusliche Gewalt als Ausdruck körperlicher und geistiger Gewalt zwischen Familienmitgliedern. NGOs berichten, dass infolge dieses Gesetzes mehr Frauen bereit waren, Vorfälle häuslicher Gewalt bei der Polizei zu melden. Dennoch bleibt die Umsetzung des Gesetzes im ersten Jahr uneinheitlich, was weitgehend auf mangelnde Sensibilisierung der Behörden für die Durchführungsmaßnahmen des Gesetzes zurückzuführen ist. Auch führt eine Zuordnung häuslicher Gewalt als private Angelegenheit zu Untätigkeit und folglich zu einer hohen Dunkelziffer von Fällen häuslicher Gewalt gegen Frauen (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017a).

Berichten zufolge kommt es in mindestens einem Viertel der Familien zu häuslicher Gewalt, mehr als 85 Prozent der Opfer sind Frauen (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017a). Die All China Women's Federation berichtete im Jahr 2013 von jährlich 70.000 Beschwerden. Laut der letzten verfügbaren Statistik aus dem Jahr 2008 gibt es landesweit bei der Polizei 12.000 spezielle Kabinen für Anzeigen von häuslicher Gewalt, 400 Schutzhäuser für Gewaltopfer und 350 medizinische Untersuchungszentren für Frauen, die Anzeige erstatten (USDOS 25.6.2015). Einige Gerichte bieten Schutz für die Opfer durch Verhängung einstweiliger Verfügungen an, welche Täter von einer Kontaktaufnahme mit dem Opfer abhalten sollen. Dennoch erreichte die offizielle Unterstützung nicht immer die Opfer. Auch wird häusliche Gewalt durch die öffentlichen Sicherheitskräfte oftmals ignoriert (USDOS 3.3.2017).

Vergewaltigung ist illegal, Strafen für Vergewaltigung reichen von drei Jahren Gefängnis bis zur Hinrichtung. Manche Fälle von Vergewaltigung werden durch private Vergleiche beendet. Von 2013 bis 2015 wurden von den Gerichten 66.736 Vergewaltigungsfälle behandelt. In 62.551 Fällen wurden die Angeklagten strafrechtlich verurteilt. Einige Personen, welche wegen Vergewaltigung verurteilt wurden, sind hingerichtet worden. Das Gesetz wird bei Vergewaltigung in der Ehe nicht angewendet (USDOS 3.3.2017).

Zwangsprostitution und Menschenhandel werden strafrechtlich verfolgt. Prostitution ist keine Straftat, aber ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, der mit Administrativhaft geahndet wird. Mitte 2014 gab es 116 Umerziehungslager, in denen ca. 118.000 Frauen einsaßen und zu fabrikähnlicher Arbeit gezwungen wurden. Es gibt glaubhafte Berichte, dass lokale Behörden an Einrichtungen, in denen Prostitution ausgeübt wird, beteiligt sind. Nach dem Gesetz über den Schutz und die Rechte von Frauen ist sexuelle Belästigung von Frauen strafbar. Das Gesetz ist jedoch sehr vage formuliert, entsprechende Regelungen im Strafgesetz fehlen (AA 15.12.2016).

1.3.4. Bewegungsfreiheit

Die Behörden verschärften die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Personen vor wichtigen Jubiläen, Besuchen ausländischer Würdenträger oder großer politischer Ereignissen, welche als politisch sensibel empfunden werden, um Demonstrationen vorzubeugen (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017a).

Repressionen erfolgen landesweit nicht einheitlich. Da wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich ausgeprägt sind, treten staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig auf. Daher kann es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. Für Personen aus ländlichen Gebieten ist es schwierig, legal in eine Stadt überzusiedeln. Insbesondere für aus politischen Gründen Verfolgte gibt es nach Ansicht des Auswärtigen Amtes keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA 15.12.2016).

Ein Untertauchen, also eine nicht registrierte Niederlassung in einen anderen Landesteil als jenem des Melde-Wohnorts, ist schwierig. Sowohl bei Inlandsflügen als auch bei Zugfahrten wird systematisch die Identität überprüft, auch Zugtickets können nur mit Personalausweis gekauft werden und sind nicht übertragbar. KFZ mit Kennzeichen von außerhalb der Stadt oder der Provinz und deren Passagiere werden systematisch überprüft. Es besteht ein sehr effizientes System der Überwachung durch Nachbarschaftskomitees ("Blockwarte").

Die Meldekarte ("Hukou-System") ist weiterhin nötig für die (legale) Aufnahme einer Arbeit oder den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Chinesen, die keinen für ihre Zwecke gültigen Hukou haben (z.B. minderjährige Wanderarbeiter, welche offiziell noch nicht arbeiten dürften), verwenden mitunter gefälschte "Hukou-Karten" oder solche von Verwandten (ÖB 11.2016).

1.3.5. Grundversorgung und Wirtschaft

China ist seit 2010 die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA, seit 2014 nach Kaufkraft sogar die größte. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt China im Jahr 2016 mit rund

8.261 USD auf Platz 75 im weltweiten Vergleich. Zudem hält China die weltweit höchsten Devisenreserven. Innerhalb des Landes gibt es enorme regionale und soziale Unterschiede (AA - Auswärtiges Amt (4.2017b): China - Wirtschaft). Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit (AA. 4.2017a).

