TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/5 98/19/0010

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Veröffentlicht am 05.06.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AufG 1992 §1 Abs3 Z1 idF 1995/351;
AufG 1992 §13 Abs2 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1997 §4 Z3;
FlKonv Art26;
FlKonv Art33;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1963 geborenen H D in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Dezember 1996, Zl. 108.466/3-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Dezember 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 und § 13 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe aufgrund seines Asylverfahrens nachweislich bis zum 12. Mai 1996 eine vorläufige Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich gehabt.

§ 13 Abs. 1 AufG sei jedoch schlüssig, gemäß § 13 Abs. 2 AufG, nicht für die in § 1 Abs. 3 AufG genannten Ansuchen von Fremden heranzuziehen. Gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG brauchten Fremde keine Bewilligung, wenn sie aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind. Schon aufgrund dieser eindeutigen gesetzlichen Determinierung sei der Antrag des Beschwerdeführers als Erstantrag zu kategorisieren und die im Gesetz hiefür vorgesehenen Bestimmungen anzuwenden gewesen. Demgemäß sei der Antrag sowohl formell als auch materiell nach den Bestimmungen des AufG zu prüfen gewesen. In formeller Hinsicht gelte für den Fall des Beschwerdeführers hinsichtlich der Antragstellung § 6 Abs. 2 erster Satz AufG, wonach der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen sei. Dies werde auch durch die Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts eindeutig bestätigt. Eine Antragstellung aus dem Inland sei nur im Falle des Verlustes (der Aberkennung) des Asyls oder in anderen gesetzlich exakt geregelten Fällen zulässig, von denen jedoch im vorliegenden Fall keiner anwendbar sei. Aufgrund dieses Sachverhaltes und wegen der Verfahrensvorschriften des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen. Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen sei nicht weiter einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluß vom 10. Oktober 1997, B 498/97-8, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese mit Beschluß vom 8. Jänner 1998, B 498/97-10, dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt. Er erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Er sei vietnamesischer Staatsangehöriger und am 8. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist. Am 12. September 1991 habe er die Gewährung von Asyl beantragt. Für die Dauer des Asylverfahrens sei ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Sinne des Asylgesetzes bis zum 12. Mai 1996 bescheinigt worden. Nach Beendigung des Asylverfahrens habe er einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom Inland aus gestellt. Die belangte Behörde übersehe, daß im Falle des Beschwerdeführers sehr wohl ausnahmsweise eine Antragstellung vom Inland aus zulässig sei, weil dies bereits im § 6 Abs. 2 AufG vorgesehen sei. Eine Antragstellung vom Inland aus dürfe nämlich ua. dann erfolgen, "wenn ua das Aufenthaltsrecht gemäß § 1 Abs 3 Z 1 leg cit vorliegt". Diese Bestimmung finde auf Fremde Anwendung, welche ihren Aufenthalt auf allgemein anerkannte Regeln des Völkerrechts stützen können. Dies sei beim Beschwerdeführer der Fall. Die vietnamesischen Behörden weigerten sich, ihm ein Reisedokument auszustellen, wodurch er "quasi de-facto staatenlos" sei und somit Österreich nicht verlassen könne. Im Sinne der allgemein anerkannten Grundsätze des Völkerrechts sei er aufgrund seiner faktischen Staatenlosigkeit daher im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufenthaltsberechtigt. Diese Regelung finde sich auch in § 4 der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 854/1995, wonach Personen einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung im Inland stellen können, wenn sie gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufenthaltsberechtigt gewesen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte nach dem Beschwerdevorbringen im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof am 17. Jänner 1997) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage in der Fassung der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.

Die §§ 1 Abs. 3 Z. 1, 6 Abs. 2 und 13 Abs. 1 und 2 AufG lauteten:

"§ 1.

...

(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie

1. aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages, unmittelbar anwendbarer Rechtsakte der Europäischen Union oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen;

...

§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

...

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 und Abs. 4 genannten Fremden keine Anwendung. Für diese kommt eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 in Betracht."