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln bzw. Gegenständen des täglichen Bedarfs ist trotz starker Disparitäten zwischen Stadt und Land bzw. Ost und West grundsätzlich gegeben. In den letzten Jahren kam es zu einem rasanten Anstieg der Immobilien- und Nahrungsmittelpreise. Viele Städte in China gehören heute im Vergleich zum Einkommen zu den teuersten Immobilienmärkten der Welt (ÖB 11.2016). Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt im Allgemeinen kontinuierlich an, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit (AA 15.12.2016).

Eine andauernde Gefährdung für den sozialen Frieden in der chinesischen Gesellschaft stellt die rasche Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und die daraus resultierende Wohlstandsverteilung dar. Besonders gravierend zeigen sich die Unterschiede im Vergleich von (vergleichsweise wohlhabender) Stadt- und (vergleichsweise armer) Landbevölkerung, regulärer Arbeit und Wanderarbeit sowie jüngerer und älterer Menschen. Nur minimal hat sich der Gini-Koeffizient - der Maßstab für die Einkommensungleichverteilung verbessert. Er ist von seinem Höchststand 2008 von 0,49 langsam aber beständig auf 0,462 in 2015 gesunken - allerdings im Jahr 2016 wieder geringfügig auf 0,465 angestiegen. Damit liegt China nach wie vor deutlich über der Grenze, die nach der Definition der Vereinten Nationen eine extreme Ungleichheit anzeigt (0,4). Noch leben mehr als 45 Prozent aller Chinesen auf dem Land, wo die grundlegenden sozialen Sicherungs- und Geldleistungen (Rente, Krankheit, Arbeitslosigkeit) wie auch erweiterte wohlfahrtspolitische Leistungen und Institutionen (Bildung, Wohnung) deutlich schlechter entwickelt sind als in den Städten (AA 4.2017b).

2016 war das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen pro Kopf und Jahr in der Stadt mit 33.616 RMB (ca. 5.060 USD) 2,72-mal so hoch wie in ländlichen Gebieten mit 12.363 RMB (ca. 1.861 USD). Dabei wuchs das Einkommen der Landbevölkerung mit 8,2 Prozent etwas stärker als das der Stadtbewohner mit 7,8 Prozent (AA 4.2017b).

Laut offiziellen Angaben sind 4,1 Prozent der Chinesen mit Haushaltsregistrierung arbeitslos gemeldet. Darin nicht erfasst sind die mittlerweile ca. 275 Mio. "Wanderarbeiter", von denen ca. 168 Mio. außerhalb ihrer Heimatprovinz einer Beschäftigung nachgehen. Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren (AA 15.12.2016).

Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung ("Hukou-System") gekoppelt, befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 11.2016).

Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Um die Finanzierbarkeit der Pensionen zu gewährleisten, plant China eine Senkung der mit 10 Prozent sehr hohen jährlichen Anpassung der Rentenhöhe und die Erhöhung des Pensionsalters (derzeit generell Männer mit 60 Jahren, Frauen mit 55 Jahren, tatsächliches durchschnittliches Renteneintrittsalter 53 Jahre) (ÖB 11.2016). Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung (AA 4.2017b).

Chinas Basis-Krankenversicherung besteht aus einem Basis-Rentenplan für städtische Arbeiter und einem Plan für ländliche Arbeiter (Basic Pension Plan for Urban Employees and a Rural Pension Plan). Der Basis Pension Plan für Arbeiter im urbanen Umfeld deckt alle Arbeitnehmer ab. Für den Rural Pension Plan gilt: Nur wenige Regionen mit den finanziellen Kapazitäten haben einen solchen Rentenplan erlassen (IOM - International Organisation for Migration (8.2016): Länderinformationsblatt China).

Das chinesische Sozialsystem trifft hauptsächlich Senioren (Personen über 60 Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können), Kinder (Waisen ohne Verwandtschaft, ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologische Eltern nicht auffindbar sind, profitieren von staatlicher Beihilfe, sowie Erziehung und Pflege von offiziellen Institutionen) und Minderheiten (durch die Provinzen und Städte Chinas wurden unterschiedliche Systeme zur Behandlung von Minderheiten entwickelt) (IOM 8.2016).

Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums ("di bao") ähnelt der Sozialhilfe. Derzeit ist eine lokale Wohnmeldung ("Hukou-System") vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des "di bao" wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR). Ende 2014 gab es in den Städten lediglich 18,8 Mio. und in ländlichen Gebieten nur 52,1 Mio. Bezugsberechtigte (ÖB 11.2016).

Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen "Hukou" (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz solle in den kommenden 5 Jahren auf 45 Prozent steigen. Entsprechende Durchführungsverordnungen wurden bisher nicht erlassen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 277 Mio. Wanderarbeiter (ÖB 11.2016).