§ 4 Z. 3 der am 13. Dezember 1996 herausgegebenen Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

3. Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 des Aufenthaltsgesetzes aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrags aufenthaltsberechtigt sind oder waren, und

..."

Da der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG verfügte, wertete die belangte Behörde seinen Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag.

Auf der Grundlage der unbestrittenen Bescheidfeststellungen sowie des Beschwerdevorbringens schied allerdings auch die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften im Sinne des § 13 AufG aus. Unbestritten ist im vorliegenden Fall nämlich, daß der Beschwerdeführer bis zum Abschluß seines Asylverfahrens gemäß § 7 des Asylgesetzes 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war. Der Beschwerdeführer war daher als Person anzusehen, die aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war. Da jedoch § 13 Abs. 1 AufG gemäß § 13 Abs. 2 AufG auf die im § 1 Abs. 3 und 4 genannten Fremden - somit auch auf die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum Aufenthalt berechtigten Personen - keine Anwendung findet, kommt bei diesem Personenkreis eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nach § 13 Abs. 1 AufG nicht in Frage. Bei diesem Personenkreis kommt eine "Verlängerung" der Aufenthaltsberechtigung vielmehr nur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 AufG in Betracht.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht § 6 Abs. 2 AufG angewendet.

Da der Beschwerdeführer aber seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auch nach seinem eigenen Vorbringen aus dem Inland gestellt hat und das in § 6 Abs. 2 AufG normierte Erfordernis, einen Antrag vom Ausland aus zu stellen, nicht als bloße Formvorschrift zu werten ist, sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010 sowie Zl. 95/19/0895), wäre die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde nur dann zu Unrecht erfolgt, wenn der Beschwerdeführer zu jenem Personenkreis zählte, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Antragstellung im Inland berechtigt gewesen wäre. Das Beschwerdevorbringen bietet allerdings keinen Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer zu diesem begünstigten Personenkreis zählt.

Soweit der Beschwerdeführer nämlich annimmt, die ausnahmsweise Zulässigkeit einer Antragstellung im Inland ergebe sich in seinem Fall aus § 6 Abs. 2 AufG, weil er die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG erfülle, verkennt er den Inhalt des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG. Die Wortfolge "im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1" in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG erfaßt nur Fälle des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Verlustes (der Aberkennung) des Asyls oder des Verlustes eines Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG. Gerade der Verlust eines solchen Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG wird vom Beschwerdeführer aber nicht behauptet.

Die ausnahmsweise Antragstellung im Inland wäre für den Beschwerdeführer daher nur dann in Frage gekommen, wenn er gemäß § 4 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 707/1996 gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrags aufenthaltsberechtigt wäre oder gewesen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. März 1998, Zl. 95/19/1473, dargelegt hat, genießen asylberechtigte Fremde nicht gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufgrund eines Staatsvertrages in Österreich Niederlassungsfreiheit. Die in diesem Zusammenhang in Betracht zu ziehende Genfer Flüchtlingskonvention gewährt Flüchtlingen im Verständnis dieser Konvention nämlich kein Recht auf Niederlassungsfreiheit, also auf freie Wahl ihres Wohnortes. Nichts anderes gilt für sogenannte de-facto Staatenlose, zu denen nach seinem Beschwerdevorbringen auch der Beschwerdeführer zählt. Allgemein anerkannte Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrages, denen zufolge auch derartige Fremde in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen würden, sind entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht erkennbar. Solche anerkannte Regeln des Völkerrechts werden auch in der vom Beschwerdeführer zitierten Literatur (Schätzel/Veiter, Handbuch des internationalen Flüchtlingsrechts, 1960, Seite 135 ff) nicht als bestehend angenommen.

Zählte der Beschwerdeführer aber nach dem bisher Gesagten nicht zu dem Personenkreis, für den ausnahmsweise eine Antragstellung aus dem Inland zulässig war, kann die Abweisung seines entgegen § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestellten Antrages durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit seinem gesamten Vorbringen auseinanderzusetzen, ist er darauf hinzuweisen, daß sein Beschwerdevorbringen nicht geeignet ist aufzuzeigen, wie die belangte Behörde bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998190010.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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