1.3.6. Rückkehr

Soweit Rückführungen aus Deutschland erfolgen, konnten die zurückgeführten Personen die Passkontrolle nach einer Identitätsüberprüfung unbehindert passieren und den Flughafen problemlos verlassen bzw. ihre Weiterreise in China antreten. Vereinzelte Nachverfolgungen von Rückführungen durch die Deutsche Botschaft Peking ergaben keinen Hinweis darauf, dass abgelehnte Personen allein deshalb politisch oder strafrechtlich verfolgt werden, weil sie im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden. Es handelt sich aber um ein eher geringfügiges Vergehen, das - ohne Vorliegen eines davon unabhängigen besonderen Interesses - keine politisch begründeten, unmenschlichen Repressalien auslöst. Nach Art. 322 StG droht bei Vorliegen schwerwiegender Tatumstände Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, Gewahrsam oder Überwachung und zusätzlich eine Geldstrafe. Nach bisherigen Erkenntnissen wird das Vergehen in der Praxis aber nur gelegentlich und dann mit Geldbuße geahndet (AA 15.12.2016).

Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden (ÖB 11.2016).

Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 11.2016).

1.3.7. Dokumente

In ganz China ist die Herstellung oder Beschaffung gefälschter oder formal echter, aber inhaltlich unwahrer Dokumente verschiedenster Art seit langem ohne besondere Schwierigkeiten möglich. Nach Einschätzung internationaler Dokumentenexperten arbeiten in China die meisten und die besten Fälscherwerkstätten weltweit. Viele verfügen über neueste Technik. Von falschen oder gefälschten Dokumenten (vor allem aus den Provinzen Liaoning, Zhejiang und Fujian, hier vor allem der Stadt Changle) wird zu vielfältigen Zwecken Gebrauch gemacht (AA 15.12.2016).

1.4. Zur Situation der BF im Falle einer Rückkehr

Der BF ist die Rückkehr in die XXXX zumutbar. Es besteht keine Gefahr, dass sie in ihrem Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde bzw. die notdürftigsten Lebensgrundlagen nicht befriedigen und in eine ausweglose Situation geraten könnte. Sie verfügt über familiäre Anbindungen in XXXX , hat den Beruf Näherin erlernt und ist im erwerbsfähigen Alter.

Im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat ist die BF weder in ihrem Recht auf Leben gefährdet, noch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr ausschließen, sind nicht gegeben.

1.5. Zur Situation der BF in Österreich

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet war bis zur gegenständlichen Antragstellung am XXXX illegal.

Die BF hat geringe Deutschkenntnisse. Sie hat am XXXX ein Zertifikat einer abgelegten Deutschprüfung auf dem Niveau XXXX vorgelegt. Sie besucht derzeit keine sonstigen Kurse oder Ausbildungen in Österreich.

Die BF ist im Bundesgebiet keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Sie hat am XXXX eine XXXX abgegeben und bezieht seit

XXXX XXXX .

Die BF hat ein mit der Bezeichnung " XXXX für Beschäftigungsverhältnis" tituliertes Schreiben, datiert mit XXXX , betreffend die Möglichkeit einer Beschäftigung bei der XXXX vorlegt.

Sie hat eine Freundin im Bundesgebiet. Ein gemeinsamer Haushalt bzw. eine Wirtschaftsgemeinschaft zu einer im Bundesgebiet wohnhaften Person besteht nicht. Die BF verfügt über keine familiären oder sonstig verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen, sozialen Bindungen in Österreich.

Die BF hat keine ehrenamtlichen Tätigkeiten ausgeübt und ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation.

Es bestehen keine weiteren, substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens in Österreich.

1.6. Zur Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides

Anlässlich der mündlichen Verhandlung zogen die BF XXXX die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides zurück.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person der BF

2.1.1. Die Identität der BF konnte mangels Vorlage von Dokumenten nicht festgestellt werden (siehe dazu auch Punkt 2.1.6.), weshalb hinsichtlich dem Namen und dem Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt.

2.1.2. Die Feststellungen zur Staats-und Konfessionslosigkeit der BF sowie ihrer chinesischen Herkunft gründen sich auf ihren insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG bzw. ihren Kenntnissen der chinesischen Sprache.

2.1.3. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes der BF ist auszuführen, dass sie bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren angab, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen (AS 89). Dies wurde auch dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt und blieb in der Beschwerde unbeanstandet. Auch in der mündlichen Verhandlung gab die BF an gesund zu sein und verneinte die Frage, ob sie regelmäßig Medikamente nehme, (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, in der Folge: NSV S. 7). Dass die Beschwerdeführerin an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet, wurde weder behauptet noch ergaben sich hierfür Anhaltspunkte im Verfahren.

2.1.4. Die Feststellungen zu Geburts- und Herkunftsort der BF ergeben sich aus ihren Angaben im verwaltungsbehördlichen Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (AS 25, 91 sowie NSV S. 8). Ihre Angaben wann sie an welchem Ort gelebt hat, sind nicht schlüssig. In der Erstbefragung gab die BF an, zuletzt in XXXX gelebt zu haben, die genaue Hausnummer sei ihr jedoch unbekannt (AS 25). Vor dem BFA gab sie jedoch an, dass sie von XXXX in XXXX gelebt habe, an die genaue Adresse könne sie sich jedoch nicht mehr erinnern (AS 91). Von XXXX habe sie in XXXX (andere Schreibweise: XXXX ) gelebt und habe auch von dieser Stadt aus ihr Herkunftsland verlassen (AS 91). Vor dem BVwG gab die BF an, dass sie von XXXX in XXXX gelebt habe, XXXX habe sie ihren Wohnort nach XXXX verlegt. Von XXXX habe sie in XXXX gelebt und auch dort geheiratet. Dann sei sie zwischen XXXX und XXXX hin und hergereist (NSV S. 8 f.). Die Ausreise habe sie jedoch aus XXXX angetreten (NSV S. 18). In einer Gesamtbetrachtung waren ihre Angaben wann sie wo im Herkunftsland gelebt habe somit inkonsistent und es war unzweifelhaft erkennbar, dass die BF hierbei versuchte ihre widersprüchlichen Angaben bei der Erstbefragung zu ihren Angaben vor dem BFA abzuschwächen. Es sind in der mündlichen Verhandlung jedoch keine Gründe hervorgekommen, an ihren Angaben, dass sie im Herkunftsstaat zu unterschiedlichen Zeiträumen in XXXX gelebt hat zu zweifeln (NSV. S. 8). Ihre Angaben, dass XXXX in jeweils anderen Landesteilen Chinas liegen würden (NSV, S. 9) entsprechen nicht der Wahrheit, da die Orte XXXX alle in der Provinz XXXX liegen, bzw. XXXX sogar zu dem Verwaltungsgebiet von XXXX gehört. Die Angabe der BF, aus einem sehr kleinen Ort zu stammen (AS 97), entbehrt ebenfalls jeglichen Wahrheitsgehalts, zumal selbst unter Zugrundelegung chinesischer Verhältnisse die Einwohnerzahlen von XXXX XXXX als hoch einzustufen ist und unterstreicht die Unglaubwürdigkeit der BF.

Ihre Angaben betreffend Ihrer Schulbildung und der abgeschlossenen Ausbildung als Näherin in ihrem Herkunftsstaat waren in der mündlichen Verhandlung konsistent zu den Angaben im behördlichen Verfahren (NSV S. 11, AS 23, 101). Die ausgeübte Erwerbstätigkeit als Näherin und Verkäuferin in einem von ihr betriebenen Bekleidungsgeschäft in XXXX in der Provinz Hebei (NSV S. 10) sind glaubhaft, zumal sie dies auch im behördlichen Verfahren angeben hat (vgl. XXXX AS 31).

2.1.5. Die Angaben der BF zum Ableben ihrer Eltern sind nicht glaubhaft, da die BF auf die diesbezüglichen Fragen wiederholt ausweichend antwortete. Sie war auch nicht bereit, nähere Angaben über die Todesursache und den Todeszeitpunkt zu geben (NSV S. 12). Es ist daher davon auszugehen, dass es sich hierbei um ein gesteigertes Vorbringen handelt.

Ebenso verhielt es sich zu den Angaben der BF über den aktuellen Aufenthalt ihrer Geschwister. In der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die BF an, dass sie annehme, dass alle ihre Geschwister "noch" in China leben (AS 25). Auch dem aufgenommenen Personaldatenblatt ist zu entnehmen, dass alle Geschwister der BF in der VR China wohnen würden (AS 101). In der ersten Einvernahme vor dem BFA verneinte sie die Frage, ob sie in der Europäischen Union Verwandte habe (AS 89). Das Protokoll der Erstbefragung wie auch die Einvernahme der BF vor dem BFA wurden rückübersetzt und sie hat keine Einwände geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wiederholte sie zunächst, dass sie in keinem anderen Land Verwandte habe (NSV S. 12), gab jedoch bei näherer Befragung an, dass ihre Schwester XXXX in XXXX leben würde. Dies hätte diese ihr im Jahr XXXX gesagt (NSV, S. 11). Es entstand insgesamt der Eindruck, dass die BF vor dem BVwG XXXX eine Verbindung zu ihrem XXXX herstellen wollte, dieses Vorbringen gedanklich jedoch nicht zur Gänze vorbereitet hatte, weshalb nähere Fragen hierzu die Widersprüchlichkeit der Angaben insgesamt verstärkten. Es ist daher davon auszugehen, dass sämtliche Geschwister der BF weiterhin in der VR China in XXXX leben.

2.1.6. Die Angabe der BF, keinen Kontakt zu ihren Geschwistern zu haben, ist nicht glaubhaft. In der ersten Einvernahme vor dem BFA gab die BF an, dass ihre Geschwister ihr Leben in Europa finanziert hätten. Sie habe zu diesen zuletzt im XXXX Kontakt gehabt, als die Geschwister die Kosten von XXXX für den XXXX bezahlt hätten (AS 95). In der mündlichen Verhandlung gab die BF zu Protokoll, dass sie einen Teil der Fluchtkosten von XXXX von ihrem Bruder geliehen habe (NSV, S. 13). Weiters gab die BF an, dass sie zuletzt im XXXX mit ihrem Bruder XXXX bzw. zuletzt im XXXX Kontakt mit ihrer Schwester XXXX gehabt habe. Ihre andere Schwester XXXX sei XXXX an einen unbekannten Ort im Herkunftsstaat übersiedelt, seither habe sie keine weiteren Informationen. Sie habe nun keinen Kontakt zu den Geschwistern, weil es "damals" in XXXX eine Auseinandersetzung mit dem Gericht gegeben habe, bei der ihr Bruder am rechten Fuß verletzt worden sei (NSV, S. 11f). Die detaillose Schilderung dieser Auseinandersetzung ließ erkennen, dass dem diesbezüglichen Vorbringen kein Wahrheitsgehalt zu Grunde liegt (NSV, S. 12). Es war nach wiederholter Befragung aus den Schilderungen der BF zudem nicht nachvollziehbar, warum die Geschwister der BF einen Teil der Ausreisekosten sowie in weiterer Folge über mindestens ein Jahr hinweg den kostspieligen Aufenthalt in Europa finanzieren würden, um dann doch wegen einer, vor ihrer Ausreise stattgefunden habenden Auseinandersetzung den Kontakt abzubrechen. Die BF konnte daher nicht glaubhaft darlegen, keinen Kontakt mehr zu ihren Geschwistern zu haben.

Es sind keine Hinweise hervorgekommen, an den weiteren Angaben betreffend Ihrer Onkel, Tanten, Cousinen und den Cousin, welche im Herkunftsland in XXXX und in XXXX wohnhaft sind zu zweifeln, zumal die BF diese Angaben schlüssig darstellen konnte (NSV S. 12).

2.1.7. Nicht glaubhaft waren die Angaben der BF über ihre Einreise und den Aufenthalt in Österreich. Die BF gab zwar an, im XXXX legal China mit ihrem Reisepass und einem XXXX Visum verlassen zu haben (AS 27) und über den Luftweg nach Österreich eingereist zu sein (AS 29). Eine VIS-Abfrage ergab jedoch keinen entsprechenden Treffer (AS 51). Vor dem Hintergrund, dass Visadaten gem. Art. 23 VIS-VO XXXX fünf Jahre in dieser Datenbank gespeichert werden, sind ihre Angaben daher nicht glaubhaft. Laut einer Anfrage im Zentralen Fremdenregister wurde der polizeilich sichergestellte Reisepass zudem als XXXX klassifiziert.

Vor dem Hintergrund der Angabe der BF, dass sie dem Schlepper XXXX für die Organisation ihres Visums bezahlt habe (AS 31) und diesbezüglich keine sonstigen Beweismittel vorlegen konnte, die die Legalität ihrer Einreise glaubhaft machen könnten, war folglich die illegale Einreise festzustellen.

Weiters gab die BF an, dass sie in Österreich von einer Person, die sie über das Internet kennen gelernt habe, ein griechisches Visum XXXX gekauft hätte, welches eine Gültigkeitsdauer bis XXXX habe (AS 29). Für diesen Aufenthaltstitel habe sie ebenfalls XXXX - gezahlt (AS 91). In der zweiten Einvernahme vor dem BFA legte sie den Aufenthaltstitel vor (AS 153 und 163). Während ihres vorgeblichen Aufenthalts in XXXX habe sie - lange vor dem Ablauf ihres XXXX Aufenthaltstitels - versucht einen XXXX zu erhalten. Beim Aufgriff durch die österreichische Polizei sei der BF bewusst geworden, dass es sich bei dem XXXX Aufenthaltstitel um eine Fälschung handle (AS 155). Das folgende Strafverfahren wegen XXXX wurde mit Beschluss vom XXXX XXXX eingestellt. Es steht somit fest, dass die BF bis zur Stellung ihres Antrags auf internationalen Schutz über kein Visum und keinen Aufenthaltstitel verfügte und sich somit illegal in Österreich aufhielt.

In diesem Zusammenhang waren auch die Ausführungen der BF über ihren Aufenthalt in XXXX unglaubwürdig. Die BF war nicht in der Lage, nachvollziehbare und konsistente Angaben zu ihrem Umfeld in XXXX zu geben bzw. Anschriften zu nennen (NSV S. 11). In Anbetracht ihrer Angaben in der ersten Einvernahme vor dem BFA, dass sie ca. vom XXXX in XXXX wohnhaft gewesen sei, ist dies nicht nachvollziehbar.

Auch die weiteren Angaben zu ihrer Beschäftigung in XXXX sind nicht schlüssig. So gab sie zunächst an ebendort in einem Motel gearbeitet, aber keine Bezahlung erhalten zu haben. Danach habe sie in einer Fabrik gearbeitet, aber ebenfalls kein Geld verdient (AS 93). Kurze Zeit später änderte die BF ihre Angaben insoweit ab, als sie angab, in XXXX nebenbei in einem Hotel gearbeitet und dort etwas Geld verdient zu haben (AS 95). Außerdem habe sie in der polnischen Fabrik XXXX für ihren Urlaub in Österreich bekommen (AS 97). Konträr zu all dem gab die BF in der mündlichen Verhandlung wiederum an, in XXXX als Wandanstreicherin gearbeitet zu haben. Es war erkennbar, dass sie diese Angabe ad hoc konstruierte, als sie auf die Widersprüchlichkeit auf ihre Angabe in der Ersteinvernahme, zuletzt im Herkunftsstaat als Malerin gearbeitet haben, hingewiesen wurde (AS 23). Den Namen oder die Anschrift der " XXXX " in XXXX konnte die BF ebenso nicht angeben und es war zweifelsfrei erkennbar, dass sie nicht von einer selbst wahrgenommenen, sondern einer konstruierten Umgebung dieses Betriebes berichtete (NSV, S. 11). Die widersprüchlichen Angaben betreffend ihre Beschäftigungen in XXXX , sind nicht nachvollziehbar. Es ist daher davon auszugehen, dass die BF nicht über den angegebenen Zeitraum in XXXX aufhältig war und dort einer unbezahlten Beschäftigung nachgegangen ist. Auch die weiterführenden Angaben, dass sie nach XXXX gefahren sei, um dort Urlaub zu machen und in einem XXXX " nächtigen und essen durfte, wobei (just) an jenem Tag eine Polizeikontrolle in diesem Lokal stattgefunden habe, lassen erkennen, dass dem Vorbringen kein Wahrheitsgehalt zu Grunde liegt (AS 91).

2.1.8. Die Feststellung, dass die BF geschieden ist, ergibt sich aus ihrer glaubhaften Aussage (NSV, S. 9). Die Angaben bezüglich des letzten Kontaktes zu ihrem Ex-Ehemann waren in der mündlichen Verhandlung widersprüchlich. Nicht glaubhaft waren die Angaben, aus welchem Grund sie aktuell keinen Kontakt zu ihm hat (NSV S. 10).

2.1.9. Die strafrechtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin in Österreich ist der eingeholten Strafregisterauskunft zu entnehmen, die dem Verfahrensakt einliegt.

2.2. Zum Fluchtvorbringen

2.2.1. Das Fluchtvorbringen der BF ist insofern nicht glaubhaft, als es an der persönlichen Glaubwürdigkeit und Konsistenz im Hinblick auf eine potentielle Verfolgung mangelt. In der mündlichen Verhandlung entstand auch in einer Gesamtbetrachtung zu ihren Angaben vor dem BFA der Eindruck, dass die BF bewusst konkreten Fragen auswich, im Laufe des Verfahrens immer wieder nicht unwesentliche Ergänzungen anbrachte und so ihr Fluchtvorbringen kontinuierlich steigerte. Es war erkennbar, dass die BF keine weiteren Angaben zu den behaupteten Geschehnissen machen wollte (NSV S. 13), wenn sie sich selbst in offensichtliche Widersprüche verstrickte. Insgesamt war es nur durch wiederholte Fragen möglich Antworten zu erhalten. Auf Vorhalt, dass sie durch ihre Ausweichversuche in der Verhandlung ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, gab sie an: "Ich habe vorhin deshalb keine Ergänzung gemacht, weil ich nicht wusste, welche für mich vorteilhaft wäre."

(NSV, S. 26). Es erscheint lebensfremd, dass eine Person, die von derartigen Ereignissen erzählt, abwägen würde, welches Vorbringen für sie vorteilhaft wäre, anstatt von sich aus alle Erlebnisse darzulegen.

2.2.1.1. Bei der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die BF als Fluchtgrund an, dass ihr Ex- Mann Schulden bei der Mafia gehabt hätte. Da dieser nicht zahlen habe können, habe die Mafia das geschuldete Geld von ihr verlangt. Sie habe mit Einnahmen aus ihrem XXXX gezahlt, jedoch sei die Mafia zu ihr gekommen und habe weiterhin Geld verlangt. Da die BF nicht zahlen habe können, habe die Mafia ihr Geschäft zerstört und sie zur Prostitution gezwungen. Nach drei bis vier Monaten habe sie die Möglichkeit gehabt, zu entkommen. Im Falle einer Rückkehr befürchte die BF, XXXX erwischt, verletzt, umgebracht oder benützt zu werden (AS 31).

Vor dem BFA brachte die BF vor, dass die Mafia ihre Eltern verprügelt hätte. Deshalb habe sie bei der Mafia einen Schuldschein in Höhe von XXXX unterschrieben (AS 93). Erst zu einem späteren Zeitpunkt in dieser Einvernahme gab sie an, dass sie vor ihrer Entführung durch die Mafia nach XXXX geflohen sei, aber die Mafia ihre Adresse von ihren Eltern erfahren und sie dort "geschnappt" hätte (AS 95). Außerdem habe sie aufgrund der Vorfälle versucht, ein Gericht einzuschalten, jedoch habe man den Fall nicht bearbeiten wollen, weil es sich um einen finanziellen Konflikt handle (AS 97).

In ihrer zweiten Einvernahme vor dem BFA ergänzte die BF, dass sie auch nach ihrer Ausreise noch von anderen Prostituierten, mit denen sie gearbeitet habe, kontaktiert worden sei, und dass die Mafia noch nach ihr suche. Die Prostituierten hätten sie zur Heimkehr überreden wollen (AS 153). Ebenso brachte sie erstmals vor, dass ihr Bruder ihr XXXX erzählt habe, dass die Polizei in XXXX sie aufgrund des Schuldscheins suche (AS 153). Neu war auch das Vorbringen, dass die BF nach ihrer Flucht aus XXXX die Polizei in XXXX aufgesucht habe (AS 155). Weiters legte die BF erstmals ein Video vor, auf dem die Festnahme der BF und eine Auseinandersetzung vor einem Gericht zu sehen seien. Die Aufzeichnung habe sie in ihrer XXXX gefunden (AS 157). Diese Festnahme habe sie bislang nicht erwähnt, weil sie nicht so detailliert daran gedacht habe (AS 157). Darüber hinaus habe ihr die Polizei in XXXX gesagt, dass sie die Schulden bei der Mafia zurückzahlen müsse (AS 157). Erstmals brachte sie weiters vor, dass die Polizei von ihrem Bruder verlangt habe, den Schuldschein zu begleichen (NSV, S. 24).

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung brachte die BF erstmals im Verfahren vor, dass die Bedrohung von zwei Männern namens XXXX , welchen sie als Boss der Mafia identifizierte (NSV, S. 14), und XXXX ausgehe. XXXX könne sie überall im Herkunftsland finden. Andere Zwangsprostituierte seien vor ihm geflüchtet und er habe diese gefunden, geschlagen und misshandelt (NSV, S. 19). Die BF war aber nicht in der Lage, nähere Angaben zu ihren Verfolgern zu schildern oder sonstige Details anzugeben. So konnte sie weder den Namen der kriminellen Organisation (NSV, S. 14), die sie bedroht und entführt habe, noch den genauen Standort nennen und antwortete ausweichend zu diesen Fragen (AS S. 18). Zu XXXX nahm die BF zu keinem Zeitpunkt im Verfahren eine genauere Beschreibung seiner Person vor, obwohl dieser oft an der Seite der BF gewesen sei.

Aufgefordert vom ersten Besuch der Mafia zu erzählen gab die BF lediglich an: "Das war XXXX , das genaue Datum weiß ich nicht. Es kam XXXX .". Aufgefordert, den Besuch detaillierter zu schildern, antwortete die BF: "Damals betrieb ich noch mein Geschäft in XXXX . Die beiden obgenannten Männer kamen zu mir, um Geld zu verlangen. Ich habe die Polizei informiert. Sie haben meinen Ex-Mann mitgenommen." (NSV, S. 13). Wiederholt aufgefordert detailliert und bildlich von der Flucht in XXXX zu erzählen, blieb die BF ebenso XXXX : " XXXX hat mich mit dem Auto zu einem Kunden mitgenommen. Er hat bei einer Trafik gestoppt. Ich sah, dass die Autotür nicht zugesperrt war. Ich habe die Türe geöffnet und bin geflüchtet." In weiterer Folge musste die BF mehrmals an ihre Mitwirkungspflicht erinnert und dazu aufgefordert werden, zusätzliche Angaben zu machen, sie blieb jedoch weiterhin vage und unbestimmt (NSV, S. 17).

Die Schilderungen der Besuche durch die Mafia, die Entführung und ihre Flucht erscheinen zudem insofern nicht nachvollziehbar und lebensfremd, als der Mafiaboss einer offenbar größeren Organisation ein derartiges Interesse an der BF haben würde, dass er bei den wesentlichen Eckpunkten des Fluchtvorbringens der BF - zumal an weit voneinander entfernten Orten - immer zugegen gewesen sei. Obwohl er in XXXX ) gelebt habe (NSV S. 18), habe er sie in XXXX persönlich gefunden und entführt, in der Provinz Shandong persönlich zu einem Kunden gefahren und ihre Familie und ihren Bruder persönlich immer wieder aufgesucht. Ebenso erscheint es nicht nachvollziehbar, dass ein Mafiaboss gleichsam niedere Tätigkeiten wie Fahrtendienste selbst vornehmen sollte. Das gesteigerte Vorbringen, dass sie von einem Nachbarn ihres Bekleidungsgeschäftes informiert worden sei, dass XXXX bei der Polizei arbeite (NSV, S. 14) und immer noch nach der BF suche (NSV, S. 18) verstärkten den Eindruck der Unglaubwürdigkeit der BF, zumal sie nun auch behauptete, dass XXXX Verwandte bei der Polizei in XXXX habe (NSV, S. 24).

Die Angaben der BF zur Anzahl der Kontaktaufnahmen durch die Mafia waren ebenfalls widersprüchlich. Während die BF in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angab, dass die Mafia XXXX Mal gekommen sei, um Geld zu verlangen (AS 31), sprach sie in der mündlichen Verhandlung von XXXX Besuchen (NSV, S. 14).

Auf Vorhalt der Angaben in der Erstbefragung gab die BF wörtlich an:

"Das erste Mal kam nur mein Ex-Mann, XXXX zu mir. XXXX war beim ersten ‚Besuch' nicht dabei." (NSV, S. 14f). Zum einen ist hierbei nicht verständlich, warum die BF XXXX als ihren Ex-Mann bezeichnete, zumal sie vor dem BVwG angab, dass er XXXX heiße (NSV, S. 9). Zum anderen sei XXXX laut Angaben der BF ein Mitglied der Mafia (NSV, S. 14), nicht jedoch ihr Ex-Ehemann (NSV S. 13), sodass sie diesen Widerspruch nicht aufklären konnte.

Es war in der mündlichen Verhandlung auch nicht nachvollziehbar, warum nur die BF als Ex-Frau des eigentlichen Schuldners derart intensiv XXXX verfolgt worden sei. Dass die Eltern ihres Ex-Mannes, welche weiterhin in XXXX leben würden (NSV, S. 10), nicht von der Mafia bedroht worden wären, ist vor dem Hintergrund der Angaben der BF, dass ihre eigenen Eltern von der Mafia verprügelt worden seien, ebenso wenig plausibel. Ihre Darstellung, dass sich dies daraus begründe, weil sie für die Inhaftierung ihres Ex- Mannes verantwortlich sei, ist nicht nachvollziehbar (NSV, S. 18). Es erscheint nicht schlüssig, dass die Mafia nicht den gut verdienenden Bruder der BF, welcher nach eigenem Vorbringen die BF mit mindestens EUR 20.000,- (AS 91, 93) unterstützt habe, bedroht hat. Hierauf hingewiesen brachte die BF vor, dass auf Betreiben von XXXX sowohl die Polizei (NSV, S. 24) als auch XXXX auch bei ihrem Bruder gewesen seien und die Begleichung des Schuldscheins verlangt hätten (NSV, S. 27). Dies steht jedoch im Widerspruch zu ihren bisherigen Aussagen, dass der Bruder ihre Ausreise und ihr Leben in Europa finanziert habe, wozu er wohl nicht in der Lage gewesen wäre, wenn die Mafia ihn zur Zahlung des Schuldscheins erpresst hätte. Umgekehrt kann aber auch nicht nachvollzogen werden, dass eine Weigerung des Bruders, den Schuldschein zu begleichen, keine Konsequenzen durch die Mafia nach sich gezogen hätten.

Die Angaben der BF über die Verstrickung der Mafia mit der Polizei waren nicht schlüssig. Zunächst erklärte die BF in der mündlichen Verhandlung, dass aufgrund ihrer Anzeige bei der Polizei ihr Ex-Mann verhaftet worden sei, nachdem er sie gemeinsam mit XXXX aufgesucht und von ihr Geld verlangt habe (NSV, S. 13). Weiters gab die BF an, dass XXXX bei der Polizei gearbeitet habe (NSV, S. 14), und dass die Polizei die Begleichung des Schuldscheins von ihrem Bruder verlangt habe. Auf Vorhalt, dass dies ein neues Faktum sei, erklärte die BF ausweichend, dass XXXX Verwandte gehabt habe, die bei der Polizei arbeiten. Auf Nachfrage, woher sie von diesen Verstrickungen wisse, antwortete die BF: "Das ist einfach eine Tatsache." (NSV, S. 24f). Es erscheint nicht schlüssig, dass wenn die Mafia derart gute Kontakte zur Polizei habe und der Mafiaboss sogar selbst bei der Polizei gearbeitet hätte, dieser die Verhaftung des Ex- Mannes der BF zulassen würde, wenn dies doch bedeuten würde, dass dessen Schulden nicht mehr eingetrieben werden könnten. Ebenso konnte die BF nicht schlüssig darstellen, woher sie wisse, dass XXXX Verwandte bei der Polizei habe.

Widersprüchlich waren die Angaben der BF über ihre Flucht aus XXXX . In der mündlichen Verhandlung gab die BF zunächst an, nach ihrer Flucht mit dem Zug nach XXXX gefahren zu sein, wo sie, noch bevor sie die Polizei aufgesucht habe, jemanden über das Internet kontaktiert habe, der ihr ein Visum besorgen habe können (NSV, S. 16). Unmittelbar darauf gab die BF jedoch an, nach ihrer Fahrt nach XXXX "sofort" zur Polizei gegangen zu sein (NSV, S. 17). Die BF konnte auch nicht nachvollziehbar darstellen, warum sie sich nicht an die lokalen Behörden in XXXX , sondern in XXXX gewandt hat. Die weiteren Angaben betreffend die Kontaktaufnahme zur Polizei in XXXX sind ebenfalls nicht schlüssig. So gab die BF in der mündlichen Verhandlung an, dass sie der Polizei gesagt habe, "dass es in XXXX so eine Organisation" gäbe (NSV, S. 15). Die Polizisten hätten sie daraufhin informiert, dass es sich bei der von ihr angegebenen Adresse des Bordells um einen offiziellen Massagesalon handle (NSV, S. 17). Es ist nicht verständlich, warum die BF eine Mafia-Organisation in der Provinz XXXX anzeigte, der Mafiaboss XXXX laut ihrer Aussage aber in XXXX lebte. Wie den unter Punkt II.1.3. wiedergegebenen Länderberichten entnehmbar ist, wird zudem die Zwangsprostitution im Herkunftsstaat geahndet.

Widersprüchlich und nicht nachvollziehbar waren auch die Angaben der BF zu dem "Massagesalon", in dem sie zwangsweise prostituiert worden sei. Auf Nachfrage präzisierte die BF in der mündlichen Verhandlung erstmals, dass dieser Massagesalon in der Provinz XXXX , Ort XXXX gelegen sei und " XXXX " heiße. Der Salon mache im Internet Werbung, weshalb er dort zu finden sein müsse. Den Namen des Eigentümers kenne sie nicht (NSV, S. 16). Zunächst ist nicht nachvollziehbar

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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